BGH Urteil v. - VII ZR 198/00

Leitsatz

[1] Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einem Bauvertrag enthaltene Vereinbarung, wonach der Auftragnehmer, wenn er in Verzug gerät, für jeden Arbeitstag einschließlich Samstag der Verspätung eine Vertragsstrafe von 0,5 % der Auftragssumme zu zahlen hat, ist grundsätzlich ungeachtet einer Obergrenze (hier: 10 %) unwirksam.

Gesetze: AGBG § 9 Abs. 1 Bf

Instanzenzug: OLG Dresden LG Zwickau

Tatbestand

Die Klägerin fordert Restwerklohn.

Der Beklagte beauftragte die Klägerin mit Erd-, Kanalbau-, Wasserleitungs-, Kabel-, Straßenbau- und Landschaftsarbeiten. Dem Vertrag lag das Angebot der Klägerin in Höhe von 303.088,99 DM netto zugrunde, welches auf einem Leistungsverzeichnis des Beklagten beruhte. Die Leistungen waren nach Einheitspreisen abzurechnen. Als Baubeginn wurde der mit einer Fertigstellungsfrist von sieben Wochen festgelegt. Für den Fall der nicht rechtzeitigen Fertigstellung war in Nr. 4.5 des Vertrages eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,5 % der Auftragssumme je Werktag (einschließlich Samstag), maximal 10 % der Auftragssumme vereinbart.

Während der Arbeiten zeigte die Klägerin dem Beklagten mehrfach Behinderungen an. Ihre Arbeiten wurden Anfang Dezember 1996 unter Vorbehalt der Vertragsstrafe abgenommen. Die Klägerin erstellte mehrere Einzelrechnungen sowie eine Schlußrechnung, mit der sie das Bauvorhaben in Höhe von weiteren 429.605,12 DM brutto abrechnete. In die Schlußrechnung setzte sie u.a. mehrere Beträge aus Nachtragsaufträgen ein, deren Höhe streitig ist. Der Beklagte leistete Abschlagszahlungen von insgesamt 308.346,84 DM.

Die Klägerin hat 128.339,59 DM geltend gemacht. Die Klage hat überwiegend Erfolg gehabt. Auf die Rechtsmittel beider Parteien hat das Berufungsgericht der Klage lediglich in Höhe von 55.376,64 DM Zug um Zug gegen Beseitigung von vier näher bezeichneten Mängeln stattgegeben; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Revision der Klägerin in Höhe von insgesamt 43.068,10 DM und wegen zuerkannter Zurückbehaltungsrechte angenommen. Die weitergehende Revision hat er nicht angenommen.

Gründe

Die Revision hat im Umfang der Annahme Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

1. Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin über 3.518,49 DM netto aus der Position 08001 der Schlußrechnung mit der Begründung, die Klägerin habe das dort abgerechnete Feinplanum nicht hergestellt. Dies ergebe sich aus der Aussage des Zeugen D.

2. Die dagegen gerichtete Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft Beweisanträge übergangen, hat im Ergebnis Erfolg. Zwar ist der Zeuge G. zu der Behauptung der Klägerin, sie habe das Feinplanum hergestellt, nicht benannt worden. Des weiteren erübrigte es sich, ein Sachverständigengutachten einzuholen, da das Feinplanum nach der Behauptung des Beklagten inzwischen von einem anderen Unternehmen angelegt worden ist. Die Klägerin hat jedoch den Zeugen H. für ihre Behauptung benannt, der nicht vernommen worden ist. Erweist sich diese Behauptung, wovon in der Revision zugunsten der Klägerin auszugehen ist, als zutreffend, so können ihr aus der Schlußrechnung weitere 3.518,49 DM zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer und abzüglich 2 % Skonto und damit insgesamt 3.965,34 DM, das sind 2.027,45 €, zustehen. Der Skontoabzug ist vorzunehmen, da die Klägerin ihre Forderung anhand ihrer Schlußrechnung berechnet, in der sie von allen Positionen 2 % Skonto abzieht.

II.

1. Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin könne für ihre Leistungen aus dem ersten Nachtrag 6.916,43 DM und aus dem zweiten Nachtrag 26.528,66 DM fordern. Es stellt diese Beträge in seine Gesamtabrechnung ein, ohne den Rechengang in bezug auf den insgesamt zuerkannten Restwerklohn aufzuzeigen.

2. Gegen die Berechnung der Höhe wendet sich die Revision zu Recht. Sie rügt zutreffend, das Berufungsgericht habe die Leistungen aus den genannten Nachträgen anhand der im Angebot der Klägerin enthaltenen Nettobeträge berechnet, ohne erkennbar die Umsatzsteuer zu berücksichtigen. Sofern diese Steuer im nicht offengelegten Rechengang des Berufungsgerichts zur Höhe der gesamten Restwerklohnforderung nicht berücksichtigt worden ist, ist sie den zuerkannten Beträgen abzüglich des in der Schlußrechnung gewährten Skontos wie folgt hinzuzurechen:

Nachtrag 1: 6.916,43 DM

Nachtrag 2: 26.528,66 DM

Zwischensumme: 33.445,09 DM

zuzüglich 15 % = 38.461,85 DM

abzüglich 2 % = 37.692,62 DM.

Mithin beträgt die Differenz zur Zwischensumme 4.247,53 DM, das sind 2.171,73 €, die der Klägerin zustehen können.

III.

1. Das Berufungsgericht hält die Vertragsstrafenregelung in Nr. 4.5 des Bauvertrages für wirksam, wobei es die Regelung erkennbar als Allgemeine Geschäftsbedingung des Beklagten beurteilt. Der Tagessatz von 0,5 % der Auftragssumme liege über den in Bauverträgen allgemein üblichen Tagessätzen. Es sei jedoch zu berücksichtigen, daß die von der Klägerin zu erbringenden Gewerke innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Frist fertiggestellt sein sollten. Der Beklagte habe ein erhebliches Interesse daran gehabt, durch eine entsprechende Vertragsstrafenregelung sicherzustellen, daß die Klägerin ihre Leistungen bis zu dem vereinbarten Fertigstellungstermin erbringt. Die vereinbarte Vertragsstrafe sei auf 10 % der Auftragssumme begrenzt, so daß keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin eintreten könne. Die Klägerin habe gewußt, was gefordert werde und hätte Einfluß nehmen können.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin handelt es sich bei der Vertragsstrafenregelung um eine vom Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, die für eine Vielzahl von Bauverträgen vorformuliert worden war. Die Ausführung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe hierauf Einfluß nehmen können, ist ohne tatsächliche Grundlage; für die Annahme, der Beklagte habe die Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt und der Klägerin Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt, ist nichts ersichtlich.

b) Die Inhaltskontrolle der Klausel durch das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft.

Die Vertragsstrafenklausel hält der Inhaltskontrolle gemäß § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt: § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht stand. Der Tagessatz von 0,5 % belastet den Auftragnehmer bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise unangemessen.

Der Bundesgerichtshof hat in einem dem Berufungsgericht bei Verkündung seiner Entscheidung erkennbar nicht bekannten Urteil ausgeführt, daß eine Vertragsstrafenklausel mit einem Tagessatz von 0,5 % (bei einer Obergrenze von 5 % der Auftragssumme) den Auftragnehmer unangemessen i.S. des § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt: § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) benachteiligt (, BauR 2000, 1049, 1050 = ZfBR 2000, 331 = NZBau 2000, 327).

Der Tagessatz von 0,5 % der Auftragssumme übt einen wirtschaftlich, nicht mehr vertretbaren Druck auf den Auftragnehmer aus. Allein die Verwirkung dieses Vertragsstrafensatzes an wenigen Tagen schöpft in unangemessener Höhe einen erheblichen Teil des typischerweise zu erwartenden Gewinns ab.

Das vom Berufungsgericht hervorgehobene besondere Interesse des Beklagten an einer rechtzeitigen Fertigstellung kann die für typische Fälle unangemessene Ausgestaltung der Strafklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht rechtfertigen.

Mithin stehen der Klägerin weitere 34.855,23 DM, das sind 17.821,20 €, zu.

IV.

1. Das Berufungsgericht bejaht ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten wegen vier näher bezeichneter Mängel, deren Beseitigungskosten es auf 40.000 DM schätzt. Das Vorliegen dieser Mängel sieht es aufgrund von Lichtbildern und der Aussage des Zeugen D. als bewiesen an.

2. a) Zu Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft einen Beweisantrag übergangen. Die Klägerin hat behauptet und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt, daß die streitgegenständlichen Mängel, die bereits bei Abnahme des Werkes festgestellt worden waren, inzwischen beseitigt worden sind. Diesem Beweisantritt war nachzugehen, da die vorgelegten Lichtbilder den Zeitpunkt ihrer Aufnahme nicht erkennen lassen und die Aussage des Zeugen D. in der Sache unrichtig sein kann. Ein zu beauftragender Sachverständiger wird zugleich zur Höhe der Kosten für die Beseitigung der Mängel, sofern sie noch vorliegen, Stellung nehmen können.

b) Die weitergehende Rüge der Revision, der Beklagte könne sich nach Treu und Glauben nicht mehr auf das Zurückbehaltungsrecht berufen, hat keinen Erfolg. Selbst wenn die Behauptung der Klägerin zuträfe, ihr sei mitgeteilt worden, die Mängel seien beseitigt und der Beklagte habe danach keine weitere Mängelbeseitigung gefordert, rechtfertigt dies nicht anzunehmen, der Beklagte habe damit seinen Mängelbeseitigungsanspruch verwirkt und könne ihn im Prozeß nicht mehr geltend machen.

V.

Das Berufungsurteil kann im angefochtenen Umfang nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um die notwendigen Feststellungen nachzuholen. Eine teilweise Abänderung des angefochtenen Urteils zugunsten der Klägerin scheidet im Hinblick auf das streitige Zurückbehaltungsrecht des Beklagten aus.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2002 S. 698 Nr. 14
DB 2002 S. 2596 Nr. 49
ZAAAC-03357

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein