BGH Urteil v. - IV ZR 85/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StVZO § 52 Abs. 4 Ziff. 4

Instanzenzug:

Tatbestand

Der Kläger, der ein Transportunternehmen betreibt, verlangt von der Beklagten Deckung aus einem Versicherungsvertrag für Verkehrsverträge, dem die sogenannte Schwergut-Police zugrunde liegt. Sie enthält unter anderem die nachfolgenden Bestimmungen :

"1 Versicherte Verkehrsverträge und Geltungsbereich

1.1 Versichert sind alle vom Versicherungsnehmer

1.1.1 übernommenen Schwergutaufträge, die innerhalb Europas ausgeführt werden. Das sind alle Aufträge einschließlich Vermittlungsaufträge, welche die Beförderung und sonstige Behandlung von Gütern zum Gegenstand haben, die wegen ihres Umfangs, ihres Gewichts oder der örtlichen Gegebenheiten mit besonderen Beförderungs- oder Hebemitteln ausgeführt werden, unter Ausschluß von Montagetätigkeit.

...

2 Deckungsumfang

2.1 Versichert ist die Haftung des Versicherungsnehmers aus allen ihn verpflichtenden Schwergutaufträgen

2.1.1 nach den im Schwergutgewerbe aktuellen Bedingungen des BSK oder, falls diese keine Anwendung finden, nach den deutschen gesetzlichen Bestimmungen;

...

3 Versicherungsausschlüsse

Ausgeschlossen sind Ansprüche

...

3.6 Aus vertraglichen Vereinbarungen oder Zusagen, die über die in den Geschäftsbedingungen festgelegte Haftung oder über die gesetzliche Haftpflicht hinausgehen."

Der Kläger unterhält laufende Geschäftsbeziehungen zu einer Firma K. -T. . Diese befaßt sich mit Automatisierungstechnik und stellt unter anderem Schaltschränke her, deren Transport zu den jeweiligen Kunden der Kläger durchführt. Im April 1996 hatte die Firma K. -T. mit dem Kläger schriftlich vereinbart :

"... für alle Schaltschranktransporte für unser Haus, übernehmen Sie (Anm.: der Kläger) die volle Haftung für Transportschäden sowie Folgeschäden in vollem Umfang. D.h. auch die Verantwortung für das fachmännische Beladen und Verzurren (Befestigen) der Schrankanlagen auf Ihrem Transportfahrzeug obliegt Ihrem Haus."

Am wurde der Kläger mit dem Transport zweier Schaltschränke (mit den Maßen von jeweils 3,6 m x 2,4 m x 0,5 - 0,6 m und einem Gesamtgewicht von 1,5 t) beauftragt. Der Transport wurde am Folgetag mit einem von einem Pkw des Klägers gezogenen Tandem-Anhänger durchgeführt, dessen hintere Ladekante mittels einer Hydraulik auf Straßenniveau herabgesenkt werden kann, so daß die Ladefläche dann eine schiefe Ebene bildet. Das ermöglicht es, sperrige Güter, wie die genannten Schaltschränke, mit Hilfe einer auf dem Anhänger montierten Seilwinde auf die Ladefläche zu ziehen. Mehrere auf die Ladefläche geschweißte Zurr-Ösen dienen sodann der Fixierung des Ladeguts.

Unterwegs kam es zu einem Unfall, bei dem der Anhänger umkippte und beide Schaltschränke erheblich beschädigt wurden.

Der Kläger hat die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm aus der Schwergut-Police Deckungsschutz für den bei dem Unfall entstandenen Schaden zu gewähren und auch für die Folgeschäden der Verweigerung des Deckungsschutzes aufkommen müsse. Er hält den beim Transport eingesetzten Anhänger für ein besonderes Transportgerät im Sinne der Schwergut-Police.

Die Beklagte hält sich für leistungsfrei. Zum einen habe es sich nicht um einen Schwerguttransport im Sinne der Schwergut-Police gehandelt. Denn das Ladegut sei weder besonders sperrig noch besonders schwer gewesen. Weiter habe der Kläger es entgegen Ziffer 2.1.1 der Schwergut-Police versäumt, mit der Auftraggeberin K. -T. die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (AGB/BSK) zu vereinbaren. Außerdem greife der Haftungsausschluß aus Ziffer 3.6 der Schwergut-Police ein, denn der Kläger habe gegenüber seiner Auftraggeberin eine zu weit reichende Haftung übernommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Transport sei ein Schwergutauftrag im Sinne von Ziffer 1.1.1 der Schwergut-Police gewesen. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätten Umfang, Gewicht und die besondere Kopflastigkeit der beiden Schaltschränke den Einsatz eines besonderen Beförderungsmittels erfordert. Es sei nicht möglich gewesen, die Schränke mittels eines Gabelstaplers zu verladen, die Beförderung mit einem "normalen Fahrzeug" sei deshalb nicht in Betracht gekommen. Demgegenüber hätten die abgesenkte Ladefläche und die Seilwinde des eingesetzten Tandem-Anhängers das Aufladen der Schaltschränke und die Zurr-Ösen die Befestigung dieser Ladung ermöglicht. Zwar liege kein Schwerguttransport im Sinne der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (AGB/BSK) vor, weil es dort darauf ankomme, ob für einen Transport eine - hier nicht gebotene - straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung erforderlich sei. Die Schwergut-Police enthalte aber eine eigenständige Begriffsbestimmung des "Schwergutauftrags", die allein an die Verwendung "besonderer Beförderungs- oder Hebemittel" anknüpfe. Eine etwa gewollte Anknüpfung an den Schwergut-Begriff der AGB/BSK komme jedenfalls nicht mit ausreichender Klarheit zum Ausdruck, was zu Lasten der Beklagten gehen müsse.

Eine Vereinbarung der Parteien, wonach Transporte, die mit dem auch hier verwendeten Pkw durchgeführt würden, nicht unter die Schwergut-Police fallen sollten, habe die Beklagte nicht bewiesen.

Ziffer 2.1.1 der Schwergut-Police begründe keine Obliegenheit für den Versicherungsnehmer, mit seinen Auftraggebern die Geschäftsbedingungen der BSK zu vereinbaren. Auch der Haftungsausschluß aus Ziffer 3.6 der Schwergut-Police greife nicht, weil der Kläger keinen Deckungsschutz für seine Haftung aus der mit der Firma K. -T. getroffenen Vereinbarung, sondern lediglich wegen des daneben fort bestehenden gesetzlichen Schadensersatzanspruchs einfordere.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Bei der Auslegung des Begriffs Schwergutauftrag im Sinne von Ziffer 1.1.1 der Schwergut-Police ist danach zu fragen, wie ein verständiger Versicherungsnehmer diese Regelung verstehen durfte. Zwar kann es in diesem Rahmen auch auf das besondere Verständnis der beteiligten Verkehrskreise ankommen, doch legt die Revision nicht dar, daß sich ein solches Verständnis der Schwergut-Police abweichend von der Auslegung des Berufungsgerichts feststellen ließe.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, Ziffer 1.1.1 der Schwergut-Police enthalte eine eigenständige Bestimmung des Begriffs "Schwergutauftrag", die weder auf gesetzliche Regelungen noch auf den Schwergutbegriff anderer Geschäftsbedingungen Bezug nehme. Dafür spricht schon, daß Ziffer 1.1.1 der Schwergut-Police eine eigene Definition des Begriffs Schwergutauftrag enthält. Um einen Begriff der Rechtssprache handelt es sich dabei nicht. Der Gesetzgeber verwendet ihn nicht und erwähnt auch den verwandten Begriff des Schwer- oder Großraumtransports lediglich in § 52 Abs. 4 Ziff. 4 StVZO, ohne jedoch eine gesetzliche Begriffsbestimmung zu geben. Auch die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp), deren Ziffer 2.3 "Schwer- und Großraumtransporte" vom Anwendungsbereich der ADSp ausnimmt, erläutern nicht, was darunter zu verstehen ist. Soweit teilweise angenommen wird, der Leistungsausschluß in Ziffer 2.3 ADSp gelte nur für Transporte, für die eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung erforderlich werde oder bei denen die Vertragsparteien vereinbart hätten, daß es sich um einen Schwertransport handele (vgl. Koller, Transportrecht 4. Aufl. ADSp Ziff. 2 Rdn. 12 m.w.N.), führt auch dies nicht weiter. Denn die Schwergut-Police enthält keine eindeutige Bezugnahme darauf. Die im Berufungsurteil erwähnten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (AGB/BSK) verwenden weder den Begriff des Schwergutauftrags noch den des Schwertransports und enthalten deshalb auch keine Erläuterung dieser Begriffe.

b) Was unter einem Schwergutauftrag im Sinne der Ziffer 1.1.1 der Schwergut-Police zu verstehen ist, muß deshalb anhand der dort gegebenen Definition bestimmt werden. Ein bedingungsgemäßer Schwergutauftrag liegt danach vor, wenn zur Ausführung besondere Beförderungs- oder Hebemittel eingesetzt werden. Die Besonderheit dieser Mittel setzt nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht voraus, daß sie eigens für den betreffenden Transport konstruiert sind, sondern ergibt sich allgemein aus der Eignung des erforderlichen Beförderungs- oder Hebemittels, den Umfang oder das Gewicht des Transportguts zu bewältigen oder aber besondere örtliche Gegebenheiten zu meistern, wo normale Transportmittel scheitern oder den Transport nachhaltig erschweren würden. Wollte die Beklagte den Begriff des Schwergutauftrags enger verstehen und nur für Transportgut jenseits bestimmter Mindestausmaße oder -gewichte angewendet wissen, wäre es ihre Sache gewesen, dies - etwa durch die Aufnahme von entsprechenden Grenzwerten in die Versicherungsbedingungen - hinreichend klarzustellen.

c) Daß das Berufungsgericht hier den Tandem-Anhänger bei der konkreten Art seines Einsatzes als ein solches besonderes Transportmittel angesehen hat, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Nach den Urteilsfeststellungen hatten die Schaltschränke mit zusammen 1,5 Tonnen nicht nur ein beträchtliches Gewicht. Es war zudem für einen Transport ungünstig verteilt, weil der Schwerpunkt der Schaltschränke besonders hoch lag (Kopflastigkeit). Das Gewicht und seine Verteilung, aber auch die Ausmaße der beiden Schränke führten zur Benutzung des Tandem-Anhängers, der diesen besonderen Umständen Rechnung trug. Daß insoweit Feststellungen unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften zustande gekommen wären, ist nicht ersichtlich.

d) Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß sich keine Vereinbarung der Parteien finden läßt, nach der Transporte mit dem genannten Gespann aus Pkw und Anhänger stets als normale Frachtaufträge einzustufen gewesen wären. Zwar hat die Beklagte in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom erwähnt, als einziges Fahrzeug zu der (normale Frachtaufträge betreffenden) "GKV-Police" des Klägers sei das Gespann aus Pkw Toyota mit Hänger notiert. Das besagt aber nur, daß mit diesem Gespann auch - möglicherweise sogar vorwiegend - normale Frachtaufträge durchgeführt werden, schließt indes die Durchführung von Schwergutaufträgen nicht aus, weil dies nach Ziffer 1.1.1 der Schwergut-Police nicht allein davon abhängt, welches Fahrzeug zum Einsatz kommt, sondern ob es bei der konkreten Art seines Einsatzes besondere Anforderungen für den Transport erfüllt, die mit konventionellen Transport- oder Hebemitteln nicht zu leisten wären.

2. Aus den Regelungen der Ziffern 2.1.1 und 3.6 der Schwergut-Police kann die Beklagte schon deshalb nichts für eine Leistungsfreiheit herleiten, weil der Kläger lediglich Deckung im Rahmen der gesetzlichen Haftpflicht-Bestimmungen verlangt.

3. Soweit das Feststellungsinteresse hinsichtlich der Verpflichtung zum Ersatz des Verzugsschadens (Klagantrag zu 2) bejaht und dabei darauf abgestellt worden ist, daß ein Schadenseintritt (wegen einer Gefährdung oder Störung der Geschäftsbeziehung zwischen dem Kläger und der Firma K. ) nicht ausgeschlossen sei, genügt dies den Maßstäben, die der Bundesgerichtshof für die Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftiger Schäden nach bereits eingetretener Rechtsgutverletzung aufgestellt hat ( - NJW 2001, 1431 unter II 2).

Fundstelle(n):
MAAAB-99460

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein