Zustellung durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis
Das VwZG ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom (BGBl 2005 I S. 2354; BStBl 2005 I S. 855 (Auszug) mit Wirkung zum neu gefasst worden. Rechtsgrundlage für die Zustellung durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis ist § 5 VwZG.
2. Zustellung durch Bedienstete der Finanzbehörde (§ 5 Abs. 1 VwZG)
2.1 Allgemeines
Bei der Zustellung nach § 5 Abs. 1 VwZG ist dem Empfänger das zuzustellende Dokument grundsätzlich in einem verschlossenen Umschlag zu übergeben (§ 5 Abs. 1 Satz 1 VwZG). Die Regelung soll verhindern, dass ein mit der Zustellung beauftragter Behördenbediensteter, der ansonsten nicht am Verfahren beteiligt ist, Kenntnis vom Inhalt des Dokuments erhält; sie dient dem Datenschutz bzw. der Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO).
In den Fällen, in denen der fachlich zuständige Bedienstete selbst – etwa beim Erscheinen des Empfängers in den Diensträumen – das Dokument übergibt, kann eine Kuvertierung entfallen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 VwZG). Eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Empfängers durch die „offene” Zustellung ist in einem solchen Fall ausgeschlossen.
Der Empfänger hat ein mit dem Datum der Aushändigung versehenes Empfangsbekenntnis – Vordruck AO (S) 29 – zu unterschreiben (§ 5 Abs. 1 Satz 3 VwZG). Der Bedienstete vermerkt das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des auszuhändigenden Dokuments oder bei offener Aushändigung auf dem Dokument selbst (§ 5 Abs. 1 Satz 4 VwZG).
Von der Möglichkeit der Zustellung nach § 5 Abs. 1 VwZG kann – als kostengünstige Alternative zur Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde nach § 3 VwZG – z. B. bei der Zustellung von Pfändungsverfügungen (§ 309 AO) Gebrauch gemacht werden; dies gilt insbesondere dann, wenn der Drittschuldner (z. B. ein Kreditinstitut) seinen Sitz am Ort des Behördensitzes hat oder dem Drittschuldner gleichzeitig eine Mehrzahl von Pfändungsverfügungen zuzustellen ist.
2.2 Ersatzzustellung
Gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 VwZG sind bei der Zustellung nach § 5 Abs. 1 VwZG die §§ 177 bis 181 ZPO anzuwenden. Hieraus ergibt sich u. a. Folgendes:
2.2.1 Ersatzzustellung in der Wohnung, in Geschäftsräumen und Einrichtungen (§ 178 ZPO)
Wird der Zustellungsempfänger in seiner Wohnung, im Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der er wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zugestellt werden
in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner (§ 178 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO),
in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) oder
in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter (§ 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).
Das Empfangsbekenntnis – Vordruck AO S (29) – ist vom Ersatzempfänger zu unterschreiben.
Zum Nachweis der Zustellung ist der Grund, der diese Art der Zustellung rechtfertigt, in den Akten zu vermerken (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VwZG).
2.2.2 Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten (§ 180 ZPO)
Ist die Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (in der Wohnung) oder nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (in Geschäftsräumen) nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat (§ 180 Satz 1 ZPO). Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Der Behördenbedienstete hat auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung zu vermerken (§ 180 Satz 3 ZPO).
Zum Nachweis der Zustellung ist gem. § 5 Abs. 2 Nr. 3 VwZG in den Akten zu vermerken:
der Grund der Ersatzzustellung und
wann und wo das Dokument in einen Briefkasten eingelegt wurde.
2.2.3 Ersatzzustellung durch Niederlegung (§ 181 ZPO)
Ist die Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 (in Gemeinschaftseinrichtungen) oder § 180 ZPO (Einlegen in den Briefkasten) nicht ausführbar, kann das zuzustellende Dokument bei der Behörde, die den Zustellungsauftrag erteilt hat, niedergelegt werden, wenn diese Behörde ihren Sitz am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts hat, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt (§ 5 Abs. 2 Satz 3 VwZG). Die Niederlegung des Dokuments auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, ist – abweichend von § 181 Abs. 1 Satz 1 ZPO – nicht zulässig; insoweit ist § 5 Abs. 2 Satz 3 VwZG lex specialis zu § 181 Abs. 1 ZPO. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 3 VwZG nicht erfüllt, ist die Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Behörde im Rahmen des § 5 Abs. 2 VwZG nicht möglich.
Über die Niederlegung ist eine schriftliche Mitteilung auf dem vorgesehenen Formular unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn das nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften (§ 181 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Das Schriftstück gilt mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt (§ 181 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Der Behördenbedienstete hat das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken (§ 180 Abs. 1 Satz 5 ZPO).
Für die beim Zustellungsempfänger zu hinterlassene Anzeige über die Niederlegung ist der Vordruck AO S 29b zu verwenden.
Zum Nachweis der Zustellung ist gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwZG in den Akten zu vermerken:
der Grund der Ersatzzustellung,
wann und wo das Dokument niedergelegt wurde und
in welcher Weise die Niederlegung schriftlich mitgeteilt wurde.
Soll von der Ersatzzustellung durch Niederlegung beim Finanzamt Gebrauch gemacht werden, bittet die OFD das Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Finanzamts niederzulegen. Das niedergelegte Schriftstück ist dort drei Monate zur Abholung bereitzuhalten (§ 181 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Nicht abgeholte Schriftstücke sind danach an den Arbeitsbereich zurückzugeben, der die Zustellung angeordnet hat (z. B. bei Pfändungsverfügungen an die Vollstreckungsstelle), § 181 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
2.2.4 Zustellung bei verweigerter Annahme (§ 179 ZPO)
Wird die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks unberechtigt verweigert, so ist das Schriftstück in der Wohnung oder in dem Geschäftsraum zurückzulassen (§ 179 Satz 1 ZPO). Hat der Zustellungsadressat keine Wohnung oder ist kein Geschäftsraum vorhanden, ist das zuzustellende Schriftstück zurückzusenden (§ 179 Satz 2 ZPO). Mit der Annahmeverweigerung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 179 Satz 3 ZPO).
Zum Nachweis der Zustellung ist gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwZG in den Akten zu vermerken:
wer die Annahme verweigert hat,
dass das Dokument am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde sowie
der Zeitpunkt und der Ort der verweigerten Annahme.
Hierfür ist der Vordruck AO (S) 29c zu verwenden.
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Zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Wirksamkeit der Zustellung bittet die OFD von der Möglichkeit der Zustellung nach § 179 ZPO nur dann Gebrauch zu machen, wenn der mit der Zustellung beauftragte Bedienstete des Finanzamts davon überzeugt ist, dass der Zustellungsadressat die Annahme unberechtigt verweigert. Bestehen insoweit Zweifel, hat der Bedienstete das zuzustellende Schriftstück an den anordnenden Arbeitsbereich des Finanzamts zurückzugeben. Dieser Arbeitsbereich entscheidet dann, ob die Zustellung auf andere Weise – z. B. durch Zustellung mit Zustellungsurkunde (§ 3 VwZG) – vorzunehmen ist. |
2.3 Zustellung zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen (§ 5 Abs. 3 VwZG)
In § 5 Abs. 3 VwZG n. F. finden sich die bisher in § 12 VwZG a. F. geregelten Bestimmungen für die Zustellung nach § 5 Abs. 1 VwZG zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen. Die Neufestlegung der Nachtzeit – das sind die Stunden von 21.00 bis 6.00 Uhr – entspricht heutigen Lebensgewohnheiten und der Festsetzung in § 758a Abs. 4 ZPO.
3. Zustellung auf andere Weise (§ 5 Abs. 4 VwZG)
3.1 Empfängerkreis
Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 VwZG ist eine vereinfachte Zustellung – z. B. durch einfachen Brief gegen Empfangsbekenntnis – an einen bestimmten Empfängerkreis möglich, und zwar an Behörden, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberatungsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften. Eine derartige Zustellung an andere Personen (z. B. Lohnsteuerhilfevereine) ist nicht möglich.
Ein in der Praxis bedeutsamer Anwendungsfall für die Zustellung nach § 5 Abs. 4 VwZG ist die Zustellung von Pfändungsverfügungen (§ 309 AO) an Drittschuldner, die Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts sind, also z. B. an Sparkassen. An Drittschuldner, die nicht zum Adressatenkreis des § 5 Abs. 4 VwZG gehören, also z. B. an Kreditinstitute in der Rechtsform einer GmbH oder AG, darf nicht nach § 5 Abs. 4 VwZG zugestellt werden; in diesen Fällen ist entweder nach § 5 Abs. 1 VwZG oder nach § 3 VwZG zuzustellen.
Zum Nachweis der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis, das an die Behörde zurückzusenden ist (§ 5 Abs. 4 Satz 2 VwZG).
Ist ein Schriftstück in der Form des § 5 Abs. 4 VwZG übersandt worden, obwohl die Voraussetzungen für eine vereinfachte Zustellung nach dieser Vorschrift nicht gegeben ist, so liegt zwar ein Bekanntgabemangel vor, der jedoch unter den Voraussetzungen des § 8 VwZG geheilt werden kann. Danach gilt ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung nicht nachgewiesen ist oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Bestreitet der Empfangsberechtigte den Zugang, hat das Finanzamt den Nachweis des Zugangs nach den Regeln des Indizienbeweises zu führen ( BStBl 1989 II S. 534). Ist dies nicht möglich, muss die Zustellung wiederholt werden.
3.2 Vollzug der Zustellung
Die Zustellung ist bewirkt, wenn der Empfänger vom Zugang (nicht von dem Inhalt) des Schriftstücks tatsächlich Kenntnis erlangt und daraufhin den Willen bekundet, die Zustellung entgegenzunehmen. Daraus ergibt sich, dass im Falle der Zustellung nach § 5 Abs. 4 VwZG eine Ersatzzustellung, eine Niederlegung oder eine Zustellung trotz Verweigerung der Annahme nicht möglich ist.
Das Empfangsbekenntnis begründet vollen Beweis des Zeitpunkts der Zustellung. Gegenbeweis ist zulässig, jedoch genügt Glaubhaftmachung nicht ( BStBl 1990 II S. 477; BFH/NV 1997, 459). Als Gegenbeweis ist auch nicht der Eingangsstempel des Zustellungsempfängers ausreichend, da dieser nach dem Zeitpunkt der Zustellung angebracht worden sein kann ( BFH/NV 1997, 500).
Als Nachweis der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift versehene und an die Finanzbehörde zurückzusendende Empfangsbekenntnis. Dabei ist grundsätzlich ohne nähere Prüfung davon auszugehen, dass die Zustellung an dem vom Empfänger bescheinigten Tag bewirkt worden ist. Fehlt die Angabe über das Empfangsdatum, so ist dies für die Rechtswirksamkeit der Zustellung unschädlich. Maßgeblich für den durch die Zustellung ausgelösten Beginn einer Frist ist der Zeitpunkt, in dem der Empfänger das Schriftstück als zugestellt entgegengenommen hat ( BStBl 1983 II S. 63).
3.3 Vordruck
Für das Empfangsbekenntnis ist der Vordruck AO (S) 29a (Postkarte Format DIN C 6) zu verwenden. Der weitgehend ausgefüllte, für die Rücksendung ausreichend frankierte Vordruck ist dem Empfänger zusammen mit dem zuzustellenden Schriftstück mit einfachem Brief zu übersenden. Der Empfänger kann den Empfang des Schriftstücks nicht nur durch Rücksendung des Empfangsbekenntnisses, sondern auch auf andere Weise (z. B. in einem Schreiben) bestätigen ( BStBl 1990 II S. 477).
3.4 Rücklaufüberwachung
Den Rücklauf des Empfangsbekenntnisses bittet die OFD in geeigneter Weise zu überwachen. Wird das Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt, so bittet die OFD den Zustellungsempfänger schriftlich mit dem Vordruck AO S (29) e an die Rückgabe zu erinnern.
Steht fest, dass der Empfänger das Schriftstück erhalten hat, gibt er das Empfangsbekenntnis jedoch nicht zurück und äußert er sich hierzu trotz Erinnerung nicht, so ist derjenige Tag als Tag der Zustellung anzusehen, an dem das Schriftstück nach normalem Verlauf der Dinge erstmals in die Hände des Empfängers gelangt sein konnte ( BFH/NV 1987, 103 und BStBl 1990 II S. 477). Dies ist bei normalem Geschehensverlauf spätestens am dritten Tag nach der Aufgabe des Schriftstücks zur Post der Fall ( BFH/NV 2002, 212). Ist dagegen bei Fehlen des Empfangsbekenntnisses nicht nachweisbar, dass der Empfänger die Sendung tatsächlich erhalten hat, ist die Zustellung unwirksam und zu wiederholen. Die Zustellung kann selbst dann nicht in eine Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO umgedeutet werden, wenn eine einfache Bekanntgabe ausgereicht hätte ( BStBl 1994 S. 603).
Bei Bevollmächtigten, die das Empfangsbekenntnis trotz Erinnerung nicht zurücksenden oder in ihm ein offensichtlich unrichtiges Empfangsdatum angeben, um z. B. das Ende der Rechtsbehelfsfrist hinauszuschieben, sind weitere Schriftstücke grundsätzlich durch eingeschriebenen Brief (§ 4 VwZG) oder ggf. mit Postzustellungsurkunde (§ 3 VwZG) zuzustellen.
OFD Hannover v. - S 0284 - 72 - StO 143
Fundstelle(n):
WAAAC-03841