Leitsatz
[1] Eine Kommune, die eine Kfz-Zulassungsstelle betreibt und damit eine in der Nähe der Zulassungsstelle zu befriedigende Nachfrage nach Kfz-Schildern eröffnet, muss - wenn sie einem Schilderpräger Gewerbeflächen in unmittelbarer Nähe zur Zulassungsstelle überlässt und diesem damit gegenüber Wettbewerbern einen deutlichen Standortvorteil verschafft - anderen Schilderprägern Gelegenheit geben, an geeigneter Stelle auf ihr Angebot hinzuweisen.
Gesetze: GWB § 20 Abs. 1
Instanzenzug: LG Dortmund 8 O 547/02 (Kart) vom OLG Düsseldorf VI U (Kart) 28/03 vom
Tatbestand
Die Klägerin ist ein bundesweit tätiges Unternehmen der Schilderprägerbranche. Sie betreibt zahlreiche, meist in der Nähe der örtlichen Zulassungsstelle liegende Ladenlokale, in denen sie Kfz-Schilder prägt und verkauft.
Die beklagte Stadt betreibt ihre Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge in einem größeren Gebäudekomplex, dem Stadthaus. Die Zulassungsstelle betritt man über eine Treppe von einer Halle aus. Auf der anderen Seite der Halle befindet sich ein Ladengeschäft, das die Beklagte an ein Schilderprägeunternehmen vermietet hat. Bei der vorausgegangenen Ausschreibung war die Klägerin nicht zum Zuge gekommen. Sie unterhält ihren Schilderprägeladen außerhalb des Stadthauses in einer Entfernung von etwa 200 m.
Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten, sie möge es ihr gestatten, in der Zulassungsstelle ein Hinweisschild in einer Größe von mindestens 0,5 m2 mit dem Text Sparen Sie beim Schilderkauf! Autoschilder schnell + preiswert.
K., F.platz 8,
Außerhalb des Stadthauses
und konkreten Preisangaben für einen Satz Kfz-Schilder anzubringen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 33, 20 Abs. 1 GWB wegen unbilliger Behinderung bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Auf dem Markt, auf dem in D. für Schilderpräger geeignete Gewerbeflächen angeboten würden, habe die Beklagte eine überragende Stellung. Daran ändere der Umstand nichts, dass sich das von der Beklagten vermietete Geschäftslokal nicht im selben Teil des Gebäudes wie die Zulassungsstelle befinde. Denn die unmittelbare Nähe zur Zulassungsstelle mache einen besonderen Vorteil aus. Für die Kunden, die die Zulassungsstelle verließen, sei das Geschäft auf der anderen Seite der Halle gut zu erkennen. Unter diesen Umständen reiche die günstigere Raummiete, die die Klägerin zu zahlen habe, nicht aus, um den Wettbewerbsnachteil des schlechteren Standorts auszugleichen. Mit dem Hinweisschild werde der Klägerin nur das gewährt, was zur Herstellung eines funktionierenden Wettbewerbs erforderlich sei. Über den Wortlaut des auf dem Werbeschild angebrachten Hinweises sei nicht zu entscheiden, weil insoweit keine Berufungsangriffe der Beklagten vorlägen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Für die Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Begehrens der Klägerin ist auf das zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht abzustellen. Soweit sich durch die am in Kraft getretene 7. GWB-Novelle Änderungen ergeben haben, ist daher das neue Recht anzuwenden (, WuW/E DE-R 487, 489 - Zahnersatz aus Manila; Urt. v. - KZR 10/03, WuW/E DE-R 1335, 1338 - CITROËN). Im Streitfall bedeutet dies, dass für die Begründung des geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruchs § 33 GWB n.F. heranzuziehen ist. Freilich ergeben sich durch die Neufassung der Bestimmung im Streitfall keine sachlichen Änderungen.
2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht darin, dass die Beklagte Geschäftsräume im Stadthaus in bevorzugter Lage an Schilderpräger vermietet, ohne gleichzeitig der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen, an geeigneter Stelle auf ihr Angebot hinzuweisen, eine unbillige Behinderung nach § 20 Abs. 1 GWB gesehen.
a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die beklagte Stadt als Eigentümerin der Ladengeschäfte innerhalb des Stadthauses über eine überragende Stellung auf dem Markt für Gewerbeflächen verfügt, die sich wegen der Nähe zur Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge besonders als Standort für Schilderprägebetriebe eignen. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (, WuW/E DE-R 201, 202 - Schilderpräger im Landratsamt; Urt. v. - KZR 4/01, WuW/E DE-R 1003, 1004 - Kommunaler Schilderprägebetrieb). Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
b) Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend deutlich gemacht, weshalb ein Normadressat, der wie die Beklagte Räumlichkeiten vermietet oder verpachtet, die sich besonders für einen Schilderprägebetrieb eignen, gehalten sein kann, einem Wettbewerber seines Mieters oder Pächters Gelegenheit zu geben, auf sein Angebot hinzuweisen. Das Berufungsgericht hat sich in diesem Zusammenhang auf die Senatsentscheidung "Schilderpräger im Landratsamt" vom gestützt (BGH WuW/E DE-R 201). Dort hatte sich ein Schilderprägeunternehmen generell dagegen gewandt, dass eine Kommune an Schilderpräger Gewerbeflächen vermietet oder verpachtet, die sich in demselben Gebäudekomplex wie die Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge befinden. Eine Pflicht der Kommunen, sich als Betreiber von Zulassungsstellen der Vermietung oder Verpachtung geeigneter Flächen an Schilderpräger zu enthalten, hat der Senat verneint. Vielmehr hat er es für unbedenklich angesehen, dass die Kommune geeignete Flächen an Schilderpräger vermietet oder verpachtet, solange der Wettbewerb dadurch nicht auf Dauer ausgeschlossen wird. Da in dem dort zu entscheidenden Fall - ebenso wie im Streitfall - eine Ausschreibung stattgefunden hatte, bestanden keine Bedenken gegenüber dem Verhalten der Kommune. Im Zweifel werde der Schilderpräger, der seinen Betrieb in unmittelbarer Nähe zur Zulassungsstelle unterhalte, hierfür einen höheren Miet- oder Pachtzins bezahlen als der Wettbewerber mit einem etwas ungünstigeren Standort. Dies könne sich in günstigeren Preisen niederschlagen, so dass die Vermietung oder Verpachtung des günstig gelegenen Geschäftslokals den Wettbewerb nicht ausschließe. Allerdings - so der Senat in der Entscheidung "Schilderpräger im Landratsamt" - könnten Preisvorteile nur dann zum Zuge kommen, wenn für den Wettbewerber, der seine Schilder von dem ungünstigeren Standort aus anbietet, Möglichkeiten bestünden, auf sein Angebot, insbesondere auf die von ihm verlangten Preise, an geeigneter Stelle hinzuweisen. Dass es an einer solchen Möglichkeit in dem dort zu entscheidenden Fall fehlte, war jedoch nicht ersichtlich.
In der Entscheidung "Kommunaler Schilderprägebetrieb" vom (BGH WuW/E DE-R 1003, 1004 f.) hat der Senat klargestellt, dass Grundlage einer solchen Verpflichtung nicht allein die marktbeherrschende Stellung als Anbieter geeigneter Ladenlokale ist. Entscheidend ist vielmehr, dass öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften wie die Beklagte besonderen Pflichten unterworfen sind. Diese ergeben sich nicht allein aus ihrer Stellung als marktbeherrschende Anbieterin von Gewerbeflächen für Schilderpräger, sondern auch aus ihrer Eigenschaft als Einrichtung der öffentlichen Hand, die durch ihre Verwaltungstätigkeit die Nachfrage nach den Produkten der Schilderpräger erst erzeugt. Von einem privaten Anbieter als Normadressaten des Behinderungsverbots des § 20 Abs. 1 GWB könnte nicht verlangt werden, dass er dem Konkurrenten seines Mieters oder Pächters Gelegenheit gibt, auf sein Angebot hinzuweisen, und damit tendenziell das Geschäft seines Mieters oder Pächters beeinträchtigt. Dagegen darf die öffentliche Hand den ihr durch den Betrieb der Zulassungsstelle zufließenden Vorteil, Schilderprägern geeignete Gewerbeflächen zu überlassen, nicht ausnutzen, ohne gleichzeitig dort nicht zum Zuge gekommenen Anbietern die Chance einzuräumen, auf ihr Angebot hinzuweisen und damit ebenfalls am Wettbewerb teilzunehmen.
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin bejaht hat, der auf die Vornahme einer Handlung - das Aufstellen eines näher bestimmten Hinweisschildes - hinausläuft. Das Gesetz billigt einem Unternehmen, das durch einen Normadressaten des Behinderungsverbots des § 20 Abs. 1 GWB unbillig behindert oder diskriminiert worden ist, einen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch, nicht dagegen einen Anspruch auf Vornahme bestimmter Handlungen zu. Zwar kann es sich ausnahmsweise so verhalten, dass das Unterlassungs- oder Beseitigungsbegehren vom Schuldner nur durch ein positives Tun erfüllt werden kann. Eine entsprechende Verurteilung, die nicht auf ein Unterlassen, sondern auf ein positives Tun gerichtet ist, setzt indessen voraus, dass das kartellrechtswidrige Verhalten auf andere Weise nicht vermieden werden kann (Bechtold, Kartellgesetz, 3. Aufl., § 33 Rdn. 9; Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 33 GWB Rdn. 43 m.w.N.). Dass diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben wären, ist nicht ersichtlich. Denn die Beklagte kann lediglich dazu verpflichtet sein, es zu unterlassen, Geschäftsräume im Stadthaus an Schilderpräger zu vermieten, ohne gleichzeitig anderen Schilderprägern, die sich ebenfalls um die Kunden der Zulassungsstelle bemühen, deren Geschäftsräume aber außerhalb des Stadthauses liegen, Gelegenheit zu geben, auf ihr Angebot hinzuweisen.
Einer solchen Verpflichtung kann die Beklagte auf unterschiedliche Weise nachkommen. Sie kann der Klägerin gestatten, ein entsprechendes Werbeschild anzubringen. Es ist ihr aber auch unbenommen, der Verpflichtung dadurch nachzukommen, dass sie selbst in geeigneter Form auf die Angebote der verschiedenen Anbieter hinweist und damit die Besucher der Zulassungsstelle darüber informiert, dass es in unmittelbarer Nähe noch andere Anbieter als die im Stadthaus angesiedelten gibt.
III. Das angefochtene Urteil kann unter diesen Umständen keinen Bestand haben. Eine abschließende Entscheidung durch den Senat kommt nicht in Betracht. Nachdem Bedenken gegenüber der Antragsfassung weder vor dem Landgericht noch vor dem Berufungsgericht erörtert worden sind, gebietet es die prozessuale Fairness, der Klägerin Gelegenheit zu geben, ihre Antragstellung anzupassen. Dies kann nur im wiedereröffneten Berufungsverfahren geschehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 1979 Nr. 27
YAAAC-01344
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja