Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 3; ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3; ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2; RVG § 2; RVG VV Nr. 2400; BRAGO § 118
Instanzenzug: AG Bonn 9 C 244/04 vom LG Bonn 5 S 236/04 vom
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte, seinen Rechtsschutzversicherer, auf Deckungsschutz für seine Auseinandersetzung mit einem Dritten aus einem "Unterpachtvertrag" vom über Gaststättenräume in Anspruch. Als Streitwert hat er in der Klage unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung von 250 € einen geschätzten Betrag von 1.200 € angegeben. Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom abgewiesen und den Streitwert ohne vorherige Anhörung des Klägers und ohne Begründung auf 600 € festgesetzt.
Der Kläger hat am Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Das Landgericht hat den Streitwert durch Beschluss vom auf bis 600 € festgesetzt und unter Hinweis darauf die Berufung durch Beschluss vom als unzulässig verworfen, weil die in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bestimmte Berufungssumme nicht erreicht sei und das Amtsgericht die Berufung nicht nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen habe. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.
II. 1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts den Kläger in seinem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt (vgl. BGHZ 151, 221, 226 ff.).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat, wie die Beschwerde mit Recht rügt, entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers zur Höhe seiner Beschwer durch das klagabweisende Urteil des Amtsgerichts nicht zur Kenntnis genommen und dadurch seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.
a) aa) Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Gewährung von Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung richtet sich gemäß § 3 ZPO grundsätzlich nach den voraussichtlichen, durch die gerichtliche oder außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers entstehenden Kosten, deren Übernahme durch den Versicherer er erstrebt, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20% (Bauer in Harbauer, Rechtsschutzversicherung 7. Aufl. § 18 ARB 75 Rdn. 21 m.w.N.). Das hat das Berufungsgericht zwar im Ansatz nicht verkannt, indem es bei der Streitwertberechnung im Beschluss vom die Kosten der in der Klage genannten zwei Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und der gegen den Kläger gerichteten, später zurückgenommenen Auskunftsklage berücksichtigt hat.
bb) Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, dass der Kläger im Schriftsatz vom geltend gemacht hat, dass durch eine weitere rechtliche Auseinandersetzung aus dem so genannten Unterpachtvertrag zusätzliche Kosten anfielen. Er hat dazu ein Schreiben des gegnerischen Rechtsanwalts vom an seinen Prozessbevollmächtigten vorgelegt. Darin wird unter Bezugnahme auf ein Schreiben an einen früheren Rechtsanwalt des Klägers vom unter Fristsetzung zum angekündigt, die im Schreiben vom aufgeführten Zahlungsansprüche (16.650 €) nach fruchtlosem Verstreichen der Frist "anhängig machen" zu wollen. Außerdem wurde in den beiden Schreiben gegen den Kläger ein Anspruch auf Herausgabe von Geräten erhoben. Der gegnerische Rechtsanwalt hat die angekündigte Klage am beim Landgericht einreicht, verbunden mit einem Antrag auf Prozesskostenhilfe. Mit der Klage wird ein Zahlungsantrag über 7.600 € und ein Antrag auf Herausgabe von Gegenständen verfolgt; für letzteren hat das Landgericht den Streitwert auf 1.500 € festgesetzt.
cc) Ob, wie die Beschwerde wohl meint, die voraussichtlichen Kosten des gerichtlichen Verfahrens, das durch die am eingereichte Klage in Gang gesetzt worden ist, bei der Ermittlung der Beschwer anzusetzen sind, ist zweifelhaft. Für die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebend ( - NJW-RR 2001, 1571 unter II 2; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 4 Rdn. 4 und Gummer/Heßler, aaO § 511 Rdn. 19). Das ist hier der . Aus dem vom Berufungsgericht nicht zur Kenntnis genommenen Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom ergibt sich aber, dass seine Anwälte in dieser Angelegenheit bereits vor Klageerhebung tätig geworden sind. Damit kam zumindest ein Anspruch auf eine Geschäftsgebühr in Betracht (nach § 2 RVG i.V. mit Nr. 2400 VV bei einer Regelgebühr aus einem Streitwert von 16.650 € zuzüglich Auslagenpauschale von 20 € und Mehrwertsteuer abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20% = 749,64 € bzw. nach § 118 BRAGO bei einer Mittelgebühr von 7,5/10 dementsprechend 440,34 €). Hätte das Berufungsgericht dies berücksichtigt, hätten selbst bei mehrfachem Abzug einer Selbstbeteiligung von 250 € die Beschwer und - da der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag mit der Berufung weiterverfolgt - auch der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € deutlich überstiegen. Diese außergerichtliche Auseinandersetzung wird, wie die Beschwerde mit Recht ausführt, von dem weit gefassten Klageantrag umfasst. Schon danach kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.
b) Der Senat gibt vorsorglich die folgenden Hinweise: Da der Wert des Beschwerdegegenstandes von Amts wegen festzusetzen und hierfür der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebend ist, kann neues Vorbringen dazu nicht nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen werden (vgl. - NJW-RR 2005, 219 unter II 2 a; MünchKomm-ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 511 Rdn. 56 f.). Zudem konnte die materiellrechtliche Frage, ob die Selbstbeteiligung nur einmal (so offenbar der Kläger) oder mehrfach zu berücksichtigen ist, nicht schon im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung bei der Wertfestsetzung zum Nachteil des Klägers entschieden werden, sie betrifft die Begründetheit der Berufung. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass ein auf die Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers gerichteter Feststellungsantrag die Angelegenheit bestimmt und im Einzelnen zu bezeichnen hat, für die Rechtsschutz gewährt werden soll (vgl. - VersR 1999, 706 unter 2 b; Bauer, aaO Rdn. 21). Dem wird der Klageantrag bislang nicht gerecht.
3. Bei der Festsetzung des Streitwerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren war zu berücksichtigen, dass sich der Wert des Streitgegenstandes nach Einlegung der Berufung durch die am eingereichte, bereits erwähnte Klage erhöht hat (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 2 GKG). Der geltend gemachte Anspruch auf Rechtsschutz umfasst nunmehr auch die Kosten dieses erstinstanzlichen Verfahrens mit einem Streitwert von 9.100 €. Dem trägt die Streitwertfestsetzung durch den Senat Rechnung.
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 2193 Nr. 30
NJW-RR 2006 S. 791 Nr. 11
MAAAB-98919
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein