Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 21; StGB § 49 Abs. 1; StGB § 227 Abs. 1; StGB § 13 Abs. 2; StGB § 20
Instanzenzug: LG Memmingen vom
Gründe
I.
Am verstarb die dreijährige K. . Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde das Kind vom Angeklagten A. , dem Lebensgefährten der Mutter des Kindes, der Angeklagten C. , mehrere Tage lang körperlich schwer misshandelt. Die Angeklagte schritt dagegen nicht mit der gebotenen Entschiedenheit ein; wirkte teilweise sogar aktiv mit. Am Abend des versetzte der Angeklagte K. mit solcher Gewalt einen Schlag ins Gesicht, dass sie mit dem Kopf gegen die Zimmerwand prallte, röchelte und bewusstlos zu Boden sank. Bemühungen der Angeklagten, K. wieder zu Bewusstsein zu bringen, blieben erfolglos. Ärztliche Hilfe holten sie nicht herbei. Erst am nächsten Tag verbrachten sie das immer noch ohnmächtige Mädchen gegen 14.00 Uhr in eine Toilette eines Krankenhauses, wo es dann aufgefunden wurde. Trotz ärztlicher Intensivbehandlung war K. jedoch nicht mehr zu retten. Auch bei sofortiger ärztlicher Hilfe hätte das Kind wahrscheinlich nicht überlebt. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Memmingen hat beide Angeklagte wegen Misshandlung einer Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) - bei der Angeklagten begangen durch Unterlassen (§ 13 StGB) zu Freiheitsstrafen verurteilt, den Angeklagten - wegen erheblicher Verminderung der Steuerungs- und damit der Schuldfähigkeit zur Tatzeit ausgehend von dem nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB herabgesetzten Strafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB - zu der Freiheitsstrafe von zehn Jahren und drei Monaten, die Angeklagte - unter Herabsetzung des Strafrahmens des § 227 Abs. 1 StGB gemäß §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB - zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Außerdem verfügte die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus, bei Anordnung des Vorwegvollzugs von drei Jahren Freiheitsstrafe. Tötungsvorsatz im Zusammenhang mit dem tödlichen Schlag hat die Strafkammer bei beiden Angeklagten verneint. Dies, sowie die fehlende Prüfung einer Strafbarkeit jedenfalls wegen versuchten Mordes durch Unterlassen nach dem Schlag (keine sofortige Herbeiholung ärztlicher Hilfe) beanstandet die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten sowie auf die Sachrüge und einige Formalrügen gestützte Revision und erstrebt die Aufhebung des Urteils. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat schon mit der Sachrüge Erfolg. Die Beweiswürdigung zur Feststellung fehlenden bedingten Tötungsvorsatzes ist nicht frei von Rechtsfehlern. Auf die Formalrügen kommt es deshalb nicht mehr an.
II.
Im Einzelnen hat die Strafkammer Folgendes festgestellt:
1. Der 1973 in Deutschland geborene, hier aufgewachsene und zur Tatzeit 30-jährige Angeklagte A. konsumierte insbesondere im Alter von 12 bis 15 Jahren exzessiv gewalthaltige Videofilme und Computerspiele. Nach der achten Klasse verließ er die Hauptschule ohne Abschluss. Sein anschließendes Leben war bei kurzfristigen Ausbildungs- und Arbeitsverhältnissen geprägt von Drogen- und Alkoholkonsum, Arbeitslosigkeit, der Begehung von - auch gewalttätigen - Straftaten, dadurch bedingten Haftzeiten sowie von zahlreichen Drogentherapien beziehungsweise Therapieversuchen. Zuletzt wurde er mit Methadon substituiert.
Die zur Tatzeit 24-jährige Angeklagte C. kam im Jahre 1979 in Polen zur Welt. Nach ihrer Schulzeit führte sie ein unstetes Leben in Polen und Deutschland unter Erwerbstätigkeit im Amüsierbereich. Drogen (Marihuana, Ecstasy und Kokain) konsumierte sie zuletzt nicht mehr. Bier, Wein und Schnaps nimmt sie seit ihrem 14. Lebensjahr regelmäßig, manchmal auch im Übermaß, zu sich.
Im Alter von 21 Jahren wurde die Angeklagte von einem anderweitig gebundenen, etwa 15 Jahre älteren Mann - Türsteher, Bodyguard und damals ihr Zuhälter - ungewollt schwanger. Am wurde K. , das spätere Tatopfer, in R. geboren. Während der ersten drei Monate betreute die Angeklagte ihre Tochter selbst. Dann überließ sie dies weitgehend anderen Personen, darunter ihrer in L. wohnhaften Mutter. Der Austausch von Zärtlichkeiten zwischen der Angeklagten und K. war die Ausnahme. Das Kind wurde von der Angeklagten öfters angeschrieen und beschimpft. Gelegentlich erhielt es Ohrfeigen. Zu weiteren Misshandlungen kam es jedoch nicht.
2. a) Im November 2003 fanden sich die Angeklagten und lebten von da an zusammen, zunächst in der Wohnung der Mutter der Angeklagten. Nach einem Wutanfall des Angeklagten - wobei er mit dem Kopf einen Spiegel zertrümmert hatte - der Wohnung verwiesen, fanden die Angeklagten in der zweiten Dezemberhälfte 2003 Unterschlupf im Einfamilienhaus eines Bekannten des Angeklagten im Stadtteil B. . Zwischen den Angeklagten gab es häufig Streit, wobei der Angeklagte seiner Lebensgefährtin auch Ohrfeigen versetzte. Im Übrigen verbrachten sie die Vormittage meist im Bett und die Nachmittage mit dem Konsum von Alkohol und mit Fernsehen. K. spielte währenddessen oder sollte schlafen. Wegen "Nichtigkeiten", wie Hinauszögerns des angeordneten Mittagsschlafs, Problemen beim abendlichen Einschlafen, langsamen Essens und ähnlicher typisch kindlicher Verhaltensweisen ärgerte sich der Angeklagte. Er beschloss, K. mittels Strafen zu "erziehen".
Vom an unterzog der Angeklagte K. deshalb einer Tortur, die am mit der Beifügung der zum Tode des Kindes führenden Verletzungen endete. Die Angeklagte, die alles miterlebte, und sich ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihrer Tochter bewusst war, widersetzte sich den Übergriffen des Angeklagten nicht mit der gebotenen - und ihr zumutbaren - Entschiedenheit. Erreichbare Hilfe, z.B. beim Wohnungsgeber oder von anderen Personen, suchte sie nicht. Sie unternahm auch nicht den Versuch, unter Mitnahme der Tochter auszuziehen, etwa zurück zur Mutter. Nur gelegentlich setzte sie zum Widerstand an. In Einzelfällen wirkte sie demgegenüber sogar aktiv an den Misshandlungen ihrer Tochter durch den Angeklagten mit.
Entsprechend der Forderung des Angeklagten, dass das Kind, das er immer wieder als Bastard bezeichnete, weg müsse, hatten die Angeklagten auch erwogen, das Kind vor einem Wohnanwesen oder in einer Kirche auszusetzen oder nach Polen zu verbringen. "Keiner der Angeklagten unternahm jedoch einen Versuch, einen dieser Pläne in die Tat umzusetzen." Von einer Tötung des Kindes war aber nie die Rede.
b) Folgende einzelne Vorfälle vermochte die Strafkammer dann festzustellen, wobei ihr eine genaue zeitliche Einordnung nur teilweise möglich war.
Am bemalte K. in der Wohnung herumliegendes Papier, was missfiel. Zur Strafe brachte der Angeklagte K. in einen unbeheizten Raum, die so genannte "Kalte Kammer". Dort schlug er dem Kind zunächst mit einem Holzstab auf die Finger beider Hände, so dass jene rot anliefen und anschwollen. Dann musste K. , nur mit einem kurzärmligen T-Shirt und mit einer Strumpfhose bekleidet, bei geöffnetem Fenster und bei Minustemperaturen im Außenbereich, einige Stunden in der "Kalten Kammer" stehen bleiben. Nachdem sich der Angeklagte beruhigt hatte, cremte er K. s geschwollene Hände ein und verband sie.
Zum Ärger des Angeklagten spielte K. am Morgen des mit der letzten gefüllten Methadonflasche, die dem Angeklagten noch zur Verfügung stand. Er erhitze mit einem Feuerzeug den Plastikverschluss einer leeren Methadonflasche, packte die am Unterkörper entblößte K. am Nacken, drückte sie mit dem Gesicht auf eine Matratze und presste die angeschmorte Spitze des Verschlusses mit Drehungen auf das Gesäß und die Oberschenkel des Mädchens. Dies wiederholte der Angeklagte mehrfach sowohl an diesem wie auch am nächsten Tag. Die Angeklagte half hierbei dem Angeklagten jeweils "weisungsgemäß", das Kind festzuhalten.
Bei anderer Gelegenheit zwang der Angeklagte K. , sich mit dem Bauch auf den Boden zu legen. Dann schlug er mit einem Ledergürtel so auf das entblößte Kind ein, dass es vom Rücken bis zu den Kniekehlen etwa sechs rote Striemen erlitt. Nach diesem Vorfall drohte die Angeklagte dem Angeklagten, ihn zu verlassen. Er entschuldigte sich, cremte das Kind ein und bandagierte es.
Zu einem weiteren Zeitpunkt versetze der Angeklagte dem Kind einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht, sodass das Mädchen mit dem Kopf gegen die Wand prallte.
An einem der Abende holte der Angeklagte K. aus dem ungeheizten Keller - dorthin hatte er sie einige Stunden zuvor verbracht - ins Schlafzimmer, haute ihr das schnurlose Telefon zwei Mal gegen den Kopf, setzte sich mit der Angeklagten auf das Bett und schlug dem vor ihm stehenden Kind mit der Hand so gegen den Hinterkopf, dass es mit dem Gesicht auf der Kommode aufschlug und dann zu Boden fiel. Dies wiederholte er auf ähnliche Art und Weise noch vier Mal, allerdings ohne dass sich das Mädchen erneut an der Kommode stieß. K. erlitt an den Ohren und im Gesicht blutende Verletzungen. Diese cremte der Angeklagte dann zwar ein und ließ den Kopf des Kindes von der Angeklagten in ein Tuch wickeln. Dann verbrachte er K. aber wieder in einen unbeheizten und dunklen Kellerraum und zwang sie, sich - Schuhe trug sie nicht - ohne Abstützen an der Wand auf einem Bein hinzustellen. Die Angeklagte versuchte nun, telefonisch polizeiliche Hilfe herbeizurufen. Dies unterband der Angeklagte, indem er ihr das schnurlose Telefon entriss.
In einer weiteren Nacht brachte der Angeklagte die bereits verletzte und am Auge stark geschwollene K. erneut in den Keller und legte sie bäuchlings auf einem Schrank ab. Von dort zog er sie einige Stunden später an den Beinen fassend wieder herunter und ließ sie in einem Nebenraum im Keller, wiederum auf einem Bein stehend, zurück. Erst am Morgen durfte die Angeklagte das vor Kälte zitternde Kind ins Bett bringen.
Als beim Essen Brotkrümel herunterfielen, schlug der Angeklagte K. mit der flachen Hand gegen den Kopf, brachte das Kind in die kalte Speisekammer und dann in den Keller. Nach einigen Stunden holte er K. - ihre Augen waren zugeschwollen, sie blutete, ihre Haare hatte ihr der Angeklagte teilweise, tonsurartig, ausgerissen - nach oben, indem er sie an der Kleidung am Hals packte und so die Treppe hinauftrug, der auf dem Bett sitzenden Angeklagten vor die Füße warf, wobei das laut schreiende und weinende Kind mit dem Kopf am Nachttisch anschlug. Die Angeklagte sollte das Mädchen waschen, da es eingekotet hatte. Als K. in der Badewanne wegen eines Wasserspritzers ins Gesicht aufschrie, schlug ihr der Angeklagte mit dem Duschkopf auf den Kopf. Anschließend rasierten die Angeklagten dem Mädchen die restlichen Haare vom Kopf. Kurze Zeit später schlug der Angeklagte K. mit der flachen Hand gegen die Brust, so dass sie gegen einen Schrank fiel und zu Boden sank. Der Angeklagte riss sie an den Kleidern hoch und warf sie zuerst aufs Bett. Dann sollte sich K. ins Zimmereck stellen. K. sank jedoch kraftlos zu Boden. Der Angeklagte verweigerte dem Mädchen gleichwohl zunächst den Schlaf, bis sie sich auf ein auf dem Boden zubereitetes Lager legen durfte. Als der Angeklagte bemerkte, dass sie eingenässt hatte, drückte er eine brennende Zigarette an ihrem Knie aus.
Am Nachmittag des sperrte der Angeklagte K. in den Tankraum im 2. Untergeschoss. Am Abend, nach der Rückkehr der Angeklagten vom Besuch bei einer Nachbarin drückte der Angeklagte den heißen Kopf eines Feuerzeugs auf die nackte Haut des Kindes. Später öffnete er mindestens vier Brandblasen vollends und cremte sie ein.
Als der Angeklagte im weiteren Verlauf des Abends über die Angeklagte in Wut geraten war, reagierte er sich an K. ab. Er schlug sie mit einem Ledergürtel ins Gesicht und auf den Kopf. Danach schlug er das Kind mit der flachen linken Hand "mit einer Wucht von mindestens 80 G" seitlich gegen das Gesicht, so dass K. mit dem Kopf gegen die Zimmerwand prallte. K. röchelte und sank bewusstlos zu Boden. Der Angeklagte rief aus: "Das wollte ich nicht".
Den Angeklagten gelang es nicht, K. wieder zu Bewusstsein zu bringen. Sie hofften dennoch, der Zustand des regelmäßig atmenden Kindes werde sich bessern. Sie rechneten nicht mit dessen Ableben. Am Tag darauf entschlossen sich die Angeklagten um 9.00 Uhr, K. in einer stark frequentierten Toilette eines Krankenhauses abzulegen. Erst fünf Stunden später setzten sie dies kurz nach 14.00 Uhr im Stiftungskrankenhauses W. in die Tat um. Um 15.45 Uhr wurde K. gefunden. Trotz sofortiger Intensivbehandlung erlangte sie das Bewusstsein nicht mehr und verstarb am um 10.40 Uhr. Todesursache war eine zentrale Lähmung aufgrund einer raumgreifenden Blutung unter die harte Hirnhaut, verursacht durch den vom Angeklagten zuletzt geführten Schlag und den Aufprall des Kopfes von K. gegen die Wand. Dieser tödliche Ausgang wäre auch bei sofortiger ärztlicher Hilfe nicht auszuschließen gewesen.
c) Die Angeklagten hatten sich bereits am , nachdem sie im Rundfunk vom Auffinden des Kindes gehört hatten, auf Drängen des Angeklagten auf die Flucht begeben. Bereits wenige Tage später konnten sie in B. festgenommen werden, nachdem die Angeklagte, die mit einer weiteren Flucht in die Türkei nicht einverstanden war, polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen hatte.
3. - Bedingten - Tötungsvorsatz vermochte die Strafkammer weder bei dem Angeklagten A. noch bei der Angeklagten C. festzustellen.
Der Angeklagte habe sich unwiderlegt dahin eingelassen, dass er mit einem tödlichen Ausgang nicht gerechnet habe. Dass derartige Schläge gegen den Kopf wegen der dadurch ausgelösten Rotationsbewegung "besonders" (UA S. 37) gefährlich sind und in Folge des Risses der Brückenvene zu einer tödlichen Hirnblutung führen kann, sei auch kein Allgemeinwissen (UA S. 17). Der Angeklagte habe diese Kenntnis bestritten. Bei Schlägen mit der flachen Hand handele es sich auch nicht um "äußerst" (UA S. 36) gefährliche Gewalthandlungen und sie stünden - wie die Vorverurteilungen erhellten - am unteren Ende der Skala von Gewalttätigkeiten des Angeklagten. Auch habe das Kind - so die Strafkammer weiter - auf frühere gleichartige Schläge "nicht in einer Weise reagiert, dass der Angeklagte es für möglich halten musste, dass derartige Schläge tödlich sein könnten". Schließlich seien die Überraschung des Angeklagten nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit und die sofort einsetzenden hektischen Rettungsbemühungen "mit einem Wollen des Todes des Kindes nicht vereinbar".
4. Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte A. im Zustand verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) handelte. Bei ihm lägen, so die sachverständig beratene Strafkammer, massive Persönlichkeitsstörungen (dissozial - ICD 10 F 60.2 - und emotional instabil vom Borderline-Typ ICD 10 F 60.3 -) vor, die hier als schwere andere Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB zu bewerten sind, sowie eine als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 einzuordnende Polytoxikomanie - ICD 10 F 19.2 - mit Abhängigkeiten von Heroin und Benzodiazepinen bei zusätzlichem chronischen Missbrauch von Alkohol vor. Dadurch sei die Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten erheblich vermindert gewesen.
III.
1. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht zu der Feststellung gelangte, die Angeklagten hätten nicht mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Zwar ist auch insoweit die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters und revisionsrechtlicher Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich. Wenn bei der Beantwortung der Frage, ob Angeklagte vorsätzlich, bedingt vorsätzlich oder (bewusst) fahrlässig gehandelt haben, allein aus äußeren Umständen auf deren innere Einstellung zur Tat geschlossen werden muss, bedarf es jedoch einer umfassenden Würdigung des insoweit relevanten festgestellten Sachverhalts (vgl. BGH NStZ 2004, 35, 36). Dem genügen die Darlegungen der Strafkammer nicht; sie sind widersprüchlich und lassen eine umfassende Auseinandersetzung mit allen für die Bewertung der subjektiven Tatseite relevanten Umständen sowie der Persönlichkeit der Angeklagten vermissen. Zudem hat die Strafkammer zu hohe Anforderungen an die Feststellung des bedingten Vorsatzes gestellt.
Im Ansatz zutreffend geht die Strafkammer zwar zunächst davon aus, dass es bei "äußerst" gefährlichen Gewalthandlungen grundsätzlich nahe liegt, dass der Täter auch mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei auch zu Tode kommen, wenn dies für sich allein betrachtet aber noch kein zwingender Beweisgrund für die Billigung eines Todeserfolges durch den Täter ist (sog. voluntatives Element des Vorsatzes, vgl. BGH NStZ 2001, 475, 476). Schon die Grundvoraussetzung - äußerst gefährlich - verneint die Strafkammer dann aber, indem sie die vom Angeklagten ausgeübte und von der Angeklagten hingenommene Tathandlung lediglich als "besonders" gefährlich bewertet. Abgesehen davon, dass allein aus dieser Nuance bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung kaum tragfähige Schlussfolgerungen zum Tötungsvorsatz zuverlässig gezogen werden können, ist die Begründung für diese Herabstufung des Gefährlichkeitsgrads nicht tragfähig.
Die Strafkammer hebt entscheidend darauf ab, der Angeklagte habe "das Kind unwiderlegbar lediglich mit der flachen Hand und nicht etwa mit der Faust oder irgendwelchen Gegenständen gegen den Kopf geschlagen" (UA S. 36). Damit lässt das Landgericht bei der Bewertung dieses Vorgangs im Hinblick auf die subjektive Tatseite einen entscheidenden Teil des an anderer Stelle festgestellten Sachverhalts außer Acht, nämlich das Aufprallen des Kopfes auf die Wand infolge des wuchtigen Schlages. Mit dieser verkürzten Betrachtung setzt sich die Strafkammer zudem in Widerspruch zu den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. , "denen sich die Kammer anschließt". Danach "war sowohl ein Faustschlag als auch ein mit Wucht (mindestens 80 G) geführter Schlag mit einer flachen Hand und anschließendem Aufprall des Kopfes gegen einen festen Gegenstand geeignet, die tödliche Blutung mit Abriss einer Brückenvene auszulösen" (UA S. 33). Die Tathandlung des Angeklagten entsprach also einem Faustschlag und war nicht weniger gefährlich. Das Aufschlagen des Kopfes war auch vorhersehbar. Auch schon früher traktierte der Angeklagte K. mehrfach so, dass deren Kopf gegen einen festen Gegenstand (Wand, Kommode, Nachttisch) prallte.
Die Strafkammer stellt des weiteren zu hohe Anforderungen an den Umfang der Kenntnis über die möglichen Folgen eines Schlages gegen den Kopf, wenn sie meint, "tatsächlich gehört es nicht zum allgemeinen Erfahrungswissen, dass seitliche Schläge gegen den Kopf im Kieferbereich wegen der dadurch ausgelösten Rotationsbewegungen von besonderer Gefährlichkeit sind und zum Riss der Brückenvene mit der Folge einer tödlichen Hirnblutung führen können" (UA S. 37). Es entspricht gesicherter allgemeiner Kenntnis, dass derartige Schläge gegen den Kopf eines kleinen Kindes mit anschließendem Aufprall gegen einen festen Gegenstand immer äußerst schwerwiegende Folgen bis hin zum Tod haben können. Medizinischen Detailwissens bedarf es dazu nicht. Vor dem Hintergrund des Allgemeinwissens über mögliche Folgen derartiger Misshandlungen ist deshalb auch das Argument der Strafkammer, "trotz mehrfacher gleichartiger Schläge hat das Kind auf alle Schläge mit Ausnahme des letzten (tödlichen) nicht in einer Weise reagiert, dass der Angeklagte es für möglich halten musste, dass derartige Schläge tödlich sein könnten" (UA S. 36) nicht tragfähig. Vielmehr lag schon bei den entsprechenden früheren Handlungen das Vorliegen bedingten Tötungsvorsatzes nicht fern. Ein Umstand, den die Strafkammer nicht in ihre Erwägungen einbezog. Denn letztlich war es eher ein Zufall, bei welcher dieser Misshandlungen K. zu Tode kam.
Die Strafkammer hat sich zudem bei der Beurteilung der subjektiven Tatseite zu sehr allein mit dem letzten, dem dann tödlichen Vorfall befasst. Deshalb hat sie zu hohe Anforderungen an die Feststellung des bedingten Tötungsvorsatzes gestellt, worauf auch der Satz hindeutet, die Rettungsbemühungen seien mit dem Wollen des Todes des Kindes nicht vereinbar. Das Landgericht betont zunächst ausdrücklich - was an sich selbstverständlich ist -, der Tötungsvorsatz müsse sich gerade auf die Handlung beziehen, die den tatbestandsmäßigen Erfolg verursacht hat. Das Landgericht verweist dann auf die hohe Hemmschwelle bei Tötungsdelikten, die beim Angeklagten nicht herabgesetzt gewesen sei. Nun belegt zwar - wovon die Strafkammer damit im Ansatz zutreffend ausgeht - die Indizwirkung einer offen zutage tretenden Lebensgefährlichkeit wegen der höheren Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen für sich gesehen noch nicht zwingend Handeln mit bedingtem Tötungsvorsatz. Bedeutung kommt dem aber insbesondere bei einmaligen Spontantaten in einer emotional aufgeladenen, häufig alkoholbedingt enthemmten Atmosphäre zu. Der Angeklagte misshandelte demgegenüber das Kind wiederholt hemmungslos und gleichwohl auf geradezu systematische Art und Weise und bedrohte das Leben des Mädchens in jedem Einzelfall in hohem Maße. Darüber hinaus hätten aus der viertägigen Tortur, auch soweit die teilweise geradezu sadistischen Handlungen für sich gesehen nicht lebensbedrohlich waren, der der Angeklagte A. K. unterwarf - bei Duldung und teilweiser Mitwirkung der Angeklagten C. -, sowie aus der Persönlichkeit der Angeklagten, die bei A. unter anderem durch einen Mangel an Empathie, andauernde Verantwortungslosigkeit, Missachtung sozialer Normen geprägt ist, weitere Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite der Angeklagten gezogen werden können. All dies hätte jedenfalls eingehender Erörterung bedurft.
Das anschließende Erschrecken, wenn sich der nach den Feststellungen ja nicht von vornherein beabsichtigte, aber gleichwohl in Kauf genommene Erfolg realisiert, "das habe ich nicht gewollt", steht bedingtem Vorsatz nicht entgegen. Vielmehr könnte hier das weitere Verhalten der Angeklagten nach dem Eintritt der Ohnmacht des Kindes trotz der "hektischen" Rettungsbemühungen, die sich allerdings in eher untauglichen Maßnahmen, wie Beatmungsversuchen und Bespritzen mit Wasser erschöpften, nämlich dem Absehen von der Herbeiholung sofortiger ärztlicher Hilfe und das heimliche Ablegen des Kindes in einer Krankenhaustoilette tags darauf, eher dafür sprechen, dass sich die Angeklagten - insbesondere der Angeklagte A. - von vornherein der möglicherweise tödlichen Folgen der Misshandlungen bewusst war, deren strafrechtlichen Konsequenzen sich die Angeklagten zu entziehen suchten. Auch dies wäre jedenfalls zu erörtern gewesen.
Die bei der Prüfung der subjektiven Tatseite gebotene umfassende Erörterung der für die Tat bedeutsamen Umstände und der Persönlichkeit der Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1999, 507, 508) lassen die Urteilsgründe deshalb nicht ausreichend erkennen. Bei der sich über mehrere Tage erstreckenden brutalen und wiederholt lebensgefährlichen Behandlung liegt das voluntative Element des - zumindest bedingten - Vorsatzes im Grunde auf der Hand. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird Gelegenheit haben, die Mordmerkmale, namentlich der Grausamkeit und der sonstigen niedrigen Beweggründe, zu prüfen.
Bezüglich der Angeklagten C. wird zu erörtern sein, ob der Schwerpunkt ihrer Handlungen beim aktiven Tun liegt.
2. Schließlich begegnen die Darlegungen zur Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit des Angeklagten A. Bedenken. Zwar sind die Eingangsmerkmale des § 20 StGB - sachverständig beraten - rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Generalbundesanwalt führt dann aber in seiner Antragsschrift - wie dann auch in der Hauptverhandlung - zutreffend aus: "Das Landgericht hat sich dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N. angeschlossen, nach dessen Ausführungen die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten [deshalb] erheblich im Sinne von § 21 StGB vermindert gewesen sei (UA S. 43 f.). Insoweit hat die Kammer jedoch verkannt, dass die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, eine Rechtsfrage ist (st. Rspr.; BGHSt 49, 45, 53 = NStZ 2004, 437, 438). Diese hat der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten. Entscheidend sind die Anforderungen, welche die Rechtsordnung an jedermann stellt (BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296, jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Anforderungen sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (Senat, Urteil vom - 1 StR 32/01). Dass sich das Landgericht eigenständig und losgelöst vom Sachverständigen mit diesen Anforderungen und der Frage der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB befasst hätte, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen." Die Rechtsordnung darf erwarten, dass Menschen mit den hier festgestellten Störungen, ihr Verhalten so steuern, dass es nicht zu tagelangen, grausamen, letztlich tödlichen Misshandlungen eines kleinen Kindes kommt, wie hier bislang festgestellt.
IV.
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht und die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen (vgl. Kuckein in KK, StPO 5. Aufl. § 354 Rdn. 37).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 386 Nr. 6
EAAAB-95180
1Nachschlagewerk: nein