Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: InsO § 4; InsO § 55; InsO § 61; InsO § 116 Satz 1 Nr. 1; ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1; ZPO § 121; ZPO § 121 Abs. 2; ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2; ZPO § 121 Abs. 3; ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; InsVV § 5; InsVV § 5 Abs. 1
Instanzenzug: AG Zittau 5 C 54/05 vom LG Görlitz 2 T 73/05 vom
Gründe
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er ist zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der K. GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin) bestellt. Das Insolvenzverfahren ist massearm. Für eine auf Insolvenzanfechtung gestützte Klage hat der Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. aus Dresden beantragt. Das Amtsgericht hat Prozesskostenhilfe gewährt, die Anwaltsbeiordnung jedoch abgelehnt. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 4 InsO in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts.
1. Das Gericht der ersten Beschwerde hat das auf § 121 Abs. 2 ZPO gestützte Gesuch des Antragstellers auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Vertretung in dem Anfechtungsprozess vor dem Amtsgericht Zittau mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller selbst Rechtsanwalt sei. Bei der Auslegung des § 121 ZPO müsse der Regelungsgehalt des § 5 InsVV berücksichtigt werden. Diese Vorschrift bestimme, dass der Insolvenzverwalter, der zugleich Rechtsanwalt sei, sein anwaltliches Honorar nur in Fällen, in denen es angemessen sei, der Insolvenzmasse entnehmen könne. Dieser Maßstab gelte auch für § 121 ZPO. Im vorliegenden Fall handele es sich um einen typischen Fall der Insolvenzanfechtung, bei dem sich die rechtlichen Schwierigkeiten auf einem Gebiet bewegten, auf dem sich der Insolvenzverwalter selbst am besten auskenne. Die Beiordnung eines - weiteren - Rechtsanwalts komme deshalb nicht in Betracht. Im Übrigen habe der Insolvenzverwalter bei Einschätzung der Vergütungshöhe auch die nach § 5 InsVV aus der Masse zu zahlende Vergütung zu beachten. Sei diese nicht gedeckt, müsse das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt werden.
2. Diese Begründung ist rechtlich nicht haltbar. Sie verletzt § 121 Abs. 2 ZPO. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO), ist Rechtsanwalt M. nach Maßgabe des § 121 Abs. 3 ZPO dem Antragsteller als Prozessanwalt beizuordnen.
a) Nach § 121 Abs. 2 ZPO ist ein Anwalt dann beizuordnen, wenn entweder die Vertretung erforderlich erscheint oder - was hier offen bleiben kann - der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
aa) Der Senat hat zu § 5 Abs. 1 InsVV bereits entschieden, dass ein Insolvenzverwalter, auch wenn er selbst Volljurist ist, Aufgaben, die ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung im Allgemeinen nicht lösen kann, auf einen Rechtsanwalt übertragen und die dadurch entstandenen Auslagen aus der Masse entnehmen kann (, ZIP 2005, 36, 37; siehe auch BGHZ 139, 309, 313 f; 160, 176, 182 f). Im Anwendungsbereich des § 121 Abs. 2 ZPO kann, wie das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt richtig sieht, kein anderer Maßstab gelten. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu im Einzelnen ausgeführt, eine strengere Handhabung im Rahmen der Anwaltsbeiordnung bewirke, dass der als Rechtsanwalt zugelassene Insolvenzverwalter bei Massearmut regelmäßig leer ausgehe oder - bei Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts - diesem nach §§ 55, 61 InsO schadensersatzpflichtig sei (vgl. BAG ZIP 2003, 1947, 1948 f; ZInsO 2003, 722, 724).
Diesen Erwägungen tritt der Senat bei. Da die Masse in den Fällen des § 121 Abs. 2 ZPO stets unzureichend ist, liefe die Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 1 InsO für den Insolvenzverwalter, der zugleich den Beruf des Rechtsanwalts ausübt, weitgehend leer. Er wäre gezwungen, die mit dem Ziel der Masseanreicherung geführten Prozesse weitgehend aus privaten Mitteln zu finanzieren. Dies widerspricht dem eindeutigen Zweck der Vorschrift (vgl. , ZIP 2003, 2036). Gerade der Rechtsverfolgung durch Insolvenzverwalter mit dem Ziel der Masseanreicherung hat der Gesetzgeber ein eigenständiges, schutzwürdiges öffentliches Interesse beigemessen (vgl. , ZIP 1990, 1490, 1491 m. Anm. Merz EWiR 1990, 1243 f; Beschl. v. - IX ZB 460/02, aaO). Nach den Gesetzesmaterialien sollte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Regel, die Verweigerung die Ausnahme sein (vgl. BT-Drucks. 8/3068 S. 26 zu § 114c ZPO). Das Beschwerdegericht, das demgegenüber auf die Selbstvertretungsmöglichkeit des volljuristisch ausgebildeten Insolvenzverwalters verweist, verkehrt diese Grundsätze in ihr Gegenteil.
bb) Die Ablehnung der Anwaltsbeiordnung kann auch nicht auf die Bestimmungen über die Einstellung des Verfahrens mangels Masse (§§ 207 ff InsO) gestützt werden. Das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe gewinnt für den Insolvenzverwalter im Anwendungsbereich des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO gerade in den Fällen Bedeutung, in denen die Istmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Ist eine Massemehrung durch Insolvenzanfechtung hinreichend erfolgversprechend (§ 114 Satz 1 ZPO) oder hat der Insolvenzverwalter bereits ein für die Masse günstiges Urteil erstritten und liegt der Fall einer notwendigen Prozesskostenhilfe (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO) vor, ist das Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Wirkungen der Prozesskostenhilfe (vgl. § 122 ZPO) nicht wegen der Gerichtskosten einzustellen. Der Bestand der freien Masse hat deshalb für die Frage, ob bei Gewährung von Prozesskostenhilfe auch dem Antrag auf Anwaltsbeiordnung zu entsprechen ist, keinen Einfluss.
b) Legt man bei der Prüfung die vom Senat (vgl. , aaO S. 36 f) entwickelten Maßstäbe an, ist dem Beiordnungsantrag zu entsprechen. Einen Anfechtungsrechtsstreit wird ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung in aller Regel auf einen Rechtsanwalt übertragen und die dadurch entstehenden Auslagen der Masse entnehmen. Bei der Insolvenzanfechtung handelt es sich um eine rechtliche Spezialmaterie, die sich von der Verfolgung materiell-rechtlicher Ansprüche des Schuldners, die in dessen unternehmerischer Tätigkeit wurzeln, deutlich abhebt. Das Insolvenzanfechtungsrecht ist durch eine Mehrzahl von Anfechtungstatbeständen gekennzeichnet, die im objektiven und subjektiven Bereich unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen aufweisen, deren Merkmale sich dem Gesetzeswortlaut zudem nicht sämtlich eindeutig entnehmen lassen. Weitere Kennzeichen des Anfechtungsrechts sind der hohe rechtliche Abstraktionsgrad und die Komplexität der gesetzlichen Regelung. Eine sachgerechte Bearbeitung einer Insolvenzanfechtungsklage erfordert daher eine intensive Befassung mit dem System des Insolvenzanfechtungsrechts und die Kenntnis der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere auch zu der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Schon die nicht unerheblichen Haftungsrisiken und die oft nicht von vornherein abschätzbaren Beweisschwierigkeiten des grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtigen Insolvenzverwalters lassen es auch im Parteiprozess durchweg als angezeigt erscheinen, einen Rechtsanwalt mit der Klageerhebung und Prozessführung zu beauftragen.
III.
Außergerichtliche Kosten der Rechtsmittelverfahren sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO; vgl. Musielak/Fischer, ZPO 4. Aufl. § 127 Rn. 29; Saenger/Rathmann/Pukall, ZPO § 127 Rn. 21).
Fundstelle(n):
KAAAB-99627
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein