Leitsatz
[1] Ein Kaufvertrag über den Erwerb eines Radarwarngeräts ist sittenwidrig, wenn der Kauf nach dem für beide Parteien erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des Radarwarngeräts im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet ist. Ein Anspruch auf Rückabwicklung eines solchen Vertrages steht dem Käufer nicht zu.
Gesetze: BGB § 138 Abs. 1 Ca; BGB § 817 Satz 2; StVO § 23 Abs. 1 b
Instanzenzug: LG Oldenburg vom AG Oldenburg
Tatbestand
Die Klägerin erwarb von der Beklagten am ein Radarwarngerät mit einer Basis-Codierung für Deutschland zu einem Preis von 1.059,08 €. Sie verlangt die Rückabwicklung des Kaufvertrages mit der Begründung, das Gerät funktioniere nicht; es habe an verschiedenen polizeilichen Radarmeßstellen im Bundesgebiet kein Warnsignal abgegeben. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Radarwarngeräts verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klägerin habe zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei sittenwidrig und daher gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Der Kauf eines Radarwarngeräts, das unter Verstoß gegen § 23 Abs. 1 b StVO dazu eingesetzt werden solle, sich bußgeldbewehrten Geschwindigkeitskontrollen dadurch wirksam zu entziehen, daß deren Standorte rechtzeitig vorher angezeigt werden, verstoße gegen die guten Sitten. Das Radarwarngerät habe nach dem von der Klägerin vorgesehenen Einsatz einzig dem Zweck gedient, vor Einrichtungen der Geschwindigkeitsüberwachung zu warnen und damit ein ordnungswidriges Verhalten zu fördern. Einem solchen Rechtsgeschäft, das den Interessen der Gemeinschaft an der Einhaltung der zur Sicherheit der Verkehrsteilnehmer angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkungen zuwiderlaufe, sei die rechtliche Anerkennung zu versagen.
Der Rückforderung des Kaufpreises nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB stehe jedoch § 817 Satz 2 BGB entgegen. Beide Parteien hätten durch den Abschluß des Vertrages gegen die guten Sitten verstoßen. Auch wenn die Beklagte gewußt habe, daß die Kaufverträge über die von ihr angebotenen Radarwarngeräte wegen Sittenwidrigkeit unwirksam seien und sie in Kenntnis dessen unter Berufung auf § 817 Satz 2 BGB wirtschaftlichen Vorteil aus den Verträgen ziehe, führe dies nicht zu einem Ausschluß der Vorschrift. Die Klägerin sei als Verwenderin des Gerätes von dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit des Geschäfts in gleicher Weise betroffen. Zwar schließe die Vorschrift die Rückforderung grundsätzlich nur bei einem vorsätzlichen Sittenverstoß aus. Indes stehe es vorsätzlichem Verhalten gleich, wenn sich der Leistende der Einsicht in die Sittenwidrigkeit leichtfertig verschließe. Die Klägerin habe den mit dem Erwerb des Geräts verfolgten Zweck und damit die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gekannt. Darauf, ob sie selbst daraus den Schluß auf die Sittenwidrigkeit gezogen habe, komme es nicht an.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand, so daß die Revision der Klägerin zurückzuweisen ist.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, weil er gegen die guten Sitten verstößt. Verträge über den Kauf von Radarwarngeräten werden in der Rechtsprechung und im Schrifttum nahezu einhellig als sittenwidrig angesehen (LG Bonn, NJW 1998, 2681; LG München I, NJW-RR 1997, 307; LG Stuttgart, NJW-RR 2004, 57; AG Neukölln, NJW 1995, 2173; Möller, NZV 2000, 115, 117; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 138 Rdnr. 42; Schneider, MDR 2000, 189, 191; Staudinger/Sack, BGB (2003), § 138 Rdnr. 495; a.A. LG München I, NJW 1999, 2600). Dies ist jedenfalls dann zutreffend, wenn der Kauf - wie im vorliegenden Fall - nach dem für beide Parteien erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des Radarwarngeräts im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet ist.
a) Sittenwidrig können nach der Rechtsprechung auch Geschäfte sein, durch die Dritte gefährdet oder geschädigt werden oder die in krassem Widerspruch zum Gemeinwohl stehen (Senatsurteil vom - VIII ZR 310/88, NJW 1990, 567 unter B I 1 a bb, insoweit in BGHZ 109, 314 nicht abgedruckt). Voraussetzung dafür ist, daß alle an dem Geschäft Beteiligten sittenwidrig handeln, also die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, kennen oder sich zumindest ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen (Senat, aaO; Senatsurteil vom - VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310 unter I 1 a). Die Sittenwidrigkeit kann sich auch aus den Begleitumständen des Geschäfts, insbesondere den zugrundeliegenden Motiven und den verfolgten Zwecken ergeben (vgl. - zur Förderung einer Straftat - , WM 1990, 799 unter 1; Urteil vom - II ZR 21/70, DB 1971, 39; Urteil vom - VI ZR 162/89, WM 1990, 1324 unter II 1 b).
b) Der vorliegende Kaufvertrag verstößt nach diesen Grundsätzen gegen die guten Sitten, weil er, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, auf die Begehung eines ordnungswidrigen Verhaltens im Straßenverkehr gerichtet ist, das im Interesse der Verkehrssicherheit in Deutschland verboten ist. Einem solchen Rechtsgeschäft, das - für beide Seiten erkennbar - dem Gemeinwohlinteresse an der Sicherheit im Straßenverkehr zuwiderläuft, ist die rechtliche Anerkennung zu versagen.
aa) Nach der am in Kraft getretenen Vorschrift des § 23 Abs. 1 b StVO ist es dem Führer eines Kraftfahrzeugs untersagt, ein technisches Gerät zu betreiben oder betriebsbereit mitzuführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören (Satz 1); nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies insbesondere für Geräte zur Anzeige oder Störung von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte). Der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß gegen diese Bestimmung ist gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG und kann mit einer Geldbuße und der Anordnung eines Fahrverbots geahndet werden (§§ 24 Abs. 2, 25 StVG).
Dieses Verbot zur Verwendung technischer Einrichtungen in Kraftfahrzeugen, die dazu bestimmt sind, die Verkehrsüberwachung zu beeinträchtigen, dient der Erhöhung der Verkehrssicherheit (BR-Drucks. 751/01, S. 5). Die Neuregelung soll zur Sicherung einer erfolgreichen Bekämpfung von Geschwindigkeitsverstößen und anderen Verkehrszuwiderhandlungen beitragen und verhindern, daß sich Kraftfahrer durch technische Vorkehrungen im Kraftfahrzeug Maßnahmen der Verkehrsüberwachung entziehen können (aaO). Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß die Verwendung eines Radarwarngeräts geeignet ist, die präventive Wirkung drohender Geschwindigkeitskontrollen zu unterlaufen und dadurch risikolose Geschwindigkeitsübertretungen mit erhöhten Gefahren für Leib und Leben Dritter zu fördern.
bb) Der Kauf eines Radarwarngeräts, das - wie im vorliegenden Fall - aufgrund seiner Codierung zum Einsatz im deutschen Straßenverkehr bestimmt ist, dient der Begehung eines nach § 23 Abs. 1 b StVO ordnungswidrigen Verhaltens, durch das Geschwindigkeitskontrollen unterlaufen und Geschwindigkeitsübertretungen mit den damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben Dritter begünstigt werden. Ein solches Rechtsgeschäft, das letztlich darauf gerichtet ist, die Sicherheit im Straßenverkehr zu beeinträchtigen, verstößt gegen die guten Sitten und ist deshalb von der Rechtsordnung nicht zu billigen (§ 138 Abs. 1 BGB). Zwar untersagt § 23 Abs. 1 b StVO nicht schon den Erwerb eines Radarwarngeräts, sondern erst dessen Betrieb oder betriebsbereites Mitführen im Kraftfahrzeug. Jedoch ist der Erwerb des Geräts eine unmittelbare Vorbereitungshandlung für dessen Betrieb, wenn das Gerät - wie im vorliegenden Fall - für den Betrieb im deutschen Straßenverkehr erworben wird. Deshalb ist bereits ein solcher Erwerb rechtlich zu mißbilligen.
Eine andere Bewertung folgt nicht aus dem Umstand, daß Kraftfahrzeugführer gelegentlich auch im Rundfunk vor "Radarfallen" und "Blitzern" gewarnt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob gegen diese Praxis rechtliche Bedenken bestehen (kritisch hierzu Albrecht, aaO, 250). Durch die Bekanntgabe des Standorts einzelner Geschwindigkeitskontrollen im Rundfunk läuft die Verbotsnorm des § 23 Abs. 1 b StVO nicht ins Leere. Denn dadurch wird dem Fahrzeugführer - anders als durch ein mitgeführtes Radarwarngerät - jedenfalls nicht das Gefühl vermittelt, er könne jederzeit und überall eine Radarkontrolle rechtzeitig erkennen und deshalb insoweit risikolos die Geschwindigkeit überschreiten (LG Bonn, aaO; Möller, aaO, 117; vgl. auch Albrecht, aaO).
2. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, daß die Klägerin den zur Erfüllung des nichtigen Vertrags geleisteten Kaufpreis nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zurückverlangen kann. Der Rückforderungsanspruch ist nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil - wie dargelegt - beiden Parteien ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt (vgl. auch LG Bonn, aaO, 2682; LG München I, NJW-RR 1997, 307; Möller, aaO; Schneider, aaO; anders LG Stuttgart, aaO; LG München I, NJW 1999, 2600, 2601).
a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die subjektiven Anforderungen an die Erfüllung dieses Ausnahmetatbestandes nicht verkannt. Zwar schließt § 817 Satz 2 BGB die Rückforderung grundsätzlich nur bei einem bewußten Sittenverstoß aus; jedoch steht es vorsätzlichem Handeln gleich, wenn der Leistende sich der Einsicht in die Sittenwidrigkeit seines Handelns leichtfertig verschließt (Senatsurteil vom , aaO, unter II 1). Daß diese Voraussetzung bei der Klägerin vorlag, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt; dies wird von der Revision auch nicht angegriffen.
b) Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, der Rückforderungsausschluß nach § 817 Satz 2 BGB sei im vorliegenden Fall mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht vereinbar. Der Ausschluß des Rückforderungsanspruchs der Klägerin ist - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Beklagte infolge der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB aus dem sittenwidrigen Vertrieb von Radarwarngeräten wirtschaftliche Vorteile zieht - nicht unbillig. Denn die Klägerin handelte ebenfalls sittenwidrig und steht dem verbotenen Verhalten noch näher als die Beklagte, weil sie das Radarwarngerät zu dem Zweck erwarb, es entgegen dem Verbot des § 23 Abs. 1 b StVO zu verwenden. Beide Parteien verdienen daher im Hinblick auf das sittenwidrige Geschäft nicht den Schutz der Rechtsordnung. Es hat deshalb dabei zu bleiben, daß die in § 817 Satz 2 BGB geregelte Rechtsschutzverweigerung grundsätzlich die Vertragspartei trifft, die aus dem sittenwidrigen Geschäft Ansprüche herleitet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2005 S. 1680 Nr. 31
DAAAC-04024
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja