Leitsatz
[1] Die Rechtswahlvereinbarung zugunsten des deutschen materiellen Schuldvertragsrechts in einem Architekten- oder Ingenieurvertrag umfaßt nicht das öffentlich-rechtliche Preisrecht der HOAI.
a) Die Mindestsatzregelung des § 4 HOAI ist eine zwingende Bestimmung im Sinne des Art. 34 EGBGB.
b) Auf einen grenzüberschreitenden Architekten- und Ingenieurvertrag ist die Mindestsatzregelung anwendbar, wenn die vereinbarte Architekten- oder Ingenieurleistung für ein im Inland gelegenes Bauwerk erbracht werden soll.
a) Die nachträgliche vertragliche Änderung eines nach § 4 Nr. 4 HOAI fingierten Mindestsatzes ist nur wirksam, wenn sie nach Beendigung der Architekten- oder Ingenieurleistung getroffen wird.
b) Die Leistung des Architekten oder Ingenieurs ist jedenfalls dann beendet, wenn das Werk abgenommen ist und zwischen den Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Vergütungsvereinbarung kein Streit darüber besteht, ob das Werk mangelfrei ist.
Ob die Anwendung des § 4 Abs. 4 HOAI auf eine Vergütungsvereinbarung zwischen einem Auftraggeber mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland und einem Auftragnehmer mit Sitz in einem anderen EG-Staat der Dienstleistungsfreiheit entgegensteht, ist eine bisher ungeklärte Frage der Auslegung der Dienstleistungsfreiheit. Diese Frage ist gegebenenfalls dem Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 EG-Vertrag vorzulegen.
Gesetze: EGBGB Art. 27 Abs. 1; EGBGB Art. 32; EGBGB Art. 34; HOAI § 4; HOAI § 4 Nr. 4; BGB § 305; EG-Vertrag Art. 49; EG-Vertrag Art. 50
Instanzenzug: LG Berlin
Tatbestand
I.
Die Klägerin verlangt Resthonorar in Höhe von 1.327.222,70 DM nebst Zinsen für Ingenieurleistungen bei der technischen Ausrüstung eines Bauvorhabens. Die Parteien streiten darüber, ob die nach Beginn der Arbeiten zwischen den Parteien getroffene schriftliche Vergütungsregelung wirksam ist.
II.
Die Beklagte hatte von der Bankgesellschaft Berlin den Auftrag erhalten, das denkmalgeschützte Alexanderhaus in Berlin-Mitte instand zu setzen und zu modernisieren. Gegenstand des Vertrages war unter anderem die Ausstattung des Gebäudes mit modernen haustechnischen Anlagen und Kommunikationsanlagen sowie einem sogenannten "Trading Floor" mit Handelseinrichtungen. Die Ingenieurplanungsleistungen für die technische Ausrüstung des ersten Obergeschosses vergab die Beklagte an die in Luxemburg ansässige Klägerin. Die Klägerin begann ihre Arbeiten aufgrund eines mündlichen Auftrags, eine Vereinbarung über das Honorar hatten die Parteien zu diesem Zeitpunkt nicht getroffen.
Nachdem die Klägerin Planungsleistungen in erheblichem Umfang erbracht hatte, schlossen die Parteien am einen schriftlichen Vertrag, der ein Honorar vorsieht, das über den Mindestsätzen liegt. Die Parteien vereinbarten die Geltung des BGB.
III.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, die Sache habe insoweit grundsätzliche Bedeutung, als der Bundesgerichtshof bisher nicht abschließend geklärt habe, wann der Auftrag des Architekten erledigt und eine Honorarvereinbarung abweichend von § 4 Abs. 1 HOAI zulässig sei.
Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.327.222,70 DM (= 678.598,19 €).
Gründe
I.
1. Die Revision der Klägerin hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
2. Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach der bis zum geltenden Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
II.
Das Berufungsgericht hat die Klage mit folgenden Erwägungen abgewiesen:
1. Die nachträgliche schriftliche Vergütungsvereinbarung sei unwirksam. Eine Honorarvereinbarung, die nach Auftragserteilung und vor der Erledigung des Auftrags getroffen werde, sei gemäß § 4 Abs. 1 HOAI unwirksam. Die nachträgliche Honorarvereinbarung wäre nur dann wirksam, wenn der Architekt den von ihm übernommenen Auftrag erledigt habe. Der Architekt habe seine Verpflichtung erledigt, wenn er die Leistung vollständig und abnahmereif erbracht habe.
2. Nach diesen Grundsätzen stehe nicht fest, daß die Parteien eine Honorarvereinbarung über einen erledigten Auftrag der Klägerin getroffen hätten:
a) Der Inhalt des Vertrages vom spreche dafür, daß die Parteien einen Vertrag über die gesamte Leistung, die von der Klägerin habe erbracht werden sollen, und nicht nur über die bis zum Vertragsabschluß erbrachten Leistungen geschlossen hätten. In dem Vertrag heißt es unter anderem:
"Mit der in Auftrag gegebenen Leistung ist bereits begonnen worden".
b) Am habe die Klägerin die geschuldete Leistung nicht abnahmereif erbracht. Die von der Beklagten beanstandeten Mängel an der Entwurfsplanung habe die Klägerin nicht wirksam bestritten, sie habe lediglich behauptet, die noch offenen Fragen seien auf der Projektbesprechung am ausgeräumt worden.
c) Die Klägerin habe selbst eingeräumt, daß der Vertrag erst am einvernehmlich beendet worden sei, weil sie von der Beklagten an diesem Tag aufgefordert worden sei, ihre Arbeiten zu beenden.
d) Am sei die Mitwirkung der Klägerin an der Genehmigungs- und Ausführungsplanung nicht abgeschlossen gewesen. Die Klägerin selbst habe vorgetragen, daß die Ausführungsplanung erst am habe abgeschlossen sein sollen. Die Behauptung der Klägerin, ihre Mitwirkung sei vor dem beendet gewesen, es sei nur noch eine Koordinierungsbesprechung vorgesehen gewesen, die am stattgefunden habe, sei im Hinblick auf den Inhalt des Vertrages nicht plausibel. Im Vertrag sei die Mitwirkung der Klägerin geregelt und nicht nur die Teilnahme an einem Koordinierungsgespräch.
III.
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend deutsches Recht angewendet.
a) In Fällen mit Auslandsberührung ist das deutsche Kollisionsrecht von Amts wegen zu beachten und anzuwenden (, ZfBR 1996, 34 = NJW 1996, 54).
b) Die für die Anwendbarkeit des deutschen Kollisionsrechts nach Art. 3 Abs. 1 EGBGB erforderliche Auslandsberührung liegt vor, die Klägerin hat ihren Sitz in einem anderen Staat der Europäischen Gemeinschaft.
c) Für grenzüberschreitende Vertragsverhältnisse bestimmt das deutsche internationale Schuldvertragsrecht (Art. 27 ff. EGBGB) das auf den Vertrag anwendbare Recht.
Aufgrund der Rechtswahlvereinbarung der Vertragsparteien zugunsten des BGB ist das deutsche materielle Schuldvertragsrecht anwendbar (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Das durch die Rechtswahl berufene deutsche Vertragsstatut erfaßt nach Art. 32 EGBGB den Abschluß und die Auslegung des Vertrages, dessen Erfüllung sowie etwaige Leistungsstörungen, nicht hingegen zwingende öffentlich-rechtliche Rechtsvorschriften (MünchKomm-Martiny, 3. Aufl., Art. 34 EGBGB Rn. 41, 75). Da die HOAI als öffentlich-rechtliche Verordnung kein Vertragsrecht regelt, sondern zwingendes Preisrecht (, BGHZ 133, 399 = BauR 1997, 154 = ZfBR 1997, 74), unterliegt sie nicht dem Vertragsstatut (Thode/Wenner, Internationales Architekten- und Bauvertragsrecht, Rn. 240; Wenner, RIW 1998, 173, 176), so daß die Wahl des deutschen materiellen Schuldvertragsrechts die Regelungen der HOAI nicht erfaßt.
d) Die Mindestsatzfiktion der HOAI ist auf das Vertragsverhältnis anwendbar, weil sie als zwingende Regelung im Sinne des Art. 34 EGBGB für einen grenzüberschreitenden Architekten- oder Ingenieurvertrag Geltung beansprucht, der den Ingenieur oder Architekten verpflichtet, für ein inländisches Bauvorhaben Leistungen zu erbringen.
(1) Zwingende Normen im Sinne des Art. 34 EGBGB sind Bestimmungen, die beanspruchen, einen Sachverhalt mit Auslandsberührung ohne Rücksicht auf das berufene Vertragsstatut zu regeln (MünchKomm-Martiny, 3. Aufl., Art. 34 EGBGB Rn. 7). Wenn das Gesetz den internationalen Geltungsanspruch der Vorschrift nicht regelt, sind für die Einordnung einer Bestimmung die mit ihr verfolgten ordnungspolitischen Interessen maßgeblich (Reithmann/Limmer, Internationales Vertragsrecht, 5. Aufl., Rn. 391; MünchKomm-Martiny, 3. Aufl., Art. 34 EGBGB Rn. 9-12).
(2) Der zwingende Charakter der Mindestsatzfiktion des § 4 Abs. 4 HOAI, deren internationaler Geltungsanspruch in der HOAI nicht geregelt ist, ergibt sich aus den mit dieser Regelung verfolgten ordnungspolitischen Zielen. Die Mindestsatzregelung soll zur Begrenzung des Mietanstiegs beitragen und einen ruinösen Preiswettbewerb zwischen den Architekten und Ingenieuren ausschalten (vgl. , NJW 1982, 373; , BauR 1987, 112 = ZfBR 1986, 238; Wenner, BauR 1993, 257, 266 m.w.N.). Die Mindestsatzregelung dient damit nicht dem Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien, sondern sie dient als Regelung der Berufstätigkeit der Architekten und Ingenieure sowie als Regelung des Mieterschutzes dem öffentlichen Interesse (Wenner, BauR 1993, 257, 266 m.w.N.).
Regelungen der Erwerbs- und Berufstätigkeit sowie des Wettbewerbs, nicht dispositive Mieterschutzvorschriften und inländische Preisvorschriften zählen zu den typischen zwingenden Regelungen des Art. 34 EGBGB (vgl. Reithmann/Limmer, Internationales Vertragsrecht, 5. Aufl. Rn. 405 ff.; Wenner, BauR 1993, 257, 266; ders., RIW 1998, 173, 177).
Diese Ziele der Mindestsatzregelung sind bei grenzüberschreitenden Architekten- und Ingenieurverträgen nur eingeschränkt erreichbar, wenn die Geltung der Regelung von dem aufgrund einer Rechtswahl nach Art. 27 EGBGB oder aufgrund einer objektiven Anknüpfung nach Art. 28 EGBGB berufenen Vertragsstatut abhängt. Ihre Ziele sind nur erreichbar, wenn die Mindestsatzregelung unabhängig von dem jeweils berufenen Vertragsstatut gilt (Wenner, RIW 1998, 173, 174 ff).
(3) Art. 34 EGBGB enthält selbst keine Anknüpfungsregelung, so daß die Kollisionsnorm der zwingenden Norm zu entnehmen ist (Wenner, RIW 1998, 173, 177; MünchKomm-Martiny, 3. Aufl., Art. 34 EGBGB, Rn. 93). Da die HOAI keine Kollisionsregelungen enthält, ist eine Kollisionsnorm hinsichtlich der gegebenen Fallkonstellation zu entwickeln, die gewährleistet, daß die mit der Mindestsatzregelung verfolgten Ziele erreichbar und durchsetzbar sind:
Sollen die in einem grenzüberschreitenden Architekten- oder Ingenieurvertrag vereinbarten Leistungen für ein im Inland gelegenes Bauwerk erbracht werden, sind die mit der Mindestsatzregelung verfolgten Ziele erreichbar und auch durchsetzbar, wenn die Mindestsatzregelung unabhängig von dem maßgeblichen Vertragsstatut anwendbar ist (Thode/Wenner, Internationales Architekten- und Bauvertragsrecht, Rn. 241; Wenner, BauR 1993, 257, 267; ders., RIW 1998, 173, 176 f).
2. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist ungeklärt, ob die HOAI und damit die Mindestsatzfiktion auf den Vertrag der Parteien anwendbar ist.
Die zwingenden Preisregelungen der HOAI für die Planung technischer Anlagen gelten nur für Verträge, die von der abschließenden Aufzählung solcher Anlagen in § 68 HOAI erfaßt werden. Für Anlagen, die in § 68 HOAI nicht geregelt sind, besteht keine preisrechtliche Bindung (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 68 Rn. 4).
Das Berufungsgericht wird nach der Zurückverweisung klären müssen, ob die vereinbarte Leistung die Voraussetzungen des § 68 HOAI erfüllt.
3. Die Frage, die das Berufungsgericht dazu veranlaßt hat, die Revision zuzulassen, ist nur dann entscheidungserheblich, wenn der Gegenstand des Vertrages die Voraussetzungen des § 68 HOAI erfüllt.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Anwendbarkeit des § 4 Abs. 4 HOAI sind im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach dem Regelungszweck des § 4 HOAI sind spätere vertragliche Änderungen des nach § 4 Abs. 4 HOAI fingierten Mindestsatzes nur wirksam, wenn sie nach Beendigung der Architekten- und Ingenieurtätigkeit getroffen werden (st. Rspr.: , BauR 1985, 582 = ZfBR 1985, 222; Urteil vom - VII ZR 324/85, BauR 1987, 112 = ZfBR 1986, 283; Urteil vom - VII ZR 282/86, BauR 1987, 706 = ZfBR 1987, 284; Urteil vom - VII ZR 239/86, BauR 1988, 364 = NJW-RR 1988, 725).
Diese Beschränkung der Vertragsfreiheit soll gewährleisten, daß ein etwaiger Streit über die Höhe des Honorars nicht dazu führt, daß die Ausführung der noch nicht erbrachten Teile der geschuldeten Leistung durch eine Vertragsverletzung des Architekten gefährdet wird.
b) Der Regelungszweck des § 4 HOAI wird in der Fallkonstellation, in der der Vertrag durchgeführt und nicht durch eine Kündigung vorzeitig beendet wird, erreicht, wenn der Vertrag soweit durchgeführt ist, daß ein Streit der Vertragsparteien darüber, ob der Architekt den Vertrag vollständig erfüllt hat, ausgeschlossen ist. Dieses Abwicklungsstadium ist erreicht, wenn der Vertrag erfüllt ist und im Zeitpunkt der nachträglichen Honorarvereinbarung kein Streit zwischen den Parteien besteht, ob der Architekt oder Ingenieur mangelfrei geleistet hat.
Eine wirksame nachträgliche Änderung der Mindestsatzfiktion ist danach jedenfalls dann möglich, wenn das Architekten- oder Ingenieurwerk abgenommen worden ist und Einvernehmen der Vertragsparteien im Zeitpunkt der Vergütungsvereinbarung darüber besteht, daß das Werk des Architekten oder Ingenieurs mangelfrei ist. Mängel, die sich nach der Vergütungsvereinbarung zeigen, sind für die Frage der Wirksamkeit der nachträglichen Vergütungsvereinbarung unerheblich.
c) Im Hinblick auf diese Anforderungen war die Tätigkeit der Klägerin nicht beendet, als die Parteien die Honorarvereinbarung vom abgeschlossen haben, so daß die nachträgliche Honorarvereinbarung unwirksam ist.
Das Berufungsgericht hat den Inhalt des Vertrages vom , den Vortrag der Klägerin und die Umstände des Falles rechtsfehlerfrei dahingehend gewürdigt, daß die Klägerin am die von ihr geschuldeten Leistungen noch nicht vollständig erbracht hatte.
4. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, daß der Gegenstand des Vertrages von § 68 HOAI erfaßt wird und damit § 4 Abs. 4 HOAI anwendbar ist, wird das Berufungsgericht eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EG-V zu erwägen haben.
Die Mindestsatzfiktion ist geeignet, die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 f. EG-V) der in einem anderen Mitgliedstaat der EG ansässigen Vertragspartei zu behindern. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nationale Regelungen, die eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zur Folge haben, nur dann gerechtfertigt, wenn die mit der nationalen Regelung verfolgten Ziele schützenswerte Allgemeininteressen im Sinne des EG-Rechts sind und wenn die Beschränkungen verhältnismäßig, unerläßlich, sachlich geboten und geeignet sind (vgl. Hakenberg in Lenz (Hrsg.), EG-Vertrag, 2. Aufl., Art. 49/50 Rn. 25-27 mit Nachweis der Rechtsprechung des EuGH).
Die Frage, ob die mit der Mindestsatzregelung verfolgten Ziele diesen Voraussetzungen genügen, ist umstritten und bisher durch den Europäischen Gerichtshof nicht geklärt (vgl. Reithmann/Thode, Internationales Vertragsrecht, 5. Aufl., Rn. 967).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2003 S. 1676 Nr. 31
XAAAC-03310
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein