Anforderungen an den Belegnachweis; keine Bindung des Finanzamts an Äußerungen des Betriebsprüfers
Gesetze: UStG § 4 Nr. 1b, UStG § 6a; AO § 201, AO § 204, AO § 206
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) nahm am einen PKW in der Auto-Niederlassung A in Empfang und übergab diesen sofort danach gegen Barzahlung an einen Vertreter der italienischen Firma B.
Im Rahmen ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 4. Quartal des Jahres 2001 behandelte die Klägerin die Lieferung des PKW unter Berufung auf § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1999) als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Dem folgte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) im Anschluss an eine Außenprüfung nicht, weil die Klägerin keine schriftliche Versicherung des Abnehmers über die Beförderung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung —UStDV 1999—) habe vorlegen können.
Mit einem an den Prüfer gerichteten Schreiben vom übersandte die Klägerin die Kopie eines italienischen Kfz-Scheines, aus dem entnommen werden könne, dass der PKW am in Italien zugelassen worden sei. Der Prüfer erklärte daraufhin am gegenüber dem Steuerberater der Klägerin fernmündlich, dass eine Korrektur in der Voranmeldung für das 4. Quartal 2003 (Streitzeitraum) zu erfolgen habe.
Die Klägerin „minderte” dementsprechend in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für den Streitzeitraum „ihre steuerpflichtigen Umsätze”. Dem folgte das FA im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Streitzeitraum vom nicht, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die Lieferung des PKW nach Italien durch sie bewirkt worden sei. Die Lieferung habe auch an einen Inländer erfolgen können, der den PKW nach Italien verbracht habe.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und reichte beim FA die Kopie einer Versandbestätigung für Umsatzsteuerzwecke ein, wonach B persönlich den PKW am nach Italien befördert habe. Das FA wies den Einspruch dennoch als unbegründet zurück, weil weiter nicht feststehe, dass die Lieferung nach Italien durch die Klägerin bewirkt worden sei. Die Versandbestätigung sei nachträglich erstellt worden und ihr Inhalt widerspreche dem Vorbringen der Klägerin im Einspruchsverfahren. Zudem könne die Klägerin keine Ablichtungen der Ausweispapiere des Abholers vorlegen.
Mit der hiergegen gerichteten Klage trug die Klägerin vor, der PKW sei am von der Klägerin in Empfang genommen und sogleich an einen Vertreter des B übergeben worden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es vertrat in seinem Urteil die Auffassung, im Streitfall sei eine Steuerfreiheit der Lieferung des PKW im 4. Quartal 2003 bereits deshalb ausgeschlossen, weil in diesem Voranmeldungszeitraum keine Lieferung erfolgt sei. Würden Belege nachgereicht, wirke dies auf den Zeitpunkt der Lieferung zurück. Die nachgereichten Belege könnten deshalb allenfalls zu einer Steuerbefreiung im Rahmen der Steuerfestsetzung für das 4. Quartal 2001 führen.
Unabhängig davon sei die Steuerbefreiung auch aus materiell-rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Denn die Klägerin habe das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht hinreichend nachgewiesen. Die Versandbestätigung des B sei nachträglich erstellt und falsch. Sie sei daher zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung ungeeignet. Wenn —wie die Klägerin vortrage— das Fahrzeug erst am von ihr in Empfang genommen und gegen Barzahlung an einen Vertreter des B übergeben worden sei, sei es ausgeschlossen, dass B das Fahrzeug bereits am nach Italien befördert habe. Hinzu komme, dass die Klägerin stets vorgetragen habe, das Fahrzeug sei von einem Mitarbeiter des B abgeholt worden, die Bescheinigung über die Beförderung des Fahrzeugs jedoch von B unterschrieben worden sei und somit der Eindruck erweckt werde, B selbst habe das Fahrzeug abgeholt. Die Klägerin habe weder den Namen und die Adresse des Abholers festgehalten noch Belege über dessen Namen, Adresse sowie eine Vollmacht vorlegen können, obwohl der Lieferung des hochwertigen PKW ein Barkauf zugrunde liege.
Der Klage könne auch die Berufung auf die am telefonisch erteilte Auskunft des Prüfers, wonach die Korrektur in der Voranmeldung für das 4. Quartal 2003 zu erfolgen habe, nicht zum Erfolg verhelfen. Diese Auskunft sei u.a. deshalb nicht geeignet, eine Bindungswirkung zu entfalten, weil sie nicht von einem für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständigen Beamten erteilt worden sei.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Außerdem sei die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Wenn sich die angefochtene Vorentscheidung auf mehrere, jeweils selbständig tragende Begründungen stützt, muss für jede Begründung ein Zulassungsgrund erfolgreich geltend gemacht werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom I B 81/05, nicht veröffentlicht; vom V B 54/99, BFH/NV 2000, 239).
Die von der Klägerin begehrte Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO setzt voraus, dass es im Streitfall um eine vom BFH klärbare und klärungsbedürftige Rechtsfrage geht (BFH-Beschlüsse vom X B 107/05, BFH/NV 2006, 938; vom V B 104/04, BFH/NV 2005, 391). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2005, 2064, m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen hat die Beschwerde keinen Erfolg.
a) Das FG hat seine Auffassung, die Klage sei abzuweisen, wie folgt alternativ begründet:
- eine Berücksichtigung des Vorgangs im Streitzeitraum sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Nachholung des Belegnachweises auf den Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes (hier: das 4. Quartal 2001) zurückwirke.
- Unabhängig davon habe die Klägerin das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht hinreichend nachgewiesen, weil die vorgelegte Versandbestätigung falsch sei.
Hinsichtlich beider Begründungen hat das FG eine Bindung des FA an den Hinweis des Prüfers vom u.a. deshalb verneint, weil dieser Hinweis nicht von einem für die Umsatzsteuerveranlagung der Klägerin zuständigen Beamten stamme.
b) Jedenfalls im Hinblick auf die Begründung des FG, die Klägerin habe das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht hinreichend nachgewiesen, weil die Versandbestätigung des B falsch sei, ist die Beschwerde unbegründet.
aa) Soweit die Klägerin die Rechtsfrage aufgeworfen hat, „wie hoch die Anforderungen an den Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung sein dürfen, wenn die Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat unstreitig vorliegt”, ist dies im Streitfall weder klärungsbedürftig noch klärbar.
Durch die Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegentand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; bei einem Barverkauf eines hochwertigen PKW sind an die Nachweispflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen (, BFH/NV 2005, 81). Mit einer erst nach Ausführung einer Lieferung erstellten, falschen Bestätigung über die Beförderung des Gegenstands der Lieferung kann der Lieferer den erforderlichen Belegnachweis nicht erbringen (, BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616). So liegt es nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, im Streitfall.
Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt sich im Streitfall auch nicht die Frage, ob die deutschen Anforderungen an den Belegnachweis mit dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar sind. Denn vorliegend steht —anders als im Fall des Vorlagebeschlusses des Senats vom V R 59/03 (BFHE 208, 502, BStBl II 2005, 537) und im Fall des von der Klägerin zitierten Erkenntnisses des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom B 916/02 (Österreichische Steuer-Zeitung 2004, Beilage Nr. 19, 547)— nicht zweifelsfrei fest, dass die Lieferung der Klägerin eine innergemeinschaftliche war.
bb) Auch die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob „ein Betriebsprüfer, der einem Steuerpflichtigen eine bestimmte rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts vorschlägt und ihn im Interesse einer schnellen Beendigung der Betriebsprüfung dazu veranlasst, diese Behandlung zu akzeptieren, einen Vertrauenstatbestand schaffen kann, den das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gegen sich gelten lassen muss”, ist nicht klärungsbedürftig.
Selbst wenn man, was vom FG so nicht festgestellt ist, zugunsten der Klägerin von solch einem Geschehensablauf ausginge, wäre diese Rechtsfrage —entgegen der Auffassung der Klägerin— durch die Rechtsprechung des BFH bereits hinreichend geklärt. Für eine verbindliche Zusage, eine tatsächliche Verständigung oder eine sonstige Bindung des FA nach Treu und Glauben ist gleichermaßen erforderlich, dass auf Seiten des FA ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger (Vorsteher oder Sachgebietsleiter) beteiligt ist (vgl. , BFH/NV 2005, 663, zur Bindung an eine Mitteilung nach Treu und Glauben; , BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975, zur tatsächlichen Verständigung; vom I R 71/03, BFHE 206, 42, BStBl II 2004, 742, zur verbindlichen Zusage). Äußerungen des Betriebsprüfers, Berichte oder Mitteilungen der Außenprüfung reichen für eine solche Bindung nicht aus (, BFH/NV 2001, 1619; vom V R 1/88, BFH/NV 1991, 846; vom XI R 78/95, BFHE 181, 103, BStBl II 1996, 625, zur Bindung an eine „tatsächliche Verständigung” im Rahmen einer Außenprüfung).
Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Rechtsfrage durch den BFH erforderlich machen und eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. , BFHE 210, 365, BStBl II 2005, 864, unter II.1.a, m.w.N.), sind nicht erkennbar.
c) Der Senat kann deshalb offen lassen, ob die weitere Begründung des FG, eine Steuerbefreiung sei allenfalls im 4. Quartal 2001 zu gewähren, in vollem Umfang mit den Grundsätzen des (Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2006, 397) übereinstimmt, das erst nach der angefochtenen Vorentscheidung ergangen ist. Insoweit hat das FG zwar nicht festgestellt, ob die Klägerin zwischenzeitlich in einer Rechnung Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen und diese erst im Streitzeitraum berichtigt hat. Mangels Entscheidungserheblichkeit dieses Umstands kommt eine Zulassung der Revision wegen sog. „nachträglicher Divergenz” (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom IV B 126/01, BFH/NV 2003, 291; vom V B 182/99, BFH/NV 2000, 957) jedoch nicht in Betracht: Selbst wenn man zugunsten der Klägerin diese Sachlage unterstellt, liegen die Voraussetzungen der § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 3 UStG 1999, § 17a UStDV 1999 nicht vor, weil das FG die Versandbestätigung des B für falsch gehalten hat.
3. Soweit die Klägerin im Klageverfahren geltend gemacht hat, das FA habe denselben Sachverhalt zwei Mal besteuert, hat das FG dies nicht festgestellt. Hieran ist der Senat zwar nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, er hält es aber dennoch für zweckmäßig, auf § 174 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) hinzuweisen, sollte der Vortrag der Klägerin zutreffen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2140 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 47/2007 S. 4196
YAAAB-97220