BGH Urteil v. - I ZR 10/03

Leitsatz

[1] Die Vorschriften der Landesbauordnungen, nach denen Bauprodukte, für die eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erteilt ist, nur verwendet werden dürfen, wenn sie mit der Zulassung übereinstimmen und einen Übereinstimmungsnachweis durch Kennzeichnung mit einem Übereinstimmungszeichen tragen, regeln das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer.

Gesetze: UWG § 3; UWG § 4 Nr. 11

Instanzenzug: OLG Düsseldorf 20 U 46/01 vom LG Düsseldorf 38 O 31/99 vom

Tatbestand

Die Parteien stellen Betonstahl her und vertreiben diesen. Der Beklagten ist für den von ihr hergestellten "kaltverformten, gerippten Betonstahl in Ringen BSt 500 KR" mit Bescheid des Deutschen Instituts für Bautechnik vom (Anlage B 4) eine bis zum geltende "allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" erteilt worden. Das Materialprüfungsamt Nordrhein-Westfalen hat der Beklagten mit "Übereinstimmungszertifikat" vom (Anlage B 5) für die Geltungsdauer bis zum gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Niedersächsischen Bauordnung vom (NBauO) bestätigt, dass der Betonstahl den Anforderungen der Zulassung vom entspricht. Die Zulassung sowie das Übereinstimmungszertifikat sind mittlerweile bis zum verlängert worden.

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der von der Beklagten in Verkehr gebrachte Betonstahl BSt 500 KR entspreche, wie Untersuchungen und Testlieferungen ergeben hätten, tatsächlich nicht den Bestimmungen des bauaufsichtlichen Zulassungsbescheids. Die Beklagte verschaffe sich dadurch in unlauterer Weise durch Rechtsbruch und Täuschung der Abnehmer Wettbewerbsvorteile. Sie haben die Beklagte mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreter vom (Anlage K 10) zur Abgabe einer mit einem Vertragsstrafeversprechen gesicherten Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom (Anlage K 11) eine mit einem Vertragsstrafeversprechen verbundene "vorläufige Unterlassungserklärung" in Bezug auf die Herstellung und den Vertrieb von Betonstahl abgegeben, welcher nicht den Anforderungen der hierfür geltenden bauaufsichtlichen Zulassungsbescheide entspricht.

Die Klägerinnen haben beantragt,

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken kaltverformten Betonstahl in Ringen BSt 500 KR anzubieten, abzugeben, zur Abgabe bereitzuhalten oder sonstwie in den Verkehr zu bringen, welcher nicht den Anforderungen des gültigen bauaufsichtlichen Zulassungsbescheids des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt, Berlin) entspricht.

Außerdem haben sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sowie deren Verurteilung zur Auskunftserteilung und zur Bezahlung einer Vertragsstrafe i. H. von 25.000 DM nebst Zinsen begehrt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich auf die "allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" und das "Übereinstimmungszertifikat" berufen, in dem - ungeachtet der Nichteinhaltung bestimmter Werte bei der Fremdüberwachung - die Übereinstimmung ihrer Produkte mit den Anforderungen des Zulassungsbescheids bescheinigt sei. Wie sich aus dem Zulassungsbescheid ergebe, reiche es für die Frage, ob ihre Produkte den Anforderungen der erteilten Zulassung genügten, aus, wenn langfristig bestimmte Mindestwerte sowie sog. Quantilewerte eingehalten würden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Klägerinnen hatte keinen Erfolg.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Klägerinnen ihre Klageansprüche weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Klage sowohl unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch (§ 1 UWG a.F.) als auch unter dem der Täuschung der Abnehmer (§ 3 UWG a.F.) für unbegründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

Es könne zugunsten der Klägerinnen unterstellt werden, dass die Beklagte auch Erzeugnisse in den Verkehr bringe, die materiell-rechtlich betrachtet nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NBauO entsprächen, weil sie wesentlich von den vom Deutschen Institut für Bautechnik bekannt gemachten technischen Regeln für Betonstahl in Ringen BSt 500 KR abwichen. Ein etwaiger Verstoß wäre aber nicht wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG (a.F.), weil die zuständigen Behörden den Vertrieb der Erzeugnisse der Beklagten ausdrücklich als gesetzeskonform beurteilten. Den Bescheiden des Deutschen Instituts für Bautechnik und des Materialprüfungsamts Nordrhein-Westfalen liege eine Beurteilung der Konformität von Betonstahl nach statistischen Grundsätzen zugrunde. Wesentlich sei vor allem ein langfristig hinreichendes Qualitätsniveau. Dazu würden die Ergebnisse von Eigen- und Fremdüberwachung unter mathematischen Gesichtspunkten ausgewertet. Definierte Mengen (Quantile) dürften das Anforderungsniveau unterschreiten. Die Unterschreitung des Mindestwerts in Einzelstücken werde nicht beanstandet, weil dies für die Bewertung des in Serie hergestellten Produkts nicht genügend aussagekräftig sei. Auch Produkte, die bei einzelnen Werten die festgesetzten Anforderungen unterschritten, dürften nach Auffassung der zuständigen Behörden mit dem Übereinstimmungs-Zeichen gekennzeichnet werden, wenn die Werte langfristig unter Berücksichtigung statistischer Methoden eingehalten würden.

Dies schließe es aus, das Verhalten der Beklagten als wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG (a.F.) anzusehen. Denn es stellte eine Überforderung des Gewerbetreibenden dar, sich vorsichtshalber auch dann nach der strengsten Gesetzesauslegung zu richten, wenn die zuständigen Behörden sein Verhalten ausdrücklich als zulässig bewerteten. Außerdem könne es nicht Aufgabe der Zivilgerichte sein, in derartigen Fällen letztlich eine Überprüfung der Tätigkeit der zuständigen Fachbehörden in Konkurrenz zu den vorrangig dazu berufenen Aufsichtsbehörden und Verwaltungsgerichten vorzunehmen.

Eine Täuschung der Abnehmer über die Eigenschaften der Erzeugnisse liege nicht vor, weil die Produkte der Beklagten im Hinblick auf die Haltung der zuständigen Behörden für den vorgesehenen Zweck voll verwendungsfähig seien. Ein Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafe bestehe nicht, weil die Beklagte das Vertragsstrafeversprechen ersichtlich von dem Ausgang eines Hauptsacheverfahrens habe abhängig machen wollen.

II. Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten, auf Auskunftserteilung und Zahlung der Vertragsstrafe verneint hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf der bisherigen Tatsachengrundlage können diese Ansprüche nicht als unbegründet abgewiesen werden.

1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom anzuwenden. Der im Streitfall auf eine Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war. Auf diesen Zeitpunkt kommt es auch für den auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten und den diesen vorbereitenden Anspruch auf Auskunftserteilung sowie für den auf das Vertragsstrafeversprechen gestützten Anspruch an (vgl. , GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab Werk).

2. Das sich aus dem Unterlassungsantrag und dem Vortrag zu seiner Begründung ergebende Unterlassungsbegehren der Klägerinnen umschreibt die Verletzungshandlung, deren Wiederholung der Beklagten verboten werden soll, dahin, dass die Beklagte zwar über einen gültigen bauaufsichtlichen Zulassungsbescheid des Deutschen Instituts für Bautechnik für den von ihr hergestellten kaltverformten Betonstahl verfüge, aber im geschäftlichen Verkehr Betonstahl in den Verkehr bringe, der den in dem Zulassungsbescheid vorgegebenen Werten nicht entspreche, und damit gegen die bauaufsichtlichen Zulassungsbestimmungen verstoße. Die Klägerinnen sehen darin ein unlauteres Wettbewerbsverhalten unter den Gesichtspunkten des Rechtsbruchs (§ 4 Nr. 11 UWG; § 1 UWG a.F.) sowie der Irreführung (§ 5 UWG; § 3 UWG a.F.).

Das Berufungsgericht hat zugunsten der Klägerinnen unterstellt, dass die Beklagte auch Erzeugnisse in den Verkehr bringe, die rein materiell-rechtlich betrachtet den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NBauO (bzw. den entsprechenden Vorschriften der anderen Landesbauordnungen) nicht entsprächen, weil sie von den vom Deutschen Institut für Bautechnik bekannt gemachten technischen Regeln für Betonstahl in Ringen BSt 500 KR abwichen. Es hat einen darin liegenden Gesetzesverstoß jedoch deshalb nicht als wettbewerbswidrig angesehen, weil der Vertrieb der Erzeugnisse der Beklagten von den zuständigen Behörden ausdrücklich als gesetzeskonform beurteilt werde. Dies beanstandet die Revision im Ergebnis zu Recht.

a) Es ist zumindest missverständlich, wenn das Berufungsgericht den von ihm gemäß dem Vorbringen der Klägerinnen unterstellten Rechtsverstoß der Beklagten gegen bauaufsichtliche Zulassungsbestimmungen dahin umschreibt, von der Beklagten in den Verkehr gebrachter Betonstahl entspreche deshalb nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NBauO, weil er wesentlich von technischen Regeln für Betonstahl abweiche, die vom Deutschen Institut für Bautechnik bekannt gemacht worden seien. Die vom Berufungsgericht angeführte wesentliche Abweichung von Bauprodukten von technischen Regeln, die gemäß § 24 Abs. 2 NBauO (sowohl in der Fassung vom , Nds. GVBl. S. 200 als auch in der Fassung der Bekanntmachung vom , Nds. GVBl. S. 89; beide Fassungen stimmen in den im vorliegenden Fall maßgeblichen Vorschriften überein) vom Deutschen Institut für Bautechnik bekannt gemacht worden sind, betrifft geregelte Bauprodukte i.S. des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 NBauO. Die Klägerinnen haben aber nicht geltend gemacht, dass der von der Beklagten vertriebene Betonstahl von gemäß § 24 Abs. 2 NBauO bekannt gemachten technischen Regeln abweiche. Sie haben vielmehr als rechts- und wettbewerbswidrig beanstandet, dass der Betonstahl der Beklagten nicht der dieser erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entspreche. Nach dem - insoweit unstreitigen - Vortrag der Parteien handelt es sich bei dem von der Beklagten vertriebenen Betonstahl nicht um ein geregeltes Bauprodukt i.S. des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 NBauO, sondern um ein nicht geregeltes Bauprodukt i. S. des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2, Abs. 3 NBauO.

aa) Der Beklagten ist für den von ihr hergestellten kaltverformten Betonstahl vom Deutschen Institut für Bautechnik eine "allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" erteilt worden, mit der die Verwendbarkeit des Zulassungsgegenstands i.S. der Landesbauordnungen (vgl. § 25 Abs. 1 i. V. mit § 1 Abs. 4 NBauO) nachgewiesen ist (Nr. I 1 des Bescheids vom , Anlage B 4). Nach den Landesbauordnungen, die hinsichtlich der im vorliegenden Fall maßgeblichen Zulassungsbestimmungen für Bauprodukte übereinstimmen, ist eine "allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" als Anwendbarkeitsnachweis für nicht geregelte Bauprodukte erforderlich. Das sind Bauprodukte, die von technischen Regeln und Baubestimmungen, die vom Deutschen Institut für Bautechnik bekannt gemacht werden, wesentlich abweichen oder für die es allgemein anerkannte Regeln der Technik nicht gibt (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 1, § 25 NBauO). Die "allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" wird erteilt, wenn die Verwendbarkeit des nicht geregelten Bauprodukts im Sinne der Landesbauordnungen nachgewiesen ist (vgl. § 25 Abs. 1 NBauO). Allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen nach dem Recht eines Bundeslands gelten auch in den anderen Ländern (vgl. § 25 Abs. 7 NBauO). Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung wird für ein seiner Art nach abstrakt umschriebenes Bauprodukt erteilt. Für den Nachweis, dass das im konkreten Fall tatsächlich in den Verkehr gebrachte Produkt den Zulassungsanforderungen genügt und deshalb unbedenklich für Baumaßnahmen verwendet werden kann, bedürfen ihrer Art nach allgemein zugelassene Bauprodukte des Weiteren eines Übereinstimmungsnachweises im Einzelfall. Dieser Nachweis ist durch eine Übereinstimmungserklärung des Herstellers oder durch ein Übereinstimmungszertifikat einer Zertifizierungsstelle zu führen (vgl. § 28 Abs. 1 und 2 NBauO). Bei nicht geregelten Bauprodukten, für die eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erteilt worden ist, ist die Übereinstimmung mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nachzuweisen.

Als Übereinstimmung gilt dabei auch eine Abweichung, die nicht wesentlich ist (§ 28 Abs. 1 Halbs. 2 NBauO). In der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung wird festgelegt, ob der Übereinstimmungsnachweis in der Form der Herstellererklärung oder des Zertifikats zu führen ist; in dem der Beklagten erteilten Zulassungsbescheid vom wird insoweit ein Übereinstimmungszertifikat gefordert (vgl. Nr. II 2.3.1 des Bescheids - Anlage B 4). Das Übereinstimmungszertifikat ist zu erteilen, wenn das Bauprodukt der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entspricht und einer werkseigenen Produktionskontrolle sowie einer Fremdüberwachung unterliegt. Bei der Fremdüberwachung ist regelmäßig zu überprüfen, ob das Bauprodukt der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entspricht (vgl. § 28b NBauO). Der Beklagten ist für den von ihr hergestellten Betonstahl vom Materialprüfungsamt Nordrhein-Westfalen mit dem Bescheid vom ein solches Übereinstimmungszertifikat erteilt worden. Die Übereinstimmungserklärung und die Erklärung, dass ein Übereinstimmungszertifikat erteilt ist, hat der Hersteller durch Kennzeichnung der einzelnen Bauprodukte mit einem Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen) unter Hinweis auf den Verwendungszweck abzugeben (§ 28 Abs. 4 NBauO). Sowohl geregelte als auch nicht geregelte Bauprodukte der hier vorliegenden Art dürfen für die Errichtung, Änderung und Instandsetzung baulicher Anlagen nur verwendet werden, wenn sie das Ü-Zeichen tragen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NBauO). Gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 12 NBauO handelt ordnungswidrig, wer Bauprodukte mit dem Ü-Zeichen kennzeichnet, ohne dass dafür die Voraussetzungen nach § 28 Abs. 4 NBauO vorliegen.

bb) Vor diesem Hintergrund geht der Vortrag der Klägerinnen, die Beklagte verstoße gegen die bauaufsichtlichen Zulassungsbestimmungen, weil sie den Anforderungen der ihr erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nicht genügenden Betonstahl in Verkehr bringe, folglich nicht dahin, die Beklagte bringe Produkte in den Verkehr, für die überhaupt keine bauaufsichtliche Zulassung erteilt worden sei. Die Klägerinnen sehen den Rechtsverstoß der Beklagten vielmehr darin begründet, dass bei dem von dieser vertriebenen Betonstahl die gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 28 NBauO geforderte Übereinstimmung des konkret vertriebenen Produkts mit der erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nicht in jedem Fall gegeben sei. Bei dem auf ihre Testbestellungen gelieferten Betonstahl der Beklagten seien Unterschreitungen in dem Zulassungsbescheid festgesetzter Mindestwerte festzustellen. Soweit die Klägerinnen diese Unterschreitungen als erhebliche Abweichungen von dem Zulassungsbescheid bezeichnet haben, zielt ihr Vorbringen nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, auf die Darlegung einer wesentlichen Abweichung i.S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 NBauO. Es ist vielmehr dahin zu verstehen, dass es sich um Abweichungen handele, die nicht lediglich unwesentlich i.S. von § 28 Abs. 1 Halbs. 2 NBauO seien und die daher der geforderten Übereinstimmung mit der Zulassung entgegenstünden.

b) Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage, ob in den von den Klägerinnen dargelegten Fällen die behaupteten Abweichungen von den Werten des Zulassungsbescheids die durch § 28 Abs. 1 Halbs. 2 NBauO gezogene Grenze überschreiten, nicht befaßt. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts erübrigen sich Feststellungen hierzu nicht. Unterlassungsansprüche der Klägerinnen können nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden, wegen der ständigen Praxis der zuständigen Behörden bei der Durchführung und beim Widerruf der Zulassung sowie bei der Überwachung der Produktion der Beklagten sei trotz eines zu unterstellenden Gesetzesverstoßes das Verhalten der Beklagten nicht unlauter. Die Klägerinnen haben vielmehr die Voraussetzungen eines auf einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F. unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gestützten Unterlassungsanspruchs schlüssig vorgetragen. Die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten beurteilt sich allein danach, ob der Vertrieb des Betonstahls nach Maßgabe der § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 28 NBauO objektiv in Übereinstimmung mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung erfolgt. Die Rechtsauffassung der zuständigen Verwaltungsbehörden ist für die Beurteilung, ob das Verhalten der Beklagten objektiv rechtswidrig und damit unlauter ist, nicht maßgeblich (vgl. , GRUR 2005, 778, 779 = WRP 2005, 1161 - Atemtest, m.w.N. - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

aa) Bei den in Rede stehenden Vorschriften der §§ 24, 28 NBauO, nach denen die Verwendung nicht geregelter Bauprodukte die Erteilung einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung sowie den Nachweis der Übereinstimmung des konkreten Produkts mit der Zulassung voraussetzt, handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S. von § 4 Nr. 11 UWG bzw. um wettbewerbsbezogene Regelungen i.S. der Senatsrechtsprechung zu § 1 UWG a.F. Ohne Zulassung und Übereinstimmungsnachweis sind solche Bauprodukte nicht verkehrsfähig. Die Kennzeichnung durch Anbringung des Ü-Zeichens darf nur erfolgen, wenn die Übereinstimmung gemäß § 28 NBauO nachgewiesen ist. Diese Zulassungsvorschriften betreffen das Verhalten auf dem Markt beim Absatz der Waren. Sie dienen dem Schutz der Marktteilnehmer, denen durch die Zulassung und durch den Übereinstimmungsnachweis Gewißheit darüber verschafft werden soll, dass das konkret gelieferte Bauprodukt unbedenklich seinem Zweck entsprechend verwendet werden kann (vgl. Wiechert in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, Niedersächsische Bauordnung 7. Aufl. § 28 Rdn. 1). Das Inverkehrbringen nicht geregelter Bauprodukte ohne Zulassung und Übereinstimmungsnachweis oder unter Anbringung eines Ü-Zeichens, ohne dass die Voraussetzungen für diese Kennzeichnung vorliegen, stellt daher ein nach § 4 Nr. 11 UWG unlauteres Marktverhalten dar (vgl. zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln ohne Zulassung BGH GRUR 2005, 778, 780 - Atemtest; vgl. ferner Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht 23. Aufl. § 4 UWG Rdn. 11.118). Bringt die Beklagte Betonstahl in den Verkehr, der nicht mit der ihr erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung übereinstimmt, kann sie sich auch nicht darauf berufen, die Herstellung der beanstandeten Produkte sei ihr durch den Zulassungsbescheid ausdrücklich erlaubt worden (zur Auswirkung einer ausdrücklichen behördlichen Erlaubnis eines Marktverhaltens vgl. BGH GRUR 2005, 778, 779 - Atemtest, m.w.N.). Die allgemeine Zulassung zur Herstellung eines Produkts und die Bescheinigung der Behörde, nach diesem Verfahren hergestellte Produkte entsprächen der Zulassung, schließen nicht die (behördliche) Erlaubnis ein, Produkte, die aus welchen Gründen auch immer die Zulassungskriterien nicht erfüllen (Ausreißer), in Verkehr zu bringen. Die Beklagte steht damit in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht nicht anders da als der Hersteller eines pharmazeutischen Produkts, dessen stoffliche Zusammensetzung den Vorgaben für die Zulassung als Arzneimittel nicht entspricht.

bb) Die Klägerinnen haben schlüssig vorgetragen, dass die Beklagte Betonstahl vertreibt, bei dem eine Übereinstimmung mit dem erteilten Zulassungsbescheid i.S. von § 28 NBauO nicht gegeben ist, und sie daher objektiv gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 28 Abs. 1 und 4 NBauO verstößt.

(1) Allerdings ergibt sich ein solcher Verstoß, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht bereits aus jeder Unterschreitung von Anforderungen des Zulassungsbescheids unabhängig davon, welches Ausmaß die behaupteten Abweichungen erreichen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entspricht es der ständigen Praxis des Deutschen Instituts für Bautechnik, bei der Prüfung, ob für Betonstahl dessen Verwendbarkeit im Sinne der Landesbauordnungen nachgewiesen ist, die Konformität "nach statistischen Grundsätzen" zu beurteilen. Danach sollen bestimmte Mengen (Quantilen) das festgelegte "Anforderungsniveau" unterschreiten dürfen. Auch die Unterschreitung des Mindestwerts in Einzelstücken werde nicht beanstandet, weil dies für die Bewertung des in Serie hergestellten Produkts nicht genügend aussagekräftig sei. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts beruhen u.a. auf den im vorliegenden Verfahren abgegebenen Stellungnahmen des Deutschen Instituts für Bautechnik vom und vom . Dort ist weiter ausgeführt, dass die in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für den vorliegenden Betonstahl festgelegten Anforderungen an die Eigenschaften sog. Quantilewerte seien, wie sie für eine industrielle Massenfertigung üblich und sinnvoll seien. Dementsprechend sei eine Produktion auch dann zulassungskonform, wenn eine definierte Menge (Quantile) das festgelegte Anforderungsniveau geringfügig unterschreite. Nach der der Beklagten erteilten Zulassung dürften dies je nach Materialeigenschaft 5 bis 10 % der geprüften Werkstoffkennwerte sein. Die dem Deutschen Institut für Bautechnik vorliegende statistische Auswertung der Ergebnisse der werkseigenen Produktionskontrolle (Eigenüberwachung) und der Fremdüberwachung der Herstellung von BSt 500 KR im Werk der Beklagten belege, dass seit Produktionsbeginn im Jahre 1993 die Anforderungen an die Eigenschaften stets erfüllt worden seien. Aufgrund der bei einer Probenentnahme festgestellten Prüfergebnisse allein könne nicht darauf geschlossen werden, ob das Qualitätsniveau der gesamten Produktion zulassungskonform gewesen sei oder nicht (Schreiben vom ). Nach dem öffentlich-rechtlichen Übereinstimmungsnachweissystem sei es entgegen der von den Klägerinnen geäußerten Auffassung so, dass auch die Produkte, bei denen einzelne festgestellte Werte nach unten abwichen, als zulassungskonform mit dem Übereinstimmungs-Zeichen gekennzeichnet werden dürften, sofern eine repräsentative Probennahme eine statistische Aussagewahrscheinlichkeit von 90 % ermögliche und nicht mehr als 5 bis 10 % der festgestellten Werte den geforderten Mindestwert unterschritten.

(2) Für die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte gegen die Anforderungen der ihr erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung verstoßen hat, kommt es auf den durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Zulassungsbescheids vom an. Dort sind für die hier in Rede stehenden Materialeigenschaften "Mittelwerte" angegeben sowie niedrigere Werte für jeweils eine "5 %-Quantile" und für eine "1 %-Quantile". Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Mittelwerte nicht so zu verstehen, dass sie bei jedem einzelnen Teil der Produktion eingehalten sein müssen. Vielmehr reicht es aus, wenn über einen längeren Zeitraum betrachtet lediglich ein durch Prozentsätze umschriebener Teil der Produktion die genannten Mittelwerte erreicht; der übrige Teil, der durch die angegebenen Quantilemengen bestimmt wird, kann sie verfehlen. Abweichungen von den Mittelwerten, die sich im Rahmen der festgesetzten Quantilen halten, entsprechen daher noch den Zulassungsanforderungen. Bei weitergehenden Abweichungen ist eine Übereinstimmung des Produkts mit der Zulassung jedenfalls dann zu verneinen, wenn diese Abweichungen wesentlich i. S. von § 28 Abs. 1 Halbs. 2 NBauO sind.

(3) Das Vorbringen der Klägerinnen geht jedoch nicht nur dahin, einzelne Erzeugnisse der Beklagten verfehlten die festgesetzten Mittelwerte. Nach ihrem Vortrag weisen Produkte der Beklagten sogar Werte auf, die noch unterhalb der in dem Zulassungsbescheid vom für die Quantilemengen angegebenen Anforderungen liegen. Außerdem haben sie geltend gemacht, die Abweichungen in den von ihnen genannten Fällen seien so erheblich im Sinne der gesetzlichen Zulassungsbestimmungen, dass die betreffenden Produkte trotz der erteilten Zulassung nicht in den Verkehr gebracht werden durften. Darin liegt die Behauptung, die Beklagte kennzeichne Produkte mit dem Ü-Zeichen und bringe sie so gekennzeichnet in den Verkehr, obwohl wegen wesentlicher Abweichungen von der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung eine Übereinstimmung i.S. von § 28 Abs. 1 und 4 NBauO nicht gegeben sei. Dem hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. Denn weder die baurechtlichen Bestimmungen noch der der Beklagten erteilte Zulassungsbescheid können dahin verstanden werden, es dürften im Einzelfall auch Produkte vertrieben werden, die von den geforderten Werten nicht nur geringfügig, sondern wesentlich abweichen. Die Zulassungsbestimmungen der §§ 24 ff. NBauO sollen gewährleisten, dass das tatsächlich in den Verkehr gebrachte Bauprodukt bei seiner konkreten Verwendung im Einzelfall seinem Zweck entsprechend unbedenklich eingesetzt werden kann (vgl. § 1 Abs. 4 NBauO). Daraus folgt, dass Abweichungen, die bei in Serie hergestellten Produkten aufgrund der von den zuständigen Überwachungsbehörden angewandten Überprüfung der Produktion nach "statistischen" Aussagewahrscheinlichkeiten in bestimmtem Umfang zugelassen werden, jedenfalls die Grenze der Unwesentlichkeit i.S. von § 28 Abs. 1 NBauO nicht überschreiten dürfen. Denn bei wesentlichen Abweichungen ist nicht gewährleistet, dass die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gebotenen grundsätzlichen Anforderungen an bauliche Anlagen (vgl. § 1 Abs. 1 und 4 NBauO) erfüllt sind. Auch dem Zulassungsbescheid vom ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Soweit dort für einzelne Anforderungen an die Qualität des zugelassenen Betonstahls neben Mittelwerten auch sog. Quantilen angegeben sind, werden für diese nicht nur Prozentgrenzen der Produktmenge, sondern ebenso wie bei den Mittelwerten auch auf Materialeigenschaften bezogene Mindestwerte (Vorhaltewerte) vorgeschrieben (vgl. Zulassungsbescheid v. S. 4 unter Nr. 2.1.3). Die Stellungnahme des Deutschen Instituts für Bautechnik vom geht gleichfalls nicht davon aus, dass im Rahmen der (quantitativ bestimmten) Quantilemengen jedwede qualitative Abweichung erlaubt sei. Vielmehr ist dort davon die Rede, die Festlegung sog. Quantilewerte in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung bedeute, dass eine Produktion auch dann zulassungskonform sei, wenn eine definierte Menge (Quantile) das festgelegte Anforderungsniveau geringfügig unterschreite. Ferner ist dort ausgeführt, an dem Umstand, dass die Beklagte nach der vorliegenden statistischen Auswertung seit Produktionsbeginn die Anforderungen erfülle, ändere sich nichts, wenn bei Probenentnahmen eine geringfügige Unterschreitung von Anforderungen festgestellt worden sei. Hieraus ist nicht zu entnehmen, die baurechtlichen Zulassungsbestimmungen oder der Zulassungsbescheid seien dahin auszulegen, dass auch Bauprodukte mit nicht bloß geringfügigen, sondern erheblichen, d.h. i.S. von § 28 Abs. 1 NBauO nicht unwesentlichen Abweichungen von den im Zulassungsbescheid festgesetzten Anforderungen mit dem Ü-Zeichen gekennzeichnet und so gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürften.

(4) Im vorliegenden Fall, in dem der Übereinstimmungsnachweis durch ein Übereinstimmungszertifikat einer Zertifizierungsstelle zu führen ist, wird zur Kennzeichnung mit dem Ü-Zeichen nach dem Wortlaut von § 28 Abs. 4 NBauO zwar nur die Erklärung vorausgesetzt, dass ein solches Übereinstimmungszertifikat erteilt sei. Über ein solches Zertifikat, das allerdings nicht für das in den Verkehr gebrachte einzelne Erzeugnis, sondern nur für das seiner Art nach abstrakt umschriebene Bauprodukt erteilt wird (vgl. §§ 28b, 28c NBauO), verfügt die Beklagte. Das besagt aber nichts über dessen konkrete Beschaffenheit. Aus dem Zusammenhang des § 28 Abs. 4 NBauO mit der Regelung des § 28b Abs. 1 Nr. 2 NBauO, wonach Voraussetzung für die Erteilung des Übereinstimmungszertifikats ist, dass das Bauprodukt einer werkseigenen Produktionskontrolle unterliegt, sowie dem Sinn und Zweck der Kennzeichnung mit dem Ü-Zeichen folgt zudem, dass dieses trotz eines erteilten Übereinstimmungszertifikats dann nicht auf einem Bauprodukt angebracht werden darf, wenn die werkseigene Kontrolle ergibt, dass das betreffende Einzelprodukt den Anforderungen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung i.S. von § 28 Abs. 1 NBauO nicht entspricht. Dies haben die Klägerinnen geltend gemacht, da sie behauptet haben, die von ihnen als wesentlich bezeichneten Abweichungen ergäben sich bereits aus den von der Beklagten den einzelnen Produkten beigefügten Werkprüfzeugnissen.

c) Die Klägerinnen haben somit die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 1 i. V. mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG schlüssig vorgetragen. Da nach ihrem Vorbringen die Beklagte Bauprodukte mit dem Ü-Zeichen kennzeichnet, die mit den Anforderungen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nicht übereinstimmen und daher für die vorgesehenen baulichen Zwecke nicht unbedenklich verwendet werden können, liegt darin auch die Darlegung eines wegen Irreführung unlauteren Wettbewerbsverhaltens der Beklagten (§§ 3, 5 UWG; § 3 UWG a.F.). Das Inverkehrbringen nicht der Zulassung entsprechender Bauprodukte ist, da es Leben und Gesundheit der mit baulichen Anlagen in Berührung kommenden Personen gefährdet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 NBauO), auch gemäß § 3 UWG erheblich (vgl. BGH GRUR 2005, 778, 780 - Atemtest).

3. Aus den vorstehend genannten Gründen kann auch die Abweisung der auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten, auf Auskunftserteilung und auf das Vertragsstrafeversprechen gestützten Klageanträge keinen Bestand haben.

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das zu prüfen haben wird, ob die Beklagte mit dem Ü-Zeichen gekennzeichnete Bauprodukte in den Verkehr gebracht hat, die wegen nicht lediglich unwesentlicher Abweichungen von den Anforderungen der erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung mit dieser nicht i.S. von § 28 Abs. 1 und 4 NBauO übereingestimmt haben. Bei einer gegebenenfalls gebotenen Prüfung des Verschuldens werden auch das Verhalten der Behörde sowie der Grad der Erheblichkeit der Abweichung und ihre Erkennbarkeit zu berücksichtigen sein.

Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 381 Nr. 6
RAAAB-96703

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja