BGH Urteil v. - I ZR 115/01

Leitsatz

[1] Für einen Warenkatalog kann Werktitelschutz i.S. von § 5 Abs. 3 MarkenG begründet sein, weil die Auswahl, Zusammenstellung und Präsentation der in ihm abgebildeten Waren regelmäßig eine eigenständige geistige Leistung darstellt.

Gesetze: MarkenG § 5 Abs. 1; MarkenG § 5 Abs. 3; MarkenG § 15 Abs. 2; MarkenG § 15 Abs. 4

Instanzenzug: LG Düsseldorf

Tatbestand

Die Klägerin gibt seit April 1993 eine Zeitschrift mit dem Titel "FACTS" und dem Untertitel "Test- und Wirtschaftsmagazin für die Büro- und Kommunikationswelt" (oder "Testmagazin für die Büro- und Kommunikationswelt") heraus. Das Magazin befaßt sich mit Bürokommunikation. Das Logo des Titelblatts weist schwarz/weiße Buchstaben auf rotem Grund auf, wie nachstehend abgebildet:

Die Zeitschrift wird über Buchhandlungen an die Kunden direkt vertrieben.

Die Beklagte, die in der Schweiz ansässig ist, vertreibt seit April 1995 ein allgemeines Nachrichtenmagazin mit einer Konzentration auf Schweizer Themen unter dem Titel "FACTS" mit dem Untertitel "Das Schweizer Nachrichtenmagazin". Das nachfolgend wiedergegebene Logo der Zeitschrift der Beklagten ist ebenfalls mit schwarz/weißen Buchstaben auf rotem Hintergrund gestaltet:

Die Beklagte verkauft die Zeitschrift auch an Kiosken und in größeren Buchhandlungen in Deutschland.

Die Klägerin hat geltend gemacht, durch Verschmelzung mit der I. Verlagsgesellschaft für Bürosysteme mbH Inhaberin der für Zeit-schriften und Computer eingetragenen Wort-/Bildmarke Nr. 2052941 "FACTS" (Priorität ) geworden zu sein. Sie sieht in der Benutzung des Titels "FACTS" für das Nachrichtenmagazin der Beklagten eine Verletzung ihres Titel- und Markenrechts.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Deutschland im geschäftlichen Verkehr eine Zeitschrift unter der Bezeichnung "FACTS" anzubieten, zu vertreiben oder mit dieser Bezeichnung zu werben.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich darauf berufen, sie habe 1995 über die Benutzung des Titels eine Lizenzvereinbarung mit der H. GmbH in D. getroffen. Diese gebe seit Februar 1993 ein Magazin mit dem Titel "FACTS" heraus, das sich an Motorradfans wende.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision hat der Senat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur Feststellung zurückverwiesen, ob die verschiedenen Untertitel nach ihrem optischen Gesamteindruck geeignet seien, auf den unterschiedlichen Inhalt der Zeitschriften hinzuweisen (, GRUR 2000, 504 = WRP 2000, 533 - FACTS I). Das Berufungsgericht hat daraufhin die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 15 Abs. 2 und Abs. 4 MarkenG für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Der Behauptung der Klägerin, die Untertitel der Zeitschriften der Parteien würden vom Verkehr übersehen und das Publikum behalte und verwende allein die kürzeren Haupttitel, habe die Beklagte nicht widersprochen. Aufgrund des unstreitigen Vortrags der Klägerin dürften die unterschiedlichen Untertitel und damit die verschiedenen Inhalte der von den Parteien vertriebenen Zeitschriften nicht mehr berücksichtigt werden. Bei identischen Haupttiteln und im wesentlichen gleichem optischen Erscheinungsbild der Zeitschriften sei von einer Verwechslungsgefahr zwischen den Werktiteln der Parteien auszugehen.

Die Beklagte könne sich nicht in entsprechender Anwendung des § 986 Abs. 1 BGB aufgrund des Lizenzvertrags mit der H. GmbH auf ein prioritätsälteres Titelrecht an der Bezeichnung "Facts" berufen. Die Beklagte habe nicht bewiesen, daß die H. GmbH an der Bezeichnung "Facts" ein Titelrecht erworben habe. Die Bezeichnung "Facts" sei von der H. GmbH nur für einen Verkaufskatalog und auch nur in den Jahren 1993 bis 1995 benutzt worden. Es habe sich trotz der Auflockerung durch redaktionelle Beiträge um einen Warenkatalog gehandelt. Dieser sei kein geistiges Werk, sondern selbst eine Ware, an der kein Titelschutzrecht bestehe. Der Katalog habe auch keinen festen Titel gehabt. Die verschiedenen, für den Katalog seit 1981 verwendeten Bezeichnungen seien immer der Marke "H. " untergeordnet gewesen. Der Verkaufskatalog sei nur als "H. -Katalog" bezeichnet worden.

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch (§ 5 Abs. 3, § 15 Abs. 2 und Abs. 4 MarkenG) zu, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Revision rügt mit Recht als verfahrensfehlerhaft, daß das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin, das Publikum übersehe die Untertitel der Zeitschriften und orientiere sich allein an den Haupttiteln, nach § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig angesehen hat. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom vorgetragen, den Untertiteln komme für den Gesamteindruck der Werktitel der Parteien eine erhebliche Bedeutung zu. Zeitschriftentitel würden dem interessierten Leser im Handel nach Themenkreisen sortiert angeboten. Das Magazin der Klägerin sei im Bereich der Computer- und Bürofachzeitschriften vorzufinden und der Titel der Beklagten bei der Gruppe der Nachrichtenmagazine oder der ausländischen Presseerzeugnisse. Durch die Untertitel werde der unterschiedliche Themenkreis der Zeitschriften der Parteien unterstrichen. Für die interessierten Verkehrskreise würden die unterschiedlichen Themenkreise der von den Parteien angebotenen Zeitschriften aus den Unterzeilen deutlich.

Aus diesem Sachvortrag der Beklagten ergibt sich mit ausreichender Deutlichkeit, daß die Beklagte - jedenfalls schlüssig - zu der nach dem Senatsurteil vom feststellungsbedürftigen Frage die Behauptung aufstellte, die Untertitel seien nach ihrem optischen Eindruck in ausreichendem Maße geeignet, auf den unterschiedlichen sachlichen Inhalt der Zeitschriften der Parteien hinzuweisen und die Untertitel würden vom Verkehr auch nicht übersehen. Das Berufungsgericht durfte daher die gegenteilige Behauptung der Klägerin nicht als unstreitig seiner Entscheidung zugrunde legen.

Danach wird - wie der Senat bereits in der ersten Entscheidung ausgeführt hat - das Berufungsgericht zu der zwischen den Parteien umstrittenen Frage Feststellungen zu treffen haben, ob die Untertitel nach ihrem optischen Eindruck in ausreichendem Maße geeignet sind, auf den unterschiedlichen sachlichen Inhalt der Zeitschriften der Parteien hinzuweisen und den aufgrund des identischen Zeitschriftentitels und des Erscheinungsbilds im wesentlichen übereinstimmenden Gesamteindruck der Werktitel entscheidend zurückzudrängen, und ob die Untertitel vom Verkehr wegen geringer Auffälligkeit nicht übersehen oder wegen einer Neigung des Verkehrs zu Verkürzungen nicht weggelassen werden. Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug entsprechende eindeutige Feststellungen nicht treffen, ist die Bejahung einer Verwechslungsgefahr i.S. von § 5 Abs. 1 und Abs. 3, § 15 Abs. 2 MarkenG nicht zu beanstanden.

2. Ohne Erfolg bleiben die Angriffe der Revision, soweit sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts richten, die H. GmbH verfüge über kein prioritätsälteres Titelrecht, das die Beklagte dem Anspruch der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 986 Abs. 1 BGB entgegenhalten könne.

a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß an einem Titel des Katalogs der H. GmbH kein Werktitelschutz nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 MarkenG entstehen konnte. Dem kann allerdings nicht zugestimmt werden.

Ob für den Titel eines Warenkatalogs Werktitelschutz i.S. von § 5 Abs. 3 MarkenG begründet sein kann, ist in der Literatur umstritten (bejahend Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 5 Rdn. 73; a.A.: Deutsch/Ellerbrock, Titelschutz, 2. Aufl., Rdn. 46; offengelassen: KG MarkenR 2000, 376, 377). Sie ist im Ergebnis deshalb zu bejahen, weil auch der Warenkatalog eine Druckschrift i.S. des § 5 Abs. 3 MarkenG ist. Er ist nicht nur, wie das Berufungsgericht angenommen hat, eine Ware oder beschränkt sich auf die Bezeichnung der Waren selbst, sondern stellt in der Auswahl, Zusammenstellung und Präsentation der in ihm abgebildeten Waren regelmäßig eine eigenständige geistige Leistung dar, die im Interesse eines umfassenden Immaterialgüterrechtsschutzes im Verkehr titelschutzfähig sein muß (vgl. zu § 16 UWG a.F.: BGHZ 121, 157, 158 - Zappel-Fisch; zu § 5 Abs. 3 MarkenG: BGHZ 135, 278, 281 - PowerPoint).

b) Das Berufungsgericht hat einen Werktitelschutz i.S. von § 5 Abs. 3 MarkenG der H. GmbH an der Bezeichnung "Facts" mit der weiteren Begründung verneint, der Katalog sei nur mit "H. -Katalog" benannt worden und die bei verschiedenen Ausgaben auf der Titelseite aufgenommene zusätzliche Bezeichnung "Facts" würde vom Verkehr nicht als Unterscheidungsmittel eines Druckwerks von anderen Werken aufgefaßt. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

Die Entstehung des Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 MarkenG setzt eine kennzeichenmäßige und nicht lediglich beschreibende Benutzung der Bezeichnung voraus; die Bezeichnung muß als Werktitel benutzt werden (vgl. , GRUR 1994, 908, 911 = WRP 1994, 743 - WIR IM SÜDWESTEN; Urt. v. - I ZR 152/96, GRUR 2000, 70, 72 = WRP 1999, 1279 - SZENE; Deutsch/Ellerbrock aaO Rdn. 61; Ingerl/Rohnke aaO § 5 Rdn. 79).

Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Bezeichnung "Facts" sei nicht als Titel des Katalogs der H. GmbH verwandt worden, wendet sich die Revision ohne Erfolg mit der Rüge, das Berufungsgericht habe bei seinen Feststellungen entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten übergangen. Dazu verweist die Revision auf eine Titelseite des Katalogs, in der die Bezeichnung "facts" dominant aufgeführt sei, sowie darauf, daß die H. GmbH nach dem vorgelegten Schriftwechsel die Bezeichnung "Facts" als Titel aufgefaßt und zum Gegenstand einer Lizenzvereinbarung gemacht habe. Daraus folgt jedoch nicht, daß der Verkehr die bei einigen Ausgaben benutzte Bezeichnung "Facts" bzw. "facts" bei einem Katalog als einen Titel ansah. Zur Bezeichnung der überwiegend warenabbildenden Kataloge wäre es völlig ungewöhnlich, diese nicht mit H. -Katalog und gegebenenfalls dem jeweiligen Jahrgang, sondern mit "Facts" oder mit - so eine Bezeichnung des Katalogs im Jahre 2000 - "Einer für alle" zu benennen.

3. Das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als gerechtfertigt dar (§ 563 ZPO a.F.). Denn zu dem von der Klägerin auf die Marke Nr. 2052941 gestützten Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG hat das Berufungsgericht von seinem Standpunkt folgerichtig keine Feststellungen getroffen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 617 Nr. 9
NJW-RR 2005 S. 1703 Nr. 24
GAAAB-96737

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja