BGH Urteil v. - V ZR 205/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: EGBGB Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1; VZOG § 6 a.F.; VZOG § 8; VZOG § 8 Abs. 1; VZOG § 8 Abs. 1 Satz 1a; BGB § 892; BGB § 894

Instanzenzug:

Tatbestand

Die Beklagte steht seit dem als Eigentümerin eines mit einem Pfarrhaus bebauten Grundstücks in L. im Grundbuch. Die klagende Kirchengemeinde beansprucht dieses Grundstück für sich.

1879 wurde für das Grundstück das Grundbuch neu angelegt und die Gemeinde L. als Eigentümerin eingetragen. Später wurde aufgrund eines Gerichtsurteils in Abteilung II des Grundbuchs für das Diakonat L. ein Nutzungsrecht eingetragen. Genutzt wurde das Haus spätestens seit dem 19. Jahrhundert von einem Pfarrer der Kirchengemeinde zu Wohnzwecken. Ob es auch anderen kirchengemeindlichen Zwecken diente, ist zwischen den Parteien streitig.

Versuche der Klägerin in den 50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, gestützt auf die Verordnung der Provinzialverwaltung der Mark Brandenburg über das Kirchenpatronatsrecht vom im Wege der Grundbuchberichtigung als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen zu werden, scheiterten. Stattdessen wurde 1959 das zu ihren Gunsten eingetragene Nutzungsrecht gelöscht und Volkseigentum eingetragen, ohne daß eine Enteignung vorgenommen worden wäre und ohne daß die Voraussetzungen einer Enteignung vorgelegen hätten. Rechtsträger war der VEB Gebäudewirtschaft L. .

Die Beklagte wurde 1990 gegründet. Das Stammkapital wird zu 100 % von der Stadt L. gehalten, die die Grundstücke, u.a. das hier streitige Grundstück, mit notariellem Vertrag vom in die Beklagte eingebracht hat.

Mit Bescheid vom stellte die zuständige Oberfinanzdirektion fest, daß das Grundstück nach dem Einigungsvertrag in das Eigentum der Stadt L. übergegangen sei. Ein Restitutionsverfahren verlief für die Klägerin erfolglos.

Sie ist der Auffassung, daß ihr das Grundstück zustehe, und hat in erster Instanz die Übertragung des Eigentums, hilfsweise ihre Eintragung als Eigentümerin im Wege der Grundbuchberichtigung, verlangt. Das Landgericht hat unter Abweisung des Hauptantrags dem Hilfsantrag stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht auch den Hilfsantrag abgewiesen. Mit der von ihm zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, hilfsweise, nach ihrem in erster Instanz gestellten Hauptantrag zu erkennen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat über den Hauptantrag nicht befunden, da es ihn mangels Anschlußberufung der Klägerin als nicht mehr verfolgt angesehen hat. Den Hilfsantrag hat es mit der Begründung abgewiesen, daß das Grundbuch nicht unrichtig sei. Zwar habe die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück mit Inkrafttreten des Art. IV der Verordnung über das Kirchenpatronatsrecht und gemeinsame Angelegenheiten der Gemeinden und Kirchengemeinden vom (VOBl. 1946, S. 101) erlangt. Sie habe es jedoch an die Beklagte verloren, da die Stadt L. darüber im Rahmen der Gründung der Beklagten zugunsten dieser verfügt habe. Diese Verfügung sei nach Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1a VZOG wirksam.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB zu, da sie Eigentümerin des Pfarrhausgrundstücks ist und die Beklagte zu Unrecht als Eigentümerin eingetragen ist. Auf den in der Revisionsinstanz nur hilfsweise verfolgten ursprünglichen Hauptantrag der Klägerin kommt es folglich nicht an.

1. Die Revision greift die ihr günstige Annahme des Berufungsgerichts nicht an, daß die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück nach Art. IV der Verordnung über das Kirchenpatronatsrecht erworben hat. Diese Auffassung begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken. Das Berufungsgericht hat herausgearbeitet, daß der Verordnung eigentumszuweisende Wirkung zukam, soweit Gebäude und Grundstück kirchlichen Zwecken gewidmet waren. Es ist nicht zu beanstanden, daß es diese Widmung aufgrund einer für die Klägerin streitenden Vermutung als gegeben angesehen hat. Der dagegen gerichtete Einwand der Revisionserwiderung, die Vermutung stütze sich auf eine lediglich verwaltungsinterne Vorschrift, der keine rechtliche Außenwirkung zukomme, greift nicht durch. Richtig ist, daß die "Anweisung zur Ausführung der Verordnung über das Kirchenpatronatsrecht ... vom " unter IV bestimmt, daß bei Nutznießungsrechten aus alter oder älterer Zeit eine Vermutung für eine kirchliche Widmung spreche. Diese Anweisung richtet sich allerdings nur an die mit der Ausführung der Verordnung über das Kirchenpatronatsrecht befaßten Stellen. Sie kann daher für außenstehende Dritte keine gesetzliche Vermutung begründen. Darin besteht aber auch nicht ihr Regelungszweck. Sie will, richtig verstanden, keinen Tatbestand schaffen, an den sich materiellrechtliche Folgen knüpfen ließen. Sie gibt nur einen Erfahrungssatz wieder, der ohnehin besteht, und macht ihn zum Gegenstand einer Verwaltungsanweisung. Gäbe es die Anweisung nicht, gälte nichts anderes. Aus dem Umstand, daß für das Diakonat L. - wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat - ein Nutzungsrecht im Grundbuch eingetragen war, das im Zeitpunkt der Geltung der Kirchenpatronatsverordnung noch fortbestand, kann der Schluß gezogen werden, daß Grundstück und Gebäude öffentlich-rechtlich für kirchliche Zwecke gewidmet waren. Wem ein Nutzungsrecht verliehen ist, der nutzt in aller Regel aufgrund dieses Rechts, nicht aufgrund privatrechtlicher Verträge, etwa aufgrund eines Mietvertrages. Daß diese auf der Lebenserfahrung beruhende Vermutung durch besondere Umstände erschüttert wäre, hat das Berufungsgericht zutreffend verneint.

2. Nicht zu folgen ist ihm hingegen, soweit es davon ausgeht, daß Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1a VZOG die Stadt L. dazu berechtigt habe, mit Wirkung gegen die Klägerin über das in ihrem Eigentum stehende Grundstück zu verfügen. Aus den von dem Berufungsgericht an sich nicht übersehenen Entscheidungen des Senats ergibt sich das Gegenteil.

a) Der Senat hatte zu der früheren Fassung des § 8 VZOG (in der Fassung des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes) entschieden, daß dem Verfügungsbefugten damit nicht die Rechtsmacht verliehen wurde, wirksam über nicht entstandenes Volkseigentum zu verfügen. Nur wenn Volkseigentum bestand, ermächtigte die Vorschrift zu Verfügungen; anderenfalls verlieh sie dem Adressaten nur die Stellung eines Buchberechtigten, und Dritte konnten nur unter den Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten (§ 892 BGB) Eigentum erwerben (Urt. v. , V ZR 356/96, WM 1998, 1832 = VIZ 1998, 519). Diese Auffassung hat der Senat mit Urteil vom (V ZR 180/97, WM 1999, 746, 748 f. = VIZ 1999, 161, 162 f.) bestätigt und zugleich dargelegt, daß die durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz geschaffene neue Fassung des § 8 Abs. 1 VZOG abweichend vom bisherigen Recht - verfassungsrechtliche Bedenken hier außer acht lassend - eine Verfügungsmacht auch für den Fall begründet, daß Volkseigentum zwar im Grundbuch eingetragen, aber nicht zur Entstehung gelangt war. Ferner hat er ausgeführt, daß eine unter der Geltung der alten Gesetzesfassung, ebenso unter der noch älteren des § 6 VZOG, unwirksame Verfügung nicht mit Inkrafttreten der Neufassung geheilt werden konnte.

b) Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht kein Anlaß. Für den hier vorliegenden Fall, der sich noch unter der Geltung des § 6 VZOG a.F. zugetragen hat, bedeutet dies, daß entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts § 8 Abs. 1 VZOG n.F. nicht anwendbar ist und folglich die Stadt L. nicht zur Verfügung berechtigt hat. Auf Art. 233 Abs. 2 Satz 1 EGBGB allein kann dies ebensowenig gestützt werden, da dort gerade vorausgesetzt wird, daß Volkseigentum zur Entstehung gelangt war (Senat, Urt. v. aaO).

3. Daß die Beklagte das Eigentum nicht gutgläubig gem. § 892 BGB erworben hat, hat schon das Landgericht zutreffend dargelegt. Hierauf kann verwiesen werden. Auch die Revisionserwiderung gründet ihren Rechtsstandpunkt nicht auf einen solchen Erwerbstatbestand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
CAAAC-02076

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein