BGH Beschluss v. - VIII ZB 124/03

Leitsatz

[1] Der Wert einer Klage auf Herausgabe eines Vollstreckungstitels ist gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich ist das Interesse des Klägers an dem Besitz des Titels, das bei Vorliegen eines die Zwangsvollstreckung aus dem Titel gemäß § 767 ZPO für unzulässig erklärenden Urteils darauf gerichtet ist, einen Mißbrauch des Titels durch den Gläubiger zu verhindern, und unter Umständen nicht zusätzlich wertmäßig ins Gewicht fallen kann.

Gesetze: ZPO § 3

Instanzenzug: AG Tempelhof-Kreuzberg

Gründe

I.

Der Kläger ist gegenüber den Beklagten nach einem Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts Tempelhof/Kreuzberg vom zur Zahlung von 507,75 € nebst Zinsen verpflichtet. Mit Schreiben seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom erklärte er gegenüber dieser Forderung die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Mietnachzahlung für die Zeit von Januar bis September 2001 in Höhe von 9 x 127,68 DM = 1.149,12 DM = 587,54 €. Mit seiner im September 2002 erhobenen Klage hat er unter Hinweis auf diese Aufrechnung begehrt, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß für unzulässig zu erklären und die Beklagten zu verurteilen, den Titel an ihn herauszugeben.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt hat, hat das als unzulässig verworfen mit der Begründung, die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer von über 600 € sei nicht erreicht. Zu berücksichtigen sei neben der titulierten Forderung in Höhe von 507,75 €, deren Beitreibung im Wege der Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt werden solle, lediglich eine hilfsweise Aufrechnung mit dem die titulierte Forderung übersteigenden Betrag der Gegenforderung von 79,79 €. Das Begehren auf Herausgabe des Titels stelle bei einer Vollstreckungsabwehrklage nur einen Annex und keine selbständige Beschwer dar. Ein Mißbrauch des Titels wäre - so das Landgericht - nach der Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung nicht zu befürchten, weil das Urteil nach § 767 ZPO dem dennoch vollstreckenden Gläubiger ohne weiteres entgegengehalten werden könne.

Gegen diesen ihm am zugestellten Beschluß wendet sich der Kläger mit seiner am eingegangenen und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum an diesem Tag begründeten Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

1. Die Rechtssache hat entgegen der Auffassung des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die vom Kläger als entscheidungserheblich angesehene Rechtsfrage, welche Beschwer die Abweisung einer neben einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO erhobenen Klage auf Herausgabe eines Vollstreckungstitels begründet, ist höchstrichterlich bereits geklärt. Nach dem , FamRZ 1992, 169) ist der Wert einer Klage auf Herausgabe von gerichtlichen Urteilen wie allgemein von Urkunden, deren Besitz nicht unmittelbar den Wert eines Rechtes verkörpert, gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich ist das Interesse des Schuldners an dem Besitz des Vollstreckungstitels, das nach einer erfolgreichen Vollstreckungsabwehrklage darauf gerichtet ist, einen Mißbrauch des Titels durch den Gläubiger zu verhindern. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Herausgabeklage erst nach Erlaß eines Urteils, durch das die Vollstreckung für unzulässig erklärt worden ist, oder gleichzeitig mit der Vollstreckungsabwehrklage erhoben wird. Die Bewertung des Herausgabeverlangens muß um so niedriger ausfallen, je geringer die Gefahr eines Mißbrauchs des Titels im Einzelfall ist (BGH aaO).

2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

a) Der Kläger beruft sich zur Begründung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung auf eine Divergenz zu dem , BGHZ 127, 146, 148/149). Eine die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfüllende Abweichung liegt indes nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz der Vergleichsentscheidung abweicht (, NJW 2002, 2473 unter II 2 c aa). Das ist hier nicht der Fall.

In seinem hat der Bundesgerichtshof ein Rechtsschutzbedürfnis für eine auf § 371 BGB gestützte Klage auf Herausgabe eines Urteils bejaht mit der Begründung, die materiellrechtliche Herausgabeklage gehe über die Wirkung des § 767 ZPO hinaus, weil sie den Gläubiger jeder Möglichkeit beraube, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, während das der Vollstreckungsgegenklage stattgebende Urteil nur über § 775 Abs. 1 ZPO zur Einstellung der Zwangsvollstreckung führe. Entsprechende Belege müsse der Schuldner aufbewahren und dem Vollstreckungsorgan vorlegen, falls der Titelgläubiger gleichwohl vollstrecke. Das sei für den Schuldner mit gewissen Unbequemlichkeiten und Unsicherheiten verbunden, die im zuerst genannten Fall ausblieben. Damit ist nichts über den - eigenständigen - Wert der Herausgabeklage gesagt, der sich nach dem oben (unter 1) Ausgeführten nach dem Interesse des Schuldners an dem Besitz des Titels bemißt, welches durch das Risiko eines Mißbrauchs des Titels durch den Gläubiger bestimmt wird. Von diesen Grundsätzen weicht die angefochtene Entscheidung nicht ab. Das Landgericht ist bei seiner Bewertung des Herausgabeantrags in Übereinstimmung mit dem (aaO) von dem Mißbrauchsrisiko ausgegangen und zu der Einschätzung gelangt, die Gefahr eines Mißbrauchs des Vollstreckungstitels durch die Beklagten sei im konkreten Fall bei Vorliegen eines die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärenden Urteils nach § 767 ZPO zu vernachlässigen, so daß die Beschwer des Klägers insgesamt 600 € nicht übersteige.

b) Die Festsetzung eines in Ausübung des Ermessens gemäß § 3 ZPO konkret bestimmten Wertes kann der Senat nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat ( aaO). Ermessensfehler des Berufungsgerichts bei der Bewertung des Risikos eines Mißbrauchs des Titels durch den Beklagten macht der Kläger mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend. Er zeigt deshalb auch keinen Rechtsfehler auf, der - sei es wegen einer drohenden Wiederholungsgefahr, sei es wegen einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Klägers auf rechtliches Gehör - zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern könnte.

Die Kostentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
MAAAC-03720

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein