BGH Urteil v. - I ZR 263/01

Leitsatz

[1] Eine vor dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am vom Spediteur erstellte Beförderungsbedingung, wonach die in den Bedingungen vorgesehenen Haftungsbegrenzungen nicht bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gelten sollen, ist, wenn sie einem nach dem geschlossenen Vertrag zugrunde gelegt wird, dahin auszulegen, daß die vorgesehenen Haftungsbegrenzungen erst bei dem verschärften Verschuldensgrad des neu gefaßten § 435 HGB nicht gelten.

Gesetze: HGB § 435

Instanzenzug: OLG Schleswig vom LG Kiel

Tatbestand

Die Klägerin ist Transportassekuradeur. Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem Recht des Pelzhauses C. in K. (im folgenden: Versicherungsnehmerin) wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte am mit der Beförderung eines Pakets, das einen Pelzmantel enthielt, von K. nach Kr. . Auf dem Absendebeleg war als Serviceart "Standard" angekreuzt. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten (Stand Februar 1998) zugrunde.

Die Beklagte hat die Ersatzleistung unter Berufung auf ihre Beförderungsbedingungen auf 1.000 DM beschränkt.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den durch den Verlust der Sendung entstandenen Schaden durch Zahlung von 21.000 DM an die Versicherungsnehmerin reguliert. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für den eingetretenen Verlust unbeschränkt. Die Beklagte könne sich weder auf gesetzliche noch auf die in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen vorgesehenen Haftungsbeschränkungen berufen, da ihr grobes Organisationsverschulden zur Last falle. Dies führe zur unbeschränkten Haftung der Beklagten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 17.862,07 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Haftung sei gemäß Ziff. 10 Abs. 1 ihrer Beförderungsbedingungen auf 1.000 DM begrenzt. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 435 HGB lägen nicht vor. Ein leichtfertiges Verhalten in dem Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts könne ihr nicht angelastet werden, da lediglich ein geringer Bruchteil von Sendungen abhandenkomme. Jedenfalls sei ein überwiegendes Mitverschulden der Versicherungsnehmerin wegen unterlassener Wertdeklaration anzunehmen. Bei Angabe des tatsächlichen Warenwertes hätte sie das Paket als sogenanntes Wertpaket behandelt und demzufolge weitere Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Auch der Klägerin müsse ein Mitverschulden vorgeworfen werden, da sie es unterlassen habe, die Versicherungsnehmerin auf die Notwendigkeit einer Wertdeklaration hinzuweisen und ihr zudem aus vorangegangenen Rechtsstreitigkeiten bekannt gewesen sei, daß sie, die Beklagte, auf Schnittstellenkontrollen verzichte.

Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus abgetretenem (§ 398 BGB) Recht der Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 425 Abs. 1 HGB i.V. mit Ziff. 10 der Beförderungsbedingungen der Beklagten zuerkannt. Hierzu hat es ausgeführt:

Da sich die Beklagte mit der Versicherungsnehmerin über einen bestimmten Satz an Beförderungskosten geeinigt habe und sie zudem die Versendung der Pakete zusammen mit Gütern anderer Versender als Sammelladung besorge, träfen sie gemäß §§ 459, 460 Abs. 2 HGB ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers.

Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkungen in ihren Beförderungsbedingungen berufen, weil davon auszugehen sei, daß der Schaden durch ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten verursacht worden sei. Der Umstand, daß die Versicherungsnehmerin eine Wertdeklaration unterlassen habe, führe nicht zur Annahme eines Mitverschuldens, das sich die Klägerin zurechnen lassen müsse. Die Beklagte habe zwar behauptet, sie hätte bei Angabe des tatsächlichen Wertes der Sendung gegebenenfalls weitergehende Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Sie habe jedoch in ihren Beförderungsbedingungen klargestellt, daß bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit alle Haftungsbeschränkungen - mithin auch diejenige, wonach bei unterbliebener Wertdeklaration nur bis zu einem bestimmten Betrag gehaftet werde - entfielen. An diese dem Wortlaut nach eindeutige Regelung in den von ihr verwendeten Beförderungsbedingungen müsse sich die Beklagte festhalten lassen. Es komme nicht darauf an, ob die Haftungsvoraussetzungen des § 435 HGB n.F. erfüllt seien. Ein haftungsminderndes Mitverschulden der Versicherungsnehmerin ergebe sich auch nicht daraus, daß sie nach einem Transportverlust vom nicht ein anderes Unternehmen mit der Paketversendung beauftragt habe. Dazu habe aus der Sicht der Versicherungsnehmerin keine Veranlassung bestanden, da es sich bei dem Verlust vom Januar 2000 unstreitig um den ersten nach etwa 8.000 problemlos durchgeführten Transporten gehandelt habe.

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Revision der Beklagten ist uneingeschränkt zulässig.

Das Berufungsgericht hat die Revision im Urteilstenor ohne beschränkenden Zusatz zugelassen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, "die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil die Beklagte überregional tätig und die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Mitverschulden der Kunden bei unterlassener Wertangabe gegenüber einer auf grober Fahrlässigkeit der Beklagten beruhenden Haftung uneinheitlich ist". Damit ist die Revision der Beklagten nicht allein auf den Einwand des Mitverschuldens wegen unterlassener Wertdeklaration der Versenderin beschränkt worden.

2. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht angenommen, daß sich die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten nach § 425 HGB richten. Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte von der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - bei wirksamer vertraglicher Einbeziehung - ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt, soweit diese mit den in § 449 Abs. 2 HGB enthaltenen Regelungen in Einklang stehen (vgl. dazu BGHZ 153, 308, 310 f.).

3. Die Revision wendet sich im Ergebnis erfolglos gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte für den streitgegenständlichen Schaden unbeschränkt.

a) Mit Recht beanstandet die Revision allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts, die unbeschränkte Haftung der Beklagten ergebe sich schon aus deren Beförderungsbedingungen, wonach die in Ziff. 10 Abs. 2 enthaltene - im Vergleich zu § 431 HGB zugunsten des Versenders nach oben abweichende - summenmäßige Haftungsbeschränkung dann nicht gelten soll, wenn der Beklagten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (Ziff. 10 Abs. 5). Es komme in einem solchen Fall nicht darauf an, ob die strengeren Haftungsvoraussetzungen des § 435 HGB erfüllt seien.

Dem kann nicht beigetreten werden. Nach Ziff. 10 Abs. 1 der Beförderungsbedingungen wird in den Fällen, in denen das Warschauer Abkommen oder das CMR-Abkommen nicht gelten, die Haftung durch die Beförderungsbedingungen der Beklagten "geregelt". Die nachfolgenden "Haftungsbegrenzungen" sollen nicht gelten bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Beklagten (Ziff. 10 Abs. 5). Da die Bedingungen der Beklagten zum Umfang der dann gegebenen Haftung keine Ausführungen enthalten, kann nur das im Gesetz vorgesehene Haftungsregime greifen. Dieses sieht für den Frachtführer nach dem zum in Kraft getretenen und für die Abwicklung des streitgegenständlichen Vertrags maßgeblichen § 435 HGB eine unbegrenzte Haftung nur vor, wenn der Frachtführer vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein gehandelt hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. An das (lediglich) grob fahrlässige Verhalten knüpft die vom Gesetzgeber des Jahres 1998 geregelte Frachtführerhaftung - in Abweichung von dem zuvor geltenden Recht (§ 430 Abs. 3 HGB a.F.) - keine verschärfte Haftung. Es ist aus dem Gesamtzusammenhang der Haftungsbedingungen in Ziff. 10, die auf eine Haftungsbegrenzung angelegt sind, nicht ersichtlich, daß die Beklagte über den gesetzlichen Haftungsrahmen hinaus für Transportschäden einstehen wollte. Die im Februar 1998, und damit noch unter der Geltung des § 430 HGB a.F., erstellte Vertragsbedingung der Beklagten ist folglich dahin auszulegen, daß die Haftungsbegrenzungen dann nicht gelten sollen, wenn bei verschärftem Verschuldensgrad auch das Gesetz eine verschärfte Frachtführerhaftung vorsieht, das heißt also mit Inkrafttreten des § 435 HGB nur, wenn nach den dort genannten Voraussetzungen die gesetzlich oder vertraglich vorgesehenen Haftungsbegrenzungen nicht gelten.

b) Nach § 435 HGB gelten die im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, daß die Beklagte es unstreitig unterlassen hat, bei der Beförderung von Standardsendungen Schnittstellenkontrollen durchzuführen. Auf dieser tatsächlichen Grundlage kann der Senat selbst entscheiden, daß der Beklagten in bezug auf den streitgegenständlichen Verlust ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 435 HGB anzulasten ist.

c) Die aufgrund des Transportrechtsreformgesetzes vom (BGBl. I S. 1588) mit Wirkung vom in Kraft getretene Neufassung des § 435 HGB ist Ausdruck des schon bis dahin im gesamten Transportrecht geltenden Prinzips, daß dem Frachtführer die ihm wegen vertragstypischer Risiken eingeräumten Haftungsprivilegien nicht zugute kommen sollen, wenn ihn oder eine Person, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, ein qualifiziertes Verschulden trifft (vgl. § 430 Abs. 3 HGB a.F.; § 607a Abs. 4, § 660 Abs. 3 HGB, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 CMR, Art. 44 CIM, Art. 25 WA 1955; s. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8445, S. 71).

aa) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen (vgl. BGHZ 145, 170, 183; , Umdr. S. 9, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Das subjektive Erfordernis des Bewußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein allerdings nicht aus, um auf das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt. Danach ist im vorliegenden Fall von einem qualifizierten Verschulden der Beklagten i.S. des § 435 HGB auszugehen.

bb) Wie der Senat in seinem Urteil vom (Umdr. S. 12) entschieden hat, ist bei einer Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich hierbei um elementare Vorkehrungen gegen Verlust von Ware handelt.

cc) Entgegen der Ansicht der Revision kann aus der Organisation des Warenumschlags durch die Beklagte auch auf deren Bewußtsein geschlossen werden, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Wer, wie die Beklagte im Streitfall, elementare Sorgfaltsvorkehrungen unterläßt, handelt in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann. Wer also Schnittstellenkontrollen unterläßt, obwohl er weiß oder hätte wissen müssen, daß es darauf entscheidend ankommt, hat das Bewußtsein, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden an dem anvertrauten Gut entstehen (vgl. BGHZ 74, 162, 172; Umdr. S. 15).

Auf das Verhältnis der Schadensfälle zur Anzahl der umgeschlagenen Sendungen kommt es nicht an (vgl. , TranspR 2003, 467, 471; Urt. v. - I ZR 275/00, TranspR 2004, 175, 177; Urt. v. , Umdr. S. 15 m.w.N.).

4. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich die unterlassene Wertdeklaration bei der in Verlust geratenen Sendung nicht als Mitverschulden der Versicherungsnehmerin anrechnen lassen.

a) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung darauf gestützt, daß die Beklagte in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen klargestellt habe, daß bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit alle Haftungsbeschränkungen, mithin auch diejenige, wonach bei unterbliebener Wertdeklaration nur bis zu einem bestimmten Betrag gehaftet werde, entfielen. An dieser dem Wortlaut nach eindeutigen Regelung müsse sich die Beklagte festhalten lassen. Ließe man eine bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ausdrücklich für unwirksam erklärte Haftungsbegrenzung über die Rechtsinstitute des Mitverschuldens oder des treuwidrigen Verhaltens wieder aufleben, entstünde ein klarer Wertungswiderspruch. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

b) Ein Versender gerät in einen nach § 254 Abs. 1 BGB beachtlichen Selbstwiderspruch, wenn er trotz Kenntnis, daß der Spediteur die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer Wertdeklaration absieht und gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt. Mit seinem Verzicht auf die vom Spediteur angebotenen weitergehenden Schutzvorkehrungen setzt der Versender das Transportgut bewußt einem erhöhten Verlustrisiko aus mit der Folge, daß ihm der eingetretene Schaden bei wertender Betrachtung gemäß § 254 BGB anteilig zuzurechnen ist (vgl. BGHZ 149, 337, 353; BGH TranspR 2003, 467, 471 m.w.N.). Ein anspruchsminderndes Mitverschulden kann sich gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB auch daraus ergeben, daß der Geschädigte es unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen mußte (vgl. BGHZ 149, 337, 353). Auch gegenüber einem qualifizierten Verschulden des Schädigers kann der Einwand des Mitverschuldens des Geschädigten gerechtfertigt sein. Die Vorschrift des § 435 HGB zur verschärften Haftung des Frachtführers schließt eine Mithaftung des Versenders oder Empfängers aufgrund von schadensursächlichen Umständen aus deren Bereich nicht aus (vgl. BGH TranspR 2003, 467, 471).

c) Nach dem Vortrag der Beklagten unterliegt der Transportweg einer dem Wert nach deklarierten Sendung weiterreichenden Kontrollen als der Weg einer nicht deklarierten Sendung. Zwar kann auch bei wertdeklarierten Sendungen ein Verlust nicht vollständig ausgeschlossen werden. Das rechtfertigt es jedoch grundsätzlich nicht, den Einwand des Mitverschuldens wegen unterlassenen Hinweises auf den Wert der Ware an der fehlenden Kausalität scheitern zu lassen.

Ungeklärt ist im vorliegenden Fall, in welcher Phase des Transports der Schaden eingetreten ist. Er kann also auch in einem Bereich eingetreten sein, in dem die Beklagte ihre Sorgfalt bei dem Transport von wertdeklarierter Ware nicht oder nicht in krasser Weise verletzt hat. Die Haftung wegen qualifizierten Verschuldens beruht auf dem Vorwurf unzureichender Kontrolle der Schnittstellen und der daraus folgenden Vermutung, daß die Ware in diesem besonders gefährdeten Bereich verlorengegangen ist (vgl. BGHZ 149, 337, 345 f.; , TranspR 2003, 317, 318 = NJW-RR 2003, 1473; Urt. v. , Umdr. S. 14 f.). Das damit auf einer Vermutung beruhende Haftungsrisiko wird eingeschränkt, wenn die Ware in ihrem Wert deklariert worden ist. Der Weg einer wertdeklarierten Ware wird nach der Darstellung der Beklagten weitergehend kontrolliert und läßt sich bei einem Verlust genauer nachvollziehen als der einer nicht deklarierten Sendung. Hat der Versender den Wert angegeben, erhöhen sich die Möglichkeiten der Beklagten, die Vermutung, daß ein besonders krasser Pflichtenverstoß für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen ist, durch den Nachweis zu widerlegen, daß die Ware in einem gesicherten Bereich verlorengegangen ist (vgl. BGH TranspR 2003, 317, 318).

d) Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob die unterlassene Wertangabe auf der in Verlust geratenen Sendung den Schaden tatsächlich deshalb (mit-)verursacht hat, weil die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es dann nicht zu dem Verlust gekommen wäre. Die Beklagte hat unter Hinweis auf ihre Allgemeinen Beförderungsbedingungen vorgetragen, durch die fehlende Wertangabe habe die Versicherungsnehmerin ihr die Möglichkeit genommen, die bei Wertpaketen vorgesehenen weiteren Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, die gerade den Eintritt des Schadens verhindern sollten. Diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzugehen haben.

Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB obliegt grundsätzlich dem Tatrichter (vgl. BGHZ 51, 275, 279; 149, 337, 355 m.w.N.), so daß die Sache auch aus diesem Grund zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.

5. Entgegen der Ansicht der Revision läßt sich im Streitfall ein Mitverschulden oder auch der Einwand des Rechtsmißbrauchs nicht darüber hinaus damit begründen, daß die Versicherungsnehmerin die Geschäftsbeziehung zur Beklagten nach dem Verlust einer Sendung im Januar 2000 fortgesetzt hat.

a) Eine Anspruchsminderung gemäß § 254 Abs. 1 BGB, bei dem es sich um eine konkrete gesetzliche Ausprägung des in § 242 BGB enthaltenen allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben handelt, kann dann in Betracht kommen, wenn der Versender einen Spediteur mit der Transportdurchführung beauftragt, von dem er weiß oder zumindest hätte wissen müssen, daß es in dessen Unternehmen aufgrund von groben Organisationsmängeln immer wieder zu Verlusten kommt. Die Auftragserteilung beinhaltet unter solchen Umständen die Inkaufnahme eines Risikos, dessen Verwirklichung allein dem Schädiger anzulasten unbillig erscheint und mit dem § 254 BGB zugrundeliegenden Gedanken von Treu und Glauben unvereinbar ist (, TranspR 1999, 410, 411 = VersR 2000, 474).

b) Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat es sich bei dem Transportverlust vom unstreitig um den ersten Verlust nach etwa 8.000 problemlos durchgeführten Transporten gehandelt. Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht angenommen hat, die Versicherungsnehmerin habe keine Veranlassung gehabt, einen anderen Transporteur mit der Paketversendung zu beauftragen. Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus dem Umstand, daß der Versicherungsnehmerin die Transportorganisation der Beklagten vor Erteilung des streitgegenständlichen Auftrags bekannt war. Denn die Kenntnis und Billigung der Transportorganisation der Beklagten reicht für sich allein zur Begründung eines Mitverschuldens nicht aus. Es ist im allgemeinen ausschließlich Sache des Fixkostenspediteurs, den Transportablauf - in den der Auftraggeber in der Regel keinen näheren Einblick hat - so zu organisieren, daß die ihm anvertrauten Güter weder Schaden nehmen noch in Verlust geraten. Ohne besonderen Anlaß brauchte die Versicherungsnehmerin die Eignung, Befähigung und Ausstattung ihres Vertragspartners nicht in Zweifel zu ziehen und zu überprüfen (vgl. , TranspR 2003, 255, 259 m.w.N.).

6. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, daß das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin nicht darauf gestützt hat, daß auf dem Absendebeleg im Versenderfeld das Wort "Pelze" enthalten war.

Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte selbst im Versenderfeld das beanstandete Wort "Pelze" als Bestandteil der Firma des Versenders vorgedruckt. Zudem folgt aus der Bezeichnung des Versenders mit dessen Firma nicht ohne weiteres ein Hinweis darauf, daß das Paket wertvolle Pelzwaren enthalten könnte. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht festgestellt, daß weder aus dem Paket selbst noch aus den mitlaufenden Begleitpapieren für einen potentiellen Täter erkennbar war, daß das Paket einen wertvollen Pelzmantel enthielt. Die Verneinung eines Mitverschuldens der Versenderin ist auf dieser tatsächlichen Grundlage revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

III. Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
OAAAB-97083

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja