BGH Beschluss v. - IX ZB 523/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 238 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2; EGZPO § 26 Nr. 5

Instanzenzug:

Gründe

I.

Das Landgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom die Beklagte am antragsgemäß verurteilt. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten nach ihrem Empfangsbekenntnis am zugestellt worden. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am Berufung eingelegt. Am hat sie um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gebeten. Auf den Hinweis des Kammergerichts, daß die Begründungsfrist nach altem Berufungsrecht zu bestimmen und bereits am abgelaufen sei, hat die Beklagte am ihre Berufung begründet und Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt.

Die Beklagte hat ausgeführt, sie sei ohne eigenes oder ihr zurechenbares Verschulden gehindert gewesen, die Begründungsfrist einzuhalten. Im vorliegenden Fall sei die Berufungsbegründungsfrist irrtümlich nach neuem Recht berechnet und eingetragen worden. Deshalb habe Rechtsanwalt H. , welcher den Fehler bei Aktenvorlage zur Einlegung der Berufung bemerkt habe, am mündlich den Bürovorsteher T. angewiesen, die eingetragene Begründungsfrist zu löschen und sie nach altem Recht auf einen Monat ab Einreichung der Berufungsschrift einzutragen. T. habe dies aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen unterlassen. Die Handakte sei erst zur Vorfrist der unrichtig eingetragenen Begründungsfrist am Rechtsanwalt H. erneut vorgelegt worden. Dieser habe sie aus Zeitgründen erst am Folgetag, also nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, bearbeitet.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Kammergericht den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt: In der Zeit des Übergangs von der Geltung des alten zu der des neuen Berufungsrechts habe einem besonderen Risiko für die Richtigkeit der eingetragenen Fristen durch geeignete organisatorische Maßnahmen begegnet werden müssen. Es sei nicht ausreichend gewesen, lediglich die Mitarbeiter zu schulen. Vielmehr seien Vorkehrungen geboten gewesen, welche die Kontrolle der eingetragenen Fristen auf das nach den Übergangsbestimmungen anwendbare Berufungsrecht sicherten. Da solche Sicherungsmaßnahmen nicht dargelegt worden seien, könne die Fristversäumnis der Beklagten nicht als unverschuldet angesehen werden.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde, welche die Ansicht vertritt, daß Rechtsanwalt H. auf die Befolgung seiner mündlichen Anweisung vom habe vertrauen dürfen. Das Berufungsgericht habe in seiner Entscheidung außerdem an die Organisation der Rechtsanwaltskanzlei zu hohe Sorgfaltsanforderungen gestellt.

II.

Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Zulässigkeitsgründe vorliegt. Die Rechtsfragen, die der Beschwerdefall aufwirft, sind höchstrichterlich geklärt.

1. Die von der Rechtsbeschwerde als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage, welche organisatorischen Vorkehrungen ein Rechtsanwalt im allgemeinen treffen muß, um in der Übergangszeit von der Geltung alten Berufungsrechts auf das durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom (BGBl. I S. 1887) mit Wirkung zum eingeführte neue Berufungsrecht die auf der Anwendung des falschen Rechts beruhende Versäumung von Rechtsmittelfristen und Rechtsmittelbegründungsfristen zu vermeiden, ist hier nicht entscheidungserheblich. Denn die in Anwendung des neuen Berufungsrechts nach § 26 Nr. 5 EGZPO fehlerhaft notierte Berufungsbegründungsfrist wäre rechtzeitig berichtigt worden, wenn der Bürovorsteher T. die mündliche Einzelanweisung des Rechtsanwalts H. vom ausgeführt hätte. Allerdings trifft der Standpunkt des Berufungsgerichts zu, daß die bloße Belehrung und Schulung des Büropersonals zu der geänderten Berufungsbegründungsfrist des Zivilprozeßreformgesetzes vom Fristversäumnissen organisatorisch nicht ausreichend vorbeugte (vgl. , BGH-Report 2004, 330, 331).

2. Die Prüfung, ob Rechtsanwalt H. auf die Ausführung seiner Weisung vom vertrauen durfte, berührt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt im allgemeinen darauf vertrauen, daß eine zuverlässige Bürokraft Anweisungen, die keine besonderen Schwierigkeiten bieten, ordnungsgemäß ausführt (, NJW 1991, 1179; v. - VII ZB 4/91, NJW 1992, 574; v. - XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930; v. - XII ZB 180/96, NJW-RR 1998, 1360; v. - VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823; v. - IX ZB 83/00, NJW 2001, 1578, 1579). Wird allerdings die Eintragung einer Rechtsmittelfrist oder einer Rechtsmittelbegründungsfrist nur durch mündliche Einzelanweisung veranlaßt, so müssen in der Rechtsanwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen werden, daß die Anweisung in Vergessenheit gerät und die korrekte Fristeintragung unterbleibt; das gebietet die Bedeutung der Sache (, NJW 2002, 3782, 3783; v. - VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436; v. - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689; v. - VI ZB 10/04, BGH-Report 2004, 1445; vgl. auch BAGE 78, 184, 186 f). Das Fehlen jeder Sicherung gegen ein solches Versäumnis enthält einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. aaO). Diese bereits geklärten und zutreffenden Rechtsgrundsätze hat das Berufungsgericht bei seiner angefochtenen Entscheidung auf den Einzelfall angewendet. Im Beschwerdefall kam hinzu, daß die behauptete allgemeine Zuverlässigkeit des Bürovorstehers - anders als in dem Sachverhalt, der dem Beschluß des XII. Zivilsenats vom (XII ZB 86/02, NJW-RR 2003, 1578) zugrundelag - bereits in Frage gestellt erschien, weil er bei seiner Kontrolle den Irrtum der fehlerhaft nach neuem Recht berechneten Berufungsbegründungsfrist übersehen hatte.

Fundstelle(n):
PAAAC-00002

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein