Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: 2. BesÜV vom § 4 Abs. 1 Satz 1; 2. BesÜV vom § 2 Abs. 1 Satz 1; BBesG § 73; Dienstordnung der gewerblichen Berufssgenossenschaften und der See-Berufsgenossenschaft § 12 Abs. 2; Einigungsvertrag Art. 3; BBG § 18
Instanzenzug: ArbG Magdeburg 8 Ca 2744/97 vom LAG Sachsen-Anhalt 3 Sa 233/98 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen ruhegehaltsfähigen Zuschuss nach § 4 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungsübergangsverordnung vom - 2. BesÜV-).
Der 1969 in Roßlau geborene Kläger wohnte in Dessau. Er legte dort 1988 die Abiturprüfung ab. Auf Grund eines Fortbildungsvertrags vom 22./ mit der Maschinenbau- und Kleineisenindustrieberufsgenossenschaft, Düsseldorf, nahm er ab dem für die Dauer von 36 Monaten an der Fortbildung nach der Fortbildungs- und Prüfungsordnung der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der See-Berufsgenossenschaft (FPO) vom idF der 1. Änderungsvereinbarung vom teil. Die praktische Fortbildung (§ 4 Abs. 1, § 5 FPO) fand in der Bezirksverwaltung Dessau dieser Berufsgenossenschaft, einer rechtlich unselbständigen Zweigstelle der Hauptverwaltung in Düsseldorf, statt. Bei dem Vorstellungsgespräch war dem Kläger mitgeteilt worden, dass er möglicherweise an einer anderen Zweigstelle oder in der Hauptverwaltung in Düsseldorf ausgebildet werde. Die theoretische Fortbildung (§ 4 Abs. 2, § 6 FPO) wurde vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V. in St. Augustin und dessen berufsgenossenschaftlicher Akademie für Arbeitssicherheit und Verwaltung in Hennef (BGA) durchgeführt. Im Hinblick auf Kapazitätsengpässe in der Umbruchphase konnten dort nicht alle Teilnehmer theoretisch fortgebildet werden. Deshalb wurden neun Außenstellen eingerichtet, davon vier in den neuen Bundesländern. Der Kläger wurde in der Zeit vom bis zum bei der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft ausgebildet. Die Lehrgänge fanden bis auf eine Ausnahme in den neuen Bundesländern statt. Der Ausbildungsort war durch Losentscheid ermittelt worden. Auch den praktischen Teil des Vorbereitungsdienstes leistete der Kläger ganz überwiegend in den neuen Bundesländern ab. Von der praktischen und theoretischen Fortbildung des Klägers wurden insgesamt 146 Wochen in den neuen Bundesländern und 10 Wochen in den alten Bundesländern durchgeführt. Den schriftlichen Teil der Prüfung legte der Kläger Ende Januar 1994 in unmittelbarem Anschluss an einen Lehrgang ab, der vom 2. bis in Hennef stattgefunden hatte. Die mündliche Prüfung fand am in Klink am Müritzsee statt. Mit ihr bestand der Kläger die Laufbahnprüfung für den gehobenen berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsdienst nach der FPO.
Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung mit Sitz in Hamburg. Gemäß § 4 ihrer Dienstordnung (DO) bestimmt sich die Besoldung der Angestellten nach den Vorschriften für Beamte des Bundes auf der Grundlage des Stellenplans. Gemäß § 12 Abs. 2 DO können Angestellte, die die Prüfung für den gehobenen Dienst abgelegt und das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nach der DO eingestellt werden. Es gelten insoweit die Vorschriften für Bundesbeamte auf Probe.
Die Beklagte stellte den Kläger auf Grund Vertrags vom einschließlich Änderungsvertrag vom mit Wirkung vom nach § 12 der DO mit der Maßgabe ein, dass für die Rechtsstellung und die Besoldung die Vorschriften für Bundesbeamte auf Probe gelten. Mit Wirkung vom wurde er in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 BBesO eingewiesen und mit Vertrag vom mit Wirkung vom auf Lebenszeit angestellt. Dem Kläger wurde gleichzeitig eine im Stellenplan der Beklagten freie Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 BBesO übertragen. Er wurde von Beginn an in der Bezirksverwaltung Magdeburg beschäftigt.
Durch Verfügung vom wurde dem Kläger mit Wirkung vom bis zum ein Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge nach § 4 Abs. 1 2. BesÜV in der Höhe der Differenz zwischen den gemäß § 2 Abs. 1 2. BesÜV abgesenkten Bezügen nach A 9 BBesO und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen gewährt. Ab dem wurde der Zuschuss nicht mehr gezahlt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Zuschuss sei über den hinaus zu gewähren. Seine Anstellung sei auf Grund der in den alten Bundesländern erworbenen Befähigungsvoraussetzungen erfolgt. Er habe dort auch seine Laufbahnprüfung abgelegt.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass er einen ruhegehaltsfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den Bezügen nach § 2 der 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen erhält.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, der Kläger könne keine höhere Vergütung verlangen. Nach der entsprechend anwendbaren 2. BesÜV erhielten erstmals ernannte Beamte im Beitrittsgebiet für eine Übergangszeit grundsätzlich eine abgesenkte Vergütung. Auf die Ausnahmevorschrift des § 4 2. BesÜV, wonach ein ruhegehaltsfähiger Zuschuss gezahlt wird, wenn die Ernennung auf Grund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen erfolgt ist, könne sich der Kläger nicht berufen. Er habe die Befähigungsvoraussetzungen nicht vollständig in den alten Bundesländern erworben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat weiterhin einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses nach § 4 2. BesÜV.
1. Nach dem Anstellungsvertrag vom regelt sich das Dienstverhältnis nach der Dienstordnung der Beklagten vom , wobei Änderungen der Dienstordnung für den Angestellten bindend sind. Danach bestimmt sich die Besoldung nach den Vorschriften für Beamte des Bundes. Dementsprechend sind für die Besoldung des Klägers das Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) und die auf § 73 BBesG beruhende 2. BesÜV maßgebend.
2. Gemäß § 1 2. BesÜV gelten für Beamte, die wie der Kläger nach In-Kraft- Treten des Einigungsvertrages in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) verwendet werden, die Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes, soweit nicht in der 2. BesÜV etwas anderes bestimmt ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV erhalten Beamte, die von ihrer erstmaligen Ernennung an im Beitrittsgebiet verwendet werden, eine gegenüber den für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen geringere Besoldung. Diese Vorschrift ist für die Dienstbezüge des Klägers maßgeblich. Er ist seit seiner Anstellung als DO-Angestellter auf Lebenszeit in Magdeburg und damit von seiner erstmaligen Ernennung an im Beitrittsgebiet verwendet wurde.
3. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf die Gewährung eines Zuschusses nach § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV.
a) Nach dieser Bestimmung erhalten Beamte mit Anspruch auf Besoldung nach § 2 2. BesÜV einen ruhegehaltsfähigen Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen, wenn sie auf Grund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden. Zwar wurde § 4 durch die am in Kraft getretene 4. BesÜVÄndV vom (BGBl. I S. 2713) geändert und zu einer "Kann-Vorschrift" umgestaltet. Gemäß § 12 2. BesÜV ist die bis zum geltende Fassung aber auf Beamte anzuwenden, die bis zu diesem Tage ernannt worden sind. Sie gilt dementsprechend auch für Dienstordnungsangestellte weiter, die bis zu diesem Tag als solche angestellt worden sind. Dazu zählt der Kläger.
b) § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV gilt für Personen, die die Befähigungsvoraussetzungen für die eingeschlagene Laufbahn im bisherigen Bundesgebiet erworben haben (vgl. Senat - 6 AZR 611/98 - AP BGB § 611 Dienstordnungs- Angestellte Nr. 71). Der Begriff der Befähigungsvoraussetzungen umfasst die für diesen Befähigungserwerb geforderten Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen. Das betrifft den Vorbildungsabschluss, den Vorbereitungsdienst im laufbahnrechtlichen Rahmen und - soweit vorgeschrieben - die Laufbahnprüfung. Für DO-Angestellte kann hinsichtlich des Begriff der Befähigungsvoraussetzungen nichts anderes gelten. Soweit die Dienstordnung in Anlehnung an die laufbahnrechtlichen Vorschriften der Bundesbeamten Voraussetzungen aufstellt, die für eine Anstellung in einer bestimmten Laufbahn erforderlich sind, müssen diese im bisherigen Bundesgebiet erworben worden sein.
c) Nach § 18 Bundesbeamtengesetz ist für die Laufbahn des gehobenen Dienstes gefordert,
1. eine zu einem Hochschulstudium berechtigende Schulbildung oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand,
2. ein Vorbereitungsdienst von drei Jahren,
3. die Ablegung der Laufbahnprüfung.
Zwar hat der Kläger seine Abiturprüfung im Beitrittsgebiet abgelegt. Dennoch verfügt er über eine Schulbildung iSd. laufbahnrechtlichen Voraussetzungen. Nach den bindenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts steht die Ablegung der Abiturprüfung im Beitrittsgebiet einem Anspruch auf den Zuschuss nach § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV (aF) nicht entgegen. Danach ist es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren, die Zuschussgewährung davon abhängig zu machen, ob der Abschluss einer allgemein bildenden Schule oder einer Berufsausbildung, die nach den laufbahnrechtlichen Vorschriften an die Stelle des Abschlusses einer bestimmten allgemein bildenden Schule treten kann, im bisherigen Bundesgebiet erworben worden ist. Denn die Schulbildung vermittelt in der Regel nicht die spezifisch fachbezogene Vorbildung für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben, sondern allgemeine (Grund-) Kenntnisse und -fähigkeiten, auf denen die weitere laufbahnbezogene Ausbildung erst aufbaut (vgl. Beschluss der Zweiten Kammer des Zweiten Senats - mwN). Der Schulbildung oder einer als gleichwertig angesehenen Berufsausbildung kommt somit für die Erreichung des mit der Zuschussregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV (aF) verfolgten Zwecks, ausreichend fachlich qualifiziertes Personal für den unverzüglichen Aufbau einer leistungsfähigen rechtsstaatlichen Verwaltung und Rechtspflege in den neuen Ländern zu gewinnen, nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die fachliche Qualifikation, auf die es insofern maßgeblich ankommt, wird regelmäßig erst durch den Vorbereitungsdienst und - soweit vorgeschrieben - die Laufbahnprüfung erworben. Damit bestehen zwischen Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die ihren Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet absolviert, aber im Beitrittsgebiet das Abitur erworben haben, und hinsichtlich ihrer Ausbildung vergleichbaren Bediensteten, die das Abitur in den alten Ländern erlangt haben, im Hinblick auf ihre fachliche Qualifikation keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine Versagung des Zuschusses sachlich rechtfertigen könnten. Um eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung zu vermeiden, ist es daher geboten, das Tatbestandsmerkmal der Befähigungsvoraussetzungen iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV (aF) dahingehend auszulegen, dass es nicht darauf ankommt, wo der zu den Vorbildungsvoraussetzungen gehörende allgemein bildende Schulabschluss oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand erworben wurde.
d) Der Kläger weist auch die übrigen Befähigungsvoraussetzungen für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV (aF) auf. Unerheblich ist, dass er den überwiegenden Teil des Vorbereitungsdienstes sowie den mündlichen Teil der Abschlussprüfung an Orten absolviert hat, die im Beitrittsgebiet liegen.
aa) Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es allerdings darauf an, dass die als Befähigungsvoraussetzung anzusehende Ausbildung und Prüfung an einem Ort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der Grenzen der in Art. 3 Einigungsvertrag genannten Länder und Landesteile absolviert worden ist. Damit enthält sich die Vorschrift jeglicher Bewertung zur Qualität der Ausbildung, von Vorbereitungs- und Ausbildungsabschlüssen sowie der Eignung, Leistung und fachlichen Befähigung des begünstigten Personenkreises. Sie setzt damit die Gleichwertigkeit der Vor- und Ausbildungen im bisherigen Beitrittsgebiet und dem früheren Bundesgebiet voraus ( -).
bb) Dementsprechend hat der Zuschuss ausschließlich mobilitätsfördernden Charakter. Er ist nach seinem Sinn und Zweck darauf gerichtet, qualifiziertes Personal zu gewinnen, das in den neuen Ländern zum Aufbau einer rechtsstaatlichen Verwaltung dringend benötigt wird (; - ZTR 1999, 385). Bis zu der Änderung der Vorschrift zum war ihr zeitlicher Geltungsbereich nicht beschränkt. Die Vorschrift galt demzufolge auch für Personen, die, wie der Kläger, erst nach dem Beitritt eine Ausbildung begonnen haben. Ihr Zweck war in Bezug auf diesen Personenkreis darauf gerichtet, geeignetes Personal aus dem Beitrittsgebiet zu gewinnen, das bereit war, nach einer Ausbildung und Ablegung der dafür vorgesehenen Abschlussprüfung in den alten Bundesländern in das Beitrittsgebiet zurückzukehren. Findet in einem solchen Fall die Ausbildung nach Maßgabe eines einheitlichen, für das gesamte Bundesgebiet geltenden Ausbildungs- und Prüfungsordnung in der Verantwortung eines Ausbildungsträgers mit Sitz im bisherigen Bundesgebiet statt, und entscheidet über den Ort der Ausbildung ausnahmsweise ein Losverfahren, weil aus Gründen vorübergehender Engpässe in der räumlichen Unterbringung der Auszubildenden genügend Ausbildungsstätten im Gebiet der alten Bundesbundesländer nicht zur Verfügung stehen, kommt dem im Beitrittsgebiet gelegenen Ausbildungs- und Prüfungsort nach dem Zweck der Vorschrift nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Ein anderes Auslegungsergebnis hätte ansonsten eine Ungleichbehandlung derjenigen Personen zur Folge, denen per Losentscheid in einer dem Kläger vergleichbaren Lage ein Ausbildungsort in den alten Bundesländern zugewiesen worden ist. Für eine solche Ungleichbehandlung wäre eine sachliche, vom Zweck der Ausnahmeregelung bestimmte, Rechtfertigung nicht ersichtlich. Es handelte sich in beiden Fällen um eine einheitliche Ausbildung, die identisches Fachwissen vermittelte und deren Teilnahme für Absolventen aus dem Beitrittsgebiet die Bereitschaft voraussetzte, die Ausbildung außerhalb der neuen Bundesländer zu absolvieren.
Fundstelle(n):
LAAAB-94521
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