Leitsatz
[1] Der Umstand allein, daß eine Gemeinde durch einen Vertrag eine Verpflichtung eingeht, die teilweise oder ganz erst in späteren Haushaltsjahren zu erfüllen ist, führt nicht zur Genehmigungsbedürftigkeit nach § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf. Dasselbe gilt für eine Stundung, die dem Zweck dient, die Zug-um-Zug-Abwicklung der gegenseitigen Pflichten eines Grundstückskaufvertrages sicher zu stellen.
Eine Stundungsabrede liegt nicht vor, wenn die Vertragsparteien den Zahlungszeitpunkt so festlegen, daß eine Zug-um-Zug-Abwicklung der beiderseitigen Pflichten gewährleistet ist.
Gesetze: DDR-KommVerf § 44 Abs. 6; BGB § 271 Abs. 1
Instanzenzug:
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom kaufte die Beklagte von der Namensvorgängerin der Klägerin mehrere Grundstücke zu einem Kaufpreis von 492.752 DM. Besitz, Nutzen und Lasten gingen mit Vertragsschluß auf die Beklagte über. Der Kaufpreis sollte binnen zwei Wochen nach Zugang der Mitteilung des Notars gezahlt werden, daß eine Auflassungsvormerkung eingetragen sei und die Voraussetzungen für die Eigentumsumschreibung vorlägen. Bis zur Fälligkeit war der Kaufpreis mit 8 % zu verzinsen.
Die Beklagte verpflichtete sich, auf den Kaufgrundstücken durch eine Wohnbebauung insgesamt 5.386.210 DM zu investieren. Diese Zusage ist durch eine Vertragsstrafe in Höhe von 30 % der nicht aufgewendeten Investitionssumme gesichert.
Mit Schreiben vom teilte der Notar mit, daß die Fälligkeitsvoraussetzungen gegeben seien. Die Beklagte zahlte Anfang 1996 lediglich einen Teilbetrag von 29.000 DM und blieb den Restkaufpreis ebenso schuldig wie die versprochenen Investitionen.
Die Klägerin verlangt im Wege der Teilklage 200.000 DM nebst Zinsen als Kaufpreis und 100.000 DM nebst Zinsen als Vertragsstrafe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Kammergericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht hält den notariellen Kaufvertrag, auf den die Klage gestützt wird, für schwebend unwirksam, da es an der erforderlichen Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde fehle. Der Vertrag sei nach § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf genehmigungsbedürftig, da er wirtschaftlich der Eingehung einer Kreditverpflichtung gleichkomme. Das zeige sich daran, daß der Beklagten der Kaufpreis über einen längeren Zeitraum gestundet worden sei. Sie habe daher im laufenden Haushaltsjahr eine Leistung erhalten, während sie die von ihr geschuldete Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt habe erbringen müssen. Darin liege eine Kreditierung.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt der Kaufvertrag der Parteien nicht dem Genehmigungserfordernis des § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus und sieht den Zweck des Genehmigungserfordernisses darin, die Gemeinde vor der Eingehung einer langfristigen Leistungsverpflichtung mit erheblichen Belastungen für künftige Haushaltsjahre zu schützen (vgl. auch Schneider/Dreßler/Lüll, Hess. Gemeindeordnung, Stand: Dezember 2003, § 103 Anm. 15; Grundlach, LKV 2001, 203, 205, für § 100 Abs. 5 SachsAnhGO). Daraus darf indes, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, nicht gefolgert werden, daß jede Verpflichtung, die eine Gemeinde zur Erlangung einer Leistung im laufenden Haushaltsjahr eingeht und die teilweise oder ganz erst in späteren Haushaltsjahren zu erfüllen ist, einer genehmigungsbedürftigen Kreditverpflichtung gleichkommt. Dies kann so sein (wie Grundlach aaO zutreffend anmerkt), muß aber nicht so sein. Das zeigt schon, daß Gemeinden Verpflichtungsermächtigungen zu Lasten späterer Haushaltsjahre im Haushalt veranschlagen können, die die Grundlage für die Eingehung von Verpflichtungen bieten, die nicht in demselben Haushaltsjahr zu erfüllen sind (§ 43 DDR-KommVerf). Solche Fälle werden von § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf nicht generell erfaßt. Entscheidend ist vielmehr die vertragliche Gestaltung im Einzelfall.
2. Nicht tragfähig ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe der Beklagten den Kaufpreis gestundet und ihr damit einen Kredit gewährt. Auch insoweit gilt, daß die Vereinbarung einer Stundung geschuldeter Beträge, etwa aus Kaufverträgen, wie auch die Vereinbarung von Ratenzahlungen den Tatbestand eines einer Kreditaufnahme gleichkommenden Rechtsgeschäfts erfüllen kann. Entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden Württemberg, Stand: Januar 1987, § 87 Rdn. 80). Danach fehlt es hier an den für eine Kreditierung charakteristischen Merkmalen.
a) Unzutreffend ist schon, daß die Zahlungsvereinbarung in dem Kaufvertrag eine Stundung des Kaufpreises, also ein Hinausschieben der Fälligkeit (, NJW 1998, 2060, 2061 m.w.N.), zum Inhalt hat. Das Berufungsgericht schließt dies aus dem Umstand, daß die Fälligkeit abweichend von § 271 Abs. 1 BGB nicht sofort, d.h. mit Vertragsschluß, sondern nach Vorliegen bestimmter zur Umschreibung des Eigentums erforderlicher Voraussetzungen eintreten sollte. Dies verkennt jedoch den Regelungsgehalt des § 271 BGB. Die Norm enthält subsidiäre Regelungen. Sie greift nur ein, wenn eine Leistungszeit nicht in anderer Weise bestimmt ist (MünchKomm-BGB/Krüger, 4. Aufl., Band 2 a, § 271 Rdn. 5, 31). Hier haben die Parteien eine Fälligkeitsbestimmung vorgenommen. Sie schiebt den Leistungszeitpunkt nicht hinaus, sondern regelt ihn.
Zwar kann eine Stundungsabrede auch sogleich bei Vertragsschluß getroffen werden (Esser/Schmidt, Schuldrecht Band 1, Teilband 1, 8. Aufl., § 15 II 2). Sie muß aber ein Hinausschieben der Fälligkeit über den nach dem Vertrag an sich naheliegenden und üblichen Zeitpunkt hinaus zum Inhalt haben, etwa wenn die Vertragsparteien die Fälligkeit abweichend von dem Grundsatz der Zug-um-Zug-Leistung regeln (vgl. MünchKomm-BGB/Krüger, § 271 Rdn. 21). Das ist hier gerade nicht der Fall. Vielmehr dient die Bestimmung des Zahlungszeitpunkts der Abwicklung der beiderseitigen Leistungspflichten aus dem Grundstückskaufvertrag, dessen Besonderheit darin besteht, daß die Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht regelmäßig nicht sogleich möglich ist, sondern, schon wegen der notwendigen Mitwirkung des Grundbuchamts, Zeit benötigt.
b) Selbst wenn man aber von einer Stundungsabrede ausgeht, liegt darin keine Kreditierung des Kaufpreises, die die Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag, wirtschaftlich betrachtet, in die Nähe einer Kreditverpflichtung rücken.
Dagegen spricht zum einen der Zweck der Fälligkeitsbestimmung, die Zug-um-Zug-Abwicklung der gegenseitigen Verpflichtungen den Eigentümlichkeiten eines Grundstückskaufvertrages anzupassen und den beiderseitigen Risiken Rechnung zu tragen. Sie weicht inhaltlich im Ergebnis nicht wesentlich von dem ab, was auch bei sofortiger Fälligkeit des Kaufpreises, dann aufgrund von § 320 Abs. 1 BGB, gelten würde. Die Beklagte könnte die Zahlung bis zur Eigentumsübertragung verweigern. Das Bestehen der Einrede hinderte den Verzugseintritt (MünchKomm-BGB/Emmerich, § 320 Rdn. 46 m.w.N.). Zinsen sind weder nach §§ 291, 641 BGB (vgl. BGHZ 55, 198; 61, 42, 46) noch nach § 353 HGB geschuldet (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 320 Rdn. 12). Die Beklagte hat daher durch die Vertragsgestaltung keine Kreditmittel erhalten, die ihr anderenfalls nicht zugestanden hätten. Zudem blieb die Beklagte nach der gewählten Vertragsgestaltung ohnehin noch vorleistungspflichtig, da die Auflassung erst nach nachgewiesener Zahlung vorzunehmen war.
3. Einen kreditähnlichen Charakter hat auch nicht die Vereinbarung über den vorgezogenen Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten. Darin liegt zwar an sich eine Vorleistung der Klägerin, für die als Gegenleistung und als Ausgleich für die der Beklagten schon überlassenen Nutzungsmöglichkeit eine Verzinsung - Nutzungszins (vgl. Senat, Urt. v. , V ZR 49/99, NJW-RR 2001, 195) - vereinbart war. Obwohl diese Gegenleistung erst zusammen mit dem Kaufpreis, also erhebliche Zeit nach dem Übergang von Besitz und Nutzen, zu erbringen war, liegt darin keine Kreditierung des Nutzungszinses. Dies belegt ein Vergleich mit der gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit des Mietzinses. Sowohl nach der im vorliegenden Fall noch geltenden (Art. 229 § 3 Nr. 7 EGBGB) Regelung in § 551 Abs. 1 BGB a.F. wie auch nach der Neuregelung des § 579 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Miete für ein Grundstück, wenn nicht Zeitabschnitte vereinbart sind, am Ende der Mietzeit zu entrichten. Wenn die Parteien die Fälligkeit des Nutzungszinses, der wirtschaftlich einem Mietzins gleicht, in ähnlicher Weise, nämlich auf das Ende der Nutzungszeit, die nicht durch den Kaufpreis abgedeckt ist, gelegt haben, so haben sie damit eine dem Gesetz entsprechende Fälligkeitsbestimmung vorgenommen. Eine Kreditierung des Nutzungsentgelts kann darin nicht erblickt werden.
Soweit die Revisionserwiderung die Zinsvereinbarung als Hinweis für ein kreditähnliches Geschäft wertet (vgl. auch Kunze/Bronner/Katz aaO, § 87 Rdn. 77), verkennt sie, daß die Zinsen nicht die Gegenleistung für eine vom dispositiven Recht abweichende Stundung darstellen (was für ein Kreditgeschäft sprechen könnte), sondern ein Entgelt für die gewährte Nutzungsmöglichkeit sind.
4. Daß die mit dem Kaufvertrag übernommenen Investitionsverpflichtungen möglicherweise die Leistungsfähigkeit der Beklagten überschreiten, führt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht zur Genehmigungsbedürftigkeit nach § 44 Abs. 6 DDR-KommVerf. Die Norm schützt die Gemeinden nicht generell vor der Eingehung von Geschäften, die sie finanziell überfordern. Sie schützt sie nur vor einer unüberlegten Kreditaufnahme und vor dem Abschluß kreditähnlicher Verträge. Bei großen Investitionen sind sie allein durch das Haushaltsrecht, insbesondere durch die Bestimmungen über die Veranschlagung von Verpflichtungsermächtigungen gebunden. Genehmigungserfordernisse für vertragliche Bindungen bestehen indes nicht. Auch der Umstand, daß die Beklagte zur Erfüllung der in dem Vertrag übernommenen Verpflichtungen möglicherweise einen Kredit aufnehmen muß, macht das Rechtsgeschäft selbst, wie das Berufungsgericht auch nicht verkannt hat, nicht zu einem kreditähnlichen und damit genehmigungsbedürftigen Geschäft. Die Genehmigungserfordernisse in den Gemeindeordnungen der Länder sind auf bestimmte, im einzelnen festgelegte Geschäfte begrenzt. Sie stellen einen besonders starken Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar (, NJW 1999, 3335, 3336). Sie bedürfen deswegen und wegen ihrer Auswirkungen auf das Privatrecht, die Belange des Verkehrsschutzes und der Rechtssicherheit berühren, einer Rechtsgrundlage, aus der die Fälle der Genehmigungsbedürftigkeit deutlich erkennbar sind (BGH aaO, 3337). Damit ist ein Genehmigungserfordernis, das darauf abstellt, ob die Gemeinde im konkreten Fall zur Erfüllung der eingegangenen Vertragspflichten einen Kredit aufnehmen muß, nicht vereinbar (zutreffend OLG Thüringen, OLGR 2001, 539; aA, ohne Begründung, OLG Rostock, NJW-RR 1994, 661, 662). Denn es müßte in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die jeweilige Haushaltslage die Erfüllung des Vertrages erlaubt oder die nachträgliche - selbst auch genehmigungspflichtige - Kreditaufnahme erfordert. Für den Vertragspartner läge darin eine Ungewißheit, die verläßliche Planungen ausschließt und ihm nicht zugemutet werden kann. Entscheidend kann daher nur der Charakter des Rechtsgeschäfts selbst sein, nicht die Frage nach der Notwendigkeit einer Finanzierung im Einzelfall.
5. Die Berechtigung der geltend gemachten Forderungen selbst, einen wirksamen Vertrag vorausgesetzt, stellt die Revisionserwiderung nicht in Frage. Rechtsfehler sind in dem zusprechenden Urteil des Landgerichts, das sich bezüglich der Ausführungen zur Vertragsstrafe auf dem Boden der Senatsrechtsprechung (Urt. v. , V ZR 6/97, NJW 1998, 2600) bewegt, insoweit auch nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAC-01922
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja