Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: TVG § 3 Abs. 1; TVG § 4 Abs. 1; TVG § 4 Abs. 5; MTV/ETV für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden in Betriebsküchen, Kasinos, Kantinen und sonstigen Verpflegungsbetrieben vom ; MTV für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Thüringen vom ; ETV für die Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe des Freistaates Thüringen vom bzw.
Instanzenzug: ArbG Erfurt 5 Ca 697/02 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsdifferenzen für den Zeitraum von August 2001 bis April 2002.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem als Küchenhilfe mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die Beklagte betreibt bundesweit ua. Betriebsgastronomie und unterhält auch Betriebsstätten im Freistaat Thüringen. Sie ist Mitglied des Bundesverbandes Betriebsgastronomie e.V. (BVBG). Außerdem ist sie Mitglied der Fachabteilung Gemeinschaftsverpflegung im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa). § 3 der Satzung dieser Fachabteilung bestimmt, dass die ordentlichen Mitglieder zugleich Mitglieder in den Landesverbänden der DeHoGa sind, in denen sie Betriebsstätten unterhalten.
Am vereinbarten die NGG und der BVBG den Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden in Betriebsküchen, Kasinos, Kantinen und sonstigen Verpflegungsbetrieben (MTV BG 1996) und den Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden in Betriebsküchen, Kasinos, Kantinen und sonstigen Verpflegungsbetrieben (ETV BG 1996). Der ETV BG 1996 wurde von der NGG zum gekündigt; ein neuer Entgelttarifvertrag wurde nicht abgeschlossen. Über das Vermögen des BVBG wurde mit Beschluss vom das Konkursverfahren eröffnet.
Die NGG vereinbarte mit dem Thüringer Hotel- und Gaststättenverband e.V. am den Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Thüringen (MTV HoGa Thüringen 1998), am den Entgelttarifvertrag für die Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe des Freistaates Thüringen (ETV HoGa Thüringen 2001) und am den Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Freistaates Thüringen (ETV HoGa Thüringen 2002).
Die Beklagte zahlte der Klägerin für die in den Monaten August bis Dezember 2001 zu vergütenden insgesamt 803 Stunden jeweils 12,89 DM brutto pro Stunde und für die in den Monaten Januar bis April 2002 zu vergütenden insgesamt 598 Stunden jeweils 6,59 Euro brutto pro Stunde. Mit Schreiben vom und vom verlangte die Klägerin die Differenz zur höheren Vergütung nach dem ETV HoGa Thüringen 2001 bzw. ETV HoGa Thüringen 2002.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin diese Vergütungsansprüche für den Zeitraum von August 2001 bis April 2002 weiter. Sie hat die Ansicht vertreten, ihre Vergütung sei nach dem ETV HoGa Thüringen 2001 bzw. ab nach dem ETV HoGa Thüringen 2002 zu berechnen, weil diese Tarifverträge als andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG den lediglich nachwirkenden ETV BG 1996 abgelöst hätten. Ausgehend von der Eingruppierung in die Bewertungsgruppe 4.3 hat die Klägerin zuletzt eine Stundenvergütung von 13,11 DM (= 6,71 Euro) brutto und ab von 6,84 Euro brutto zugrunde gelegt, weil sie entsprechend der Regelung in § 8 der ETV HoGa Thüringen 2001 und 2002 das sich aus der Entgelttabelle ergebende Monatsentgelt durch 173 Stunden geteilt hat. Dementsprechend hat die Klägerin zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 218,52 Euro brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem , hilfsweise seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, bei dem MTV HoGa Thüringen 1998 und den ETV HoGa Thüringen 2001 und 2002 handele es sich um aufeinander abgestimmte Tarifverträge ebenso wie bei dem MTV BG 1986 und dem ETV BG 1996. Die inhaltlich aufeinander abgestimmten Tarifverträge stellten jeweils ein Tarifgefüge dar, welches nicht künstlich getrennt werden dürfe. Das speziellere Tarifgefüge verdränge das allgemeinere Tarifgefüge, so dass für die Anwendung der ETV HoGa Thüringen 2001 und 2002 kein Raum sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte in der Sache die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Klägerin steht die höhere Vergütung nach dem ETV HoGa Thüringen 2001 und dem ETV HoGA Thüringen 2002 für die Monate August 2001 bis April 2002 zu.
I. Im Streitzeitraum galt für das Arbeitsverhältnis der Parteien zunächst der ETV HoGa Thüringen 2001, dann ab Februar 2002 der ETV HoGa Thüringen 2002 auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG.
1. Bis zum In-Kraft-Treten des ETV HoGa Thüringen 2001 galt für das Arbeitsverhältnis der Parteien der ETV BG 1996 auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG. Die Klägerin war Mitglied der NGG und die Beklagte Mitglied des BVBG. Das Arbeitsverhältnis fiel auch in den Geltungsbereich des ETV BG 1996, der räumlich für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und fachlich für alle in eigener und fremder Regie geführten Küchen, Kasinos und Kantinen in privaten und öffentlichen Betrieben galt. Seit dem wirkte der ETV BG 1996 auf Grund der Kündigung durch die NGG zum gem. § 4 Abs. 5 TVG nach. Seine Rechtsnormen galten weiterhin unmittelbar für das Arbeitsverhältnis der Parteien, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wurden.
2. Die Nachwirkung des ETV BG 1996 ist dadurch beendet worden, dass für das Arbeitsverhältnis der Parteien der ETV HoGa Thüringen 2001 ab seinem In-Kraft-Treten am als andere Abmachung auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG galt.
a) Die Ablösung der Nachwirkung eines Tarifvertrages nach § 4 Abs. 5 TVG durch einen anderen Tarifvertrag setzt voraus, dass dieser das Arbeitsverhältnis erfasst, was - abgesehen von dem Fall der arbeitsvertraglichen Bezugnahme - die beiderseitige Tarifgebundenheit oder die Allgemeinverbindlichkeit gem. § 5 TVG erfordert (vgl. Senat - 4 AZR 212/00 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 38 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 32 mwN).
b) Diese Voraussetzung war im Jahre 2001 erfüllt. Klägerin und Beklagte waren an den ETV HoGa Thüringen 2001 gebunden. Die Klägerin war Mitglied der NGG und die Beklagte durch ihre Mitgliedschaft in der Fachabteilung Gemeinschaftsverpflegung DeHoGa gleichzeitig Mitglied des Thüringer Hotel- und Gaststättenverbandes e.V. Das Arbeitsverhältnis fiel auch unter den Geltungsbereich des ETV HoGa Thüringen 2001. Davon gehen die Parteien und die Vorinstanzen übereinstimmend aus.
c) Somit galt ab dem zunächst der ETV HoGa Thüringen 2001. Dieser Tarifvertrag ist ab dem durch den nachfolgenden, für den gleichen Geltungsbereich abgeschlossenen ETV HoGa Thüringen 2002 abgelöst worden, der auf Grund der fortdauernden beiderseitigen Tarifgebundenheit der Parteien an die Stelle des ETV HoGa Thüringen 2001 getreten ist.
d) Die Ablösung des ETV BG 1996 nach § 4 Abs. 5 TVG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil zwischen ETV BG 1996 und ETV HoGa Thüringen 2001 ein zu Gunsten des erstgenannten Tarifvertrages aufzulösendes Konkurrenzverhältnis bestanden hätte. Es kann unentschieden bleiben, ob ein speziellerer Tarifvertrag, der zunächst einen allgemeineren Tarifvertrag verdrängt hatte, ab Eintritt der Nachwirkung durch diesen ohne Weiteres nach § 4 Abs. 5 TVG abgelöst wird. Ebenso kann offen bleiben, ob ein allgemeinerer Tarifvertrag, der nach Eintritt der Nachwirkung eines spezielleren Tarifvertrages wirksam wird, auch dann nach § 4 Abs. 5 TVG als "andere Abmachung" an dessen Stelle tritt, wenn über einen - veränderten - Neuabschluss des spezielleren Tarifvertrages verhandelt wird (vgl. hierzu etwa Löwisch/Rieble FS Schaub S. 457, 462; Däubler/Bepler TVG § 4 Rn. 860 f.). Die Ablösung nach § 4 Abs. 5 TVG findet jedenfalls dann statt, wenn - wie im vorliegenden Fall - der allgemeinere Tarifvertrag im Nachwirkungszeitraum des spezielleren Tarifvertrages in Kraft getreten ist und wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer an seinem Abschluss beteiligten Tarifvertragspartei der Neuabschluss des spezielleren Tarifvertrages nicht in Betracht kommt.
3. Die Einwände der Beklagten gegen die Geltung der ETV HoGa Thüringen 2001 und 2002 können an diesem Ergebnis nichts ändern.
a) Die Beklagte beruft sich insbesondere darauf, dass es sich bei dem MTV BG 1996 und dem ETV BG 1996 einerseits und dem MTV HoGa Thüringen 1998 und den ETV HoGa Thüringen 2001 bzw. 2002 andererseits um zwei eng verknüpfte Tarifgefüge handele. Die jeweils von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Mantel- und Entgelttarifverträge seien aufeinander abgestimmt. Der jeweilige Manteltarifvertrag verweise insbesondere hinsichtlich der Vergütung auf den zugehörigen, von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Entgelttarifvertrag. In einem solchen Fall komme es für die Lösung der Tarifkonkurrenz entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht auf den einzelnen isoliert kündbaren Tarifvertrag an und auch nicht darauf, inwieweit deckungsgleiche Regelungsgegenstände gegeben seien. Das jeweilige Tarifgefüge als Ganzes sei der Tarifvertrag iSd. § 4 Abs. 5 TVG. Dieser Tarifvertrag werde durch eine andere Abmachung abgelöst, wenn die ablösende Abmachung entweder von denselben Tarifvertragsparteien stamme oder das bisher gültige Tarifwerk in Gänze fortfalle. Deshalb komme das HoGa-Tarifgefüge nur im Ganzen zur Anwendung und dies nur dann, wenn für die Beklagte auch die Tarifbindung an den MTV BG 1996 fortfalle. In der Sache macht die Revision damit geltend, dass hinsichtlich der Tarifkonkurrenz ebenso wie hinsichtlich der Ablösung der Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG nicht auf den einzelnen Tarifvertrag, sondern auf das jeweilige Tarifgefüge abzustellen sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
b) Die Beklagte verkennt zunächst, dass zwischen den ETV HoGa Thüringen 2001 und 2002 und dem ETV BG 1996 oder dem MTV BG 1996 eine Tarifkonkurrenz nicht besteht. Sie ist nur gegeben, wenn beide Parteien eines Arbeitsverhältnisses an zwei verschiedene, miteinander konkurrierende Tarifverträge gebunden sind, weil sie entweder Mitglieder der Tarifvertragsparteien beider Tarifverträge sind oder weil sie an den einen Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit und an den anderen Tarifvertrag kraft Allgemeinverbindlicherklärung gebunden sind ( - BAGE 74, 238, 245, zu II 4 b der Gründe mwN; - 4 AZR 455/90 - BAGE 67, 330). Eine Tarifkonkurrenz besteht demnach zwischen einzelnen Tarifverträgen mit sich überschneidenden Regelungsgehalten, nicht zwischen Tarifgefügen bzw. Tarifwerken insgesamt mit jeweils mehreren Tarifverträgen.
Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn verschiedene Tarifverträge eines Tarifwerks als einheitlicher Tarifvertrag anzusehen sind. Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn die Tarifvertragsparteien das hinreichend zum Ausdruck gebracht haben, sei es durch eine inhaltliche Zusammenfassung oder sei es durch eine Inbezugnahme in einem Tarifvertrag, die eine Inkorporation des anderen Tarifvertrages zum Gegenstand hat. Wenn die Tarifverträge selbständig abgeschlossen, getrennt ausformuliert und mit unterschiedlichen Laufzeiten und Kündigungsmöglichkeiten versehen sind, ist davon auszugehen, dass es sich um selbständige Tarifverträge handelt ( - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 165, zu II 2 a der Gründe; - 4 AZR 595/87 - BAGE 57, 374).
Danach handelt es sich sowohl bei MTV BG 1996 und ETV BG 1996 als auch bei MTV HoGa Thüringen 1998 und ETV HoGa Thüringen 2001 und 2002 um selbständige Tarifverträge und nicht jeweils um einen einheitlichen Tarifvertrag. Dass die einzelnen Tarifverträge, die von denselben Tarifvertragsparteien für denselben Geltungsbereich abgeschlossen worden sind, sich gegenseitig ergänzen und insoweit aufeinander abgestimmt sind, macht sie nicht zu einem einheitlichen Tarifvertrag. Nichts anderes gilt angesichts von Ziff. 5.1 MTV BG 1996, der bestimmt, dass die Vergütung nach den Mindestsätzen des zwischen den "gleichen" Parteien abgeschlossenen Entgelttarifvertrages erfolge. Damit wird der ETV BG 1996 nicht in den MTV BG 1996 inkorporiert mit der Folge, dass die Entgeltregelungen des ETV BG 1996 Inhalt des MTV BG 1996 geworden wären und sich die Geltung der Entgeltregelungen nach dem Schicksal des MTV BG 1996 richtete. Das zeigt sich schon daran, dass der ETV BG 1996 und der MTV BG 1996 eigene, sogar unterschiedliche Regelungen über die Laufzeit und Kündigungsmöglichkeiten enthalten. Ziff. 5.1 MTV BG 1996 beinhaltet somit - wie auch die Überschrift zu Ziff. 5.1 MTV BG 1996 zeigt - nur den Hinweis, dass die Höhe der Vergütung nicht im MTV BG 1996 selbst festgelegt ist, sondern sich nach dem jeweils geltenden, von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Entgelttarifvertrag richtet. Aus entsprechenden Gründen stellen MTV HoGa Thüringen 1998 und die ETV HoGa Thüringen 2001 und 2002 keinen einheitlichen Tarifvertrag dar. Dass der MTV HoGa Thüringen 1998 in § 12 (Entlohnungsgrundsätze) mehrfach ergänzend auf den Entgelttarifvertrag verweist, bedeutet nicht, dass er dessen Regelungen inkorporiert.
Damit scheidet eine Verdrängung der kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden ETV HoGa Thüringen 2001 und 2002 unter dem Gesichtspunkt der Tarifkonkurrenz aus. Die von der Beklagten angestrebte Gesamtbetrachtung nach Tarifgefügen ist aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Eine Tarifkonkurrenz zum ETV BG 1996 besteht nicht, weil der ETV HoGa Thüringen 2001 den lediglich nachwirkenden ETV BG 1996 abgelöst hat. Für eine Tarifkonkurrenz zum MTV BG 1996 fehlt es bereits an den konkurrierenden Regelungsgehalten.
c) Auch bei der Ablösung des nachwirkenden ETV BG 1996 kann entgegen der Auffassung der Revision nicht auf die beiden Tarifgefüge, sondern nur auf die einzelnen Tarifverträge und die einzelnen tariflichen Regelungen abgestellt werden.
aa) § 4 Abs. 5 TVG bestimmt, dass nach Ablauf des Tarifvertrages, hier dem Ende des ETV BG 1996 durch dessen Kündigung zum , seine Rechtsnormen weitergelten, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Diese Weitergeltung, die auf der gesetzlichen Anordnung in § 4 Abs. 5 TVG beruht (Senat - 4 AZR 573/02 - BAGE 108, 114, zu I 2 der Gründe; - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22, 27), dient den Interessen der Arbeitsvertragsparteien, weil sie verhindert, dass die Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses nach der Beendigung des Tarifvertrages im Rückgriff auf andere Rechtsquellen zu bestimmen sind. Deshalb gelten die Normen des Tarifvertrages weiter, bis sie durch eine für das konkrete Arbeitsverhältnis verbindliche andere Abmachung ersetzt werden. Sie kann tarifvertraglicher, betriebsverfassungsrechtlicher oder arbeitsvertraglicher Natur sein. Diese Überbrückungsfunktion des § 4 Abs. 5 TVG enthält auch einen Inhaltsschutz. Ihm kommt jedoch kein zwingender Charakter mehr zu (vgl. - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 38 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 32; - 2 AZR 236/00 - BAGE 99, 167, zu B I 2 der Gründe).
bb) Damit ist die Auffassung der Beklagten nicht vereinbar, Tarifvertrag iSv. § 4 Abs. 5 TVG sei nicht der einzelne Tarifvertrag, sondern das im Zusammenhang stehende Tarifgefüge, so dass eine Ablösung des ETV BG 1996 erst zusammen mit dem MTV BG 1996 erfolgen könnte. § 4 Abs. 5 TVG regelt nicht die Nachwirkung des Tarifgefüges, sondern der Rechtsnormen des Tarifvertrages und eröffnet insoweit auch die Möglichkeit, nur einzelne Normen oder Normenkomplexe eines Tarifvertrages durch eine andere Abmachung zu ersetzen (vgl. -BAGE 99, 167, wo es um die Änderung der Regelungen über das Urlaubsgeld und der Jahressonderzahlung nach dem einschlägigen MTV durch Änderungskündigung geht).
d) Die sich aus dem Nebeneinander von Tarifverträgen aus verschiedenen Tarifwerken nach Auffassung der Beklagten ergebenden Anwendungs- und Auslegungsprobleme führen zu keinem anderen Ergebnis. Soweit die Beklagte insoweit darauf verweist, dass die Klägerin die ihr zustehende Vergütung pro Stunde erstinstanzlich durch die Kombination der Vergütung nach dem ETV HoGa Thüringen 2001 und der regelmäßigen Arbeitszeit von 167 Stunden nach dem MTV BG 1996 und zweitinstanzlich durch die Kombination der Vergütung nach dem ETV HoGa Thüringen 2001 mit der regelmäßigen Arbeitszeit von 173 Stunden nach § 8 ETV HoGa Thüringen 2001 berechnet hat, zeigt sie nur die Fehlerhaftigkeit der ersten Berechnung, nicht aber unlösbare Anwendungs- oder Auslegungsprobleme aus dem Nebeneinander von MTV BG 1996 und ETV HoGa Thüringen 2001 auf. Auch die von der Beklagten behauptete Kumulation von Vorteilen aus dem Nebeneinander der beiden Tarifverträge ist rechtlich ohne Bedeutung, weil es sich dabei nicht im Sinne einer "Rosinentheorie" um die Auswahl der jeweils günstigeren Regelungen aus konkurrierenden Tarifverträgen handelt, sondern um die Kombination von Regelungen aus selbständigen Tarifverträgen unterschiedlicher Tarifwerke. Hierin liegt eine zwangsläufige Folge der vorliegend entstandenen tarifrechtlichen Übergangssituation.
Diese Übergangslage ist auch in der doppelten Mitgliedschaft der Beklagten im Hotel- und Gaststättenverband einerseits und dem BVBG andererseits begründet. Wenn das Landesarbeitsgericht insoweit ausführt, dass das dadurch begründete Risiko bei der Beklagten "richtig angesiedelt" sei, so ist das insoweit nicht zu beanstanden, als es um die Analyse der für die ungewöhnliche Tariflage verantwortlichen Ursachen geht. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Behauptung der Beklagten nicht darauf abgestellt, dass sich die Beklagte der Tarifbindung habe entziehen wollen.
Wenn es auf Grund des Nebeneinanders von MTV BG 1996 und ETV HoGa Thüringen 2001 zu Anwendungsfragen und -problemen kommt, die von der Beklagten allerdings nicht näher konkretisiert worden sind, sind diese im Wege der Auslegung zu klären. Sie können die tarifrechtlich gebotene Anwendung des ETV HoGa Thüringen 2001 nicht verhindern.
II. Nach den ETV HoGa Thüringen 2001 und 2002 steht der Klägerin für den Zeitraum von August 2001 bis April 2002 die von dem Landesarbeitsgericht ausgeurteilte Differenzvergütung in Höhe von 218,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Diskontsatz seit dem zu. Diese Vergütungsansprüche sind nicht verfallen, wie das Landesarbeitsgericht im Einzelnen begründet hat, ohne dass die Beklagte dem in der Revisionsinstanz entgegengetreten wäre.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2005 S. 2698 Nr. 49
GAAAB-94031
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