Leitsatz
[1] 1. Die Fälligkeit einer Leistung im Sinne einer Ausschlußfrist hängt nur dann von einer Abrechnung des Anspruchsgegners ab, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche ohne die Abrechnung der Gegenseite nicht erkennen kann.
2. Eine durch Formularvertrag vereinbarte zweistufige vertragliche Ausschlußfrist ist nicht deshalb unzulässigerweise überraschend, weil die zweite Stufe kürzer ist als die erste.
3. Eine vertragliche Ausschlußklausel, nach der Ansprüche innerhalb von zwei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich und innerhalb eines Monats nach ihrer Ablehnung durch die Gegenseite oder Ablauf einer Frist von 14 Tagen ohne Äußerung der Gegenseite gerichtlich geltend gemacht werden muß, ist nicht sittenwidrig.
Gesetze: BGB § 138; BGB § 242; BGB § 310 Abs. 4 Satz 2; BGB § 307 Abs. 1 in der ab geltenden Fassung; AGB-Gesetz § 23 Abs. 1; EGBGB Art. 229 § 5 in der ab geltenden Fassung
Instanzenzug: ArbG Bonn 4 Ca 2285/99 vom LAG Köln 2 Sa 346/00 vom
Tatbestand
Nachdem die Parteien zunächst über Zahlungs- und Herausgabeansprüche gestritten hatten, geht es in der Revisionsinstanz noch um die Widerklage des Beklagten. Sie betrifft Fahrtkosten für Auslandseinsätze, die er von Italien aus wahrgenommen hat.
Der Beklagte war für die Klägerin seit 1996 als Copilot tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Beklagten mit dem . Der Arbeitsvertrag der Parteien war unter dem Briefkopf der Klägerin vorgedruckt und lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1
1. Der Angestellte tritt (...) als Copilot (...) ein. Der Angestellte ist bereit, sonst zumutbare Arbeiten (Büroarbeiten) zu erbringen.
Seine Arbeitsorte sind: Köln, Düsseldorf und Mühlheim. Desgleichen gilt als vereinbart, daß er aufgrund seines jeweiligen Arbeitsplatzes seinen Wohnsitz in der Nähe des Arbeitsortes hat, um spätestens innerhalb einer Stunde nach Benachrichtigung seinen Dienst antreten zu können. Übernachtskostenansprüche seitens des Angestellten am jeweiligen Arbeitsort werden nicht erstattet. Es bestehen Spesenansprüche nur bei Einsätzen außerhalb vom jeweiligen Arbeitsort.
(...)
§ 6
1. Für auf Veranlassung der Firma erfolgende Dienstreisen des Angestellten (Entfernung von mehr als 5 km vom Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte) vergütet die Firma folgende Beträge:
A Fahrtkosten
a) bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel die tatsächlichen Aufwendungen nach Tarif (Eisenbahn 2. Klasse, Flugzeug nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Firma);
b) bei Benutzung eines Fahrzeuges der Firma die nachgewiesenen tatsächlichen Aufwendungen;
c) bei Benutzung eines eigenen Fahrzeuges des Angestellten (der Einsatz eigener Fahrzeuge des Angestellten auf Geschäftsfahrten erfolgt auf eigene Gefahr und muß von der Geschäftsleitung vorher genehmigt werden). Als Pauschalvergütung für jeden gefahrenen Kilometer: DM 0,42.
B Kosten der Unterbringung und Verpflegung
a) Bei Flügen mit einer Abwesenheit vom Arbeitsort treten die betrieblich vereinbarten Reisekosten gemäß den Einkommenssteuerrichtlinien in Kraft. Diese betragen zur Zeit 80 % der Höchstsätze der gesetzlich zulässigen Pauschalbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen für Inlandsreisen und 100 % für Auslandsreisen.
b) Bei Stationierung von länger als acht Tagen an einem Ort werden statt Spesen für Tag und Nacht Trennungsentschädigungen gezahlt.
c) Sonstige Auslagen werden nur erstattet, wenn sie vorher von der Betriebsleitung genehmigt werden (Bus- und Taxifahrten).
(...)
§ 9
1. (...)
2. (...)
3. Ausschlußfristen
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb eines Monats nach Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
(...)
§ 13
Der Angestellte hat der W. bei Beendigung des Angestelltenverhältnisses unverzüglich sämtliche ihm überlassene im Eigentum der W. stehenden Ausrüstungsgegenstände (...) zurückzugeben. (...) Auch finden die unter § 9 Ziffer 3 vereinbarten Verfallfristen auf die in diesem Paragraphen geregelten Herausgabeansprüche keine Anwendung.
(...)"
Der Beklagte erhielt vereinbarungsgemäß einen Dauervorschuß für Reisekosten von 1.500,00 DM, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurück zu erstatten war. Der sich hieraus ergebende Rückforderungsanspruch der Klägerin ist bei der zu Lasten des Beklagten rechtskräftig ausgeurteilten Forderung berücksichtigt.
Der Beklagte führte für die Klägerin mit insgesamt acht Einsatzterminen von Mai 1998 bis Februar 1999 Flugreisen von Italien aus durch. Auftraggeberin der Klägerin war die M. Für die Hin- und Rückreisen nach Italien nutzte der Beklagte im Einverständnis mit der Klägerin sein privates Kraftfahrzeug. Nach Behauptung der Klägerin sollte die Höhe der Erstattungen der Kraftfahrzeugkosten davon abhängig sein, was die Kundin ihrerseits übernehmen werde.
Ende Februar 1999 machte der Beklagte schriftlich folgende Reisekosten geltend:
Kilometergeld für 16 Fahrten nach Italien|7.392,00 DM
Garagenmiete für zehn Monate|2.500,00 DM
Autobahngebühren und Zwischenflüge|1.038,80 DM
zwei Hotelrechnungen|657,92 DM
Gesamtsumme|11.588,72 DM
Darauf zahlte die Klägerin im April 1999 2.485,42 DM. Einen Betrag von 9.994,38 DM hat der Beklagte mit Widerklage vom , beim Arbeitsgericht eingegangen am und der Klägerin zu Händen ihrer Prozeßbevollmächtigten am zugestellt, geltend gemacht.
Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe ihm die volle Erstattung der angefallenen Kosten für die Nutzung eines Kraftfahrzeugs zugesagt. Sein Angebot, direkt mit der M. abzurechnen, habe die Klägerin abgelehnt. Sie habe vielmehr selber mit der M. abrechnen wollen. Diese sei bereit, die Kosten zu erstatten, berufe sich jedoch darauf, die Klägerin habe keine Belege vorgelegt.
Hilfsweise hat der Beklagte sich die Behauptung der Klägerin, sie habe den Betrag von 2.485,42 DM versehentlich geleistet und müsse mit der M. über die Reisekosten abrechnen, zu eigen gemacht. Er hat sich jedoch ausdrücklich auch nicht hilfsweise den Vortrag der Klägerin zu eigen gemacht, eine Erstattung der Reisekosten an ihn habe von der Bezahlung durch die M. abhängig gemacht werden sollen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, seine Forderungen seien auch nicht auf Grund der vertraglichen Ausschlußfrist verfallen. Diese sei unwirksam.
Der Beklagte hat widerklagend zuletzt beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, an ihn 8.774,34 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem zu zahlen.
Die Klägerin und Widerbeklagte hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Sie hat behauptet, die M. habe nicht mehr als 2.485,42 DM erstattet. Sie sei auch nicht bereit, weitere Beträge zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat die Widerklage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, die vom Beklagten geltend gemachten Beträge für Autobahngebühren und Zwischenflüge, Hotelkosten und für die Garagenmiete seien von ihm nicht schlüssig begründet worden. Von dem verbleibenden Betrag in Höhe von 7.392,00 DM hat es die von der Klägerin geleisteten 2.485,42 DM abgezogen. Hinsichtlich des sich daraus noch ergebenden Restbetrages von 4.906,58 DM hat es angenommen, die Forderung sei wegen der vertraglichen Ausschlußfrist verfallen. Hinsichtlich dieses Teils der Widerklageforderung hat das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seine Forderung im Rahmen der Zulassung weiter. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
I. Die Revision ist unbegründet. Mögliche Ansprüche des Beklagten sind verfallen. Die Voraussetzungen der vertraglich vereinbarten Ausschlußklausel liegen vor (1.). Gegen die Wirksamkeit der Klausel bestehen keine Bedenken (2.). Die Beklagte verstößt mit der Berufung auf die Ausschlußfrist auch nicht gegen Treu und Glauben (3.).
1. Die Voraussetzungen der zwischen den Parteien vereinbarten Ausschlußklausel sind erfüllt. Der Beklagte hat jedenfalls ihre zweite Stufe nicht gewahrt.
a) Nach der arbeitsvertraglich vereinbarten Verfallklausel sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit schriftlich zu erheben. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb eines Monats nach Ablehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Der Beklagte macht Ansprüche auf Aufwendungsersatz geltend, die von der Verfallklausel erfaßt werden. § 271 BGB bestimmt hinsichtlich der Fälligkeit, daß der Gläubiger die Leistung im Zweifel sofort verlangen kann, wenn die Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Zwischen den Parteien war nach dem Vortrag des Beklagten keine Leistungszeit vereinbart; der Beklagte hat auch nicht hilfsweise vorgetragen, die Leistung habe von der Übernahme der Auslagen durch die M. abhängen sollen. Auch § 670 BGB, der zumindest entsprechend anwendbar ist (vgl. - BAGE 82, 164), enthält keine abweichende Regelung des Leistungszeitpunktes. Umstände, nach denen der Beklagte die Leistung später als nach Abschluß der Einsätze hätte verlangen können sollen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Sein möglicher Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen wäre damit spätestens bis Ende Februar 1999 fällig gewesen.
Die Auslegung der Ausschlußklausel ergibt, daß auch auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist. Es kommt für den Aufwendungsersatz nicht darauf an, wann der Arbeitgeber abrechnet. Auf die Abrechnung kommt es für die Fälligkeit im Sinne einer Ausschlußfrist nur dann an, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche ohne die Abrechnung der Gegenseite nicht erkennen kann ( - AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 93 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 67; - 3 AZR 596/82 - AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 89 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 64). So liegt der Fall hier nicht.
2. Gegen die wirksame Einbeziehung der vertraglichen Ausschlußklausel und gegen deren inhaltliche Geltung bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
a) Die Ausschlußklausel ist zulässigerweise durch Formularvertrag vereinbart worden (Senat - 9 AZR 801/95 - AP HGB § 74 b Nr. 2 = EzA HGB § 74 Nr. 60). Durch die Unterstreichung des Wortes "Ausschlußfristen" war auch ausgeschlossen, daß der Beklagte unzulässigerweise durch die Ausschlußklausel überrascht wurde (dazu - BAGE 81, 317). Das gilt auch im Hinblick darauf, daß für die erste und die zweite Stufe der Ausschlußklausel unterschiedlich lange Fristen vereinbart wurden.
b) Die Klausel ist wirksam.
(1) Einzelfallvertragliche Ausschlußklauseln sind dann unwirksam, wenn sie sittenwidrig iSv. § 138 BGB sind ( - AP BGB § 241 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 72; - 10 AZR 168/00 - BAGE 96, 371). Abzustellen ist darauf, ob der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen ist ( - BB 2002, 628). Nicht anzuwenden ist der Prüfungsmaßstab für allgemeine Geschäftsbedingungen, wie er durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom (BGBl. I S 3138 ff.) auch auf dem Gebiet des Arbeitsrechts eingeführt worden ist (§ 310 Abs. 4 Satz 2 iVm. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nF). Die Neufassung ist auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem entstanden sind, erst mit Wirkung vom - und damit noch nicht - anzuwenden (Art. 229 § 5 EGBGB nF). Vorher galt das AGB-Gesetz. Dessen § 23 Abs. 1 schloß Verträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts von der Inhaltskontrolle nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen aus ( - aaO).
Die zwischen den Parteien vereinbarte Ausschlußklausel ist damit nur auf Sittenwidrigkeit zu überprüfen. Der Zehnte Senat hat bei Anwendung dieses Kontrollmaßstabes eine zweistufige vertragliche Ausschlußklausel unbeanstandet gelassen, bei der beide Fristen lediglich einen Monat betrugen ( - 10 AZR 168/00 - aaO). Die streitbefangene Klausel ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil sie insgesamt länger ist. Unerheblich ist, daß unterschiedlich lange Ausschlußfristen für die erste und die zweite Stufe gelten.
Soweit die Klägerin in § 13 des Arbeitsvertrages Ansprüche auf Herausgabe von Ausrüstungsgegenständen von der Geltung der Ausschlußklausel ausgenommen hat, liegt darin keine Ungleichbehandlung, die die Wirksamkeit der Ausschlußfristen insgesamt in Frage stellen könnte. Absolute Rechte und damit auch Ansprüche auf Herausgabe des Eigentums fallen regelmäßig nicht unter eine Ausschlußklausel, die ihren Wirkungsbereich auf Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag oder dem Arbeitsverhältnis erstreckt (vgl. - BAGE 54, 365). Entsprechende Ansprüche beider Vertragsparteien waren deshalb von der hier streitbefangenen Ausschlußklausel ohnehin nicht erfaßt.
Der Umstand, daß der Beklagte sich während des Laufes des Arbeitsverhältnisses berufsbedingt längere Zeit im Ausland aufgehalten hat, kann allenfalls dazu führen, daß der Klägerin die Berufung auf die Ausschlußklausel nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist ( - aaO).
3. Die Klägerin verstößt mit der Berufung auf die Ausschlußfrist nicht gegen Treu und Glauben. Persönliche Umstände im Bereich des Beklagten haben diesen - wie in der Revision klargestellt - nicht von der Einhaltung der Ausschlußfrist abgehalten. Durch die Zahlung eines einmaligen Betrages von 2.485,72 DM hat die Klägerin auch nicht den Eindruck erweckt, sie werde ohne Rücksicht auf Ausschlußfristen die Restforderung ausgleichen (zu derartigen Fallgestaltungen - BAGE 14, 140).
II. Der Beklagte hat gem. § 97 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2002 S. 2285 Nr. 44
DB 2002 S. 1720 Nr. 33
GAAAB-95042
1Für die Amtliche Sammlung: Nein; Für die Fachpresse: Ja