BGH Beschluss v. - IX ZB 176/03

Leitsatz

[1] a) Nach Eingang eines Gläubigerantrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht den Schuldner darauf hinzuweisen, daß er zur Erreichung der Restschuldbefreiung nicht nur einen entsprechenden Antrag, sondern darüber hinaus auch einen Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung stellen muß; dafür ist dem Schuldner eine richterliche Frist zu setzen (Ergänzung zu , NZI 2004, 511, und v. - IX ZB 209/03, NZI 2004, 593).

b) Hat ein Gläubigerantrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt, kann der Schuldner keinen Eigenantrag mehr stellen. In einem Verbraucherinsolvenzverfahren kann in diesem Fall weder das außergerichtliche noch das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren nachgeholt werden.

c) Hat das Insolvenzgericht die erforderlichen Hinweise zur Erlangung der Restschuldbefreiung fehlerhaft, unvollständig oder verspätet erteilt und ist das Insolvenzverfahren auf den Gläubigerantrag hin eröffnet worden, bevor der Schuldner den Eigenantrag stellt, genügt ein Antrag auf Restschuldbefreiung, um dem Schuldner die dahingehende Aussicht zu erhalten.

Gesetze: InsO § 13 Abs. 1 Satz 2; InsO § 20 Abs. 2; InsO § 287 Abs. 1 Satz 2; InsO § 305 Abs. 1 Nr. 1 ; InsO § 305 Abs. 1 Nr. 4

Instanzenzug: LG Essen vom AG Essen vom

Gründe

I.

Ein Gläubiger stellte im September 2002 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Diesem wurde der Insolvenzantrag am zugestellt. Zugleich wurde er darauf hingewiesen, daß er Restschuldbefreiung erlangen könne, hierfür jedoch ein eigener Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt werden müsse. Über eine hierbei zu beachtende Frist verhielt sich der Hinweis nicht. Durch Beschluß vom wurde das Verfahren als Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Erst danach beantragte auch der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Restschuldbefreiung. Das Insolvenzgericht hat beide Anträge verworfen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 7 InsO statthafte und nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen, soweit der Restschuldbefreiungsantrag verworfen worden ist.

1. Das Amtsgericht hat die Verwerfung der Anträge damit gerechtfertigt, der Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei unzulässig, weil ein bereits eröffnetes Verfahren nicht nochmals eröffnet werden könne. Der Antrag auf Gewährung der Restschuldbefreiung sei unzulässig, weil er einen zulässigen Eigenantrag voraussetze.

Das Landgericht hat ergänzend bemerkt, ein Rechtsschutzinteresse des Schuldners an der Eröffnung auf seinen eigenen Antrag hin ergebe sich auch nicht daraus, daß ihm nur so der Weg zur Restschuldbefreiung geebnet werde. Die Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens setze voraus, daß der Schuldner zuvor eine außergerichtliche Schuldenbereinigung versucht habe. Nach Insolvenzeröffnung komme eine außergerichtliche Schuldenbereinigung nicht mehr in Betracht.

2. Diesen Erwägungen kann nicht gefolgt werden.

a) Allerdings ist ein Eigenantrag des Schuldners grundsätzlich Voraussetzung für die Gewährung der Restschuldbefreiung. Für das Verbraucherinsolvenzverfahren ergibt sich dies aus dem Gesetz (§ 305 Abs. 1, § 306 Abs. 3 InsO). Auch für das Regelinsolvenzverfahren darf der Schuldner, der die Restschuldbefreiung anstrebt, auf einen Eigenantrag nicht verzichten (, NZI 2004, 511; v. - IX ZB 209/03, NZI 2004, 593). Hat bereits ein Gläubigerantrag zur Insolvenzeröffnung geführt, ist bis zum Abschluß des Verfahrens ein Eigenantrag des Schuldners nicht mehr zulässig (AG Duisburg NZI 2003, 159; AG Oldenburg ZInsO 2004, 1154, 1155; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 20 Rn. 35; HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. § 27 Rn. 9; vgl. ferner , NZI 2004, 444; OLG Köln NZI 2003, 99, 100).

b) Damit der Schuldner seine Rechte wahren kann, ist er - sofern es sich um eine natürliche Person handelt - gemäß § 20 Abs. 2 InsO auf die Erfordernisse zur Erlangung der Restschuldbefreiung hinzuweisen.

Liegt ein Gläubigerantrag auf Insolvenzeröffnung vor, ist der Schuldner zunächst darauf aufmerksam zu machen, daß er neben dem Antrag nach § 287 Abs. 1 Satz 1 InsO auch einen eigenen Antrag auf Insolvenzeröffnung stellen muß. Stellt ein Gläubiger einen Insolvenzantrag, der - weil es sich bei dem Schuldner um einen Verbraucher handelt - zur Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens führen kann, sieht § 306 Abs. 3 Satz 1 InsO ausdrücklich vor, daß dem Schuldner Gelegenheit zur Stellung eines eigenen Insolvenzantrags zu geben ist. Da - wie ausgeführt - auch im Regelinsolvenzverfahren Restschuldbefreiung nur nach vorausgegangenem Eigenantrag gewährt werden kann, besteht hier ebenfalls eine entsprechende Hinweispflicht.

Für den Restschuldbefreiungsantrag ist die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO einzuhalten. Auch darauf ist der Schuldner - sowohl im Regel- als auch im Verbraucherinsolvenzverfahren - hinzuweisen. Hinsichtlich des Eröffnungsantrags besteht gleichfalls ein dringendes Bedürfnis nach einer Fristsetzung. Der Schuldner muß in seinem eigenen Interesse dazu angehalten werden, den Antrag auf Restschuldbefreiung und den damit notwendig zu verbindenden Antrag auf Insolvenzeröffnung zu stellen, bevor über den Gläubigerantrag entschieden wird. Da er nach der Eröffnung des Verfahrens auf den Gläubigerantrag hin keinen Eigenantrag mehr stellen kann, darf ihm nicht der fälschliche Eindruck vermittelt werden, er könne sich mit dem Eigenantrag beliebig Zeit lassen. Zudem ist es auch im Interesse des geordneten Verfahrensfortgangs erforderlich, daß zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, unmittelbar nach Prüfung und Bejahung der Zulässigkeit des Gläubigerantrags durch das Insolvenzgericht und in jedem Fall noch vor der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Klarheit darüber besteht, ob der Schuldner eine Restschuldbefreiung anstrebt (BT-Drucks. 14/5680 S. 24; vgl. hierzu auch Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 287 Rn. 14; Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 20 Rn. 13). Deshalb kann mit dem Betreiben des durch den Gläubigerantrag in Gang gesetzten Eröffnungsverfahrens nicht zugewartet werden, bis sich der Schuldner - irgendwann einmal - entschließt. Der Schuldner muß nicht nur über die Obliegenheit zur Stellung eines Eigenantrags belehrt, sondern auch durch eine Fristsetzung dazu angehalten werden, sich möglichst kurzfristig zu entschließen, ob er den Antrag stellen will.

Der Senat hat es bereits abgelehnt, die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO auch für den von dem Schuldner gegebenenfalls nachzuholenden Eigenantrag anzuwenden ( aaO S. 594; vgl. auch bereits Beschl. v. - aaO; ebenso MünchKomm-InsO/Schmahl, § 20 Rn. 98; MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 Rn. 18; Uhlenbruck, § 20 InsO Rn. 26; FK-InsO/Ahrens, 3. Aufl. § 287 Rn. 11; für analoge Anwendung des § 287 Abs. 1 Satz 2 AG Köln ZVI 2002, 330; Uhlenbruck/Vallender, aaO; HK-InsO/Kirchhof, § 20 Rn. 22; HK-InsO/Landfermann, § 287 Rn. 2c; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 287 Rn. 2a; Nerlich/Römermann/Mönning, InsO § 20 Rn. 41 unter 9.; Fuchs NZI 2002, 298, 300). Abgesehen davon, daß nur eine analoge Anwendung in Betracht käme, wäre sie für den hier zu beachtenden Zweck auch wenig geeignet. Die gesetzliche, nicht verlängerbare Zwei-Wochen-Frist ist auf die Stellung des Restschuldbefreiungsantrags nach vorausgegangenem Eröffnungsantrag des Schuldners bezogen. Bei einer derartigen Lage reicht eine kurze Frist ohne Verlängerungsmöglichkeit im allgemeinen aus, weil der Schuldner hier keine längere Überlegungszeit benötigt. Damit ist die Situation des Schuldners, der mit einem Gläubigerantrag konfrontiert wird und diesen möglicherweise für unberechtigt hält, nicht vergleichbar. Zwar muß dem Schuldner im Interesse einer zügigen Behandlung des Verfahrens auch hier zugemutet werden, sich möglichst bald gegenüber dem Insolvenzgericht zu erklären. Insbesondere dann, wenn der Schuldner der Meinung ist, er sei nicht insolvenzreif, muß er jedoch die Möglichkeit haben, den Rat eines Rechtsanwalts oder eines Wirtschaftsprüfers dazu einzuholen, ob er dem Gläubigerantrag entgegentreten oder zur Erlangung der Restschuldbefreiung sich mit einem Eigenantrag anschließen will. Dafür können zwei Wochen zu kurz sein. Da es sich bei der Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO um eine gesetzliche Frist handelt, ist eine Verlängerung grundsätzlich ausgeschlossen (§ 4 InsO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO).

Daher hat das Insolvenzgericht eine den Umständen nach angemessene richterliche Frist zu setzen. Diese sollte allerdings wegen des Gebots der Verfahrensbeschleunigung in der Regel nicht mehr als vier Wochen ab Zugang der Verfügung betragen und kann bei Bedarf auch verlängert werden (§ 4 InsO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO). Die für den Restschuldbefreiungsantrag laufende nicht verlängerbare Zwei-Wochen-Frist steht nicht entgegen. Denn diese kann erst in Lauf gesetzt werden, wenn der Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung gestellt ist.

c) Der Schuldner soll nicht aus Rechtsunkenntnis die Chance auf die Restschuldbefreiung verlieren (Uhlenbruck, § 20 InsO Rn. 26; Uhlenbruck/Vallender, aaO; Kübler/Prütting/Pape, § 20 InsO Rn. 27). Ein fehlerhafter, unvollständiger oder verspäteter Hinweis des Insolvenzgerichts, durch den regelmäßig das Recht des Schuldners auf das rechtliche Gehör verletzt wird, darf jenem nicht zum Nachteil gereichen. Hat es das Insolvenzgericht versäumt, dem Schuldner für die Nachholung des Insolvenzantrags eine Frist zu setzen oder ist dem Schuldner die Fristsetzung nicht bekannt gemacht worden, läuft die Frist nicht.

Hat der Gläubigerantrag in einem derartigen Fall bereits zur Verfahrens-eröffnung geführt und ist ein Eigenantrag des Schuldners deshalb nicht mehr zulässig, muß es zur Erhaltung der Aussicht auf Restschuldbefreiung genügen, daß der Schuldner nunmehr lediglich einen Restschuldbefreiungsantrag stellt. Dies gilt sowohl im Regel- als auch im Verbraucherinsolvenzverfahren. Im Regelinsolvenzverfahren wäre der Eigenantrag nur ein rechtstechnisches Mittel zur Erlangung der Restschuldbefreiung. Eine darüber hinausgehende Funktion hätte er nicht. Dies ist freilich anders im Verbraucherinsolvenzverfahren. Hier hat der Schuldner, der die Restschuldbefreiung anstrebt, einen Eigenantrag zu stellen, damit er nicht unter Mithilfe eines ihm wohl gesonnenen Gläubigers die ihm möglicherweise lästigen außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren umgehen kann (amtl. Begründung zum Entwurf der Neufassung des § 287 Abs. 1 InsO durch das InsÄndG, BT-Drucks. 14/5860; vgl. , NZI 2004, 593 f). Diese dienen der Entlastung der Gerichte ( aaO S. 594; Häsemeyer, Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 29.19a; MünchKomm-InsO/Ott, § 305 Rn. 1; Kübler/Prütting/Wenzel, § 305 InsO Rn. 1; Braun/Buck, InsO 2. Aufl. § 305 Rn. 3 und § 306 Rn. 10). Der Entlastungszweck ist im Verbraucherinsolvenzverfahren nicht mehr erreichbar, wenn auf einen Gläubigerantrag hin das Insolvenzverfahren bereits eröffnet worden ist. Denn dann fehlt dem Schuldner die Rechtsmacht (§ 81 InsO), seinen Gläubigern - sei es außergerichtlich, sei es im Rahmen eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens - eine teilweise Befriedigung ihrer Forderungen anzubieten. Wenn es auf einen unterlassenen oder inhaltlich unzutreffenden Hinweis oder die fehlende Fristsetzung des Insolvenzgerichts zurückzuführen ist, daß der Schuldner zu der Entlastung nichts mehr beitragen kann, kann jedoch dieser Zweck der Erhaltung der Aussicht auf Restschuldbefreiung nicht entgegenstehen. Die für die Abtretung des pfändbaren Teils seiner laufenden Bezüge gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO erforderliche Verfügungsmacht verbleibt ihm auch nach Verfahrenseröffnung (§ 81 Abs. 2 Satz 2 InsO).

d) Da dem Schuldner im vorliegenden Fall weder die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO mitgeteilt noch für einen Eigenantrag eine Frist gesetzt worden ist, war der erst nach Insolvenzeröffnung gestellte Restschuldbefreiungsantrag weder verfristet noch wegen des - nunmehr nicht mehr behebbaren - Fehlens eines Eigenantrags unzulässig.

Die Sache ist an das Amtsgericht (zu dieser Möglichkeit vgl. , NJW 2004, 2976, z.V.b. in BGHZ) zurückzuverweisen, damit erneut über den Restschuldbefreiungsantrag entschieden wird.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts orientiert sich am Rechtsgedanken des § 52 Abs. 2 GKG.

Fundstelle(n):
RAAAB-99694

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja