Leitsatz
[1] Die Einbeziehung mehrerer Klauselwerke in ein und denselben Vertrag ist grundsätzlich zulässig. Führt die Verwendung mehrerer Klauselwerke jedoch dazu, dass unklar ist, welche der darin enthaltenen konkurrierenden Regelungen gelten soll, kann keine der Bestimmungen angewendet werden mit der Folge, dass die gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung kommen.
Gesetze: AGBG a.F. § 5
Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth 2 HKO 10940/01 vom OLG Nürnberg 12 U 1926/02 vom
Tatbestand
Die Klägerin führte im Auftrag der Beklagten von Februar bis Oktober 2000 mehrere Schwerlasttransporte durch, für die sie der Beklagten insgesamt 37.508,70 € (= 73.360,65 DM) in Rechnung stellte. Darüber hinaus hat die Klägerin aus einer Rechnung vom noch einen Restbetrag von 552,36 € beansprucht.
Die Klägerin erteilte ihre jeweiligen schriftlichen Angebote unter Zugrundelegung der ADSp (Stand: 1998) sowie der "Besonderen Bedingungen für Schwer- und Spezialtransporte" (nachfolgend: "Besondere Bedingungen"), die auszugsweise wie folgt lauten:
"1. Es gelten die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp neueste Fassung) für jeden Auftrag als vereinbart, ergänzend gelten die nachstehenden Bedingungen.
...
10. Unsere Rechnungen sind sofort fällig und netto Kasse zu begleichen. Gegenüber unseren Forderungen ist eine Aufrechnung oder Zurückbehaltung nur mit fälligen Gegenansprüchen des Auftraggebers, die von uns anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind, zulässig."
Die schriftlichen Angebote der Klägerin nahm die Beklagte im Regelfall telefonisch an. Das Angebot der Klägerin vom hat die Beklagte mit Telefaxschreiben vom angenommen, das u.a. folgende Formulierung enthält:
"... hiermit beauftragen wir Sie mit o.g. Transport zu einem Frachtpreis in Höhe von 15.500 DM zu den Konditionen gemäß Ihrem o.g. Angebot."
Die Beklagte hat in keinem Fall der Einbeziehung der ADSp und/oder der "Besonderen Bedingungen" widersprochen.
Bei einem von der Klägerin am im Auftrag der Beklagten durchgeführten Transport kam es zu einer Beschädigung des Transportguts. Für die Behebung der Schäden stellte die Beklagte der Klägerin am Reparaturkosten in Höhe von 58.025,18 DM netto (= 29.667,80 €) in Rechnung. Mit diesem Betrag hat sie gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung erklärt.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, aufgrund der wirksamen Einbeziehung der ADSp und der "Besonderen Bedingungen" in die Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien sei die Beklagte gehindert, gegen ihre Ansprüche aus den Transportverträgen aufzurechnen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 38.061,06 € nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat während des erstinstanzlichen Verfahrens Hilfswiderklage erhoben und insoweit beantragt,
die Klägerin zur Zahlung von 58.025,18 DM (= 29.667,80 €) zuzüglich Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe den Transportschaden schuldhaft herbeigeführt, weil sie das Transportgut nicht ordnungsgemäß verzurrt habe. Die Hilfswiderklage werde für den Fall erhoben, dass die von ihr erklärte Aufrechnung nicht zulässig sei.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsansprüche durch Teilurteil stattgegeben. Über die Hilfswiderklage ist bislang nicht entschieden worden.
Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage hinsichtlich des 7.840,90 € übersteigenden Betrags nebst anteiliger Zinsen erstrebt hat, hatte nur insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht die restliche Forderung aus der Rechnung vom in Höhe von 552,36 € nebst Zinsen abgewiesen hat (OLG Nürnberg TranspR 2003, 349).
Mit der (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte (weiterhin) die Abweisung der Klage, soweit sie zur Zahlung eines 7.840,90 € übersteigenden Betrags nebst anteiliger Zinsen verurteilt worden ist.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat Frachtvergütungsansprüche der Klägerin in Höhe von 37.508,70 € für begründet erachtet und die von der Beklagten erklärte Aufrechnung nicht zugelassen. Dazu hat es ausgeführt:
Die Beklagte habe die Klageforderung in Höhe von 37.508,70 € (= 73.360,65 DM) unstreitig gestellt. Die darüber hinaus geltend gemachte Teilforderung von 552,36 € aus der Rechnung vom sei nicht begründet, weil es hierfür an einem schlüssigen Sachvortrag der Klägerin fehle.
Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit der von ihr behaupteten Schadensersatzforderung scheitere an Ziffer 19 ADSp, wonach eine Aufrechnung nur mit fälligen Gegenansprüchen zulässig sei, denen ein Einwand nicht entgegenstehe. Gegen die AGB-Konformität dieser Regelung bestünden keine Bedenken. Die ADSp und die "Besonderen Bedingungen" seien wirksam und vorrangig in die streitgegenständlichen Einzelverträge einbezogen worden. Die Klägerin habe alle Angebote unter Bezugnahme auf die ADSp und die "Besonderen Bedingungen" abgegeben. Diese Angebote habe die Beklagte überwiegend telefonisch und ohne Einschränkungen angenommen. In einem Fall (Angebot vom ) habe die Beklagte die "Konditionen" der Klägerin ausdrücklich schriftlich akzeptiert. Die Einbeziehung der ADSp und der "Besonderen Bedingungen" scheitere nicht am "Einkaufsvertrag" und an den "Einkaufsbedingungen" der Beklagten, auf die im "Einkaufsvertrag" Bezug genommen werde.
Der Anwendbarkeit des Aufrechnungsverbots gemäß Ziffer 19 ADSp stehe nicht entgegen, dass in Ziffer 10 der ergänzend einbezogenen "Besonderen Bedingungen" eine Aufrechnungsklausel enthalten sei, die gegen § 9 AGBG (a.F.) verstoße, weil sie es ermögliche, die Aufrechnung auch bei unbestrittenen Forderungen von einer Anerkennung abhängig zu machen. Denn bei einem Wegfall von Ziffer 10 der "Besonderen Bedingungen" entfalle nicht gleichzeitig das Aufrechnungsverbot gemäß Ziffer 19 ADSp. Die ergänzende Vereinbarung der "Besonderen Bedingungen" beseitige nicht die Grundvereinbarung der ADSp.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, das Berufungsurteil sei schon gemäß § 547 Nr. 6 ZPO aufzuheben, weil es nicht mit Gründen versehen sei; das angefochtene Urteil lasse nicht erkennen, welches Ziel die Beklagte mit ihrer Berufung verfolgt habe.
a) Das Berufungsgericht hat für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands in zulässiger Weise (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Eine solche Verweisung kann sich allerdings nicht auf den in der zweiten Instanz gestellten Berufungsantrag der Beklagten erstrecken. Eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil ist auch nach dem seit dem geltenden Zivilprozessrecht nicht entbehrlich (vgl. BGHZ 156, 216, 218; , NJW-RR 2004, 494; Urt. v. - XI ZR 5/03, NJW-RR 2004, 573; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 540 Rdn. 3; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 540 Rdn. 2). Enthält das Berufungsurteil - wie hier - keine wörtliche Wiedergabe des Berufungsantrags, so muss es wenigstens erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGH NJW-RR 2004, 573). Bei einer teilweisen Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils muss der Umfang des in die Berufungsinstanz gelangten Streitgegenstands erkennbar sein (, NJW 2003, 1743; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 540 Rdn. 8).
b) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich das von der Beklagten mit der Berufung verfolgte Ziel mit der erforderlichen Deutlichkeit aus dem Zusammenhang der Gründe des Berufungsurteils. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die von der Klägerin erhobenen und vom Landgericht zuerkannten Ansprüche in Höhe von 37.508,70 € unstreitig gestellt. Mit der Berufung habe sich die Beklagte lediglich gegen die Zuerkennung des mit der Klageerweiterung geltend gemachten Betrags von 552,36 € gewandt. Aus den weiteren Darlegungen des Berufungsgerichts wird zudem hinreichend deutlich, dass die Beklagte darüber hinaus die Annahme des Landgerichts angegriffen hat, sie könne nicht mit der von ihr behaupteten Schadensersatzforderung gegen die (unstreitigen) Transportvergütungsansprüche der Klägerin aufrechnen. Das reicht zur Konkretisierung des Berufungsbegehrens der Beklagten aus.
2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, dass der Wirksamkeit der von der Beklagten erklärten Aufrechnung das Aufrechnungsverbot gemäß Ziffer 19 ADSp entgegensteht.
a) Vergeblich wendet sich die Revision allerdings gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die ADSp seien wirksam in die streitgegenständlichen Einzelverträge über Schwerlasttransporte einbezogen worden.
Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, dass die Klägerin ihre Angebote über die Durchführung von Schwerlasttransporten jeweils unter "Zugrundelegung der ADSp" sowie der "Besonderen Bedingungen" abgegeben hat. Die Beklagte habe die schriftlichen Angebote der Klägerin im Regelfall telefonisch angenommen, ohne dass dabei der Einbeziehung der ADSp und/oder der "Besonderen Bedingungen" widersprochen worden sei. Damit haben die Parteien die Geltung der ADSp aufgrund einer für den jeweiligen Einzelvertrag getroffenen Abrede ausdrücklich vereinbart. Das bestätigt auch das Telefaxschreiben der Beklagten vom betreffend das Angebot der Klägerin vom , in dem es u.a. heißt: "... hiermit beauftragen wir Sie mit o.g. Transport ... zu den Konditionen gemäß Ihrem o.g. Angebot". Unerheblich ist, dass die ADSp nach ihrer Ziffer 2.3 auf Schwerlasttransporte grundsätzlich keine Anwendung finden. Denn es bleibt den Parteien unbenommen, die Geltung eines branchenfremden Regelwerks für den konkret abgeschlossenen Vertrag ausdrücklich zu vereinbaren (vgl. MünchKomm.BGB/Basedow, 4. Aufl., § 2 AGBG Rdn. 46).
b) Die Revision rügt aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen hat, die Parteien hätten das in Ziffer 19 ADSp enthaltene Aufrechnungsverbot wirksam vereinbart, obwohl Ziffer 10 der "Besonderen Bedingungen", die nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls in die hier in Rede stehenden Einzelverträge über Schwerlasttransporte einbezogen worden sind, ein weitergehendes Aufrechnungsverbot vorsieht.
aa) Die Einbeziehung mehrerer Klauselwerke in ein und denselben Vertrag ist allerdings grundsätzlich zulässig. Sie wird jedoch dann unzulässig, wenn die Verwendung mehrerer Klauselwerke dazu führt, dass unklar ist, welche der darin enthaltenen konkurrierenden Regelungen gelten soll (vgl. , NJW 1990, 3197, 3198; Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Vor Ziffer 1 ADSp Rdn. 21). Dies ist hier der Fall.
Sowohl in den ADSp (Ziffer 19) als auch in den "Besonderen Bedingungen" (dort Ziffer 10) ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen sich die Klägerin auf ein Aufrechnungsverbot berufen kann. Das Rangverhältnis, in dem Ziffer 10 der "Besonderen Bedingungen" zu Ziffer 19 ADSp steht, ist nicht eindeutig. Es lässt sich auch nicht durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen klarstellen.
Gemäß Ziffer 1 der "Besonderen Bedingungen" sollen für jeden Auftrag die ADSp in der jeweils neuesten Fassung als vereinbart gelten und die "Besonderen Bedingungen" ergänzend angewendet werden. Der Wortlaut von Ziffer 1 der "Besonderen Bedingungen" spricht für die Annahme, dass die Vertragsparteien eine vorrangige Geltung der ADSp vereinbart haben mit der Folge, dass die "Besonderen Bedingungen" nur ergänzend zur Anwendung kommen, soweit in den ADSp keine Regelung enthalten ist. Das würde im vorliegenden Fall zur Anwendbarkeit des Aufrechnungsverbots gemäß Ziffer 19 ADSp führen, gegen dessen Wirksamkeit keine rechtlichen Bedenken bestehen (vgl. , TranspR 1999, 347, 348, m.w.N. zu § 32 ADSp in der Fassung vom , der inhaltlich im Wesentlichen Ziffer 19 ADSp entsprochen hat). Die Unwirksamkeit des in Ziffer 10 der "Besonderen Bedingungen" enthaltenen Aufrechnungsverbots hätte dann keine Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der vorrangig geltenden Ziffer 19 ADSp.
Etwas anderes ergibt sich aber dann, wenn auf den Sinnzusammenhang der beiden in die jeweiligen Einzelverträge einbezogenen Klauselwerke abgestellt wird. Dann ist die Annahme nahe liegend, dass in erster Linie die "Besonderen Bedingungen" gelten sollen, soweit darin eine einschlägige Regelung enthalten ist. Die Klägerin hat für die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausschließlich Schwerlasttransporte durchgeführt. Für diese Art von Transporten hat sie die in die Einzelverträge einbezogenen "Besonderen Bedingungen" speziell aufgestellt, was für deren vorrangige Geltung gegenüber den nur insgesamt in Bezug genommenen ADSp spricht. Bei dem in Ziffer 10 dieses Klauselwerks enthaltenen Aufrechnungsverbot handelt es sich um eine eigenständige, aus sich heraus verständliche Regelung, die abschließend bestimmt, unter welchen Voraussetzungen es einem Auftraggeber der Klägerin verwehrt ist, mit einer Gegenforderung gegenüber einem Frachtvergütungsanspruch aufzurechnen.
Die Unklarheit des Rangverhältnisses wird nicht dadurch aufgehoben, dass das Aufrechnungsverbot gemäß Ziffer 10 der "Besonderen Bedingungen" als solches wegen Verstoßes gegen den hier noch anwendbaren § 9 AGBG (a.F.) unwirksam ist (vgl. , NJW 1994, 657, 658). Den Parteivereinbarungen kann nicht entnommen werden, dass bei Unwirksamkeit des in Ziffer 10 der "Besonderen Bedingungen" enthaltenen Aufrechnungsverbots Ziffer 19 ADSp angewendet werden soll.
bb) Die Unklarheit des Rangverhältnisses der Regelungen der Ziffer 10 der "Besonderen Bedingungen" und der Ziffer 19 ADSp hat zur Folge, dass keine von ihnen angewendet werden kann (vgl. Koller aaO Vor Ziffer 1 ADSp Rdn. 21). Dies führt dazu, dass die gesetzlichen Bestimmungen (§§ 387 ff. BGB) zur Anwendung kommen, denen jedoch für den vorliegenden Fall kein Aufrechnungsverbot entnommen werden kann. Der Beklagten ist es danach nicht verwehrt, gegen die Frachtvergütungsansprüche der Klägerin mit einer Schadensersatzforderung aufzurechnen.
3. Zur Berechtigung der von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung sind bislang keine Feststellungen getroffen worden. Das wird in dem wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen sein.
III. Danach war das angefochtene Urteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2006 S. 2176 Nr. 40
NJW-RR 2006 S. 1350 Nr. 19
IAAAB-97328
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja