BGH Beschluss v. - IV ZB 29/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 139; ZPO § 234 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Das Amtsgericht Hannover hat den Beklagten zur Zahlung von 3.898,60 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Mahnkosten verurteilt. Das Urteil vom ist seiner Prozeßbevollmächtigten am zugestellt worden. Die hiergegen mit Schriftsatz vom eingelegte Berufung ist am beim Landgericht Hannover eingegangen und unter dem Aktenzeichen 13 S 26/03 registriert worden. Mit Verfügung vom hat die Vorsitzende der 13. Zivilkammer der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten mitgeteilt, daß die gegen das am zugestellte Urteil eingelegte Berufung erst am und damit verspätet eingegangen sei. Die Prozeßbevollmächtigte des Beklagten antwortete darauf mit Schriftsatz vom unter den Aktenzeichen 13 S 26/03 und 11 S 22/03, die Berufung sei rechtzeitig beim Landgericht Hannover eingegangen. Das ergebe sich daraus, daß sie die Berufungsbegründung in den Osterfeiertagen an das Landgericht gefaxt und sie außerdem persönlich am beim Landgericht abgegeben habe. Die Vorsitzende der 13. Zivilkammer hat daraufhin am die Akten mit der Bitte um Übernahme der Sache an die 11. Zivilkammer geschickt, weil dort die Berufung per Fax vor der bei der 13. Zivilkammer eingegangenen Berufung eingelegt worden sein solle. Unter dem hat die Vorsitzende der 11. Zivilkammer die Akten an die 13. Zivilkammer zurückgesandt, da bei der 11. Zivilkammer eine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts nicht festgestellt werden konnte. Nachfolgend befindet sich in der Akte ein Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten vom , beim Landgericht eingegangen am , der mit "Einlegung der Berufung" überschrieben ist und mit dem (nochmals) Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt und zugleich begründet wurde. Diese Berufung hatte das Aktenzeichen 11 S 22/03 erhalten.

Durch Beschluß vom verwarf die 13. Zivilkammer die Berufung als unzulässig, weil das Rechtsmittel gegen das am zugestellte Urteil erst am "" eingelegt worden sei. Dieser Beschluß ist der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am zugestellt worden. Am hat sie gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung Wiedereinsetzung beantragt.

Durch Beschluß vom hat das Landgericht das im Beschluß vom genannte Datum des Eingangs der Berufung "" auf den "" berichtigt. Durch weiteren Beschluß vom selben Tage hat es den Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist zurückgewiesen. Der Antrag sei verspätet gestellt worden, weil die Prozeßbevollmächtigte des Beklagten spätestens am Kenntnis davon gehabt habe, daß die Berufung verspätet eingelegt worden sei.

Der Beklagte hat gegen den die Berufung verwerfenden Beschluß vom am und gegen den die Wiedereinsetzung ablehnenden, am zugestellten Beschluß vom am Rechtsbeschwerde eingelegt.

II. Die Rechtsbeschwerden sind statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie sind aber nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Die von der Beschwerde geltend gemachten Zulässigkeitsgründe sind nicht gegeben.

1. Nach Ansicht der Beschwerde wirft die Sache die grundsätzliche Frage auf, wie weit die Hinweispflichten des § 139 ZPO reichen. Das Landgericht habe den Beklagten darauf hinweisen müssen, daß seine Prozeßbevollmächtigte den Hinweis der Vorsitzenden vom auf die verspätete Einlegung der Berufung offenbar mißverstanden habe, weil ihr Schriftsatz vom nur Angaben zum Zeitpunkt der Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung enthalte. Die Hinweispflicht habe auch deswegen bestanden, weil das Landgericht die Berufung offenbar versehentlich fehlerhaft unter zwei getrennten Aktenzeichen geführt habe. Wäre der Hinweis erfolgt, hätte der Beklagte innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO Wiedereinsetzung beantragen und dazu das vortragen können, was im späteren Schriftsatz vom enthalten sei.

Die grundsätzlichen Fragen der Hinweis- und Fürsorgepflicht des mit der Sache befaßten Gerichts, bei Rechtsbehelfen einer drohenden Fristversäumnis der Partei entgegenzuwirken, sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2001, 1343; 1995, 3173, 3175 f.; zur entsprechenden Fürsorgepflicht von Behörden NJW 2002, 3692 f.) und des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom - IX ZB 40/03 - NJW 2004, 71 unter III 4; vom - II ZB 1/00 - NJW 2001, 1430 unter II 3; vom - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730 unter II 2; vom - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170 unter 2 a; vom - VIII ZB 50/97 - NJW 1998, 2291 unter II 2 c; vom - II ZR 85/97 - NJW 1998, 908 unter II 2 und öfter) hinreichend geklärt. Danach folgt aus dem Gebot des fairen Verfahrens, daß das Gericht nicht sehenden Auges zulassen darf, daß ein offenbares Versehen einer Partei zur Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist führt. Vielmehr hat es bei ohne weiteres erkennbaren Fehlern im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs darauf hinzuweisen, um der Fristversäumnis entgegenzuwirken. Welche weiteren durch die genannte Rechtsprechung nicht geklärten grundsätzlichen und entscheidungserheblichen Fragen sich hier stellen, zeigt die Beschwerde nicht auf.

2. Die Beschwerde meint weiter, der Zulässigkeitsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sei gegeben. Aufgrund des unterbliebenen Hinweises des Landgerichts sei der Beklagte in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Auch das trifft nicht zu. Zunächst einmal ist der Beklagte durch die Verfügung der Vorsitzenden vom unmißverständlich auf den verspäteten Eingang der Berufung hingewiesen worden. Dazu hätte seine Prozeßbevollmächtigte, gegebenenfalls nach Akteneinsicht, Stellung nehmen und rechtzeitig Wiedereinsetzung beantragen können. Die Vorsitzende war nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des fairen Verfahrens nicht verpflichtet, den Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten vom nach dem Eingang am , einem Freitag, ohne Rücksicht auf die sonstigen Dienstgeschäfte zum Zweck weiterer rechtlicher Hinweise sofort auf etwaige Mißverständnisse der Rechtsanwältin zu überprüfen. Es war zudem nicht ohne weiteres erkennbar, daß diese die Verfügung vom mißverstanden hatte. In dem Schriftsatz wird behauptet, die Berufung sei rechtzeitig eingegangen. Dazu passen die Ausführungen zur Einreichung der Berufungsbegründung am allerdings nicht. Eine solche lag der 13. Zivilkammer ausweislich der Aktenblattierung am noch nicht vor. Da im Schriftsatz vom neben dem Aktenzeichen 13 S 26/03 auch das Aktenzeichen 11 S 22/03 angegeben ist, war es naheliegend, zunächst zu prüfen, ob dieselbe Sache auch bei der 11. Zivilkammer anhängig ist und die Berufung entsprechend der Behauptung im Schriftsatz dort rechtzeitig eingegangen war. So ist auch verfahren worden. Dabei hat sich gezeigt, daß die Prozeßbevollmächtigte des Beklagten am ohne Angabe eines Aktenzeichens nochmals Berufung eingelegt und gleichzeitig begründet hatte, die das Aktenzeichen 11 S 22/03 erhielt. Seit war ihr aber bekannt, daß die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts unter dem Aktenzeichen 13 S 26/03 geführt wird. Die Vergabe von zwei Aktenzeichen beruht daher nicht auf einem Fehler des Gerichts, sondern auf mangelnder Übersicht der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
MAAAB-98932

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein