Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: HaustürWG § 1 Abs. 1; HaustürWG § 1 Abs. 1 Nr. 1; HaustürWG § 2 Abs. 1 Satz 2; HaustürWG § 2 Abs. 1 Satz 3; HaustürWG § 2 Abs. 1 Satz 4; HaustürWG § 3; HaustürWG § 3 Abs. 1; HaustürWG § 3 Abs. 3; HaustürWG § 5 Abs. 2; VerbrKrG § 7 Abs. 2; VerbrKrG § 9; BGB § 123 Abs. 2
Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Darlehen, das die Beklagte den Klägern 1989 zur Finanzierung ihres Beitritts zur A.-GbR III, einem geschlossenen Immobilienfonds, gewährte.
Zweck der A.-GbR III war der Erwerb sowie die wirtschaftliche Ausnutzung und Verwaltung von Grundbesitz in S., M. und L.. Die Einlage der Kläger betrug 23.720,00 DM und wurde in vollem Umfang durch einen - u.a. mit einer Tilgungslebensversicherung besicherten - Festkredit der Beklagten finanziert. Die Fondsbeteiligung und deren Finanzierung waren den Klägern von dem Versicherungskaufmann St. vermittelt worden.
Die Beklagte zahlte die Darlehensvaluta, wie nach dem Darlehensvertrag vorgesehen, an den Treuhänder des Fonds. Die Kläger entrichteten bis März 2002 an die Beklagte Zinsen in Höhe von insgesamt 23.826,79 DM (= 12.182,44 €). Mit Anwaltsschreiben vom ließen sie ihre auf den Abschluß des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen.
Mit ihrer Klage haben die Kläger die Beklagte auf Rückzahlung der geleisteten Zinsen in Anspruch genommen und ihre Klage in zweiter Instanz um den Antrag erweitert festzustellen, daß der Beklagten aus dem Darlehensvertrag vom keine Ansprüche zustehen. Die Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger sowohl den Zahlungs- als auch den Feststellungsantrag weiter.
Gründe
Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Den Klägern stehe zwar, weil der Darlehensvertrag unstreitig in einer Haustürsituation zustande gekommen sei, ein Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG zu, dessen Ausübung nach § 3 HaustürWG einen Anspruch auf Rückgewähr der Zinsen zur Folge habe. Dieser Anspruch komme jedoch nicht zum Tragen, weil ihm ein Anspruch der Beklagten auf Nutzungsentschädigung durch marktübliche Verzinsung des Darlehens für die Zeit ab Überlassung der Valuta bis zum Widerruf, § 3 Abs. 3 HaustürWG, entgegenstehe. Der Feststellungsantrag der Kläger scheitere, weil diese sich dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten gegenüber nicht auf einen Einwendungsdurchgriff berufen könnten. Hierfür wäre Voraussetzung, daß Darlehensvertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft bildeten, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes beim finanzierten Immobilienerwerb jedoch nicht der Fall sei.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht geht allerdings noch zutreffend davon aus, daß den Klägern ein Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG (in seiner bis zum geltenden Fassung) zustand.
a) Der Darlehensvertrag unterfällt dem Haustürwiderrufsgesetz, dessen Vorschriften durch die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HaustürWG hier nicht ausgeschlossen sind.
§ 5 Abs. 2 HaustürWG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, daß das nach dieser Bestimmung bestehende Widerrufsrecht trotz des entgegenstehenden Wortlauts auch dann besteht, wenn die entsprechende Befugnis nach § 7 Abs. 2 VerbrKrG nicht oder nicht mehr gegeben ist (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1403 m.w.Nachw., z.V.b. in BGHZ 159, 280 ff.). Das Verbraucherkreditgesetz ist zwar auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der Darlehensvertrag bereits im Jahr 1989 abgeschlossen worden ist; auch das nach Art. 9 Abs. 1 des Gesetzes über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozeßordnung und anderer Gesetze weiterhin anwendbare Abzahlungsgesetz entfaltet aber keine Sperrwirkung gegenüber der Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes. § 5 Abs. 2 HaustürWG ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urt. v. - Rs. C-481/99, ZIP 2002, 31, 35) und des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 150, 248, 257) stets, also auch bei Sachverhalten aus der Zeit vor Erlaß der genannten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, in richtlinienkonformer Auslegung anzuwenden, ohne daß dem Vertragspartner des Kunden Vertrauensschutz gewährt werden kann (st.Rspr. seit BGHZ 150, 248, 257).
b) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG sind zwischen den Parteien unstreitig.
c) Das Widerrufsrecht der Kläger ist nicht durch Fristablauf erloschen. Die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HaustürWG hat mangels jeglicher Belehrung der Kläger nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HaustürWG nicht zu laufen begonnen. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 4 HaustürWG liegen nicht vor.
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, die Kläger hätten ihre auf den Abschluß des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen wirksam mit der Folge widerrufen, daß die Parteien nach § 3 Abs. 1 HaustürWG einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren haben. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht berücksichtigt, daß der Widerruf gegenüber der Beklagten nur wirksam ist, wenn die - hier unstreitige - Haustürsituation der Beklagten, wie die Kläger geltend machen und was der revisionsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen ist, zuzurechnen ist (vgl. , ZIP 2003, 24 f.). Eine eigene Entscheidung ist dem Senat verwehrt. Damit das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen treffen kann, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
III. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf folgendes hin:
1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Haustürsituation dem Erklärungsempfänger zuzurechnen ist, beurteilt sich nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entsprechend den für die Zurechnung einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätzen (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404 m.w.Nachw.). Ist danach der Verhandlungsführer - wie hier - als Dritter anzusehen, so ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn dieser es kannte oder kennen mußte. Für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne genügt es, daß die Umstände des Falles den Erklärungsempfänger veranlassen mußten, sich zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht (, ZIP 1992, 755, 756). Dabei kommt es allein auf die tatsächlichen Umstände an, unter denen die Willenserklärung abgegeben wurde, nicht auf eine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Rechtslage. Die Notwendigkeit der richtlinienkonformen Auslegung des § 5 Abs. 2 HaustürWG steht auf Grund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom (aaO) fest. § 5 Abs. 2 HaustürWG ist - wie bereits erwähnt (II. 1. a) - nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesgerichtshofes auch bei Sachverhalten vor Erlaß der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom in richtlinienkonformer Auslegung anzuwenden; für das vor der Veröffentlichung dieser Entscheidung in Literatur und Rechtsprechung überwiegend vertretene Verständnis von § 5 Abs. 2 HaustürWG, das Verbraucherkreditgesetz als das speziellere Gesetz verdränge das Haustürwiderrufsgesetz, wenn der Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes eröffnet ist, wird kein Vertrauensschutz gewährt (BGHZ 150, 248, 257).
2. Von Rechtsfehlern beeinflußt sind ferner die Ausführungen des Berufungsgerichts, was die Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs anbelangt.
Sollte sich in dem weiteren Verfahren die Wirksamkeit des Widerrufs der Vertragserklärungen erweisen, hätten die Kläger entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts Anspruch auf Rückzahlung der von ihnen aus ihrem eigenen Vermögen geleisteten Zinsen von unstreitig 12.182,44 € sowie auf Rückübertragung aller der Beklagten gestellten Sicherheiten und brauchten ihr das Darlehen nicht zurückzuzahlen, sondern ihr nur die ihr - gegen Freistellung von allen Ansprüchen der Fondsgesellschaft - bereits mit Anwaltsschreiben vom angebotene Fondsbeteiligung abzutreten.
Die von dem Darlehensnehmer empfangene Leistung ist - wie der Senat nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden hat - im Falle der Auszahlung der Darlehensvaluta an einen Dritten bei einem Verbundgeschäft i.S. von § 9 VerbrKrG der finanzierte Gesellschaftsanteil (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404 f.). Das gilt entsprechend auch für den vorliegenden, noch dem Abzahlungsgesetz unterfallenden Fall. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Abzahlungsgesetz (vgl. BGHZ 133, 254, 259 f.; Urt. v. - XI ZR 197/95, ZIP 1996, 1943, 1944 f.) fordert der Schutzzweck der Widerrufsregelung des Abzahlungsgesetzes bei zwei rechtlich selbständigen, aber eine wirtschaftliche Einheit bildenden Verträgen eine Auslegung, nach der dem Darlehensgeber nach dem Widerruf kein Zahlungsanspruch gegen den Darlehensnehmer in Höhe des Darlehenskapitals zusteht.
Ob die Voraussetzungen des Verbundgeschäfts bzw. der wirtschaftlichen Einheit von Fondsbeitritt und Darlehensvertrag vorliegen, wird das Berufungsgericht danach zu prüfen haben.
Fundstelle(n):
XAAAB-97858
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein