BGH Urteil v. - V ZR 97/01

Leitsatz

[1] Die nach Rechtshängigkeit erfolgte Umschreibung einer Auflassungsvormerkung auf den Nachkäufer hat auf den Prozeß über den Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB keinen Einfluß.

Gesetze: ZPO § 265 Abs. 2

Instanzenzug: OLG Schleswig vom LG Lübeck

Tatbestand

Die Klägerin ist im Grundbuch als Eigentümerin mehrerer in Sachsen-Anhalt gelegener Grundstücke eingetragen. Der Grundbesitz hat eine Gesamtgröße von 61,9673 ha und besteht überwiegend aus Waldflächen, Ackerland und Grünland. Mit notariellem Vertrag vom verkaufte die Klägerin ihren Grundbesitz zum Preis vom 170.000 DM an den Beklagten. Der Kaufpreis sollte in 6 Jahresraten, beginnend ab dem , entrichtet werden.

Am wurden zugunsten des Beklagten Auflassungsvormerkungen in das Grundbuch eingetragen. Der Kaufpreis wurde auf das Notaranderkonto einbezahlt. Mit notariellem Kaufvertrag vom veräußerte der Beklagte den Grundbesitz unter "Abtretung" der Auflassungsvormerkungen weiter an E. B. . Die Auflassungsvormerkungen wurden am umgeschrieben.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Einwilligung in die Löschung der Auflassungsvormerkungen Zug um Zug gegen Rückzahlung der hinterlegten Kaufpreisraten. Sie macht geltend, der Kaufvertrag vom sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, weil der Verkehrswert des Grundbesitzes zumindest mit 0,60 DM/m2 anzusetzen und damit mindestens doppelt so hoch sei wie der vereinbarte Kaufpreis von 170.000 DM.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die am zugestellte Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch auf Einwilligung in die Löschung der zugunsten des Beklagten eingetragenen Auflassungsvormerkungen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Es ist der Ansicht, der Beklagte habe die Vormerkungen nicht ohne rechtlichen Grund erlangt, da der notarielle Kaufvertrag vom wirksam sei. Für eine Formnichtigkeit nach §§ 125 Satz 1, 313 Satz 1 BGB a.F. oder für das Vorliegen des Wuchertatbestandes nach § 138 Abs. 2 BGB bestünden keine Anhaltspunkte. Auch eine Sittenwidrigkeit unter dem Gesichtspunkt des wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) komme nicht in Betracht. Ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung könne nicht festgestellt werden. Denn der Verkehrswert des veräußerten Grundbesitzes sei mit mindestens 225.000 DM anzusetzen und übersteige damit den Kaufpreis von 170.000 DM lediglich um rund 32 %.

II.

Die Revision hat Erfolg.

1. Der Beklagte ist für den Anspruch auf Einwilligung in die Löschung nach Umschreibung der Auflassungsvormerkungen zwar nicht mehr passiv legitimiert. Dies ist aber nach § 265 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift hat die nach Rechtshängigkeit erfolgte Veräußerung der streitbefangenen Sache oder die Abtretung des geltend gemachten Anspruchs auf den Prozeß keinen Einfluß. Die Vorschrift dient dem Schutz des Prozeßgegners und der Prozeßökonomie, indem nach Veräußerung der im Streit befangenen Sache der bisherige Rechtsstreit trotz Verlusts der Sachlegitimation fortgeführt werden kann, falls das abschließende Urteil nach § 325 ZPO auch gegen den Rechtsnachfolger wirkt. Der Veräußerer verliert seine Stellung als Partei nicht und führt den Rechtsstreit als gesetzlicher Prozeßstandschafter im eigenen Namen und für den Rechtsnachfolger weiter (Senat, BGHZ 148, 335 = NJW 2001, 3339). Die Vorschrift ist von ihrem Zweck her weit auszulegen. Streitbefangen ist daher jeder Gegenstand, dessen Übertragung die Sachlegitimation beseitigt (MünchKomm-ZPO/Lüke, 2. Aufl., § 265 Rdn. 17; Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 265 Rdn. 3). Hierzu zählt auch die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch, deren Berichtigung wegen Unwirksamkeit des gesicherten Anspruchs verlangt wird. Denn ebenso wie die gegen den Beklagten auf Zustimmung zu der Berichtigung seiner Eintragung als Eigentümer gerichtete Klage die Berechtigung an der erlangten Buchstellung streitbefangen macht (RGZ 121, 379, 381; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 265 Rdn. 23, 26; Musielak/Foerste aaO, § 265 Rdn. 3), so läßt auch die gegen die Eintragung einer Vormerkung gerichtete Grundbuchberichtigungsklage nach § 894 BGB analog die Buchstellung des Vormerkungsberechtigten streitbefangen sein. Daß die Vormerkung aufgrund ihres akzessorischen Charakters nicht selbst übertragen werden kann, sondern mit dem gesicherten Anspruch übergeht, steht einer Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Für den Schutz des Prozeßgegners ist es ohne Bedeutung, ob sich die "Veräußerung" als das unmittelbare oder nur als das mittelbare Ergebnis eines Rechtsgeschäfts oder eines anderen rechtserheblichen Vorgangs darstellt. Liegt - wie hier - ein auf Berichtigung des Grundbuchs gerichteter Rechtsstreit vor, in dem grundsätzlich nur der im Grundbuch Eingetragene Beklagter ist und durch den erstrebt wird, daß der Eingetragene die von ihm erlangte Buchstellung zugunsten des Klägers aufgebe, so ist Veräußerer derjenige, der seine Buchstellung nach Eintritt der Rechtshängigkeit verloren hat, und sein Rechtsnachfolger derjenige, der sie nach diesem Zeitpunkt erlangt hat (RGZ 121, 379, 381).

Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Klägerin lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Einwilligung in die Löschung der Vormerkung verfolgt hätte, weil dann nur die schuldrechtliche Rechtsbeziehung, nicht dagegen die "dingliche" Eintragung als streitbefangen angesehen werden könnte (vgl. Senat, BGHZ 39, 21, 25 f; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 265 Rdn. 24; Musielak/Foerste aaO, § 265 Rdn. 4), bedarf keiner Entscheidung. Denn die Klägerin hat die Klage auf diesen Anspruch nicht begrenzt. Aufgrund der von der Klägerin behaupteten Unwirksamkeit des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs kommt sowohl ein Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB analog als auch ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB in Betracht. Beide Ansprüche stellen insoweit nur die Ausprägung eines einheitlichen Klagebegehrens dar, so daß die Umschreibung der Vormerkungen auf den Nachkäufer gemäß § 265 Abs.1, Abs. 2 ZPO jedenfalls insoweit unbeachtlich ist, als ein Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB analog in Frage steht.

2. Die Klägerin kann allerdings gemäß § 894 BGB analog die Löschung der Vormerkungen nur verlangen, wenn der Kaufvertrag vom nichtig ist. Denn dann hat der Beklagte keine durch Vormerkung zu sichernden Übereignungsansprüche und damit auch keine (wirksamen) Vormerkungen erlangt (vgl. Senat, BGHZ 57, 341, 343), so daß das Grundbuch unrichtig wäre. Die Frage der Wirksamkeit des Kaufvertrages bedarf aber weiterer Feststellungen. Denn die Annahme des Berufungsgerichts, eine Nichtigkeit des Kaufvertrages komme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht, beruht auf Rechtsfehlern.

a) Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht allerdings eine Formnichtigkeit des notariellen Kaufvertrages gemäß §§ 313 Satz 1, 125 Satz 1 BGB a.F. Dem Vortrag der Klägerin läßt sich nicht entnehmen, daß die von ihr behaupteten Absprachen mit dem Makler L. über zusätzliche Leistungen (Anschubfinanzierung, Beschaffung eines PKW) namens und in Vollmacht des Beklagten getroffen wurden. Auch eine eigene rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Maklers hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Ist damit davon auszugehen, daß entsprechende Nebenabreden überhaupt nicht erfolgt sind, kommt eine Unwirksamkeit des notariellen Kaufvertrages wegen unvollständiger Beurkundung des Veräußerungsgeschäfts (vgl. hierzu BGHZ 76, 43, 48 f; 78, 346, 349) nicht in Betracht. Dies stellt die Revision auch nicht in Frage.

b) Zutreffend führt das Berufungsgericht auch aus, daß die Voraussetzungen eines wucherischen Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 2 BGB nicht festzustellen sind (vgl. Senat, BGHZ 98, 246, 248, Urt. v. , V ZR 47/84, WM 1985, 1269, 1270). Die Revision nimmt dies auch hin.

c) Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, eine Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages gemäß § 138 Abs. 1 BGB sei auszuschließen.

aa) Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß ein Rechtsgeschäft, das den Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Punkten erfüllt, auch dann gegen die guten Sitten verstoßen kann, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Mißverhältnis besteht und zumindest ein weiterer Umstand hinzutritt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen läßt. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat, etwa weil er die wirtschaftlich schwächere Lage des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausnutzt oder wenn er sich leichtfertig der Einsicht verschließt, daß sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einläßt (vgl. Senat, BGHZ 146, 298, 301 f; Urt. v. , V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 430). Ist das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so ist allein deswegen der Schluß auf die bewußte oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes zulässig (vgl. Senat, BGHZ 146, 298, 302; Urt. v. , V ZR 237/00, aaO, 430, 432). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn - wie hier - infolge des Übergangs von der Volkswirtschaft der ehemaligen DDR zur Marktwirtschaft die Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt schwer zu beurteilen waren (vgl. auch Senat, Urt. v. , V ZR 146/98, NJW 2000, 1487, 1488: Kaufvertrag vor Beitritt, aber nach Wegfall der Preisvorschriften). Von einem besonders groben Mißverhältnis ist bereits dann auszugehen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung des Begünstigten (vgl. Senat, BGHZ 146, 302; Urt. v. , V ZR 265/93, NJW 1995, 2635, 2636, insoweit in BGHZ 130, 101 nicht abgedruckt; Urt. v. , V ZR 146/98, aaO; Urt. v. , V ZR 237/00, aaO, 432).

bb) Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Bestimmung des Verkehrswerts der veräußerten Grundstücke. Die tatrichterliche Wertermittlung ist durch das Revisionsgericht darauf zu überprüfen, ob sie auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht und ob entscheidungserhebliche Tatsachen außer acht gelassen worden sind (vgl. BGHZ 83, 61, 66; 120, 38, 45 f). Diesen Anforderungen wird das Berufungsgericht nicht gerecht. Es läßt eine sorgfältige und kritische Würdigung des vom Landgericht eingeholten und im Berufungsverfahren ergänzten Sachverständigengutachtens vermissen (vgl. , NJW 1986, 1928, 1930; Urt. v. , IV ZR 126/93, NJW-RR 1994, 1112; Urt. v. , VI ZR 354/95, NJW 1997, 1638). Insbesondere löst es die zwischen dem Gutachten des Sachverständigen und den Äußerungen der beiden Privatgutachter bestehenden Widersprüche bei der Bewertung der Waldgrundstücke nicht hinreichend auf. Demzufolge geht es von der bislang nicht abgesicherten Annahme aus, der Wert der veräußerten Waldflächen sei lediglich auf der Grundlage des Bodenwertes zu bemessen, weil dem vorhandenen Waldbestand (Kieferschonungen) wegen fehlender Erntereife kein eigenständiger Wert zukomme. Dies begegnet in mehrerer Hinsicht rechtlichen Bedenken.

(1) Das Berufungsgericht sieht keinen Widerspruch zwischen den vom Sachverständigen für die Waldflächen angesetzten Preisen (23 DM/m2 bzw. 24 DM/m2) und den in den vorgelegten Kaufpreissammlungen für die Jahre ab 1993 ausgewiesenen Werten. Ihm ist zuzugeben, daß die in den Sammlungen enthaltenen Daten angesichts der sich damals noch in der Entwicklung befindlichen Marktverhältnisse in den neuen Bundesländern und der fehlenden näheren Aufschlüsselung der erfaßten Kauffälle allein noch keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Wertverhältnisse im Jahr 1992 erlauben. Den Kaufpreissammlungen läßt sich aber immerhin entnehmen, daß im Geschäftsverkehr für "Waldflächen mit Bestand" in aller Regel deutlich höhere Preise erzielt werden als für Wald ohne "wertbeeinflussenden Bestand". Welche Anforderungen ein Waldbestand erfüllen muß, um im Geschäftsverkehr als werthaltig zu gelten, hat das Berufungsgericht jedoch nicht hinreichend aufgeklärt. Es ist vielmehr den - von den Privatgutachtern E. und M. substantiiert in Frage gestellten - Ausführungen des Sachverständigen gefolgt, die in den vorgelegten Kaufpreissammlungen für die Jahre ab 1993 ausgewiesenen Kaufpreise für "Wald mit wertbeeinflussendem Bestand" seien nur in den Fällen gezahlt worden, in denen ein erntereifer Holzbestand vorhanden gewesen sei. Demgegenüber gehen beide Privatgutachter in ihren schriftlichen Äußerungen davon aus, daß die veräußerten Kieferbestände im Hinblick auf ihren Bewirtschaftungszustand auch vor dem Erreichen der Erntereife als werthaltig einzustufen sind. Dies hat der Privatgutachter E. bei seiner Anhörung als sachverständiger Zeuge nochmals bestätigt und insbesondere dargelegt, daß auch ein 40- bis 50-jähriger Waldbestand durchforstet und damit gewinnbringend bewirtschaftet werden könne (vgl. auch OLG Hamm, r + s 1997, 362, 364). Diesem Einwand ist das Berufungsgericht nicht weiter nachgegangen, weil der Beklagte die Waldflächen nicht zur Waldbewirtschaftung, sondern zu Jagdzwecken angekauft habe. Hierbei verkennt es, daß besondere Interessen oder Motivationen einer Vertragspartei bei der Prüfung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und damit für die Bestimmung des Verkehrswerts des Kaufgegenstandes außer Betracht zu bleiben haben (vgl. Senat, BGH 146, 298, 305; Urt. v. , V ZR 237/00, aaO, 431). Damit hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft den Aussagegehalt der zur Verfügung stehenden Vergleichspreise nicht erschöpfend geklärt.

(2) Sofern die herangezogenen Kaufpreissammlungen oder die auf sonstige Weise ermittelten Vergleichspreise auch bei Einholung ergänzender Informationen keine hinreichenden Aufschlüsse über die im Geschäftsverkehr für Waldflächen der vorliegenden Art gezahlten Preise versprechen (vgl. auch BGHZ 119, 62, 67 f), kommt eine Wertermittlung nach den in den Waldbewertungsrichtlinien des Bundes (WaldR 91; Bundesanzeiger Nr. 221 a vom , S. 113) und des Landes Sachsen-Anhalt (WB 95) vorgesehenen Bewertungsmaßstäben in Betracht. Diese gehen davon aus, daß sich der Verkehrswert der Waldflächen aus den Wertanteilen für den Boden und für den Waldbestand zusammensetzt und letzterer auch vor Erreichen der Umtriebszeit (Erntezeit) werthaltig ist. Rechtsfehlerhaft vertritt das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem hinzugezogenen Gutachter die Auffassung, daß die dort aufgestellten Wertermittlungsgrundsätze im Streitfall keine Anwendung finden könnten, weil bei dem Erwerb von Waldflächen zu öffentlichen Zwecken in der Regel ein über dem Verkehrswert liegender Preis gezahlt werde. Diese Annahme ist nicht nachvollziehbar. Die Waldwertermittlungsrichtlinie des Bundes (WaldR 91) geht ausdrücklich davon aus, daß auch bei der Beschaffung oder der Veräußerung von Waldflächen durch den Bund der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Verkehrswert zu vergüten ist (2.1 - 2.2. WaldR 91). Die Waldbewertungsrichtlinie des Landes Sachsen-Anhalt (WB 95) unterscheidet zwar zwischen verschiedenen Bewertungsanlässen, bestimmt aber für den freien Grundstücksverkehr (Ankauf, Verkauf, Tausch) ebenfalls, daß der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielende Preis maßgebend ist (vgl. 1.2. - 1.4. WB 95). Auch wenn die genannten Richtlinien für den privaten Grundstücksverkehr nicht verbindlich sind, so stellen sie angesichts ihrer Zielsetzung grundsätzlich eine brauchbare Bemessungsgrundlage für die Wertbestimmung bei Waldgrundstücken dar. Sie ergänzen und konkretisieren bei Waldflächen insbesondere die aufgrund von § 199 BauGB ergangenen Vorschriften der Wertermittlungsverordnung (BGBl 1988 I, S. 2209), die im allgemeinen Grundstücksverkehr als sachgerechte Bewertungsmethoden anerkannt sind (vgl. auch , NJW-RR 1995, 911, 912; Senat, Urt. v. , WM 2001, 997 f; vgl. auch Kleiber, Sammlung amtl. Texte zur Wertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl., Bundesanzeiger Nr. 221 a v. , S. 9 f). Das Berufungsgericht hat dadurch, daß es ohne stichhaltige Gründe die in den Waldbewertungsrichtlinien vorgesehenen Bewertungsverfahren außer acht gelassen hat, seinen tatrichterlichen Ermessensspielraum überschritten. Der Tatrichter ist zwar bei der Wahl der Wertermittlungsmethode grundsätzlich frei, sofern das Verfahren nach den Besonderheiten des konkreten Falles geeignet ist, den vollen Gegenwert für den zu bewertenden Gegenstand zu erfassen, ohne das Wertbild zu verzerren (, aaO; Senat, Urt. v. , V ZR 420/99, WM 2001, 997, 998). Eine Wertverzerrung kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, wenn - wie hier - ein Teil des zu bewertenden Gegenstands (Waldbestand) von der Wertbemessung ausgenommen wird, ohne daß für diese Abweichung von den amtlichen Vorgaben konkrete und plausible Gründe aufgezeigt werden.

Das Berufungsgericht wird daher unter Beachtung der aufgezeigten Bewertungsmaßstäbe erneut zu prüfen haben, welchen Verkehrswert der verkaufte Grundbesitz bei Vertragsabschluß hatte.

cc) Auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Gegenleistung des Beklagten sei mit 170.000 DM anzusetzen, begegnet Bedenken. Denn in die Bemessung dieser - in Raten zu zahlenden - Kaufpreissumme sind nicht unerhebliche Zinsleistungen eingeflossen. Diese sind in Abzug zu bringen (vgl. Senat, Urt. v. , V ZR 76/91, NJW-RR 1993, 198, 199) und dann der verbleibende Restbetrag dem ordnungsgemäß ermittelten Verkehrswert des Grundbesitzes gegenüber zu stellen. Ergibt sich hierbei ein grobes Mißverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die hieraus folgende Vermutung einer verwerflichen Gesinnung durch besondere Umstände erschüttert ist. Dabei können die mit dem Übergang zur Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern verbundenen Unsicherheiten bei der Wertermittlung (vgl. auch Senat, Urt. v. , V ZR 355/95, WM 1997, 1155, 1156 f; Urt. v. , V ZR 146/98, aaO; Urt. v. , V ZR 237/00, aaO, 432) sowie die Motivation des Beklagten, die gekauften Waldflächen zur Jagd und nicht zur Forstbewirtschaftung zu nutzen (vgl. Senat, BGHZ 146, 298, 305; Urt. v. , V ZR 237/00, aaO), eine Rolle spielen. Kommt das Berufungsgericht erneut zu der Auffassung, ein grobes Mißverhältnis liege nicht vor, so käme eine Nichtigkeit des Kaufvertrags nur dann in Betracht, wenn mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Elemente als sittenwidrig erscheinen läßt (vgl. Senat, BGHZ 146, 298, 301). Hierfür sind bislang keine hinreichenden Anhaltspunke ersichtlich. Insbesondere ist nicht nachgewiesen, daß sich der Beklagte leichtfertig der Einsicht verschlossen hat, die Klägerin habe sich nur aufgrund einer finanziellen Notlage und aus Unerfahrenheit auf den vereinbarten Kaufpreis eingelassen. Auch bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß der Makler als Wissensvertreter für den Beklagten gehandelt hat (§ 166 Abs. 1 BGB analog). Dem Vortrag der Klägerin läßt sich nicht hinreichend entnehmen, daß der Makler bei den Vorgesprächen als Verhandlungsführer des Beklagten aufgetreten ist (vgl. Senat, Urt. v. , V ZR 256/62, MDR 1964, 130, 131; Urt. v. , V ZR 260/90, NJW 1992, 899, 900). Daher kann dem Beklagten das von der Klägerin beanstandete Verhalten des Maklers nicht zugerechnet werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DB 2002 S. 2433 Nr. 46
MAAAC-02453

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja