BGH Beschluss v. - VII ZB 23/03

Leitsatz

[1] a) Eine einseitige Erledigungserklärung ist im selbständigen Beweisverfahren nicht zulässig. In ihr liegt regelmäßig eine Antragsrücknahme.

b) Nach der Antragsrücknahme hat der Antragsteller grundsätzlich die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu tragen. Dies gilt auch für die Kosten des Streithelfers des Antragsgegners (§ 101 Abs. 1 ZPO).

Gesetze: ZPO § 494a Abs. 2; ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2; ZPO § 101 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die P. GmbH beantragt. Diese hat u.a. der beschwerdeführenden Streithelferin den Streit verkündet, die dem Beweisverfahren beigetreten ist. Mit ist die beantragte Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet worden. Bevor der Sachverständige die Begutachtung vornahm, teilte die Antragstellerin mit, ihr Antrag habe sich erledigt, sie habe privat beauftragte Gutachten erstellen lassen.

Die Antragstellerin hat beantragt, der P. GmbH sowie der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen. Daraufhin hat die P. GmbH mitgeteilt, es sei ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden. Sie hat sich einer etwaigen Erledigungserklärung nicht angeschlossen und beantragt, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Diesem Antrag hat sich die Streithelferin unter Hinweis darauf angeschlossen, daß die Abstandnahme der Antragstellerin als Antragsrücknahme ausgelegt werden müsse. Die Antragstellerin hat dem widersprochen.

Am ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen P. GmbH eröffnet und der Antragsgegner als Insolvenzverwalter bestellt worden. Die Antragstellerin hat ihre Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet, der Antragsgegner hat die Forderung bestritten. Das Landgericht hat der Antragstellerin mit Beschluß vom die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der P. GmbH und der Streithelferin auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht den Beschluß des Landgerichts aufgehoben und die Anträge der P. GmbH und ihrer Streithelferin als derzeit unbegründet zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Streithelferin hat Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

II.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die zugunsten der P. GmbH ergangene Kostengrundentscheidung entsprechend § 494 a Abs. 2 ZPO sei schon deshalb aufzuheben, weil ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der P. GmbH in die Insolvenzmasse gefallen und die P. GmbH insoweit nicht mehr verfahrensbefugt sei. Der Antragsgegner habe mitgeteilt, sich zur Aufnahme des Verfahrens derzeit nicht erklären zu können und von einer Unterbrechung des selbständigen Beweisverfahrens auszugehen. Ein Kostenantrag der P. GmbH sei derzeit nicht zulässig.

Darüber hinaus sei für eine analoge Anwendung des § 494 a Abs. 2 ZPO zugunsten der Streithelferin kein Raum, weil eine Klageerhebung nicht in Betracht komme und auch kein entsprechender Antrag vorliege. Zwar sei eine Ausdehnung des § 494 a Abs. 2 ZPO auf andere Sachverhalte nicht ausgeschlossen, hier aber nicht geboten. Für die Antragstellerin lägen dem Fall vergleichbare Hinderungsgründe vor, daß die Mängel durch den Auftragnehmer nach Beweisaufnahme beseitigt wurden. Sie habe mitgeteilt, daß sich aus den Privatgutachten Mängelbeseitigungskosten von ca. 101.000 € ergäben. Eine Klageerhebung sei für sie sinnlos. Darauf hinzuweisen sei auch, daß ein anerkennenswerter Grund zur Abstandnahme vom Hauptsacheprozeß darin liegen könne, daß die Gegenseite vermögenslos und insolvent geworden sei.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Dieser Antrag ist zulässig. Sie ist berechtigt, diejenigen Anträge zu stellen, die auch der Antragsgegner stellen könnte, denn sie führt als Streithelferin die Beschwerde des Antragsgegners. Dieser ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Stelle der P. GmbH getreten. Ein entgegenstehender Wille des Antragsgegners ist nicht erkennbar. Die Insolvenzmasse ist durch das Beschwerdeverfahren nicht nachteilig betroffen, weil das Kostenrisiko allein die Beschwerdeführerin trägt. Das Verfahren ist deshalb für die Insolvenzmasse nur günstig. Die Bedenken des Beschwerdegerichts gegen die Zulässigkeit des Kostenantrags im Hinblick auf die Insolvenz der P. GmbH sind schon deshalb unbegründet, weil das Insolvenzverfahren erst eröffnet worden ist, nachdem deren Prozeßbevollmächtigter den Antrag gestellt hatte, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Über diesen Antrag kann entschieden werden, weil das Insolvenzverfahren das selbständige Beweisverfahren nicht unterbricht (, BauR 2004, 531 = NZBau 2004, 156 = ZfBR 2004, 268).

2. Im Ergebnis zutreffend ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, der Antragsgegner und seine Streithelferin könnten keine Kostenentscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO beantragen. Diese Regelung setzt voraus, daß dem Antragsteller auf Antrag des Antragsgegners nach Beendigung der Beweiserhebung eine Frist zur Klageerhebung gesetzt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beweisaufnahme ist nicht durchgeführt und der Antragstellerin ist keine Frist zur Klageerhebung gesetzt worden.

3. Zu Unrecht prüft das Beschwerdegericht nicht, ob der Antragsgegner und seine Streithelferin Erstattung ihrer im Beweisverfahren entstandenen Kosten nach § 269 Abs. 3 ZPO verlangen können. Das ist, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, der Fall.

a) Die Antragstellerin hat ihren Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens mit Schriftsatz vom zurückgenommen. In diesem Schriftsatz hat sie mitgeteilt, ihr Antrag habe sich erledigt. Sie sei infolge der Verzögerung des Beweisverfahrens zur Wahrung ihrer Rechte und zur Schadensminderung gezwungen gewesen, private Sachverständige zu beauftragen. Mit deren Gutachten würden die Mängel belegt. Sie hat beantragt, der Gegenseite die Kosten aufzuerlegen.

Mit dieser Erklärung hat sie unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie eine Beweiserhebung durch das Gericht endgültig nicht mehr wünscht. Das kann nicht anders als eine Rücknahme ihres Antrags gesehen werden. Eine einseitige Erledigungserklärung, wie sie der Antragstellerin mit dem Ergebnis vorschwebt, daß einerseits das Verfahren beendet ist, andererseits der Antragsgegner die Kosten des Beweisverfahrens zu tragen hat, ist im selbständigen Beweisverfahren nicht zulässig. Es ist nicht möglich dem Antragsgegner, ohne ein Verfahren in der Hauptsache und ohne Zustimmung zur Erledigungserklärung die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen (, MDR 2004, 715). Eine mit diesem Ziel erklärte Erledigung des Verfahrens ist als Antragsrücknahme aufzufassen, wenn das Verfahren nach dem Willen des Antragstellers endgültig beendet sein soll (KG, BauR 2002, 1735, 1736).

b) Nimmt der Antragsteller seinen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vor der Beweiserhebung zurück, hat er in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO grundsätzlich die Kosten zu tragen. Ist kein Hauptsacheverfahren anhängig, in dem diese Kostenfolge ausgesprochen wird, und haben die Parteien sich über die Kosten nicht geeinigt, ergeht eine Kostenentscheidung auf Antrag im selbständigen Beweisverfahren (vgl. OLG Düsseldorf, BauR 2002, 350; OLG Köln, OLGR 2001, 355; OLG München, BauR 2001, 993; OLG Braunschweig, BauR 2001, 994; Zöller-Herget, ZPO, 24. Aufl., § 91 Rdn. 13; Musielak-Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 269 Rdn. 23; Ingenstau/Korbion-Joussen, VOB, 15. Aufl., Anh. 4 Rdn. 106; Kleine-Möller/Merl/Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts, 2. Aufl., § 17 Rz. 327). Der Kostenbeschluß umfaßt auch die durch einen Streithelfer des Antragsgegners verursachten Kosten, die gemäß §§ 269 Abs. 3 Satz 2, 101 ZPO vom Antragsteller zu tragen sind (OLG München, BauR 1998, 592; Siegburg, Zur Kostengrundentscheidung im selbständigen Beweisverfahren und Hauptsacheprozeß, Festschrift für Jack Mantscheff zum 70. Geburtstag, S. 405, 407).

Für die Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO besteht ein Bedürfnis. Die Regelung des § 494 a Abs. 2 ZPO erfaßt den Fall der Antragsrücknahme vor der Beweiserhebung nicht. Ebenso wie in den Fällen des § 494 a Abs. 2 ZPO hat der Antragsgegner ein schützenswertes Interesse an einer sofortigen Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren (vgl. Notthoff, JurBüro 1998, 61, 62). Der Antragsgegner kann ein Hauptsacheverfahren nicht erzwingen. Es ist in aller Regel auch offen, ob ein solches Verfahren stattfindet. Es ist jedenfalls nach Einführung des § 494 a ZPO sachlich nicht zu rechtfertigen, den Antragsgegner auf einen möglichen materiellen Ausgleichsanspruch zu verweisen, zumal auch dieser sehr zweifelhaft ist und unter Umständen noch gerichtlich durchgesetzt werden müßte. Die gebotene Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO entspricht dem allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsatz, daß derjenige die Kosten eines Verfahrens zu tragen hat, der seinen Antrag zurücknimmt (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage bei Zurücknahme eines Antrags auf Gerichtsstandsbestimmung: , MDR 1987, 735).

c) Vorstehende Erwägungen gelten jedenfalls in den Fällen, in denen die Rücknahme nicht auf einem Ereignis beruht, das das Interesse des Antragstellers an der Beweiserhebung entfallen läßt. Ob in diesen Fällen eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist (vgl. dazu OLG Hamburg, MDR 1998, 242), kann dahin stehen. Denn die Antragstellerin hat ein Ereignis in diesem Sinn nicht geltend gemacht. Sie hat die Rücknahme damit begründet, daß sie private Gutachter eingeschaltet hat, weil das Beweisverfahren zu lange dauert. Damit entfiel nicht die Möglichkeit, den gerichtlichen Beweis zu erheben und auch nicht das rechtliche Interesse der Antragstellerin an der Durchführung eines derartigen Verfahrens. Das selbständige Beweisverfahren dient auch dem Zweck der Prozeßbeschleunigung durch Vorwegnahme der Beweisaufnahme in einem gerichtlichen Verfahren, dessen Ergebnisse gemäß § 493 ZPO im Hauptsacheverfahren verwertet werden. Dieser Zweck war nicht entfallen. Die Klärungsbedürftigkeit bestand fort. Die Antragstellerin hat Vertragserfüllungsbürgschaften in Anspruch genommen und ihre vom Antragsgegner bestrittene Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Im übrigen hat sie selbst darauf hingewiesen, daß der Antragsgegner prüft, inwieweit noch Werklohnansprüche bestehen, denen gegenüber die Antragstellerin die Mängel geltend machen würde.

Fundstelle(n):
BB 2004 S. 2602 Nr. 48
PAAAC-03155

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein