BGH Beschluss v. - VIII ZB 144/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: -

Instanzenzug: LG Wuppertal vom

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das ihnen am zugestellte Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom ist beim Landgericht Wuppertal am eingegangen. Mit am eingegangenem Schriftsatz haben die Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt und hierzu vorgetragen und glaubhaft gemacht:

Die Fristversäumung beruhe auf einem Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten. Dieser habe der Rechtsanwaltsfachangestellten N. W. am Abend des die unterzeichnete Berufungsschrift samt beigefügtem Fristenkontrollzettel mit der Anweisung übergeben, die Berufungsschrift fristgerecht am folgenden Tag beim Landgericht Wuppertal einzureichen. N. W. habe am nächsten Tag der Auszubildenden M. N. die Berufungsschrift und den Fristenkontrollzettel übergeben und diese beauftragt, die Schriftstücke beim Landgericht Wuppertal abzugeben und sich dies bestätigen zu lassen. Irrtümlich habe M. N. das Schriftstück jedoch beim Amtsgericht Wuppertal abgegeben und sich dort den Empfang bestätigen lassen. Die Rechtsanwaltsfachangestellte W. habe den Fristenkontrollzettel von der Auszubildenden erhalten, dabei aber übersehen, daß der Eingang der Berufungsschrift vom Amtsgericht Wuppertal bestätigt worden sei. N. W. sei eine erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte, die seit vielen Jahren in der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten als Bürovorsteherin völlig fehlerfrei arbeite.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen und deren Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Aus dem Tatsachenvortrag der Beklagten ergebe sich nicht, daß sie ohne Verschulden die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt hätten. Einem Rechtsanwalt, dessen Verschulden der Partei anzurechnen sei, obliege es auch, sein Personal hinsichtlich Eignung und Zuverlässigkeit regelmäßig zu überwachen. Daß die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ihrer regelmäßigen Überwachungspflicht bezüglich der Bürovorsteherin N. W. nachgekommen seien, vermöge die Kammer nicht festzustellen. Weder hätten die Beklagten vorgetragen, in welchen Abständen ihre Prozeßbevollmächtigten das Büropersonal, insbesondere was zurückgereichte Fristenkontrollzettel bei einzuhaltenden Notfristen anbelange, kontrolliert hätten, noch, wann dies genau in letzter Zeit in welcher Art und Weise mit welchem Ergebnis geschehen sei.

Gegen den ihren Prozeßbevollmächtigten am zugestellten Beschluß haben die Beklagten am Rechtsbeschwerde eingelegt, die sie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für zulässig erachten.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO).

Sie ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig, weil das Berufungsgericht seiner Entscheidung einen zu strengen Sorgfaltsmaßstab zugrunde gelegt und die besonderen Umstände des Falles nicht hinreichend berücksichtigt hat. Das Berufungsgericht hat mit der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags der Beklagten den Zugang zu der ihnen nach dem Verfahrensrecht eingeräumten Berufungsinstanz in unzumutbarer und aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (vgl. auch , NJW 2003, 437 unter II 3 b).

2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, die Fristversäumung sei auf mangelnde Überwachung des Personals der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zurückzuführen. Die Auszubildende M. N. war nach dem glaubhaft gemachten Sachvortrag konkret angewiesen worden, die Berufungsschrift beim Landgericht und nicht, wie geschehen, beim Amtsgericht abzugeben. Bei Befolgung der Anweisung wäre die Frist gewahrt worden. Die vom Berufungsgericht vermißte Überwachung der Bürovorsteherin, einer langjährig erfahrenen Mitarbeiterin, ist für den Erfolg der Rechtsbeschwerde ohne Bedeutung, auch wenn insoweit ein Fehlverhalten der Prozeßbevollmächtigten anzunehmen wäre. Bei dem von der Bürovorsteherin begangenen Sorgfaltsverstoß handelt es sich um menschliches Fehlverhalten, welches bei zuverlässigem Personal auch durch regelmäßige Überprüfung und Unterrichtung nicht auszuschließen ist. Ein Verschulden des Personals des Prozeßbevollmächtigten ist jedoch der Partei nicht anzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO).

Ob die Berufungsbegründungsfrist eingehalten worden ist, wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des noch nicht beschiedenen Fristverlängerungsantrags zu prüfen haben.

Fundstelle(n):
TAAAC-03735

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein