BGH Urteil v. - I ZR 120/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: VVG § 67; HGB § 413 Abs. 1 a.F.; HGB § 413 Abs. 1 Satz 1; HGB § 425 Abs. 2; HGB § 428; HGB § 429 Abs. 1; HGB § 430 Abs. 3; HGB § 435; HGB § 449; HGB § 461 Abs. 1; HGB § 466; PostG § 18 Abs. 1; ZPO § 286; BGB § 254 Abs. 1; BGB § 254 Abs. 2 Satz 1; BGB § 254

Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main vom

Tatbestand

Die Klägerin ist Transportversicherer der m. AG (im folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus übergegangenem und abgetretenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen des Verlusts von Transportgut in 28 Fällen auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte seit 1991 in großem Umfang mit der Besorgung des Transports hochwertiger Elektronikartikel. Die im Streitfall in Rede stehenden Aufträge betrafen die Beförderung von Paketsendungen innerhalb Deutschlands in der Zeit von November 1997 bis Dezember 1998. Sie erfolgten auf der Grundlage eines an die Versicherungsnehmerin übersandten, mit "Preisvereinbarung" überschriebenen und von der Versicherungsnehmerin unterzeichneten Schreibens der Beklagten vom , in dem die Beklagte der Versicherungsnehmerin die Einräumung eines Einheitstarifs für Sendungen im nationalen "U. Standard Service" bestätigte.

Die Ziffer 6 des Schreibens hatte folgenden Wortlaut:

"Der Kunde erklärt sein ausdrückliches Einverständnis damit, daß eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Umschlagstellen von U. nicht durchgeführt wird."

Allen Verträgen lagen die Beförderungsbedingungen der Beklagten - zuletzt: Stand 2/98 - zugrunde, die die ADSp (a.F.) einschlossen und Regelungen zum Haftungsumfang unter anderem für den Fall enthielten, daß der Versender keine Wertangabe gemacht hatte. Gemäß der Ziffer 10 der Beförderungsbedingungen galten die vorgesehenen Haftungsbeschränkungen nicht bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit.

Die Versicherungsnehmerin hatte in allen Schadensfällen den Wert der Sendung nicht angegeben. Die Beklagte hat daher ihre Ersatzleistung unter Berufung auf ihre Beförderungsbedingungen auf 1.000 DM je Sendung beschränkt.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 127.976,69 DM in Anspruch genommen. Sie hat hierzu behauptet, sie habe in dieser Höhe den durch die Zahlungen der Beklagten nicht abgedeckten Restschaden ihrer Versicherungsnehmerin reguliert, und die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für die eingetretenen Verluste unbeschränkt. Ihr falle ein grobes Organisationsverschulden zur Last, da sie an den Umschlagstellen der Pakete keine Ein- und Ausgangskontrollen durchgeführt habe.

Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die Geltendmachung vollen Schadensersatzes verstoße im Hinblick auf das Unterlassen einer Wertangabe und den erklärten Verzicht auf eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation sowie deshalb gegen Treu und Glauben, weil die Versicherungsnehmerin die Geschäftsbeziehung mit der Beklagten fortgesetzt habe, obwohl sie die in deren Betrieb bestehende Organisationsstruktur gekannt habe. Jedenfalls aber stelle das Unterlassen einer Wertangabe ein Mitverschulden dar, weil die Beklagte dadurch bedingt keine besonderen Sicherungsmaßnahmen für die Pakete habe treffen können.

Das Berufungsgericht hat die vor dem Landgericht i.H. von 99.157,83 DM nebst Zinsen erfolgreiche Klage für i.H. von 45.151,99 € (= 88.309,62 DM) nebst Zinsen begründet erachtet.

Hiergegen richtet sich die (vom Berufungsgericht zugelassene) Revision der Beklagten, mit der diese ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin in den 21 Schadensfällen, in denen es einen Verlust des Transportguts im Obhutsbereich der Beklagten bejaht hat, aus gemäß § 67 VVG übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 429 Abs. 1, § 430 Abs. 3, § 413 Abs. 1 Satz 1 HGB (in der bis zum geltenden Fassung, im folgenden: HGB a.F.), § 461 Abs. 1, § 435 HGB i.V. mit Ziffer 10 der Beförderungsbedingungen der Beklagten zuerkannt. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkungen in ihren Beförderungsbedingungen berufen, weil der Verlust der Pakete auf ihrem als grob fahrlässig anzusehenden pflichtwidrigen Unterlassen von Ein- und Ausgangskontrollen an den Schnittstellen beruhe. Die Verpflichtung zur Durchführung solcher Kontrollen sei auch nicht durch den von der Versicherungsnehmerin erklärten Verzicht auf eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Schnittstellen entfallen. Die von der Beklagten verwendete Klausel bedeute nach der kundenfeindlichsten Auslegung nicht nur einen Verzicht auf die schriftliche Dokumentation durchgeführter Kontrollen, sondern einen Verzicht auf diese selbst. Damit sei die Klausel unwirksam, weil sie den Kunden unangemessen benachteilige. Eine Haftungsbegrenzung lasse sich auch nicht aus den Zwängen der Massenbeförderung herleiten. Gegen die Schadensursächlichkeit des Organisationsmangels sprechende Umstände habe die Beklagte nicht dargelegt.

Ein haftungsminderndes Mitverschulden der Klägerin, weil diese die Versicherungsnehmerin nicht auf die mangelhafte Organisation der Beklagten hingewiesen habe, komme nicht in Betracht. Ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin wegen der unterlassenen Wertdeklaration habe das Landgericht zu Recht verneint. Allerdings liege ein schadensursächliches Mitverschulden der Versicherungsnehmerin darin, daß diese der Beklagten einen Teil der in Rede stehenden Beförderungsaufträge erteilt habe, obwohl sie gewußt habe oder hätte wissen müssen, daß es aufgrund grober Organisationsmängel im Betrieb der Beklagten zu Verlusten gekommen sei. Aus diesem Grund sei der Schadensersatzanspruch der Klägerin in fünf der im Obhutsbereich der Beklagten eingetretenen Verlustfälle um einen Mitverursachungsanteil von 50 % zu kürzen.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß sich die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten für diejenigen Verlustfälle, die vor dem eingetreten sind oder zu denen es im Rahmen von vor diesem Stichtag begründeten Schuldverhältnissen gekommen ist, nach § 429 Abs. 1 HGB a.F. richten (vgl. , TranspR 1999, 19, 21 = VersR 1999, 254; BGHZ 149, 337, 344 f.; , TranspR 2003, 255, 256 f. = VersR 2003, 1017). Es ist dabei - ohne dies näher auszuführen - mit Recht und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte von der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 413 Abs. 1 HGB a.F. beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§ 429 HGB a.F.) und - aufgrund vertraglicher Einbeziehung - ihren Beförderungsbedingungen sowie den Bestimmungen der ADSp a.F. beurteilt. Aber auch in den Fällen, in denen die Versicherungsnehmerin die Transportaufträge der Beklagten nach dem erteilt hat, an dem das Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz - TRG) vom (BGBl. I S. 1588) in Kraft getreten ist, bestimmt sich die Haftung der Beklagten - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - grundsätzlich nach den nunmehr geltenden Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und den Beförderungsbedingungen der Beklagten. Diese ist von der Versicherungsnehmerin auch hier als Fixkostenspediteurin (§ 459 HGB) beauftragt worden.

2. Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte in allen im Revisionsverfahren noch in Rede stehenden Verlustfällen für den eingetretenen Schaden unbeschränkt.

a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Beklagte unbeschränkt hafte, weil der Verlust der Pakete auf grober Fahrlässigkeit der Beklagten beruhe. Das Landgericht habe überzeugend begründet, daß die Beklagte ein grobes Organisationsverschulden treffe, weil sie auf Ein- und Ausgangskontrollen an den Schnittstellen generell verzichte. Es fehle damit nämlich an einem ausreichenden Überblick über den Lauf und den Verbleib der auf der Umschlagstation ein- und abgehenden Sendungen und es könne daher nach einer außer Kontrolle geratenen Sendung nicht gezielt gesucht werden. Das pflichtwidrige Unterlassen von Ein- und Ausgangskontrollen sei eine besonders grobe Verletzung der einem Spediteur obliegenden Pflicht zu sorgfältiger Behandlung des ihm anvertrauten Eigentums.

b) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand, soweit sie sich auf Verlustfälle bezieht, auf die das bis zum geltende Transportrecht zur Anwendung kommt.

Nach § 430 Abs. 3 HGB a.F. kann Ersatz des vollen Schadens gefordert werden, wenn dieser durch grobe Fahrlässigkeit des Frachtführers herbeigeführt worden ist. Dementsprechend bestimmt auch Ziffer 10 Abs. 5 der Beförderungsbedingungen der Beklagten, daß die vertraglichen Haftungsbegrenzungen im Falle einer von dieser zu vertretenden groben Fahrlässigkeit nicht gelten.

aa) Grobe Fahrlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden und unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte (BGHZ 149, 337, 344 m.w.N.; , Umdr. S. 6). Davon ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.

bb) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht im Streitfall das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit bejaht hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kann vom Revisionsgericht nur in beschränktem Umfang überprüft werden. Die Prüfung ist darauf beschränkt, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt hat oder Verstöße gegen das Verfahrensrecht, gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze vorliegen (vgl. BGHZ 149, 337, 345 m.w.N.). Solche Rechtsfehler läßt das Berufungsurteil nicht erkennen.

(1) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe, soweit es von einem generellen Verzicht der Beklagten auf Ein- und Ausgangskontrollen an den Schnittstellen ausgegangen sei, deren nicht bestrittenen Vortrag, alle Pakete würden bei ihrer Ankunft in der Zentrale der Beklagten mit einem Eingangscan versehen, sowie deren Vorbringen zu Ein- und Ausgangskontrollen in der vorgelegten Darstellung der Betriebsorganisation übergangen.

Die Formulierung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe auf Ein- und Ausgangskontrollen an den Schnittstellen generell verzichtet, mag für sich allein gesehen allerdings mißverständlich sein. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe wird jedoch hinreichend deutlich, daß das Berufungsgericht den Vorwurf eines groben Organisationsverschuldens nicht auf das Fehlen jeglicher Schnittstellenkontrolle im gesamten Transportablauf, sondern darauf gestützt hat, daß die Beklagte es unterlassen hat, bei der Übergabe der Sendungen an die U. GmbH (Schnittstelle 2) und bei deren erneuter Übernahme durch die Beklagte (Schnittstelle 3) Ein- und Ausgangskontrollen durchzuführen.

Das folgt schon daraus, daß in den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts nur von fehlenden Ein- und Ausgangskontrollen "auf der Umschlagstation" die Rede ist, nicht dagegen auch von einem Unterlassen von Schnittstellenkontrollen bei der Übernahme der Sendungen vom Versender (Schnittstelle 1) oder bei deren Übergabe an den Empfänger (Schnittstelle 4). Vor allem aber wollte das Berufungsgericht mit seinen - knappen - Ausführungen ersichtlich auf die ausführlichere Darstellung zum Transportablauf im Betrieb der Beklagten und die umfangreichere Begründung fehlender Schnittstellenkontrollen in dem von ihm insoweit bestätigten Urteil des Landgerichts Bezug nehmen. Dieses hatte festgestellt, daß lediglich eine Eingangserfassung des Transportguts und eine erneute Erfassung bei dem ausliefernden Depot stattgefunden hätten. Dagegen hätten nach der von der Beklagten vorgelegten Darstellung ihrer Betriebsorganisation Ein- und Ausgangskontrollen bei der Übergabe der Sendungen an die U. GmbH (Schnittstelle 2) und bei deren erneuter Übernahme durch die Beklagte (Schnittstelle 3) gefehlt. An der Schnittstelle 2 sei nicht kontrolliert worden, welche Waren auf die LKW geladen bzw. entladen worden seien, sondern lediglich eine Verplombung der zu befördernden Container erfolgt. An der Schnittstelle 3 sei allein die Unversehrtheit der Plomben, nicht dagegen der Inhalt der Container anhand einer Ladeliste überprüft worden. Daher könnten Güter im Bereich der Schnittstelle 2 gestohlen worden sein, ohne daß der Verlust dieser Schnittstelle habe zugeordnet werden können, da die auszuliefernden Sendungen erst bei der Übergabe an den Paketzusteller in dem vorgesehenen Zustellverzeichnis einzutragen gewesen seien. Bei einer derartigen Organisation des Transportablaufs falle der Verlust einer Sendung erst auf, wenn der Empfänger ihr Ausbleiben rüge.

(2) Die auf diesen, von der Beklagten mit ihrer Berufung nicht angegriffenen Feststellungen beruhende Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten sei hinsichtlich der Beförderung nicht wertdeklarierter Standardsendungen ein grob fahrlässiges Organisationsverschulden vorzuwerfen, verstößt auch nicht gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er hier in Rede steht, um einen besonders schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muß, daß in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können. Denn ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- bzw. EDV-mäßig erfaßten Ware erfordern, kann ein verläßlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen und daher weder der Eintritt eines Schadens noch der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht eingegrenzt werden. Die Durchführung von Schnittstellenkontrollen ist zumal dann geboten, wenn - wie im Streitfall - rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Aus diesem Grund ist regelmäßig von einem grob fahrlässigen Verschulden auszugehen, wenn der Spediteur den schadensanfälligen Umschlag ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen organisiert (vgl. BGHZ 149, 337, 347 f.; , TranspR 2004, 309, 311 [insoweit in BGHZ 158, 322 nicht abgedruckt], jeweils m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Revision stellt der bei Ankunft in der Zentrale der Beklagten an den einzelnen Paketen angebrachte Eingangscan keine ausreichende Ein- und Ausgangskontrolle in diesem Sinne dar.

(3) Das Berufungsgericht ist im übrigen im Ergebnis zu Recht und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß der in Ziffer 6 des Preisvereinbarungsschreibens der Beklagten vom mit der Versicherungsnehmerin vereinbarte Verzicht auf eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Umschlagstellen die Beklagte nicht von der Verpflichtung zur Durchführung von Schnittstellenkontrollen befreit hat. Der Senat hat in seinem Urteil vom (I ZR 284/99, TranspR 2002, 306, 308 f. = VersR 2003, 1012) ausgesprochen, daß diese in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltene und daher uneingeschränkt der revisionsmäßigen Nachprüfung unterliegende Verzichtsklausel unklar gefaßt ist und ihr daher nur entnommen werden kann, daß der Kunde des Paketdienstunternehmens auf die schriftliche Dokumentation, nicht jedoch auf die Durchführung der Schnittstellenkontrollen selbst verzichtet.

c) Im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden gemäß § 435 HGB auch in den Verlustfällen uneingeschränkt, in denen das seit dem geltende Transportrecht zur Anwendung komme.

Nach § 435 HGB gelten die im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und -begrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

aa) Mit Recht wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht eine unbeschränkte Haftung der Beklagten auch insoweit darauf gestützt hat, daß die Beklagte grob fahrlässig gehandelt habe. Das Berufungsgericht hätte vielmehr prüfen müssen, ob die unterbliebene Durchführung ausreichender Ein- und Ausgangskontrollen an den Umschlagstellen auch die Annahme eines bewußt leichtfertigen Verschuldens i.S. des § 435 HGB rechtfertigte. Diese Prüfung war nicht deshalb entbehrlich, weil der Wegfall der Haftungsbegrenzungen nach dem Wortlaut der Ziffer 10 Abs. 5 der zuletzt im Februar 1998 und damit noch unter der Geltung des § 430 Abs. 3 HGB a.F. überarbeiteten Beförderungsbedingungen der Beklagten neben dem vorsätzlichen an ein (lediglich) grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten geknüpft war. Denn die Klausel ist, soweit sie in nach dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes geschlossene Speditionsverträge einbezogen worden ist, dahin auszulegen, daß die vorgesehenen Haftungsbegrenzungen nur dann nicht gelten, wenn die - im Verhältnis zur groben Fahrlässigkeit engeren - Voraussetzungen des neugefaßten § 435 HGB vorliegen (vgl. , TranspR 2004, 399, 400).

bb) Das verhilft der Revision jedoch deshalb nicht zum Erfolg, weil der Senat auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen und nicht zu beanstandenden Feststellung, die Beklagte habe bei der Beförderung von Standardsendungen an den Umschlagstellen keine ausreichenden Ein- und Ausgangskontrollen durchgeführt (vgl. hierzu vorstehend unter II. 2. a) bb) (1)), selbst entscheiden kann, daß der Beklagten in bezug auf die in Rede stehenden Verlustfälle ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 435 HGB anzulasten ist.

(1) Die in § 435 HGB für den Wegfall der Haftungsbegrenzungen bei nicht vorsätzlichem Verhalten geforderte Leichtfertigkeit setzt einen besonders schweren Pflichtverstoß voraus, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen (BGHZ 158, 322, 328 m.w.N.; BGH TranspR 2004, 399, 401). Das subjektive Erfordernis des Bewußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein allerdings nicht aus, um auf das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (BGHZ 158, 322, 328 f.; BGH TranspR 2004, 399, 401). Danach ist im vorliegenden Fall von einem qualifizierten Verschulden der Beklagten i.S. von § 435 HGB auszugehen.

(2) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist bei einer Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich hierbei um elementare Vorkehrungen gegen den Verlust von Ware handelt (vgl. BGHZ 158, 322, 330 f.; BGH TranspR 2004, 399, 401).

(3) Entgegen der Ansicht der Revision kann aus der Organisation des Warenumschlags durch die Beklagte auch auf deren Bewußtsein geschlossen werden, ein Schaden werde mit Wahrscheinlichkeit eintreten. Wer - wie die Beklagte im Streitfall - elementare Sorgfaltsvorkehrungen unterläßt, handelt in dem Bewußtsein, daß es wegen des Fehlens solcher Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann. Dementsprechend hat, wer Schnittstellenkontrollen unterläßt, obwohl er weiß oder wissen mußte, daß es darauf entscheidend ankommt, das Bewußtsein, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden an dem anvertrauten Gut entstehen, ohne daß dabei das Verhältnis der Schadensfälle zur Anzahl der umgeschlagenen Sendungen von Bedeutung ist (vgl. BGHZ 158, 322, 333 f.; BGH TranspR 2004, 399, 401, jeweils m.w.N.).

d) Der Revision kann auch insofern nicht zugestimmt werden, als sie meint, geringere Anforderungen sowohl an ein grob fahrlässiges Organisationsverschulden nach dem alten Transportrecht als auch an ein bewußt leichtfertiges Organisationsverschulden nach dem neuen Transportrecht ließen sich aus einem Vergleich mit den die postalische Paketbeförderung betreffenden Regelungen herleiten.

aa) Der Senat hat bereits entschieden, daß sich ein Absenken der für die Paketbeförderung geltenden Sorgfaltsanforderungen nicht im Blick auf die in der Vergangenheit gültigen Haftungsbeschränkungen bei postalischer Briefbeförderung im Postgesetz von 1969 und auf die nunmehr - gegenüber sonstigen Beförderungsfällen in stärkerem Umfang - mögliche Haftungsfreizeichnung zugunsten des Frachtführers/Spediteurs bei der Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen nach §§ 449, 466 HGB rechtfertigen läßt (vgl. BGHZ 149, 337, 349 f.). Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.

bb) Nichts anderes gilt aber auch für die früher gültig gewesenen gesetzlichen Regelungen für die postalische Paketbeförderung und das nunmehr für die Paketbeförderung geltende Recht.

(1) Bis zur Neufassung des Postgesetzes vom (BGBl I S. 3294) war - worauf die Revision zutreffend hinweist - die Haftung der Deutschen Bundespost (später der Deutschen Bundespost POSTDIENST und noch später des Nachfolgeunternehmens der Deutschen Bundespost POSTDIENST) für Schäden durch den Verlust oder die Beschädigung von gewöhnlichen Paketen auf einen Höchstbetrag und für Schäden durch den Verlust oder die Beschädigung von Sendungen mit Wertangabe auf den Betrag der Wertangabe beschränkt (vgl. zuletzt § 12 Abs. 3 und 4 PostG in der Fassung vom , BGBl. I S. 2325). Seit der Privatisierung der Postdienste bestimmt sich die Haftung des Erbringers postalischer Dienste gegenüber dem Kunden und damit auch die Haftung der Post AG bei der Beförderung von Paketen nach dem im Handelsgesetzbuch geregelten allgemeinen Transportrecht, da das geltende Postgesetz keine eigenen vertraglichen Haftungsvorschriften mehr enthält und der Verordnungsgeber von der in § 18 Abs. 1 PostG enthaltenen Ermächtigung, Haftungsbeschränkungen in einer Rechtsverordnung zu regeln, bislang keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. BGHZ 149, 337, 350; Beck'scher Kommentar zum PostG/Stern, 2. Aufl., § 18 Rdn. 24 f., § 38 Rdn. 26).

(2) Entgegen der Auffassung der Revision läßt sich aus dem Umstand, daß die Post AG bei der Beförderung von Paketen seit dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am nur unter den Voraussetzungen des § 435 HGB unbeschränkt haftet, jedoch nicht herleiten, daß die Organisation der Post AG das Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorgibt. Für eine solche Annahme fehlt es ebenso wie für die Ansicht der Revision, die Post AG führe an den Umschlagstellen keine (aufgezeichneten) Ein- und Ausgangskontrollen durch, schon mangels tatrichterlicher Feststellungen an einer tragfähigen Grundlage. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge aus § 286 ZPO greift nicht durch. Den von ihr in Bezug genommenen vorinstanzlichen Schriftsätzen läßt sich ein entsprechender Tatsachenvortrag nicht entnehmen.

3. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich das Unterlassen der Wertdeklaration bei den in Verlust geratenen Sendungen nicht als Mitverschulden der Versicherungsnehmerin anrechnen lassen.

a) Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Frage des Mitverschuldens wegen unterlassener Wertdeklaration ausschließlich auf die Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil Bezug genommen, die es für zutreffend erachtet hat. Das Landgericht hat seine Beurteilung darauf gestützt, daß die Beklagte in ihren Beförderungsbedingungen für den Fall des Fehlens einer Wertdeklaration eine auf 1.000 DM begrenzte Haftung nur bei einem Fehlverhalten im Bereich einfacher Fahrlässigkeit vorsehe, hingegen eine unbeschränkte Haftung bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Es sei daher weder treuwidrig noch als Mitverschulden zu berücksichtigen, wenn ein Kunde eine Wertdeklaration, zu der er nicht verpflichtet sei, unterlasse und im nachhinein bei grobem Verschulden der Beklagten einen höheren Wert offen lege. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

b) Ein Versender gerät in einen nach § 254 Abs. 1 BGB bzw. - unter der Geltung des neuen Transportrechts - § 425 Abs. 2 HGB beachtlichen Selbstwiderspruch, wenn er trotz Kenntnis, daß der Spediteur die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer Wertdeklaration absieht und gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt. Mit seinem Verzicht auf die vom Spediteur angebotenen weitergehenden Schutzvorkehrungen setzt er das Transportgut bewußt einem erhöhten Verlustrisiko aus mit der Folge, daß ihm der eingetretene Schaden bei wertender Betrachtung gemäß § 254 Abs. 1 BGB, § 425 Abs. 2 HGB anteilig zuzurechnen ist (vgl. BGHZ 149, 337, 353; , TranspR 2003, 467, 471 m.w.N.; BGH TranspR 2004, 399, 401). Ein anspruchsminderndes Mitverschulden kann sich gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 425 Abs. 2 HGB auch daraus ergeben, daß der Geschädigte es unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen mußte (vgl. BGHZ 149, 337, 353; BGH TranspR 2003, 467, 471; TranspR 2004, 399, 401). Auch gegenüber einem qualifizierten Verschulden des Schädigers kann der Einwand des Mitverschuldens des Geschädigten gerechtfertigt sein. Die Vorschrift des § 435 HGB zur verschärften Haftung des Frachtführers schließt eine Mithaftung des Versenders oder Empfängers gemäß § 425 Abs. 2 HGB aufgrund von schadensursächlichen Umständen aus deren Bereich nicht aus (vgl. BGH TranspR 2003, 467, 471; TranspR 2004, 399, 401).

c) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die unterlassene Wertangabe auf den in Verlust geratenen Sendungen den Schaden mitverursacht hat, weil die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es dann nicht zu den Verlusten gekommen wäre. Die Beklagte hat unter Vorlage eines Auszugs ihrer internen Arbeitsanweisung für Wertpakete vorgetragen, der Transportweg einer dem Wert nach deklarierten Sendung unterliege in Abhängigkeit von der Höhe dieses Werts weiterreichenden Kontrollen als der Weg einer nicht wertdeklarierten Sendung. Diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzugehen haben.

d) Auch die Haftungsabwägung nach § 254 BGB, § 425 Abs. 2 HGB obliegt grundsätzlich dem Tatrichter (vgl. BGHZ 149, 337, 355 m.w.N.; BGH TranspR 2004, 399, 402).

III. Danach konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es war daher auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht weiter auch folgendes zu berücksichtigen haben:

Der Einwand des Mitverschuldens wegen unterlassener Wertdeklaration scheitert nicht bereits dann an der fehlenden Kausalität, wenn auch bei wertdeklarierten Sendungen ein Verlust nicht vollständig ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH TranspR 2004, 399, 401). Ein bei der Entstehung des Schadens mitwirkendes Verschulden der Versicherungsnehmerin der Klägerin kommt vielmehr auch dann in Betracht, wenn bei wertdeklarierten Sendungen ebenfalls Lücken in der Schnittstellenkontrolle verbleiben und nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Sendungen gerade in diesem Bereich verlorengegangen sind und die Angabe des Werts der Waren daher deren Verlust nicht verhindert hätte (vgl. , TranspR 2003, 317, 318 = VersR 2003, 1596).

Im vorliegenden Fall ist ungeklärt, in welcher Phase des Transports die Verluste eingetreten sind. Sie können also auch in einem Bereich eingetreten sein, in dem die Beklagte ihre Sorgfalt bei dem Transport von wertdeklarierter Ware nicht oder nicht in grob fahrlässiger bzw. bewußt leichtfertiger Weise verletzt hat. Die Haftung wegen qualifizierten Verschuldens beruht auf dem Vorwurf unzureichender Kontrolle der Schnittstellen und der daraus folgenden Vermutung, daß die Ware in diesem besonders gefährdeten Bereich verlorengegangen ist (vgl. BGHZ 149, 337, 345 f.; BGH TranspR 2003, 317, 318; TranspR 2004, 309, 312 [insoweit in BGHZ 158, 322 nicht abgedruckt]; TranspR 2004, 399, 401). Das damit auf einer Vermutung beruhende Haftungsrisiko wird aber eingeschränkt, wenn der Weg der Ware - wie die Beklagte behauptet hat - im Falle einer Wertdeklaration weitergehend kontrolliert wird und sich daher bei einem Verlust genauer nachvollziehen läßt als bei einer nicht deklarierten Sendung. Denn dann erhöhen sich die Möglichkeiten der Beklagten, die Vermutung, daß ihr grob fahrlässiges bzw. bewußt leichtfertiges Verhalten für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen ist, durch den Nachweis zu widerlegen, daß die Ware in einem gesicherten Bereich verlorengegangen ist (vgl. BGH TranspR 2003, 317, 318; TranspR 2004, 399, 402).

Im Rahmen der Haftungsabwägung stellt dabei die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die Bemessung des Mitverschuldensanteils relevanten Gesichtspunkt dar: Je größer der gesicherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des Versenders, der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der Ware außerhalb des gesicherten Bereichs veranlaßt (vgl. BGH TranspR 2003, 317, 318).

Auch wenn der Beklagten aber der Nachweis gelingen sollte, daß bei wertdeklarierten Sendungen eine Kontrolle des Versandweges stattfindet, der den Vorwurf grober Organisationsmängel in diesem Bereich nicht rechtfertigte, kann der Versicherungsnehmerin der Klägerin allerdings aus dem Unterlassen der Wertdeklaration im Verhältnis zum festgestellten groben Organisationsverschulden der Beklagten bei der Beförderung der nicht mit ihrem Wert deklarierten Sendungen kein mehr als eine die hälftige Mithaftung der Klägerin begründender oder gar - wie die Revision meint - ein die Haftung der Beklagten vollständig ausschließender Verursachungsbeitrag angelastet werden. Angesichts des der Beklagten bei der von dieser gewählten Beförderungsart vorzuwerfenden grob fahrlässigen bzw. leichtfertigen Handelns kann der der Klägerin anzurechnende Mitverursachungsbeitrag ihrer Versicherungsnehmerin daher nicht höher als 50 % angesetzt werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
KAAAB-96753

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein