BAG Beschluss v. - 7 ABR 42/04

Leitsatz

[1] Rechtsanwaltskosten, die einem Arbeitnehmer anläßlich der Durchführung eines im Zusammenhang mit der Aufsichtsratswahl stehenden arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens entstanden sind, gehören jedenfalls dann nicht zu den nach § 20 Abs. 3 Satz 1 MitbestG vom Unternehmen zu tragenden Kosten der Aufsichtsratswahl, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos war.

Gesetze: MitbestG § 20 Abs. 3 Satz 1

Instanzenzug: ArbG Frankfurt am Main 9 BV 134/03 vom Hessisches LAG 9/6 TaBV 9/04 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Rechtsanwaltskosten.

Der Antragsteller ist Mitglied des im Betrieb der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin bestehenden Betriebsrats. Er war außerdem Mitglied im "Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der Chemischen Industrie e.V." (VAA). Am wurde er wegen einer E-Mail-Aktion von der Mitgliedschaft in dem VAA ausgeschlossen. Am erwirkte der Antragsteller beim Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung, wonach der VAA verpflichtet wurde, den Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren als ordentliches Mitglied zu behandeln.

Im Unternehmen der Arbeitgeberin fand in der Zeit vom 16. bis die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer statt. Die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen lief am ab. Es wurde ua. ein Wahlvorschlag IG BCE-VAA eingereicht, auf dem der Antragsteller nicht als Kandidat aufgeführt war. Der Wahlvorstand prüfte diesen Wahlvorschlag in seiner Sitzung am und ließ ihn zur Wahl zu. Am beantragte der Antragsteller beim Arbeitsgericht, den Wahlvorstand im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, die Aufsichtsratswahl so lange zu unterbrechen, bis er die Möglichkeit hatte, für die Vorschlagsliste IG BCE-VAA zu kandidieren, hilfsweise, den Wahlvorstand zu verpflichten, den Wahlvorschlag IG BCE-VAA nicht zur Aufsichtsratswahl zuzulassen. Bei der Anhörung vor dem Arbeitsgericht am beantragte er außerdem hilfsweise, ihm eine Frist von drei Tagen ab Verkündung der Entscheidung des Gerichts einzuräumen, um eine Vorschlagsliste beim Wahlvorstand einreichen zu können. Zur Begründung der Anträge berief sich der Antragsteller auf Art. 9 Abs. 3 GG und machte geltend, der Wahlvorstand hätte den Wahlvorschlag IG BCE-VAA nicht zur Wahl zulassen dürfen, weil ihm der VAA trotz des Urteils des Landgerichts Köln nicht die Möglichkeit zur Kandidatur für diesen Wahlvorschlag eingeräumt habe. Dadurch sei er in seiner Koalitionsfreiheit und in der Ausübung seines passiven Wahlrechts beeinträchtigt worden. Zur Durchführung des unter dem Aktenzeichen - 11 BV Ga 494/02 - vor dem Arbeitsgericht geführten Beschlussverfahrens beauftragte der Antragsteller einen Rechtsanwalt. Das Arbeitsgericht wies die Anträge durch rechtskräftigen Beschluss vom zurück. Mit Schreiben vom stellte der Verfahrensbevollmächtigte dem Antragsteller für die Vertretung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren Gebühren in Höhe von 591,60 Euro in Rechnung. Mit dem vorliegenden Beschlussverfahren verlangt der Antragsteller von der Arbeitgeberin die Erstattung dieser Kosten.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, bei den Rechtsanwaltskosten handele es sich um Kosten der Aufsichtsratswahl, die die Arbeitgeberin zu tragen habe. Er habe die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Erwirkung einer einstweiligen Verfügung für erforderlich halten dürfen, weil in dem Beschlussverfahren schwierige verfassungsrechtliche Fragen zu behandeln gewesen seien und andere Verfahrensbeteiligte ebenfalls anwaltlich oder durch einen Verband vertreten gewesen seien.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, ihn von den anwaltlichen Gebühren in dem Verfahren -11 BV Ga 494/02 - in Höhe von 591,60 Euro freizustellen.

Die Arbeitgeberin hat die Zurückweisung des Antrags beantragt.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen, nachdem dieser die Kostenrechnung selbst beglichen und den Antrag in zweiter Instanz dahingehend gefasst hatte, die Arbeitgeberin zu verpflichten, an ihn 591,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen zuletzt gestellten Antrag weiter. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu Recht als unbegründet abgewiesen.

I. Der Antragsteller hat sein Begehren zutreffend im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geltend gemacht. Nach § 2a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ArbGG findet das Beschlussverfahren statt in Angelegenheiten aus dem Mitbestimmungsgesetz, soweit über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat zu entscheiden ist. Dazu gehören auch Streitigkeiten, die anlässlich der Wahl im Laufe des Wahlverfahrens ausgetragen werden (vgl. etwa Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge-Matthes ArbGG 5. Aufl. § 2a Rn. 57 mwN; Raiser MitbestG 3. Aufl. § 22 Rn. 24 ff.). Um eine solche Streitigkeit handelte es sich bei dem vom Antragsteller vor dem Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen - 11 BV Ga 494/02 - geführten Beschlussverfahren, aus dem der im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch resultiert. Da der Antragsteller den Kostenerstattungsanspruch allein auf die Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin nach § 20 Abs. 3 Satz 1 MitbestG stützt und eine andere Anspruchsgrundlage für sein Begehren nicht in Betracht kommt, handelt es sich auch bei dem vorliegenden Verfahren um eine Streitigkeit, die anlässlich der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer entstanden ist.

II. Der Antrag ist unbegründet. Die Arbeitgeberin ist nicht nach § 20 Abs. 3 Satz 1 MitbestG verpflichtet, dem Antragsteller die ihm anlässlich des beim Arbeitsgericht geführten einstweiligen Verfügungsverfahrens entstandenen Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Es kann dahinstehen, ob Kosten der Aufsichtsratswahl iSv. § 20 Abs. 3 Satz 1 MitbestG auch Prozesskosten sein können, die Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der Durchführung oder der Anfechtung der Wahl entstanden sind (so wohl Hanau/Ulmer MitbestG § 20 Rn. 28; aA GK-MitbestG/Matthes Stand: April 1992 § 20 Rn. 37; wohl auch Fitting/Wlotzke/Wißmann MitbestG 2. Aufl. § 20 Rn. 29; vgl. auch Raiser MitbestG 3. Aufl. § 20 Rn. 14 zu den Verfahrenskosten einer Gewerkschaft). Denn der Antrag ist unbegründet, weil die seinerzeitige Rechtsverfolgung durch den Antragsteller offensichtlich aussichtslos war. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

1. Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 MitbestG trägt das Unternehmen die Kosten der Aufsichtsratswahl. Eine entsprechende Regelung enthält § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG für die Betriebsratswahl. Deren Kosten trägt der Arbeitgeber. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gehören zu den Kosten einer Betriebsratswahl alle Kosten, die mit der Einleitung und Durchführung der Wahl sowie der gerichtlichen Überprüfung des Wahlergebnisses verbunden sind (vgl. etwa - 7 ABR 8/99 - BAGE 95, 30 = AP BetrVG 1972 § 20 Nr. 20 = EzA BetrVG 1972 § 20 Nr. 19, zu B II der Gründe mwN). Dazu zählen auch die Kosten eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, das zu Klärung von nicht behebbaren Meinungsverschiedenheiten im Laufe des Wahlverfahrens durchgeführt wird ( - 7 ABR 56/91 - BAGE 70, 126 = AP BetrVG 1972 § 20 Nr. 15 = EzA BetrVG 1972 § 20 Nr. 15, zu B II 2 a der Gründe). Auch die Kosten für die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten können zu den Kosten der Wahl gehören ( - 7 ABR 8/99 - aaO, zu B II 3 der Gründe; - 7 ABR 29/02 - AP BetrVG 1972 § 20 Nr. 21 = EzA BetrVG 2001 § 20 Nr. 1, zu II 1 a der Gründe). Das Gesetz normiert allerdings keine unbegrenzte Kostentragungspflicht des Arbeitgebers. Eine Zahlungspflicht besteht nur hinsichtlich der erforderlichen Kosten der Wahl. Die Kosten für die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten zur Durchführung eines im Zusammenhang mit der Wahl stehenden Beschlussverfahrens hat der Arbeitgeber jedenfalls dann nicht zu tragen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos erscheint oder die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten rechtsmissbräuchlich erfolgt und deshalb das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht missachtet wird ( - 7 ABR 4/98 -AP BetrVG 1972 § 20 Nr. 19 = EzA BPersVG § 24 Nr. 1, zu B 3 c aa der Gründe; - 7 ABR 8/99 - aaO; - 7 ABR 29/02 - aaO).

Diese zur Kostentragungspflicht des Arbeitgebers im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entwickelten Grundsätze gelten für die inhaltsgleich geregelte Kostentragungspflicht des Unternehmens für die Aufsichtsratswahl gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 MitbestG entsprechend.

2. Hiernach ist die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, die dem Antragsteller in dem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht entstandenen Rechtsanwaltskosten zu erstatten, da die Rechtsverfolgung des Antragstellers offensichtlich aussichtslos war.

a) Der Antragsteller hatte in jenem Verfahren mit dem Hauptantrag verlangt, die Aufsichtsratswahl so lange zu unterbrechen, bis er die Möglichkeit hatte, für den Wahlvorschlag IG BCE-VAA zu kandidieren. Mit dem ersten Hilfsantrag hatte er beantragt, dem Wahlvorstand aufzugeben, den Wahlvorschlag IG BCE-VAA nicht zur Wahl zuzulassen. Zur Begründung hatte er geltend gemacht, er sei zu Unrecht daran gehindert worden, sich im Rahmen eines demokratischen Wahlverfahrens um einen Listenplatz auf dem Wahlvorschlag IG BCE-VAA zu bewerben, obwohl er offensichtlich rechtswidrig aus dem VAA ausgeschlossen worden sei. Dadurch sei er in der Ausübung seines passiven Wahlrechts behindert worden. Außerdem habe darin ein massiver Eingriff in seine Koalitionsfreiheit gelegen.

b) Diese Anträge waren offensichtlich unbegründet. Der Wahlvorstand hatte den eingereichten Wahlvorschlag IG BCE-VAA zu Recht zur Wahl zugelassen. Ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften, der zur späteren Anfechtung der Wahl hätte berechtigen können, lag nicht vor. Der Wahlvorstand war entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht verpflichtet zu prüfen, ob der Wahlvorschlag nach koalitionsinternen Vorgaben ordnungsgemäß zustande gekommen war.

Nach § 34 Abs. 2 der für die Aufsichtsratswahl maßgeblichen zweiten Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz vom (WO) hatte der Wahlvorstand den Wahlvorschlag unverzüglich zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung den Vorschlagsvertreter schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Dieser Verpflichtung ist der Wahlvorstand nachgekommen. Er hat den Wahlvorschlag am geprüft und zur Wahl zugelassen. Ein Ungültigkeits- oder Beanstandungsgrund iSv. § 35 WO lag nicht vor und wurde vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht. Weder aus dem Mitbestimmungsgesetz noch aus der Wahlordnung ergibt sich eine Verpflichtung des Wahlvorstands zu prüfen, ob ein eingereichter Wahlvorschlag koalitionsintern nach demokratischen Grundsätzen zustande gekommen ist. Dies ist dem Wahlvorstand regelmäßig auch gar nicht möglich, weil ihm die dazu erforderlichen internen Kenntnisse fehlen. Im Übrigen handelte es sich bei dem Wahlvorschlag IG BCE-VAA nicht um den Wahlvorschlag einer Gewerkschaft, sondern um einen Wahlvorschlag der dem Unternehmen angehörenden Arbeitnehmer mit 216 Stützunterschriften. Die demokratische Legitimation eines derartigen Wahlvorschlags ergibt sich aus den geleisteten Stützunterschriften. Ob für die Aufnahme der Wahlbewerber in die Vorschlagsliste IG BCE-VAA besondere Voraussetzungen bestanden oder ein bestimmtes Verfahren seitens seiner Organisation einzuhalten war, ist nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht vorgetragen worden. Es war von Anfang an nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Wahlvorschlag nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sein soll und weshalb, von wem und auf welche Weise dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit zu einer Kandidatur auf diesem Wahlvorschlag hätte eingeräumt werden müssen. Wenn der Antragsteller die Auffassung vertrat, der VAA hätte ihm bei der Aufstellung des Wahlvorschlags auf Grund koalitionsinterner Vorgaben die Möglichkeit geben müssen, auf diesem Wahlvorschlag zu kandidieren, hätte er dies gegenüber dem VAA - ggf. durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung - vereinsrechtlich geltend machen müssen. Das gegenüber dem Wahlvorstand eingeleitete Beschlussverfahren war zur Durchsetzung seiner vermeintlichen koalitionsinternen Rechte von vornherein offenkundig ungeeignet.

c) Der im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht zusätzlich gestellte Hilfsantrag, dem Antragsteller eine Frist von drei Tagen ab Verkündung der Entscheidung des Gerichts einzuräumen, um einen eigenen Wahlvorschlag beim Wahlvorstand einreichen zu können, war ebenfalls offensichtlich unbegründet. Für dieses Begehren bestand ersichtlich keine Anspruchsgrundlage. Die Anhörung vor dem Arbeitsgericht fand am statt. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen bereits seit nahezu drei Wochen abgelaufen. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 WO sind Wahlvorschläge, die nicht fristgerecht eingereicht werden, ungültig und dürfen daher nicht zur Wahl zugelassen werden. Die Möglichkeit der Einräumung einer Nachfrist sieht das Gesetz nicht vor. Der Kläger hat daher mit dem Hilfsantrag vom Arbeitsgericht einen gesetzwidrigen Ausspruch verlangt.

d) Der Umstand, dass in dem damaligen Beschlussverfahren der Wahlvorstand durch eine Rechtsanwältin und die Arbeitgeberin durch einen Verband vertreten waren und die Arbeitgeberin die dem Wahlvorstand entstandenen Rechtsanwaltskosten erstattet hat, führt nicht zur Begründetheit des Kostenerstattungsanspruchs des Antragstellers. Die Rechtsverfolgung durch den Wahlvorstand war im Gegensatz zu derjenigen des Antragstellers nicht offensichtlich aussichtslos. Die Hinzuziehung einer Verfahrensbevollmächtigten durch den Wahlvorstand mag zwar möglicherweise wegen der eindeutigen Rechtslage nicht erforderlich gewesen sein. Wenn die Arbeitgeberin die dem Wahlvorstand entstandenen Rechtsanwaltskosten dennoch getragen hat, weil sich dieser zu Recht gegen die Anträge des Antragstellers verteidigt hat, ist dies nicht geeignet, einen Kostenerstattungsanspruch des Antragstellers gegenüber der Arbeitgeberin für das von ihm angestrengte offensichtlich aussichtslose Verfahren zu begründen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2005 S. 2360 Nr. 43
JAAAB-94620

1Für die Amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein