BGH Urteil v. - VII ZR 25/03

Leitsatz

[1] Zur Auslegung einer als "Vorschußklage" bezeichneten Klage gegen einen Architekten wegen behaupteter Planungsfehler.

Ein richterlicher Hinweis oder eine Rückfrage des Gerichts ist auch dann geboten, wenn für das Gericht offensichtlich ist, daß der Prozeßbevollmächtigte einer Partei die von dem Prozeßgegner erhobenen Bedenken gegen die Fassung eines Klageantrags oder die Schlüssigkeit der Klage falsch aufgenommen hat.

Gesetze: BGB § 133 C; BGB § 157 A; BGB § 633 Abs. 3; BGB § 635; ZPO § 139 a.F.

Instanzenzug: OLG Rostock vom LG Schwerin

Tatbestand

I.

Im Jahr 1995 ließ der Kläger eine Wohnanlage in S. modernisieren. Hierbei betraute er die Beklagte zu 2 im Vertrag vom 8. März/ mit der Architekturleistung der Leistungsphasen 1 bis 8 des § 15 HOAI. Im Vertrag vom 17. August/ beauftragte der Kläger die Beklagte zu 1 mit Fliesenlegerarbeiten in 110 Badezimmern.

Die ursprüngliche Planung der Beklagten zu 2 sah vor, daß die vorhandenen Sprelacartwände aus den Bädern entfernt und durch neue Feuchtraumrigipswände auf Ständerwerk ersetzt werden. Die Fliesen sollten auf Gipsbetonplatten aufgebracht werden. Nach mehreren Gesprächen mit den Beklagten verlangte der Kläger die Verwendung von Holzspanplatten anstelle von Rigipsplatten. Hiergegen äußerten die Beklagten Bedenken. Die Beklagte zu 1 holte schließlich eine Verlegeempfehlung der Firma A. bzw. der S. GmbH ein und empfahl dem Kläger, den Feuchtigkeitsschutz entsprechend der Empfehlung der S. GmbH durchzuführen. Die Beklagte zu 2 empfahl eine Versiegelung der Holzspanplatten nach dem D.-System. Der Kläger entschied sich für einen Feuchtigkeitsschutz nach dem S.-System.

Nach dem Einbau der Holzspanplatten führten die Mitarbeiter der Beklagten zu 1 die Fliesenlegerarbeiten aus. Diese Arbeiten wurden am abgenommen.

Ende 1997 traten in über dreißig Badezimmern Fliesenschäden auf. Ursache war ein Aufquellen der Holzspanplatten. Der Kläger beantragte beim Landgericht H. die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagte zu 1. Der Beklagten zu 2 wurde der Streit verkündet. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige B. kam in seinem Gutachten vom zu dem Ergebnis, die aufgetretenen Schäden seien entstanden, weil die Holzspanplatten als Verlegegrund ungeeignet seien. Darüber hinaus war die Stirnseite der montierten Spanplatten nicht feuchtigkeitsgeschützt. Ferner entsprach die Dicke und die Verlegungsart der Spanplatten nicht der Empfehlung der S. GmbH. Den zur Mängelbeseitigung erforderlichen Betrag bezifferte der Sachverständige pro Bad auf 2.604 DM netto bzw. 3.000 DM brutto.

II.

1. Der Kläger hat von den Beklagten als Gesamtschuldnern zunächst Zahlung von 267.500 DM (= 136.770,57 €) als Vorschuß für die Kosten der Mängelbeseitigung in 107 Bädern (2.500 DM pro Bad) begehrt. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

2. In der Berufungsinstanz hat der Kläger den Rechtsstreit in Höhe von 17.500 DM (= 8.947,61 €) in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil nur gegenüber der Beklagten zu 1 in Höhe von 59.948,97 € (= 117.250 DM) bestätigt und festgestellt, daß die Hauptsache in Höhe eines weiteren Betrages von 4.196,43 € (= 8.207,50 DM) erledigt ist. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Revision des Klägers zugelassen, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 2 richtet.

Gründe

I.

1. Die Revision hat Erfolg, sie führt, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen worden ist, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

2. Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

II.

1. Das Berufungsgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 2 mit folgenden Erwägungen abgewiesen:

a) Der Beklagten zu 2 sei ein Planungsfehler vorzuwerfen, weil sie die Verwendung der ungeeigneten Holzspanplatten, die von der Beklagten zu 1 vorgeschlagen worden seien, akzeptiert habe.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei ein Architekt nicht verpflichtet, Mängel an einem Bauwerk nachzubessern, die auf seiner fehlerhaften Planung beruhen würden.

c) Nicht zu entscheiden sei darüber, ob dem Kläger gegen die Beklagte zu 2 ein Schadensersatzanspruch zustehe. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten zu 2 keinen Schadensersatz, sondern einen Kostenvorschuß für die Beseitigung der Mängel am Bauwerk gefordert.

Eine Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch betreffe einen anderen Lebenssachverhalt, der nicht hilfsweise geltend gemacht worden sei. Der Übergang vom Kostenvorschuß auf Schadensersatz sei eine Klageänderung.

Eines gerichtlichen Hinweises habe es nicht bedurft, weil die Beklagte zu 2 in der mündlichen Verhandlung auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen habe.

2. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den Klagantrag des Klägers und seinen Prozeßvortrag verfahrensfehlerhaft gewürdigt. Selbst auf der Grundlage seiner Auffassung, daß der Kläger von dem Architekten Kostenvorschuß verlangt, hätte das Berufungsgericht dem Kläger einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilen müssen.

a) Die als Vorschußklage bezeichnete Klage gegen die Beklagte zu 2 hätte das Berufungsgericht nach verständiger Würdigung des Prozeßvortrags des Klägers dahingehend auslegen müssen, daß der Kläger von der Beklagten zu 2 Schadensersatz verlangt (vgl. , BauR 2001, 425 = ZfBR 2001, 106 = NZBau 2001, 97).

Im Hinblick auf die Entscheidung des Landgerichts und den Prozeßvortrag des Klägers konnte die Klage gegen die Beklagte zu 2 vernünftigerweise nur dahingehend ausgelegt werden, daß der Kläger von der Beklagten zu 2 Schadensersatz in Höhe der geschätzten Nachbesserungskosten verlangen wollte.

Das Landgericht hatte die Verurteilung des Beklagten zu 2 auf eine positive Forderungsverletzung gestützt. Der Kläger hat diese Entscheidung im Berufungsverfahren verteidigt. Durch seinen Vortrag, daß der Mangel, der sich im Bauwerk bereits verwirklicht hatte, auf einem Planungsfehler der Beklagten zu 2 beruht, hat der Kläger hinreichend verdeutlicht, daß er gegen die Beklagte zu 2 keinen Vorschußanspruch gemäß § 633 Abs. 3 BGB geltend machen wollte, sondern einen Schadensersatzanspruch gemäß § 635 BGB. Als Anspruch kam allein ein Schadensersatzanspruch in Betracht, weil der Planungsmangel sich bereits im Bauwerk verwirklicht hatte, so daß ein Nachbesserungsanspruch nicht mehr bestand.

b) Selbst auf der Grundlage seiner unzutreffenden Würdigung des Klagantrags hätte das Berufungsgericht dem Kläger einen Hinweis gemäß § 139 ZPO erteilen müssen, daß im Hinblick auf seinen Prozeßvortrag nur eine Schadensersatzklage in Betracht komme. Der Umstand, daß der Prozeßgegner Bedenken gegen die Fassung des Antrags oder die Schlüssigkeit geltend gemacht hat, befreit das Gericht dann nicht von seiner Pflicht zu einem Hinweis, wenn es für das Gericht offenkundig ist, daß der Prozeßbevollmächtigte der Partei die Bedenken des Prozeßgegners nicht zutreffend aufgenommen hat (, BauR 1999, 510 = ZfBR 1999, 151; Urteil vom - I ZR 179/98, NJW 2001, 2548). Das ist hier der Fall.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DAAAC-03415

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja