BAG Beschluss v. - 7 ABR 9/05

Leitsatz

[1] 1. Wird die Schwerbehindertenvertretung eines Betriebs nach § 94 Abs. 6 Satz 3 SBG IX im vereinfachten Wahlverfahren gewählt, obwohl dem Betrieb nicht weniger als 50 wahlberechtigte schwerbehinderte Menschen angehören, berechtigt dies zur Anfechtung der Wahl nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX iVm. § 19 BetrVG.

2. Ob die Wahl der Schwerbehindertenvertretung im vereinfachten Wahlverfahren durchzuführen ist, hängt von der Anzahl der dem Betrieb angehörenden wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen im Zeitpunkt der Einleitung der Wahl ab. Dies ist bei der Wahl im förmlichen Wahlverfahren der Erlass des Wahlausschreibens (§ 5 SchwbVWO), bei der Wahl im vereinfachten Wahlverfahren die Einladung zu der Wahlversammlung (§ 19 Abs. 1 SchwbVWO).

Gesetze: SGB IX § 94 Abs. 6; SchwbVWO § 2; SchwbVWO § 18; SchwbVWO § 19; BetrVG § 19

Instanzenzug: ArbG Dortmund 3 BV 142/02 vom LAG Hamm 13 TaBV 10/04 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am durchgeführten Wahl der Schwerbehindertenvertretung.

Die zu 4) beteiligte Arbeitgeberin beschäftigt ca. 640 Arbeitnehmer, davon ca. 50 schwerbehinderte Menschen. Anfang September 2002 forderte die amtierende Vertrauensperson P bei der Arbeitgeberin zur Vorbereitung der Neuwahl der Schwerbehindertenvertretung eine Liste der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Menschen an. Die der Schwerbehindertenvertretung übergebene vom datierende Liste weist 49 Personen aus. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens erstellte die Arbeitgeberin weitere Listen mit dem Stand , , , und vom . Diese enthalten jeweils mehr als 50 schwerbehinderte Menschen. Nach der Liste vom gehörten dem Betrieb zu diesem Zeitpunkt 55 schwerbehinderte Menschen an. Die Liste enthielt ursprünglich 56 Namen, der unter der lfd. Nr. 18 aufgeführte Name ist jedoch gestrichen.

Die Vertrauensperson P beschloss am , die Wahl im vereinfachten Wahlverfahren durchzuführen und lud die schwerbehinderten Arbeitnehmer durch Aushang vom zur Wahlversammlung am ein. In der Wahlversammlung erfolgte die Wahl der zu 5) beteiligten Schwerbehindertenvertretung. Das Wahlergebnis wurde am durch Aushang bekannt gemacht.

Mit dem am beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag haben die zu 1) bis 3) beteiligten schwerbehinderten Menschen W , K und C die Wahl vom angefochten. Sie haben die Auffassung vertreten, bei der Wahl sei gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens verstoßen worden. Die Wahl habe nicht im vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt werden dürfen, da am Wahltag in dem Betrieb mehr als 49 wahlberechtigte schwerbehinderte Menschen beschäftigt gewesen seien.

Die Antragsteller haben beantragt,

festzustellen, dass die Wahl des Schwerbehindertenvertreters vom unwirksam ist.

Die Schwerbehindertenvertretung hat die Zurückweisung des Antrags beantragt.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Nach Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung ist der zu 1) beteiligte Antragsteller W mit Wirkung zum in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Schwerbehindertenvertretung zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Schwerbehindertenvertretung ihren Zurückweisungsantrag weiter. Die Antragsteller beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben dem Antrag zu Recht stattgegeben.

I. Der Antrag ist zulässig.

1. Bei dem Antrag handelt es sich trotz seiner Formulierung als Feststellungsantrag um eine Wahlanfechtung iSv. § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX iVm. § 19 BetrVG. Dies ergibt sich aus der Antragsschrift, in der die Antragsteller die für die Wahlanfechtung zutreffende rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts beantragt haben, die Wahl der Schwerbehindertenvertretung für unwirksam zu erklären. In der Antragsbegründung haben die Antragsteller ausdrücklich geltend gemacht, die Wahl sei anfechtbar, da gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens verstoßen worden sei. Diese Auffassung haben die Antragsteller während des gesamten Verfahrens aufrecht erhalten. Die Antragsteller erstreben daher trotz der in der Anhörung vor dem Arbeitsgericht am erfolgten Umformulierung des Antrags nicht die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl, sondern begehren eine für die Zukunft wirkende rechtsgestaltende gerichtliche Entscheidung (vgl. dazu - AP BetrVG 1972 § 51 Nr. 4 = EzA BetrVG 2001 § 51 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 1 der Gründe).

2. Die Wahlanfechtung ist entgegen der Auffassung der Schwerbehindertenvertretung nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX iVm. § 19 BetrVG statthaft. § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX erklärt die Vorschriften über die Wahlanfechtung bei der Wahl des Betriebsrats ausdrücklich für sinngemäß anwendbar.

3. Die für die Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 2 BetrVG erforderlichen Voraussetzungen sind erfüllt.

a) Die Wahl wurde rechtzeitig innerhalb der nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG einzuhaltenden Anfechtungsfrist von zwei Wochen nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses angefochten. Das Wahlergebnis wurde am durch Aushang bekannt gemacht. Die Antragsschrift zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens ging am beim Arbeitsgericht ein.

b) Die Wahl wurde von drei Wahlberechtigten angefochten (§ 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).

Bei den drei Antragstellern handelt es sich unstreitig um schwerbehinderte Menschen, die zum Zeitpunkt der Wahl in dem Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigt waren. Die Wahlberechtigung des zu 1) beteiligten Antragstellers ist zwar durch dessen Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit mit Wirkung ab nachträglich entfallen, weil er seitdem dem Betrieb nicht mehr angehört. Ein in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eintretender Arbeitnehmer steht zwar noch in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber. Er ist aber nicht mehr in die Betriebsorganisation eingegliedert. Eine Rückkehr in den Betrieb ist nicht vorgesehen, sondern ein unmittelbarer Eintritt in den Ruhestand nach dem Ende der Freistellungsphase. Der Arbeitnehmer scheidet daher mit dem Ende der aktiven Tätigkeit endgültig aus dem Betrieb aus ( - BAGE 106, 64 = AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 7 = EzA BetrVG 2001 § 9 Nr. 1, zu II 2 b der Gründe zur Betriebszugehörigkeit nach § 9 BetrVG). Damit endet auch die Wahlberechtigung zur Schwerbehindertenvertretung.

Der während des Wahlanfechtungsverfahrens eintretende Verlust der Wahlberechtigung des zu 1) beteiligten Antragstellers hat aber nicht die Unzulässigkeit der Wahlanfechtung zur Folge. Die Wahlberechtigung des die Wahl anfechtenden Arbeitnehmers muss nur zum Zeitpunkt der Wahl gegeben sein. Ein späterer Wegfall der Wahlberechtigung durch Ausscheiden aus dem Betrieb nimmt dem Arbeitnehmer die Anfechtungsbefugnis nicht ( - BAGE 61, 125 = AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 17 = EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 28, zu B der Gründe). Nur wenn sämtliche die Wahl anfechtenden Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheiden, führt dies zur Unzulässigkeit des Antrags, da für die Fortführung des Wahlanfechtungsverfahrens in diesem Fall kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht ( - aaO, zur Anfechtung der Betriebsratswahl). Dieser Ausnahmefall liegt jedoch nicht vor. Nach der Wahl ist lediglich die Wahlberechtigung des Antragstellers zu 1) entfallen. Die Antragsteller zu 2) und 3) sind nach wie vor im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigte schwerbehinderte Menschen und damit zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung wahlberechtigt. Das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl besteht daher fort.

II. Der Antrag ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Wahl der Schwerbehindertenvertretung vom zu Recht für unwirksam erklärt, da bei der Wahl gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen wurde und nicht auszuschließen ist, dass das Wahlergebnis bei einer ordnungsgemäßen Wahl anders ausgefallen wäre (§ 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX, § 19 Abs. 1 BetrVG). Die Wahl hätte nicht im vereinfachten Wahlverfahren nach § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX iVm. §§ 18 ff. Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (SchwbVWO) durchgeführt werden dürfen, da dem Betrieb der Arbeitgeberin bei Einleitung der Wahl am nicht weniger als 50 wahlberechtigte schwerbehinderte Menschen angehörten.

1. Nach § 96 Abs. 6 Satz 2 SGB IX iVm. § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl der Schwerbehindertenvertretung beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Wird die Wahl der Schwerbehindertenvertretung im vereinfachten statt im förmlichen Wahlverfahren durchgeführt, liegt darin ein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren iSv. § 19 Abs. 1 BetrVG ( - AP SGB IX § 94 Nr. 3= EzA SGB IX § 94 Nr. 1, zu B II 5 der Gründe; vgl. zur Betriebsratswahl: - BAGE 108, 375 = AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 54 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 2). Bei der Regelung in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX über die Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens handelt es sich um eine zwingende Vorschrift und nicht lediglich um eine Soll- oder Ordnungsvorschrift, deren Nichtbeachtung grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Gültigkeit der Wahl hat.

2. Nach § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX wird in Betrieben mit weniger als 50 wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied im vereinfachten Wahlverfahren gewählt, sofern der Betrieb nicht aus räumlich weit auseinander liegenden Teilen besteht. Die Vorschrift eröffnet nicht lediglich die Möglichkeit, die Schwerbehindertenvertretung im vereinfachten Wahlverfahren zu wählen, sondern ordnet dieses Wahlverfahren bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend an.

Für die Frage, ob die Wahl der Schwerbehindertenvertretung im vereinfachten Wahlverfahren durchzuführen ist, kommt es nach dem Wortlaut des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX - anders als bei der für das vereinfachte Wahlverfahren nach § 14a BetrVG maßgebenden Beschäftigtenzahl - nicht auf die Anzahl der in der Regel in dem Betrieb beschäftigten wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen an. Deshalb ist im Rahmen der Vorbereitung der Wahl keine prognostische Bewertung der für den Betrieb typischen Anzahl schwerbehinderter Menschen anhand der bisherigen Anzahl schwerbehinderter Menschen des Betriebs unter Berücksichtigung der künftigen personellen Entwicklung vorzunehmen. Eine derartige Prognose ließe sich auch nicht zuverlässig erstellen, da die Anzahl der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen weder von betrieblichen Planungen abhängt, noch auf Grund sonstiger objektiver Anhaltspunkte mit einiger Sicherheit vorhersehbar ist. Maßgeblich für die Frage, ob die Wahl der Schwerbehindertenvertretung im vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt werden muss, ist daher die Anzahl der dem Betrieb angehörenden wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen zur Zeit der Wahl. Dabei kommt es nicht auf die Anzahl der schwerbehinderten Menschen des Betriebs am Wahltag an (so aber zB Pahlen in Neumann/Pahlen/Majerski/Pahlen 10. Aufl. § 18 SchwbVWO Rn. 1; GK-SGB IX/ Schimanski Stand: Oktober 2005 § 94 Rn. 16 und Rn. 43).Dafür könnte zwar sprechen, dass grundsätzlich alle Voraussetzungen für eine wirksame Wahl am Wahltag vorliegen müssen. Dem steht jedoch das den Wahlvorschriften zu entnehmende Ziel, eine kontinuierliche Vertretung schwerbehinderter Menschen im Betrieb sicherzustellen, entgegen. Dies gebietet es, die Art des Wahlverfahrens nach der Anzahl der dem Betrieb angehörenden schwerbehinderten Menschen im Zeitpunkt der Einleitung der Wahl zu bestimmen.

Ist die Wahl im förmlichen Wahlverfahren durchzuführen, hat die Schwerbehindertenvertretung nach § 1 Abs. 1 SchwbVWO spätestens acht Wochen vor Ablauf ihrer Amtszeit einen Wahlvorstand zu bestellen, der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO die Wahl vorbereitet und durchführt. Der Wahlvorstand ist nach § 2 Abs. 3 SchwbVWO verpflichtet, die Wahl unverzüglich einzuleiten. Die Wahl soll nach § 2 Abs. 3 SchwbVWO innerhalb von sechs Wochen, spätestens jedoch eine Woche vor dem Tag stattfinden, an dem die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung abläuft. Daraus ergibt sich, dass die Wahl der Schwerbehindertenvertretung möglichst noch während der Amtszeit der bisherigen Schwerbehindertenvertretung erfolgen soll, damit die neu gewählte Schwerbehindertenvertretung ihre Tätigkeit entsprechend der Regelung in § 94 Abs. 7 Satz 2 SGB IX unmittelbar nach Beendigung der Amtszeit der bisherigen Schwerbehindertenvertretung aufnehmen kann. Dadurch soll eine kontinuierliche Vertretung der schwerbehinderten Menschen im Betrieb gewährleistet werden. Diesem Zweck dient auch die für die Wahl im vereinfachten Wahlverfahren geltende Regelung in § 18 Abs. 1 SchwbVWO. Danach hat die Schwerbehindertenvertretung spätestens drei Wochen vor Ablauf ihrer Amtszeit die Wahlberechtigten durch Aushang oder sonst in geeigneter Weise zur Wahlversammlung einzuladen. Dem mit diesen Regelungen verfolgten Ziel, eine ununterbrochene Vertretung schwerbehinderter Menschen im Betrieb sicherzustellen, liefe es zuwider, wenn die Anzahl der dem Betrieb angehörenden wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen am Wahltag für die Art des Wahlverfahrens ausschlaggebend wäre. Die unterschiedliche Ausgestaltung des förmlichen und des vereinfachten Wahlverfahrens sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht schließt es aus, am Wahltag von einem Wahlverfahren zu dem anderen Wahlverfahren überzugehen, wenn die Anzahl der wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen im Betrieb am Wahltag auf mindestens 50 gestiegen oder auf unter 50 gesunken ist. Wäre die Anzahl wahlberechtigter schwerbehinderter Menschen des Betriebs am Wahltag für die Art des Wahlverfahrens entscheidend, müsste in diesen Fällen die Wahl abgebrochen und das dann zutreffende Wahlverfahren neu eingeleitet werden. Dies führte zu nicht unerheblichen zeitlichen Verzögerungen und könnte im Einzelfall auch den Abbruch der erneuten Wahl zur Folge haben, wenn sich an dem neu festgesetzten Wahltag herausstellt, dass sich die Zahl der dem Betrieb angehörenden wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen erneut in entscheidender Weise geändert hat. Wegen der damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen bestünde in diesen Fällen nach Ablauf der Amtszeit der bisherigen Schwerbehindertenvertretung vorübergehend keine Vertretung schwerbehinderter Menschen in dem Betrieb. Dies soll jedoch durch die Vorschriften über das Wahlverfahren gerade vermieden werden. Deshalb ist für die Art des Wahlverfahrens die Anzahl der dem Betrieb angehörenden wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen im Zeitpunkt der Einleitung der Wahl maßgebend. Dies ist entgegen der Auffassung der Schwerbehindertenvertretung allerdings nicht der Zeitpunkt, zu dem die amtierende Schwerbehindertenvertretung zur Vorbereitung der Wahl eine Liste der dem Betrieb angehörenden schwerbehinderten Menschen von dem Arbeitgeber anfordert oder erhält, sondern der Zeitpunkt, zu dem die Wahl gegenüber den Wahlberechtigten verbindlich eingeleitet wird. Bei der Wahl im förmlichen Wahlverfahren ist dies der Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens (§ 5 SchwbVWO), bei der Wahl im vereinfachten Wahlverfahren der Zeitpunkt der Einladung zur Wahlversammlung (§ 19 SchwbVWO). Ändert sich danach die Zahl der wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen des Betriebs, ist dies für die Art des Wahlverfahrens nicht von Bedeutung.

3. Nach diesen Grundsätzen ist die Wahl der Schwerbehindertenvertretung vom unwirksam. Die Wahl durfte nicht im vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt werden. Entgegen der Auffassung der Schwerbehindertenvertretung kommt es nicht auf die Anzahl der dem Betrieb am angehörenden wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen an, sondern auf deren Anzahl im Zeitpunkt der Einleitung der Wahl am durch Aushang der Einladung zu der Wahlversammlung. An diesem Tag gehörten dem Betrieb mindestens 51 wahlberechtigte schwerbehinderte Menschen an. In der von der Arbeitgeberin nachträglich zu diesem Stichtag erstellten Liste sind 55 schwerbehinderte Menschen aufgeführt. Entgegen der Auffassung der Schwerbehindertenvertretung waren die in der Liste genannten schwerbehinderten Menschen L und S am wahlberechtigt. Sie bezogen zu diesem Zeitpunkt zwar seit März bzw. April 2002 befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Dies führte aber weder zur Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse noch zum Verlust ihrer für die Wahlberechtigung nach § 94 Abs. 2 SGB IX erforderlichen Zugehörigkeit zum Betrieb. Bei der nur befristeten Rentenbewilligung ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer nach Fristablauf wieder in den Betrieb zurückkehren wird. Das Arbeitsverhältnis ruht lediglich während der Dauer der Rentenbewilligung, ähnlich wie bei Arbeitnehmern, die vorübergehend Elternzeit in Anspruch nehmen oder Wehr- oder Zivildienst ableisten. Dadurch wird die Zugehörigkeit zum Betrieb nicht endgültig aufgehoben ( - BAGE 106, 64 = AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 7 = EzA BetrVG 2001 § 9 Nr. 1, zu II 2 b der Gründe; - 7 ABR 18/00 - BAGE 96, 163 = AP BetrVG 1952 § 76 Nr. 32 = EzA BetrVG 1972 § 76 Nr. 16, zu B 3 c der Gründe; - 7 AZR 574/88 - AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 44 Nr. 9, zu 1 der Gründe; - 1 ABR 27/73 - BAGE 26, 107 = AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 2, zu II 4 c der Gründe). Demgegenüber war der in der Liste aufgeführte Arbeitnehmer P am nicht wahlberechtigt, da er sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befand. Zugunsten der Schwerbehindertenvertretung kann unterstellt werden, dass auch die in der Liste genannten Arbeitnehmer G , H und K bei der Ermittlung der Anzahl der wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen des Betriebs am nicht zu berücksichtigen waren, da sie ihre bereits bestehende Schwerbehinderung erst nach diesem Zeitpunkt im Betrieb bekannt gegeben haben. Bei Außerachtlassung dieser Arbeitnehmer gehörten dem Betrieb der Arbeitgeberin am 51 schwerbehinderte Menschen an. Die Wahlberechtigung dieser Personen hat die Schwerbehindertenvertretung nicht - zumindest nicht substantiiert - bestritten. Dies gilt nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch für den Beschäftigten He . Die Wahl hätte daher im förmlichen Wahlverfahren durchgeführt werden müssen.

4. Die Wahl beruht auf dem Verfahrensmangel (§ 19 Abs. 1 BetrVG). Es ist regelmäßig nicht auszuschließen, dass das Wahlergebnis anders ausgefallen wäre, wenn die Wahl im förmlichen Wahlverfahren anstatt im vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt worden wäre (vgl. dazu - AP SGB IX § 94 Nr. 3 = EzA SGB IX § 94 Nr. 1, zu B II 5 der Gründe). So verhält es sich nach den zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch im vorliegenden Fall.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1456 Nr. 26
DB 2006 S. 847 Nr. 15
PAAAB-94644

1Für die Amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein