Leitsatz
[1] Zur Anwendbarkeit von § 54 Satz 2 BGB auf Verträge zwischen einem nicht rechtsfähigen Verein und einem seiner Mitglieder.
Gesetze: BGB § 54
Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main vom LG Darmstadt
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Erstattung von Verfahrenskosten aus einem verlorenen Verwaltungsgerichtsprozeß in Anspruch.
Die Parteien waren Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins "Klagegemeinschaft gegen die H. S." (im folgenden: Verein).
Im Jahre 1990 plante der Landkreis A., die Hausmülldeponie in S. zu erweitern. Hiergegen wandten sich u.a. Bürger der in unmittelbarer Nähe der vorgesehenen Erweiterungsfläche gelegenen Waldsiedlung. Der Kläger, der in der Waldsiedlung ein Hotel betreibt, erhob gegen die Erweiterung der Mülldeponie Klage vor dem Verwaltungsgericht in W.. Im Verlaufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurde u.a. vom Kläger der Verein gegründet. Der Verein hatte ca. 30 Mitglieder. Vereinszweck war nach § 3 der Satzung die Interessenwahrung der Bewohner der Waldsiedlung gegenüber dem Betrieb und Ausbau der Hausmülldeponie und als "wesentliche Aufgabe die Finanzierung von Rechtsstreitverfahren und im besonderen die Unterstützung des bereits klagenden M. St." (= Kläger).
Am wurde zwischen dem Kläger und dem Verein, vertreten durch den Beklagten als stellvertretenden Vereinsvorsitzenden, eine "Vereinbarung" getroffen, in der u.a. in Ziff. 1 geregelt ist:
"Die Klagegemeinschaft unterstützt Herrn St. bei seinem rechtlichen Vorgehen gegen die Erweiterung der Hausmülldeponie S. des Landkreises A. ideell und materiell. Die materielle Unterstützung betrifft insbesondere die in den Verfahren gegenüber den Verwaltungsbehörden und Gerichten anfallenden Gebühren und Kosten sowie die notwendigen Auslagen (Anwaltsgebühren, Honorare für Gutachten etc.). ..."
Die vom Kläger vor dem Verwaltungsgericht in W. erhobene Klage wurde schließlich vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München, nachdem der Kläger zunächst im Oktober 1995 einen Vergleich wegen fehlender Zustimmung des Vereins widerrufen hatte, rechtskräftig abgewiesen. Der Verein hatte bis zu seiner Auflösung im Jahre 1995 die im Zusammenhang mit der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeit beim Kläger angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten in Höhe von ca. 95.000,00 DM übernommen. Weitere im Jahre 1999 vom Kläger im Zusammenhang mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgeglichene Kosten in Höhe von insgesamt 39.409,87 DM wurden dem Kläger vom Verein nicht ersetzt. Diesen Betrag verlangt der Kläger nunmehr vom Beklagten.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Gründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Eine persönliche Haftung des Beklagten als Vereinsmitglied nach § 54 Satz 1 BGB für Verbindlichkeiten des Vereins scheidet aus. Bei der Klagegemeinschaft handelt es sich nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um einen nicht rechtsfähigen, nicht wirtschaftlichen Idealverein. Der Verein ist weder im Vereinsregister eingetragen noch nimmt er nach seinem Hauptzweck wie ein Unternehmen am Wirtschafts- und Rechtsverkehr teil. Die lediglich vereinsinterne finanzielle Unterstützung des Klägers reicht für die Annahme eines wirtschaftlichen Vereins nicht aus (vgl. allg. zur Abgrenzung , BGHZ 85, 84; BayObLG, NZG 1998, 606; Staudinger/Weick, BGB 13. Aufl. § 21 Rdn. 5 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung und nach ganz h.M. im Schrifttum haften die Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Idealvereins nicht persönlich für die Verbindlichkeiten des Vereins (BGHZ 50, 326, 329; OLG Schleswig, NVwZ-RR 1996, 103; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. Aufl. § 25 Abs. 3 Satz 2 m.w.N.; Soergel/Hadding, BGB 13. Aufl. 2000, § 54 Rdn. 24).
2. Eine Haftung des Beklagten als Handelnder nach § 54 Satz 2 BGB besteht ebenfalls nicht.
a) Nach § 54 Satz 2 BGB haften aus Rechtsgeschäften, die im Namen eines nicht rechtsfähigen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen werden, die Handelnden persönlich. Diese Haftung besteht unabhängig davon, ob die Handelnden Vorstandsmitglieder oder ob sie überhaupt Vereinsmitglieder sind, und auch unabhängig davon, ob sie zur Vertretung des Vereins berechtigt gewesen sind (vgl. , NJW 1957, 1186). Die Regelung des § 54 Satz 2 BGB soll dem Geschäftspartner eines nicht eingetragenen Vereins außer dem Vereinsvermögen, dessen Aufbringung und Erhaltung gesetzlich nicht gesichert ist, das Privatvermögen des Handelnden als Haftungsmasse zugänglich machen (Soergel/Hadding, BGB 13. Aufl. § 54 Rdn. 26 unter Hinweis auf Protokolle, Mugdan I, S. 641) und einen Ausgleich für den Ausfall der Registerpublizität verschaffen (vgl. MünchKomm. BGB/Reuter, 4. Aufl. 2001, § 54 Rdn. 5; zusammenfassend Schöpflin, Der nicht rechtsfähige Verein, S. 468 ff. m.w.N.).
b) Es kann dahinstehen, ob - wie das Berufungsgericht annimmt - eine Handelndenhaftung des Beklagten schon daran scheitert, daß er mit der Vereinbarung vom keine neue eigenständige Verpflichtung des Vereins begründet und damit kein Rechtsgeschäft im Sinne von § 54 Satz 2 BGB geschlossen hat. Denn jedenfalls ist der Kläger nicht Dritter im Sinne dieser Bestimmung.
c) Ebensowenig bedarf es einer grundsätzlichen Entscheidung, ob ein Vereinsmitglied überhaupt Dritter im Sinne von § 54 Satz 2 BGB sein kann (ablehnend u.a. MünchKomm.BGB/Reuter, 3. Aufl. § 54 Rdn. 59; Kertess, Die Haftung des für einen nicht rechtsfähigen Verein Handelnden, Diss. 1982, S. 139 f. m.w.N.; a.A. insbesondere Erman/Westermann, BGB 10. Aufl. § 54 Rdn. 16). Denn jedenfalls könnte ein Vereinsmitglied den Schutz dieser Bestimmung allenfalls dann in Anspruch nehmen, wenn es das Rechtsgeschäft mit dem Verein als echtes Drittgeschäft, d.h. ohne unmittelbaren Bezug zu seiner mitgliedschaftsrechtlichen Beziehung zu dem Verein und Stellung in demselben, abschließt (in diesem Sinne auch etwa Soergel/Hadding, BGB 13. Aufl. § 54 Rdn. 27; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 8. Aufl. Rdn. 2516; Bamberger/Roth/Schwarz, BGB Bd. I § 54 Rdn. 24; Schöpflin aaO, S. 485). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zweck des Vereins war nach seiner Satzung u.a. ausdrücklich die finanzielle Unterstützung des Klägers, d.h. seines (Gründungs-) Mitglieds bei den von diesem gegen die Erweiterung der Mülldeponie geführten Rechtsstreitigkeiten. Die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung vom betraf damit nicht etwa ein nur mittelbar dem Vereinszweck dienendes Hilfsgeschäft; sie zielte vielmehr unmittelbar auf die Umsetzung und Konkretisierung des Vereinszwecks. Dieser enge Zusammenhang zwischen der dem Kläger geltenden Förderaufgabe des Vereins und der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung des Klägers schließt es unter den gegebenen Umständen aus, die Vereinbarung vom mit einem beliebigen Rechtsgeschäft gleichzusetzen, das der Verein im Grundsatz auch mit jedem außenstehenden Dritten hätte schließen können.
Fundstelle(n):
DB 2003 S. 2485 Nr. 46
DStR 2003 S. 1762 Nr. 41
VAAAB-97756
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja