BGH Urteil v. - V ZR 320/01

Leitsatz

[1] Allein dadurch, daß der Verwalter eine an alle Wohnungseigentümer gerichtete behördliche Aufforderung zur Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum als Zustellungsvertreter entgegen nimmt, wird dem einzelnen Wohnungseigentümer bei einem Verkauf des Wohnungseigentums noch nicht die Kenntnis von dem Inhalt vermittelt.

Gesetze: WEG § 27 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug: LG Berlin

Tatbestand

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom erwarb der Kläger von den Beklagten zwei Eigentumswohnungen - unter Ausschluß der Gewährleistung für Größe, Güte und Beschaffenheit von Gemeinschafts- und Sondereigentum - für 385.000 DM. Die Beklagten versicherten, daß ihnen von verborgenen Mängeln nichts bekannt sei.

Vor dem Abschluß des Vertrags war die von den Beklagten mit der Verwaltung der Eigentumswohnungen beauftragte P. GmbH (nachfolgend: GmbH), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 1 war, von dem zuständigen Bau- und Wohnungsaufsichtsamt auf Feuchtigkeitsschäden hingewiesen und aufgefordert worden, Dichtungen und Anschlüsse der Terrassen zu überprüfen und fachgerecht instand zu setzen.

Im Oktober 1997 erlangte der Kläger Kenntnis davon, daß die Terrassen der von ihm erworbenen Eigentumswohnungen undicht waren, so daß Wasser durch die Decken in die darunter liegenden Wohnungen lief. Außerdem stellte er einen Schimmelpilzbefall fest. Mit Anwaltschreiben vom focht er den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. In der Folgezeit verhandelten die Parteien über das weitere Vorgehen. Gemäß Schreiben vom kamen sie überein, daß die Beklagten den Kläger von allen Kosten für die Sanierung der Terrassen freistellten und der Kläger auf die Rückabwicklung des Kaufvertrags und auf seine Rechte aus der Anfechtung verzichtete.

Die Beklagten führten verschiedene Sanierungsarbeiten aus, mit denen der Kläger jedoch nicht zufrieden war. Er forderte sie unter Fristsetzung und Nachfristsetzung, mit der er zugleich den Rücktritt von der Vereinbarung gemäß Schreiben vom androhte, zur Durchführung bestimmter Sanierungsarbeiten an den Terrassen und zur Beseitigung weiterer Mängel auf.

Mit der Behauptung, der Beklagte zu 1 habe Kenntnis von dem Hinweis des Bau- und Wohnungsaufsichtsamts auf die Feuchtigkeitsschäden gehabt, verlangt der Kläger von den Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises sowie weiterer im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnungen und dem Vollzug des Kaufvertrags entstandener Kosten Zug um Zug gegen lastenfreie Rückgabe der Wohnungen; außerdem begehrt er die Feststellung, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihm die Kosten der Finanzierung des Kaufpreises und der Rückabwicklung des Kaufvertrags zu ersetzen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist überwiegend erfolgreich gewesen. Die Beklagten erstreben mit ihrer Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, die vollständige Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger von den Beklagten wegen ungerechtfertigter Bereicherung die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Ein Rechtsgrund für die Kaufpreiszahlung bestehe nicht, weil der Kaufvertrag aufgrund der Anfechtungserklärung vom nichtig sei. Die Beklagten hätten den Kläger über die Feuchtigkeitsschäden im Bereich der Terrassen arglistig getäuscht; sie müßten sich die Kenntnis der Mitarbeiter der GmbH von der Feuchtigkeit zurechnen lassen. Die Vereinbarung gemäß Schreiben vom entfalte keine Rechtswirkungen zugunsten der Beklagten, weil sie formnichtig sei.

Darüber hinaus habe der Kläger gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der weiter geltend gemachten Kosten - mit Ausnahme der Maklergebühren - nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo, denn die arglistige Täuschung stelle gleichzeitig eine schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Pflichten der Beklagten dar. Da der Kläger nicht in der Lage sei, die Höhe der ebenfalls von dem Schadenersatzanspruch umfaßten Finanzierungs- und Rückabwicklungskosten zu beziffern, sei die Feststellungsklage zulässig und begründet.

Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.

1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, daß sich Entscheidungsgründe und Tenor des angefochtenen Urteils widersprächen. Das Berufungsgericht hat nämlich nicht die Nichtigkeit der Auflassung festgestellt, sondern lediglich - zutreffend - dargelegt, daß sich das Anfechtungsrecht des Klägers auch auf die Auflassung erstreckt. Insoweit hat er jedoch keine Anfechtung erklärt. Die vom Berufungsgericht im Wege der Zug-um-Zug-Verurteilung ausgesprochene Rückauflassungsverpflichtung ist somit richtig.

2. Das angefochtene Urteil unterliegt jedoch deshalb der Aufhebung, weil das Berufungsgericht zu Unrecht die Nichtigkeit der Vereinbarung gemäß Schreiben vom annimmt und seine bisher getroffenen Feststellungen den Vorwurf der arglistigen Täuschung des Klägers durch die Beklagten nicht rechtfertigen.

a) Die Vereinbarung gemäß Schreiben vom ist formwirksam. Die Auslegung des Berufungsgerichts, sie sei als formbedürftige Bestätigung bzw. Nichtvornahme des Kaufvertrags (§ 141 BGB) anzusehen, hat keinen Bestand. Sie wird weder dem Wortlaut der Vereinbarung noch den rechtlichen Voraussetzungen der Bestätigung gerecht. Die Annahme einer Bestätigung scheitert schon daran, daß die Beklagten eine arglistige Täuschung immer bestritten haben. Die Parteien wollten daher nicht den Kaufvertrag auf eine neue Grundlage stellen, sondern den Streit über die Wirksamkeit der Anfechtung dadurch beilegen, daß die Beklagten die Mängel beseitigen. Falls sie ihrer Verpflichtung nicht nachkamen, sollte der rechtliche Zustand bestehen, der vor dem Abschluß der Vereinbarung bestand; d.h., daß dann aus der Sicht des Klägers die Anfechtung zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führen sollte, während aus der Sicht der Beklagten die Frage der arglistigen Täuschung zu klären war. Damit stellt sich die Vereinbarung als Vergleich (§ 779 BGB) dar, der nicht der notariellen Form bedarf.

Das Berufungsgericht hat es bisher offengelassen, ob die Beklagten die Vereinbarung gehörig erfüllt haben. Dieser Punkt bedarf jedoch der Aufklärung. Reichen die ausgeführten Sanierungsarbeiten zur Erfüllung aus, ist die Klage unbegründet; sind die Arbeiten nicht ausreichend, ist der Kläger nach der fruchtlosen Fristsetzung mit Schreiben vom durch die Erhebung der Klage wirksam von der Vereinbarung zurückgetreten (§ 326 Abs. 1 BGB a.F.) mit der Folge, daß die Begründetheit der Klage von der Wirksamkeit der Anfechtung abhängt.

b) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß es sich bei den Feuchtigkeitsschäden im Bereich der Terrassen um einen offenbarungspflichtigen Mangel handelt, auf den die Beklagten - ihre Kenntnis unterstellt - den Kläger auch ungefragt hinweisen mußten. Ebenfalls trifft die weitere Annahme des Berufungsgerichts zu, daß die Kenntnis der Mitarbeiter der GmbH von den Feuchtigkeitsschäden dem Beklagten zu 1 als Geschäftsführer nicht zugerechnet werden kann, denn die Zurechnung der Kenntnis von Mitarbeitern einer juristischen Person ist nur zu ihren Lasten, nicht dagegen zu Lasten ihrer Organe zulässig (Senatsurteil vom , V ZR 349/99, NJW 2001, 359, 360 m.w.N.).

Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, die Beklagten müßten sich eine Kenntnis der GmbH zurechnen lassen, weil sie diese mit der Verwaltung der Eigentumswohnungen beauftragt haben und sie insoweit als Vertreterin der Beklagten tätig wurde. Das verkennt die Funktion des Verwalters. Er ist organschaftlicher Vertreter der Eigentümergemeinschaft mit bestimmten Aufgaben und Befugnissen, die in den §§ 27, 28 WEG näher geregelt sind. Dazu gehört die Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellungen an die Wohnungseigentümer (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG). Hier geht es jedoch nicht um die Zurechnung des als Empfangs- oder Zustellungsvertreter erlangten Wissens von dem Eingang des an alle Eigentümer gerichteten Schreibens des Bau- und Wohnungsaufsichtsamts, sondern um die Kenntnis von dem Inhalt. Sie wird allein dadurch, daß der Verwalter ein Schriftstück für die Wohnungseigentümer entgegennimmt, diesen allenfalls in Angelegenheiten vermittelt, welche die Wohnungseigentümer als Gemeinschaft betreffen. Dagegen wird sie dem einzelnen Wohnungseigentümer nicht auch in einer Angelegenheit zugerechnet, die ihn - wie hier als Verkäufer seines Wohnungseigentums - persönlich betrifft. Da die GmbH auch nicht als Verhandlungsgehilfin der Beklagten aufgetreten ist, sondern an dem Abschluß des Kaufvertrags nicht beteiligt war, kann ihre Kenntnis von den Mängeln den Beklagten nach § 166 Abs. 1 BGB nicht zugerechnet werden. Auch eine Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB analog kommt nicht in Betracht, weil die GmbH in den persönlichen Angelegenheiten des Wohnungseigentümers eine rechtlich und organisatorisch selbständige Dritte ist, so daß eine Wissenszurechnung unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur ordnungsgemäß organisierten Kommunikation (BGHZ 117, 104, 106 f) ausscheidet (vgl. Senatsurt. v. , V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270 m.w.N.).

c) Somit kann eine arglistige Täuschung des Klägers durch die Beklagten nur dann bejaht werden, wenn der Beklagte zu 1 vor Vertragsschluß Kenntnis von dem Hinweis des Bau- und Wohnungsaufsichtsamts hatte. Das hat das Berufungsgericht dahinstehen lassen. Da es die von dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochene Lebenserfahrung, daß der Verwalter seiner Pflicht zur Weitergabe von Mängelanzeigen an die Wohnungseigentümer nachkommt, nicht gibt, bedarf die Sache weiterer Aufklärung. Dabei wird der Kläger noch zur Kausalität der arglistigen Täuschung für den Kaufentschluß (vgl. Senatsurteil vom - V ZR 34/94, NJW 1995, 2361, 2362) vortragen können.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
QAAAC-02255

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja