Leitsatz
[1] Die Vereinbarung der Bauvertragsparteien über die Anrufung der VOB-Schiedsstelle beim Innenministerium kann zur Hemmung der Verjährung führen.
Instanzenzug: OLG Schleswig LG Lübeck
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen Behinderung der Bauausführung nach § 6 Nr. 6 VOB/B.
Die Beklagte hatte die Firma F. am mit Bauarbeiten an ihrer Gesamtschule beauftragt. Die Geltung der VOB/B war vereinbart. Nach Ziff. 32.2 der ZVB wirkt eine Abtretung von Forderungen des Auftragnehmers dem Auftraggeber gegenüber unter anderem erst dann, wenn sie diesem vom alten Gläubiger (Auftragnehmer) und vom neuen Gläubiger schriftlich angezeigt worden ist.
Die Arbeiten wurden im Jahre 1995 fertiggestellt und abgenommen. Die Schlußrechnung der Firma F. vom belief sich auf einen Betrag von rund 7,7 Mio. DM brutto. Zusätzlich lastete die Firma F. der Beklagten "Mehrkosten aus Bauzeitverlängerung" und "Zusatzkosten aus Störfaktoren" in Höhe von insgesamt 865.170,77 DM brutto an. Ein Verfahren vor der VOB-Schiedsstelle des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein verlief insoweit ergebnislos. Im März 1998 trat die Firma F. diese Forderung an die Klägerin ab.
Die Klägerin hat einen Mahnbescheid erwirkt, der der Beklagten am zugestellt worden ist. Nach Widerspruch ist die Anspruchsbegründung am bei Gericht eingegangen und der Beklagten zusammen mit der Abtretungsvereinbarung und einer Mitteilung über die Abtretung am zugestellt worden.
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in NJW-RR 2001, 819 veröffentlicht ist, hält die Klageforderung für verjährt. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, für die Forderung der Klägerin gelte die zweijährige Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Diese habe mit Ablauf des Jahres 1996 gemäß § 201 Satz 1 BGB begonnen.
Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Verjährungsfrist endete somit bei regelrechtem Verlauf am .
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, eine Unterbrechung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids bzw. der Anspruchsbegründung setze voraus, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Zustellung berechtigt gewesen sei, die Forderung geltend zu machen (vgl. Urteile vom - IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 3, 4 und vom - VI ZR 101/98, BGHR BGB § 209 Abs. 1, Berechtigter 1 = NJW 1999, 2110, 2111).
3. Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin sei erst am nach Ablauf der Verjährungsfrist Berechtigte hinsichtlich der Klageforderung geworden. Erst an diesem Tag sei der Beklagten entsprechend Ziff. 32.2 ZVB die Mitteilung über die Abtretung zugegangen. Das in dieser Vertragsbestimmung enthaltene eingeschränkte Abtretungsverbot sei wirksam vereinbart worden. Die Abtretung sei auch nicht gemäß § 354 a HGB von Anfang an wirksam gewesen. Denn diese Norm erfasse den vorliegenden Fall weder tatbestandlich noch zeitlich.
4. Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob § 354 a HGB anwendbar ist, denn die Verjährung war aufgrund eines zwischen der Firma F. und der Beklagten getroffenen Stillhalteabkommens (pactum de non petendo) gemäß § 202 Abs. 1 BGB gehemmt. Hierauf weist die Revision zu Recht hin. Den entsprechenden unstreitigen Vortrag der Parteien hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt.
a) Ein die Verjährung nach § 202 Abs. 1 BGB hemmendes Stillhalteabkommen, das auch stillschweigend getroffen werden kann, ist dann anzunehmen, wenn der Schuldner aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung berechtigt sein soll, vorübergehend die Leistung zu verweigern und der Gläubiger sich umgekehrt der Möglichkeit begeben hat, seine Ansprüche jederzeit weiterzuverfolgen (, NJW 2000, 2661, 2662). Ein Ziel des Stillhalteabkommens ist es, eine gerichtliche Auseinandersetzung über eine strittige Forderung einstweilen zu verhindern (MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl., § 202 Rdn. 6).
b) Die Vereinbarung der Firma F. und der Beklagten über die Anrufung der Schiedsstelle beim Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein ist ein Stillhalteabkommen.
Am fand eine Besprechung statt, die dazu dienen sollte, hinsichtlich der strittigen Positionen der Schlußrechnung "einen Konsens zu finden, um langjährige und kostenträchtige gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden". Es wurde beschlossen, die Möglichkeit einer Vorlage zur VOB-Schiedsstelle des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein abzuklären. Auch wenn sich keine Partei dem Bescheid unterwerfen müsse, sei zumindest "dann die Berechtigung der Ansprüche beziehungsweise Standpunkte geklärt". Dementsprechend wandte sich die Firma F. mit Schreiben vom an die genannte Stelle "als Nachprüfstelle im Sinne des VOB/B § 18 Nr. 2". Am fand ein Erörterungstermin mit allen Beteiligten statt. Mit Schreiben vom unterbreitete der Vorsitzende einen Schlichtungsvorschlag. Dieser wurde zum Teil akzeptiert. Hinsichtlich der der Klageforderung zugrundeliegenden Positionen erhob die Firma F. Einspruch. Nach Erörterung mit der Beklagten und mit deren Einverständnis wandte sie sich insoweit nochmals an die Schiedsstelle und bat um einen erneuten Erörterungstermin. Dies wurde mit Schreiben des Vorsitzenden vom , eingegangen bei der Firma F. am , abgelehnt.
Diese Absprachen der Firma F. und der Beklagten über die Anrufung der Schiedsstelle enthalten bei interessengerechter Auslegung Stillhalteabkommen für die Zeit vom bis zum . Die strittigen Positionen sollten, um möglichst Zeit und Geld zu sparen, für beide Seiten verbindlich bis zum Abschluß des Schlichtungsverfahrens einer gerichtlichen Auseinandersetzung entzogen werden. Die Verjährung war für diesen Zeitraum gehemmt (§§ 202 Abs. 1, 205 BGB). Im Zeitpunkt der Zustellung der Abtretungsanzeige war damit die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen. Dies kommt der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Firma F. zugute (, NJW 1982, 1761, 1762).
II.
Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben, die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr den geltend gemachten Anspruch dem Grunde nach zu prüfen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2002 S. 2716 Nr. 51
IAAAC-03581
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein