Leitsatz
[1] a) Wird die einem Vermieterpfandrecht unterliegende Sache im Wege des Besitzkonstituts veräußert, so setzt ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb die Übergabe der Sache an den Erwerber voraus.
b) Wer den Verzicht auf ein Recht (hier: Vermieterpfandrecht) geltend macht, trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese rechtsvernichtende Einwendung.
Gesetze: BGB § 930; BGB § 936; ZPO § 286 G
Instanzenzug: LG Gera
Tatbestand
Die beklagte Stadt vermietete das ihr gehörende Gaststättengrundstück "S." an O. K., der in den Räumen eine Diskothek und Gaststätte betrieb. Durch Vertrag vom veräußerte K., der die Betriebsführung Ende Januar 1998 eingestellt und bis zum - auf dessen Rechnung - einem Untermieter überlassen hatte, die in seinem Eigentum befindlichen Einrichtungsgegenstände an die Ve. GmbH V. (nachfolgend: V.).
Wegen - teils titulierter - Forderungen aus dem Mietverhältnis berief sich die Beklagte am gegenüber K. auf ein Vermieterpfandrecht und verweigerte gegenüber der V. im Juli 1998 die Herausgabe des Inventars. Durch notariellen Vertrag vom veräußerte die Beklagte das S., wobei das Inventar ausdrücklich ausgenommen wurde, an R. und C. M..
Anschließend verkaufte die V. die Einrichtungsgegenstände zum Preis von 60.000,00 DM an die Grundstückserwerber.
Der Kläger nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht der V. auf Schadensersatzleistung in Anspruch. Zur Begründung macht er geltend, infolge der Weigerung der Beklagten, das Inventar herauszugeben, sei die V. gehindert gewesen, die Einrichtung zum Preis von 120.000,00 DM an einen Interessenten zu verkaufen. Die auf die Differenz zu dem tatsächlich erzielten Kaufpreis gerichtete Klageforderung über 60.000,00 DM hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht dem Zahlungsbegehren stattgegeben. Mit ihrer - von dem Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat das Schadensersatzbegehren gemäß § 990 Abs. 2 BGB als begründet erachtet. Zwar habe der Beklagten wegen ihrer Forderungen an den Einrichtungsgegenständen ein Vermieterpfandrecht zugestanden. Dieses Recht sei jedoch infolge gutgläubigen lastenfreien Erwerbs durch die V. untergegangen. Zumindest verstoße die Ausübung des Vermieterpfandrechts durch die Beklagte gegen § 242 BGB, weil sie erklärt habe, daß aufgrund des Eigentums des früheren Betreibers K. keine Einwände gegen einen Erwerb der Einrichtungsgegenstände durch die V. bestünden.
II. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb des Eigentums durch die V. als Voraussetzung eines Anspruchs auf Ersatz des Vorenthaltungsschadens (§§ 990 Abs. 1 und 2, 286 a.F., 284 a.F. BGB) scheitert bereits - wie die Revision zutreffend beanstandet - an der fehlenden Übergabe der Einrichtungsgegenstände. Wie das Berufungsgericht in für das Revisionsgericht bindender Weise (§ 314 ZPO) festgestellt hat, vollzog sich die Übereignung nicht durch Übergabe der Inventargegenstände, sondern auf der Grundlage eines Besitzmittlungsverhältnisses. Demzufolge war die Beklagte als Inhaberin eines Vermieterpfandrechts (§ 559 BGB a.F.) befugt, der Entfernung der Inventargegenstände zu widersprechen und letztere nach dem Auszug des Mieters K. - wie der Inhaber eines rechtsgeschäftlich bestellten Pfandrechts (Staudinger/Emmerich, BGB 12. Aufl. § 561 Rdn. 20; ebenso für die seit geltende, im wesentlichen § 561 BGB a.F. entsprechende Regelung des § 562 b BGB: Palandt/Weidenkaff, BGB 64. Aufl. § 562 b Rdn. 11) - in Besitz zu nehmen (§ 561 Abs. 1 BGB a.F.). Als berechtigte Besitzerin unterliegt die Beklagte nicht der Haftung aus §§ 987 ff. BGB.
Wegen ihrer rückständigen Forderungen aus dem Mietverhältnis erwarb die Beklagte gemäß § 559 Satz 1 BGB a.F. ein Pfandrecht an dem von dem Mieter K. eingebrachten Inventar. Veräußert der Mieter das verpfändete Gut nach der Einbringung, so ist das Eigentum des Erwerbers mit dem Pfandrecht belastet (, NJW 1995, 1350 f.; , NJW 1965, 1475). Die Voraussetzungen für einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb des Eigentums durch die V. sind nicht gegeben: Redlicher Erwerb des Eigentums von einem Nichtberechtigten setzt bei einer Eigentumsübertragung durch Besitzkonstitut (§§ 930, 929 BGB) voraus, daß dem zu diesem Zeitpunkt weiter gutgläubigen Erwerber die Sache von dem Veräußerer übergeben wird (§ 933 BGB). Ist die mittels Besitzkonstitut veräußerte Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, knüpft § 936 Abs. 1 Satz 2 BGB den lastenfreien Erwerb folgerichtig ebenfalls an die Übergabe der Sache (Bamberger/Roth/Kindl, BGB 2003, § 936 Rdn. 6). Der Eigentumserwerb des Inventars durch die V. erfolgte mittels Besitzkonstitut (vgl. BGHZ 111, 142, 145 zum zweistufigen Besitzmittlungsverhältnis). Da das Inventar der V. nicht übergeben wurde, ist für einen lastenfreien Erwerb von vornherein kein Raum (, WM 1965, 701, 704; RG JW 1937, 613 f.; ebenso für die seit geltende, im wesentlichen § 559 BGB a.F. entsprechende Regelung des § 562 BGB: MünchKommBGB/Artz 4. Aufl. § 562 Rdn. 19; Bamberger/Roth/Ehlert aaO § 562 Rdn. 17; Palandt/Weidenkaff aaO § 562 Rdn. 10).
2. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen, worauf die Revision zutreffend hinweist, ferner nicht die Annahme, daß die Beklagte ihr Vermieterpfandrecht an den Einrichtungsgegenständen aufgegeben hat und daher im Zeitpunkt der Geltendmachung des Herausgabeverlangens als nichtberechtigte Besitzerin anzusehen ist.
a) Die - in die Anwendung des § 242 BGB gekleidete - Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe auf ihr Vermieterpfandrecht verzichtet, läßt wesentlichen Auslegungsstoff außer Betracht und ist von einer unzutreffenden Beurteilung der Beweislast beeinflußt. Die Beweislast für die behauptete Aufgabe des Vermieterpfandrechts liegt als rechtsvernichtende Tatsache bei dem Kläger (vgl. MünchKommZPO/Prütting 2. Aufl. § 286 Rdn. 109).
b) Den ihm obliegenden Beweis hat der Kläger bislang nicht geführt. Zu Unrecht entnimmt das Berufungsgericht der im März 1998 zwischen K., dem Geschäftsführer der V., O., dem Bürgermeister der Beklagten, H., und der Kämmerin der Beklagten, N., geführten Unterredung einen Verzicht der Beklagten auf das Vermieterpfandrecht. Eine Aufgabe des Vermieterpfandrechts kann nicht aus der von dem Berufungsgericht mitgeteilten Aussage des - obendrein am Ausgang des Rechtsstreits nicht uninteressierten - Zeugen O. hergeleitet werden, die Beklagte habe sich mit dem Erwerb der Einrichtungsgegenstände durch die V. einverstanden erklärt, ohne dabei auf ihre gegen K. bestehenden Forderungen und einen evtl. Sicherungsbedarf hinzuweisen. Einmal konnte die Beklagte einer Eigentumsübertragung von K. auf die V. unter Übernahme ihres Pfandrechts schon rechtlich nicht entgegentreten. Zum andern war es nicht Sache der Beklagten, auf ihr Vermieterpfandrecht hinzuweisen; vielmehr kam umgekehrt - eine Übergabe des Inventars unterstellt - ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb durch die V. nur in Betracht, wenn sie sich - was der Zeuge O. gerade nicht mit Sicherheit bestätigen konnte - bei der Beklagten wegen der in den Mieträumen befindlichen Gegenstände nach einem etwaigen Vermieterpfandrecht erkundigt hätte (, NJW 1972, 43 f. ). Auch hat das Berufungsgericht der Aussage der Zeugin N. eine unzutreffende Bedeutung beigemessen, wenn es angenommen hat, seitens der Beklagten hätten aufgrund des Eigentums des Zeugen K. keine Einwände gegen einen Erwerb der Einrichtungsgegenstände durch die V. bestanden. Diese Aussage bringt die bereits erwähnte Tatsache zum Ausdruck, daß K. aufgrund des Vermieterpfandrechts an einer Übereignung des Inventars an die V. nicht gehindert war, besagt aber keineswegs, daß die Beklagte auf ihr Vermieterpfandrecht verzichten wollte. Schließlich stützt sich das Berufungsgericht zu Unrecht auf die Aussage des Zeugen O.. Dieser hat nach seinen eigenen Angaben bei der Unterredung nicht zum Ausdruck gebracht, das Inventar entfernen zu wollen. Dies wäre aber die Voraussetzung für den angenommenen Verzicht auf das Vermieterpfandrecht, zu der das - ebenfalls - nicht ordnungsgemäß festgestellte Einverständnis der Vertreter der Beklagten hätte hinzutreten müssen.
3. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es - ggf. nach ergänzendem Vorbringen der Parteien - die notwendigen Feststellungen treffen kann. Sollte das Berufungsgericht abermals zu einer Haftung der Beklagten dem Grunde nach gelangen, so kann der entgangene Gewinn (§ 252 BGB) hier nicht nach § 287 ZPO geschätzt werden: Da es sich bei dem - gebrauchten - Inventar nicht um marktgängige Ware handelt und der Kläger einen besonders günstigen Erlös beansprucht, hat er den Vollbeweis zu führen (Staudinger/Schiemann, BGB 2005, § 252 Rdn. 20), zumal eine Schätzung mangels greifbarer Anhaltspunkte "völlig in der Luft hängen" würde (vgl. etwa BGHZ 91, 243, 256 f.; , NJW-RR 1992, 1077 f.). Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2005 S. 2520 Nr. 46
NJW-RR 2005 S. 1328 Nr. 19
MAAAB-97801
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja