BFH Beschluss v. - VII B 31/06

Rüge mangelhafter Sachaufklärung

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) befindet sich seit Jahren wegen Einkommensteuerschulden für die Jahre 1980 bis 1982 und 1985 bis 1987 in Beitreibung. Wegen Steuerrückständen in Höhe von über ... € forderte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) den Kläger mit Schreiben vom auf, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und die Richtigkeit der Angaben an Eides statt zu versichern. Im Einspruchsverfahren bestritt der Kläger, jemals derart hohe Steuerschulden gehabt zu haben und bat um Kopien der Bescheide, die die Steuerforderungen begründeten. Das FA konnte die Bescheide nicht vorlegen, wies den Einspruch aber mit der Begründung zurück, aus einer Vielzahl anderer Verfahren und Unterlagen —Rechtsbehelfsverfahren, Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung, Kontoauszüge, Aufstellungen anlässlich von Vollstreckungsmaßnahmen und Verhandlungen um einen Teilerlass— ergebe sich, dass die der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu Grunde liegenden Steueransprüche fällig und vollstreckbar i.S. der §§ 251, 254 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, da mangels vollstreckbarer Verwaltungsakte (Steuerbescheide) die Vollstreckungsvoraussetzungen der §§ 259, 251 ff. AO 1977 nicht vorlägen. Das FA habe nicht nur nicht nachgewiesen, dass es dem Kläger gegenüber vor Einleitung der Vollstreckung entsprechende Einkommensteuerbescheide und ein darauf beruhendes Leistungsgebot wirksam erlassen habe; es könne nicht einmal nachweisen, dass überhaupt derartige Bescheide existiert hätten beziehungsweise existieren, weil sämtliche den Kläger betreffenden Festsetzungsakten vernichtet worden seien. Die vom FA zum Nachweis der Steuerforderungen angebotenen Unterlagen könnten die vollstreckbaren Verwaltungsakte beziehungsweise die Leistungsgebote nicht ersetzen.

Das FA stützt die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision darauf, dass das FG seiner Pflicht, den Sachverhalt gemäß § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) von Amts wegen aufzuklären und zu würdigen, nicht nachgekommen sei. Außerdem habe es durch die fehlerhafte Anwendung von Beweisregeln —die Nichterhebung eines Indizienbeweises auf der Grundlage der sich aus den Akten ergebenden Umstände— in besonderem Maße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstoßen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Das FA hat keinen der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

1. Mangelnde Sachaufklärung wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann ordnungsgemäß gerügt, wenn dargelegt wird, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG —unabhängig davon, ob dieser rechtlich zutreffend ist— zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (, BFH/NV 2001, 926, m.w.N.). Daran fehlt es.

Die Entscheidung des FG, der Klage stattzugeben, beruht auf der Rechtsauffassung, dass ein wirksamer vollstreckbarer Verwaltungsakt bzw. ein Leistungsgebot als Grundlage der Vollstreckung nur durch Vorlage des Bescheides und der zugehörigen Festsetzungsakten nachgewiesen werden könne. Aus dieser Rechtsansicht folgt notwendigerweise, dass sich jede weitere Sachaufklärung erübrigt, wenn die Festsetzungsakten —wie im Streitfall— vernichtet worden sind und die Bescheide nicht mehr vorgelegt werden können.

2. Mit der Rüge, das FG habe in besonderem Maße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, indem es zum Nachweis, dass der Aufforderung zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses und der eidesstattlichen Versicherung wirksame und vollstreckbare Verwaltungsakte zugrunde liegen, die sich aus dem Akteninhalt ergebenden (Indizien-)Beweise nicht berücksichtigt und demzufolge auch nicht gewürdigt habe, ist ein Zulassungsgrund ebenfalls nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Mit diesem Vorbringen wendet sich das FA vielmehr gegen die materielle Richtigkeit des Urteils. Es setzt seine Rechtsauffassung, dass bei Würdigung sämtlicher Umstände des Falles und Berücksichtigung aller Beweisanzeichen nur die Auffassung gerechtfertigt sei, dass die der Vollstreckung zu Grunde gelegten Steuerbescheide gegenüber dem Kläger wirksam und vollstreckbar ergangen seien, an Stelle derjenigen des FG, wonach diese Umstände gerade nicht geeignet seien, das Vorliegen vollstreckbarer Verwaltungsakte nachzuweisen. Die Rüge betrifft auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung (z.B. , BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.), der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO führt. Das FA hat selbst in der Beschwerdeschrift keinen Nachweis bezeichnet, der unabweisbar und ausschließlich den Schluss gebietet, dass ein konkreter Steuerbescheid wirksam erlassen worden ist, Bestandskraft erlangt hat und daraus weiterhin eine vollstreckbare Steuerforderung in bestimmter Höhe gegen den Kläger resultiert. Die Bewertung des FG, dass den im Tatbestand zusammengefassten Umständen und Unterlagen keine den Festsetzungsunterlagen vergleichbare Beweiskraft zukomme, ist damit nicht nachhaltig infrage gestellt, sie ist vielmehr denkgesetzlich möglich und nachvollziehbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2106 Nr. 11
KÖSDI 2006 S. 15305 Nr. 11
KÖSDI 2006 S. 15309 Nr. 11
KÖSDI 2006 S. 15309 Nr. 11
KÖSDI 2006 S. 15310 Nr. 11
QAAAB-97227