Leitsatz
[1] a) Kommt der entlassene Insolvenzverwalter der Aufforderung des Insolvenzgerichts, eine Teilschlußrechnung einzureichen, nicht nach, kann gegen ihn ein Zwangsgeld festgesetzt werden.
b) Mehrere, für dieselbe Pflichtverletzung verhängte Zwangsgelder können zusammengerechnet den Betrag von 25.000 € überschreiten.
Gesetze: InsO § 58; InsO § 66 Abs. 1
Instanzenzug: LG Mainz vom AG Worms vom
Gründe
I.
Der weitere Beteiligte zu 1 wurde mit Beschluß des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - vom zum Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Mit Beschluß des Insolvenzgerichts vom wurde er aus dem Amt entlassen und der weitere Beteiligte zu 2 zum neuen Insolvenzverwalter bestellt. Gegen diesen Beschluß legte der weitere Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde ein; den Antrag, die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen, lehnte das ab. Mit weiterem Beschluß vom setzte das Landgericht das Beschwerdeverfahren bis zum Abschluß eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens aus.
Mit Schreiben vom und hat das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zu 1 - im zweiten Schreiben unter Androhung eines Zwangsgeldes - aufgefordert, die Teilschlußrechnung nebst Belegen einzureichen. Dem ist der weitere Beteiligte zu 1 nicht nachgekommen. Mit Beschluß vom hat das Insolvenzgericht das angekündigte Zwangsgeld in Höhe von 15.000 € festgesetzt und ein weiteres Zwangsgeld von 20.000 € angedroht. Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet er sich mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 6, 7, 58 Abs. 2 Satz 3 InsO) und auch im übrigen zulässig; es hat indessen keinen Erfolg.
Das Insolvenzgericht hat rechtsfehlerfrei ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 € gegen den weiteren Beteiligten zu 1 festgesetzt und die Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes über 20.000 € angedroht.
1. Die Frage, ob das Insolvenzgericht den entlassenen Verwalter gemäß § 58 InsO mit Zwangsgeld zur Abgabe einer Teilschlußrechnung anhalten kann, ist umstritten. Von einigen Stimmen in der Literatur wird dies abgelehnt (MünchKomm-InsO/Nowak, § 66 Rn. 35; Delhaes in Nerlich/Römermann, InsO § 58 Rn. 4; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht § 58 InsO Rn. 18), von anderen hingegen befürwortet (Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 58 Rn. 34, § 66 Rn. 17; Lüke in Kübler/Prütting, InsO § 58 Rn. 18; Onusseit in Kübler/Prütting, aaO § 66 Rn. 10; HK-InsO/Eickmann, 3. Aufl. § 58 Rn. 14; Smid, InsO 2. Aufl. § 58 Rn. 17; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO 2. Aufl. § 58 Rn. 4, 28). Die letztere Auffassung trifft zu.
a) Der Festsetzungsbeschluß des Insolvenzgerichts findet seine Rechtsgrundlage in § 58 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 66 Abs. 1 InsO. Der gemäß § 59 InsO entlassene Insolvenzverwalter hat gemäß § 66 Abs. 1 InsO eine Teilschlußrechnung zu legen (HK-InsO/Eickmann, aaO § 66 Rn. 2; Onusseit, aaO § 66 Rn. 5; FK-InsO/Kind, 3. Aufl. § 66 Rn. 2; Uhlenbruck, aaO § 66 Rn. 17; Smid, aaO § 66 Rn. 4; Hess, aaO § 66 Rn. 8). Die Verpflichtung des Verwalters zur Rechnungslegung gemäß § 66 InsO wird im Verfahren nach § 58 Abs. 2 InsO vollstreckt (Onusseit, aaO § 66 Rn. 10; Kind, aaO § 66 Rn. 5; Uhlenbruck, aaO § 58 Rn. 27; Hess, aaO § 58 Rn. 18). Der Festsetzung von Zwangsgeld steht die Beendigung des Amtes des weiteren Beteiligten zu 1 nicht entgegen. Die in § 58 Abs. 2 Satz 1 InsO vorgesehenen Maßnahmen sind Ausdruck der in § 58 Abs. 1 Satz 1 InsO angeordneten Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter. Die Aufsicht beginnt mit der Annahme des Amtes und dauert über dessen Beendigung fort, bis der Verwalter sämtliche Verpflichtungen vollständig erfüllt hat; hierzu gehört insbesondere die Rechnungslegung und die Herausgabe der Bestallungsurkunde (MünchKomm-InsO/Graeber, § 58 Rn. 7, 10; FK-InsO/Kind, aaO § 58 Rn. 4; Lüke, aaO § 58 Rn. 4; Onusseit, aaO; Uhlenbruck, aaO § 66 Rn. 17; HK-InsO/Eickmann, aaO § 58 Rn. 14; vgl. auch , WM 2004, 295, 297: nachwirkende Amtspflicht des früheren Insolvenzverwalters). Unabhängig von der Reichweite der Vorschrift belegt auch § 58 Abs. 3 InsO, daß die insolvenzspezifische Pflichtenstellung des Verwalters das Ende seines Amtes überdauert.
b) Diese Bestimmung steht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde der zwangsweisen Durchsetzung der Teilrechnungslegungspflicht des weiteren Beteiligten zu 1 nicht entgegen. Nach § 58 Abs. 3 InsO gilt Absatz 2 entsprechend für die Durchsetzung der Herausgabepflichten eines entlassenen Verwalters. Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber nicht die mittels Zwangsgeldes durchzusetzenden Pflichten des entlassenen Verwalters auf die Herausgabe der Masse und weiterer Gegenstände beschränken. Dies folgt eindeutig aus der Gesetzesgeschichte:
Die in § 58 Abs. 1 Satz 2, § 66 Abs. 1 InsO vorgesehenen Pflichten des Verwalters waren bereits in § 68 Satz 2, § 76 Abs. 1 des Regierungsentwurfs enthalten. § 69 Abs. 1 Satz 1 RegE-InsO sah - daran anknüpfend - vor, daß das Gericht dem Verwalter durch vollstreckbaren Beschluß die Erfüllung der Pflicht aufgeben kann, wenn dieser "eine seiner Pflichten gegenüber dem Insolvenzgericht" nicht erfüllt. Nach Satz 3 der zunächst vorgesehenen Vorschrift sollte dieses Verfahren auch für die Herausgabepflichten eines entlassenen Verwalters gelten. Dementsprechend hielt die Begründung zum Regierungsentwurf fest, daß die in § 69 RegE-InsO "beschriebenen Befugnisse" dem Insolvenzgericht auch gegenüber einem entlassenen Insolvenzverwalter zustehen (BT-Drucks. 12/2443 S. 128). Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags hat den Regelungsvorschlag des Regierungsentwurfs vereinfacht (jetzt § 58 InsO), ohne an den durchsetzbaren Pflichten des entlassenen Verwalters etwas ändern zu wollen. Im Gegenteil hat auch der Rechtsausschuß festgehalten, daß der jetzige § 58 Abs. 3 InsO die Festsetzung des Zwangsgeldes auch auf die Durchsetzung der Herausgabepflicht des entlassenen Verwalters erstreckt (BT-Drucks. 12/7302 S. 161). Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß § 58 Abs. 3 InsO die mittels Zwangsgelds durchsetzbaren Pflichten des entlassenen Insolvenzverwalters auf die dort vorgesehene Herausgabepflicht erweitert, ohne die sich aus § 58 Abs. 1 Satz 2, § 66 Abs. 1 InsO ergebenden Pflichten einzuschränken.
c) Soweit die Rechtsbeschwerde einwendet, § 58 Abs. 3 InsO enthalte für Fälle der vorliegenden Art keine eindeutige und klare Ermächtigungsgrundlage, geht dieser Einwand daran vorbei, daß der Beschluß des Insolvenzgerichts seine Rechtsgrundlage in § 58 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 InsO findet. § 58 InsO knüpft an die Regelung der §§ 83, 84 KO an und stellt in Absatz 1 - über die Konkursordnung hinausgehend - ausdrücklich klar, daß Auskunfts- und Berichtspflichten zu den von der Vorschrift erfaßten Aufsichtsinstrumenten gehören. Damit liegt insgesamt eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Ermächtigungsgrundlage vor (vgl. MünchKomm-InsO/Graeber, § 58 Rn. 5; Hess, aaO § 58 Rn. 8).
d) Die Erwägung der Rechtsbeschwerde, die Entlassung des weiteren Beteiligten zu 1 könnte noch nicht wirksam sein und deswegen fehle es an einer Pflicht zur Rechnungslegung, trifft nicht zu. Die gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 1 InsO statthafte sofortige Erstbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (§§ 4 InsO, 570 Abs. 1 ZPO; vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, § 6 Rn. 51). Den Antrag des weiteren Beteiligten zu 1, die Vollziehung des Beschlusses vom auszusetzen (§ 4 InsO, § 570 Abs. 3 ZPO), hat das Landgericht abgelehnt.
2. Das Beschwerdegericht hat entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde den Anspruch des weiteren Beteiligten zu 1 auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Zwar trifft es zu, daß dieser in der Begründung seiner Erstbeschwerde eingewandt hat, ihm sei die verlangte Rechnungslegung unmöglich. Auch verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Artikel 103 Abs. 1 GG ist aber erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, daß tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfGE 65, 293, 295 f).
Derartige Umstände liegen hier nicht vor. Denn Art. 103 Abs. 1 GG verwehrt es den Gerichten nicht, das Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts außer Betracht zu lassen (BVerfGE 70, 288, 293 f). Auf das Vorbringen des weiteren Beteiligten zu 1 zur angeblichen Unmöglichkeit der Rechnungslegung ist das Beschwerdegericht erkennbar aus Gründen des materiellen Rechts nicht eingegangen. Selbst wenn der Vortrag des weiteren Beteiligten zu 1, er verfüge über keinerlei, sich auf die Insolvenzmasse beziehende Unterlagen mehr, zuträfe, belegt dies die Unmöglichkeit einer Teilrechnungslegung (im Zeitpunkt der Vollstreckung) keineswegs. Denn er behauptet nicht, der weitere Beteiligte zu 2 gewähre ihm keinen Zugang zu den von ihm benötigten Unterlagen (vgl. BayObLG NJW 1975, 740; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl. § 888 ZPO Rn. 17 ff).
3. Gegen die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes wendet sich der weitere Beteiligte zu 1 nicht; Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich (§ 58 Abs. 2 Satz 2 InsO).
4. Die Rechtsbeschwerde beanstandet ferner nicht die im Beschluß des Insolvenzgerichts ausgesprochene Androhung eines weiteren Zwangsgeldes von 20.000 €. Rechtsfehler treten auch insoweit nicht hervor. Aus § 58 Abs. 2 Satz 2 InsO ergibt sich, daß das Insolvenzgericht ein weiteres Zwangsgeld androhen darf, wenn der Insolvenzverwalter auch nach Festsetzung und Vollstreckung des (ersten) Zwangsgeldes seinen Pflichten nicht nachkommt. Artikel 103 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen; denn es handelt sich nicht um eine Strafe. Vielmehr entspricht in einem solchen Fall die wiederholte Anwendung der Maßnahme deren Beugecharakter. Eine vorherige Anhörung des weiteren Beteiligten zu 1 war nicht erforderlich (vgl. MünchKomm-InsO/Graeber, § 58 Rn. 48; FK-InsO/Kind, aaO § 58 Rn. 13; Lüke, aaO § 58 Rn. 17; Delhaes, aaO § 58 Rn. 16; Uhlenbruck, aaO § 58 Rn. 27; a.A. zu § 83 KO: LG Coburg Rpfleger 1990, 383 mit abl. Anm. Depré).
Die Auffassung, die für eine einheitliche Pflichtverletzung festgesetzten Zwangsgelder dürften die Höhe von insgesamt 25.000 € nicht übersteigen (Blersch, aaO § 58 Rn. 14; Uhlenbruck, aaO), widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ("einzelne"; vgl. Hess, aaO § 58 Rn. 21; FK-InsO/Kind, aaO § 58 Rn. 11; Delhaes, aaO § 58 Rn. 14). Auch für die Vorschrift des § 888 Abs. 1 Satz 2 ZPO, dem § 58 Abs. 2 Satz 2 InsO nachgebildet ist (BT-Drucks. 12/7302 S. 161), ist eine solche Begrenzung nicht anzunehmen (vgl. OLG Frankfurt am Main InVo 2002, 436; Schuschke/Walker, aaO § 888 ZPO Rn. 29, 30; MünchKomm-ZPO/Schilken, 2. Aufl. § 888 ZPO Rn. 13; Musielak/Lackmann, ZPO 4. Aufl. § 888 Rn. 12; Zöller/Stöber, aaO § 888 Rn. 8).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2005 S. 1211 Nr. 17
IAAAC-00078
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja