BGH Beschluss v. - IV ZR 57/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 398 Abs. 1; ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 544 Abs. 7; BGB § 117 Abs. 1

Instanzenzug: LG Duisburg 4 O 61/03 vom OLG Düsseldorf I-7 U 81/04 vom

Gründe

Die Beklagte rügt zu Recht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG durch rechtsfehlerhafte Anwendung der prozessualen Vorschrift des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Auf dieser Verletzung beruht das angefochtene Urteil.

1. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 BGB verkannt. Nach seinen bisherigen Feststellungen bestand für die Beklagte keine Verpflichtung zur Verzinsung des Darlehens. Dann war insoweit ein Scheingeschäft gegeben. Zwar kann eine bestimmte vertragliche Regelung nicht gleichzeitig als steuerrechtlich gewollt und als zivilrechtlich nicht gewollt angesehen werden. Das aber setzt voraus, dass die steuerlichen Vorteile auf legalem Wege erreicht werden sollen. Ist eine zivilrechtliche Regelung - wie hier vom Berufungsgericht angenommen - von den Parteien nicht ernstlich gewollt, werden aber gegenüber den Finanzbehörden dennoch entsprechende Angaben gemacht, liegt ein Scheingeschäft mit dem Ziel der Steuerhinterziehung vor (vgl. BGHZ 67, 334, 337 f.; - BGH-Report 2003, 453 unter III; vom - II ZR 114/92 - ZIP 1993, 1158 unter 1 a).

2. Dieser Rechtsfehler hat sich indes nicht ausgewirkt, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt. Das Berufungsgericht hat sich die Überzeugung verschafft, dass die Parteien ein zinsloses Darlehen vereinbart haben. Dieses Rechtsgeschäft ist wirksam. Es ist nicht bereits deshalb verwerflich, weil es verdeckt gewesen ist oder weil die vorgelagerte Scheinabrede eine Steuerhinterziehung ermöglichen sollte, solange die Erlangung der Steuervorteile - wie hier - weder der alleinige noch der Hauptzweck der vertraglichen Vereinbarung gewesen ist (vgl. BGHZ 14, 25, 30 f.; Senatsurteil vom - IVa ZR 187/81 - WM 1983, 565 unter II 1 b, 2; Urteile vom - VIII ZR 90/85 - NJW-RR 1986, 1110 unter II 2; vom - VIII ZR 292/83 - WM 1985, 647 unter 2 b dd).

3. Das Berufungsgericht ist allerdings verfahrensfehlerhaft der Behauptung der Beklagten nicht nachgegangen, der streitbefangene Betrag sei ihr nicht im Wege eines Darlehens, sondern schenkweise zugeflossen. Die Beklagte hat dabei den Beweis gegen die Urkunden vom und vom zu führen, die im Verhältnis der Parteien materiell die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich haben ( - WM 1987, 938 unter 2). Mit seiner Auffassung, der - vom Landgericht noch für ausreichend erachtete - Vortrag der Beklagten sei unsubstantiiert, hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt. Es hat zudem aus dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme andere Schlüsse gezogen als das Landgericht. Damit waren die Eingangsvoraussetzungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gegeben. Bestehen aus Sicht des Berufungsgerichts Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, so ist eine erneute Feststellung geboten (BGHZ 158, 269, 272 f.). Eine eigenständige Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise durch das Berufungsgericht stellt bereits eine solche erneute Tatsachenfeststellung dar (aaO 274). Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht im Zuge dieser erneuten Tatsachenfeststellung zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme verpflichtet ist, beantwortet sich nach den von der Rechtsprechung schon zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen (aaO 275). Nach alter Rechtslage war es erforderlich, Zeugen erneut zu vernehmen, wenn das Berufungsgericht protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder werten wollte ( - NJW-RR 2002, 1500 unter II 1; vom aaO unter II 1 a und b; vom - XI ZR 37/95 - WM 1996, 196 unter III 3). Hat also das erstinstanzliche Gericht über streitige Äußerungen und die Umstände, unter denen sie gemacht worden sind, Zeugen vernommen und ist es aufgrund einer Würdigung der Aussage zu einem bestimmten Ergebnis gekommen, so kann das Berufungsgericht diese Auslegung nicht verwerfen und zum gegenteiligen Ergebnis kommen, ohne zuvor die Zeugen gemäß § 398 Abs. 1 ZPO selbst vernommen zu haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW-RR 2006 S. 283 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 11/2008 S. 949
QAAAB-99424

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein