BGH Beschluss v. - III ZR 167/02

Leitsatz

[1] Zum Enteignungsrecht des Trägers der Straßenbaulast zum Zwecke des Baus eines Nebenbetriebes, der auf einen Dritten übertragen werden soll.

Gesetze: FernStrG § 15 Abs. 2; FernStrG § 9

Instanzenzug: OLG Naumburg vom LG Dessau

Gründe

1. a) Eine Enteignung ist nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig. Soweit die Träger der Straßenbaulast ihr Enteignungsrecht zur Erfüllung ihrer Aufgaben wahrnehmen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 FStrG), reicht für die Zulässigkeit der Enteignung die Notwendigkeit des Eigentumsentzugs zur Ausführung eines durch Planfeststellung festgelegten Bauvorhabens (§ 19 Abs. 1 Satz 2 FStrG). Der festgestellte Plan ist dem Enteignungsverfahren zugrunde zu legen und für die Enteignungsbehörde bindend (§ 19 Abs. 2 FStrG). Demnach kommt dem Planfeststellungsbeschluß - anders als grundsätzlich etwa einem Bebauungsplan (vgl. Senatsurteil BGHZ 105, 94, 96 f und Beschluß vom - III ZR 76/01 - ZfBR 2002, 266) - eine Vorwirkung der Enteignung zu (Kastner in: Marschall/Schroeter/Kastner BFStrG 5. Aufl. § 19 Rn. 19). Die Enteignungsbehörde hat nur noch zu prüfen, ob die im Antrag auf Enteignung aufgeführten Grundstücke aufgrund des Plans für die Ausführung des Vorhabens benötigt werden und die weiteren Voraussetzungen für eine Vollenteignung gerade des in Anspruch genommenen Grundstücks vorliegen (Kastner aaO Rn. 15 ff).

b) Diese Grundsätze gelten auch, wenn - wie hier - der Träger der Straßenbaulast die Enteignung von Grundstücken zur Ausführung eines festgestellten Plans betreibt, der den (Aus-)Bau eines Nebenbetriebes an der Bundesautobahn betrifft, und zwar auch dann, wenn die Übertragung des Baus des geplanten Nebenbetriebes auf Dritte (Private; vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 FStrG) vorgesehen ist. Hoheitliche Befugnisse gehen in einem solchen Fall nicht über; für Planfeststellung und Enteignung gelten dieselben Vorschriften wie für den Bau von Bundesfernstraßen (§ 15 Abs. 2 Satz 6 FStrG). Auch unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung des Allgemeinwohls gibt es keinen wesentlichen Unterschied. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, verfolgt der Straßenbaulastträger mit dem Bau und dem Betrieb einer Tank- und Raststätte, auch wenn diese nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften auf Private übertragen wird, öffentliche Aufgaben (Kastner aaO Rn. 16). Ob es sich, soweit hinsichtlich eines Teils der beanspruchten Flächen, nämlich der eigentlichen Betriebsgrundstücke für den Nebenbetrieb, die "Weitergabe" an einen Dritten (Konzessionsträger) beabsichtigt ist, noch um eine Enteignung zugunsten eines Trägers der öffentlichen Verwaltung oder um eine Enteignung zugunsten eines Privaten handelt (vgl. BVerfGE 74, 264, 265 f = DVBl. 1987, 466; BVerfG NJW 1999, 2659; Senatsurteil BGHZ 105, 94), kann dahinstehen. Selbst im letzteren Fall wäre dies hier im Blick auf Art. 14 GG unbedenklich. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, daß es für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Enteignung nicht entscheidend darauf ankommt, ob sie zugunsten eines Privaten oder eines Trägers der öffentlichen Verwaltung erfolgt. Allerdings wirft eine Enteignung zugunsten Privater, die nur mittelbar dem Gemeinwohl dient und die in erhöhtem Maß der Gefahr des Mißbrauchs zu Lasten betroffener Eigentümer ausgesetzt ist, besondere verfassungsrechtliche Probleme auf. Der Gesetzgeber hat unzweideutig zu entscheiden, ob und für welche Vorhaben eine solche Enteignung zulässig sein soll; auch muß - soll zugunsten Privater enteignet werden - gewährleistet sein, daß der im Allgemeininteresse liegende Zweck der Maßnahme erreicht und dauerhaft gesichert wird. Nur dann vermag das allgemeine Wohl die Enteignung zu fordern (BVerfG NJW 1999, 2659 f). Diesen Erfordernissen ist jedoch bei einer Enteignung, wie sie im Streitfall erfolgt ist, vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 15 FStrG und des dazu den Straßenbaulastträgern vorgeschriebenen Verfahrens (vgl. dazu Bauer in Kodal/Krämer Straßenrecht 6. Aufl. Kap. 41 Rn. 53 bis 57.2 und insbesondere die Richtlinien für Bau und Betrieb von Nebenbetrieben an Bundesautobahnen sowie für die Erteilung einer Konzession [RN-BAB], VkBl. 1997, 808) Genüge getan. Die Praxis geht dahin, daß die zum Nebenbetrieb gehörenden Grundstücksflächen zwar im Eigentum des Konzessionsinhabers stehen sollen, jedoch als Bestandteile der Bundesautobahn gewidmet sein müssen (§ 1 Abs. 4 Nr. 5 FStrG). Der Muster-Konzessionsvertrag sieht vor, daß die Betriebsgrundstücke nach Erlöschen der Konzession an die Straßenbauverwaltung oder auf einen von dieser bestimmten Dritten (zurück-)übertragen werden.

Soweit die Beteiligte zu 2 darauf abzielt, einen Teil der den Beteiligten zu 1 genommenen Flächen als Betriebsgrundstück(e) an einen Konzessionsinhaber weiterzuveräußern, handelt es sich danach um eine entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den verfolgten Gemeinwohlzweck gerechtfertigte sog. Durchgangsenteignung (vgl. BVerwG, NVwZ 1999, 407). Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, daß die Beteiligte zu 2 nach der Behauptung der Beteiligten zu 1 an die Autobahntank- und Rast GmbH zur Tank- und Rastanlage K. gehörende Flächen für 40 DM/m² verkauft hat. Letzteres macht die vorliegende Enteignung nicht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde anführt, zu einer Enteignung "aus rein fiskalischen Gründen", sondern trägt dem Umstand Rechnung, daß der von der privaten Betreiberin als (End-)Käuferin zu bezahlende Kaufpreis an eine andere Bodenqualität (Betriebsfläche für einen Nebenbetrieb der Bundesautobahn) anknüpft als diejenige Qualität, nach der sich - unter Zugrundelegung eines früheren Stichtages: vor der Planfeststellung (Gesichtspunkt der Vorwirkung der Enteignung) - nach enteignungsentschädigungsrechtlichen Grundsätzen die Enteignungsentschädigung der Beteiligten zu 1 richtet (Ackerland).

c) Die Rechtsfrage des "richtigen Enteignungsbegünstigten" bei Übertragung des Baus eines Autobahnnebenbetriebes auf einen privaten Dritten, der die Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzliche Bedeutung zumessen will, ist bei dieser Sachlage hier nicht entscheidungserheblich. Keineswegs hätte nach geltendem Recht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde meint, allenfalls eine Enteignung zugunsten des privaten Konzessionsträgers erfolgen dürfen. § 15 Abs. 2 Satz 6 FStrG erlaubt vielmehr in Verbindung mit § 19 FStrG, wie dargelegt, die Enteignung auf Antrag und zugunsten des Straßenbaulastträgers (Bauer aaO Rn. 55, 55.2). Soweit anklingt, bei Übertragung des Baus von Nebenbetrieben auf Private seien diese Enteignungsbegünstigte und bezüglich der Enteignung die Vorschriften über die Übertragung des Baus einer Bundesfernstraße auf Private sinngemäß anwendbar (Kastner aaO Rn. 16 i.V.m. § 19 Rn. 23 ff), ist darauf hinzuweisen, daß das Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG) in seinem Regelungsbereich ein Enteignungsrecht des Privaten vorsieht (§ 1 Abs. 3 FStrPrivFinG i.V.m. § 19 FernStrG), wogegen ein solches Recht für den Bau eines Nebenbetriebes an der Bundesautobahn dem Privaten gerade nicht eingeräumt wird (§ 15 Abs. 2 Satz 6 FernStrG).

2. Auch im übrigen wirft der Streitfall keine eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordernde entscheidungserhebliche Grundsatzfrage auf; auf die Rechtsfolgen des Unterbleibens ernsthaften Bemühens des Enteignungsbegünstigten um einen freihändigen Erwerb kommt es nicht an, weil, wie sich aus den Akten der Enteignungsbehörde ergibt, die Beteiligte zu 2 sich durchaus um einen freihändigen Erwerb bemüht hatte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
XAAAB-98441

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja