Leitsatz
[1] Steht nach Stilllegung einer Betriebsabteilung nur eine begrenzte Zahl von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einer anderen Abteilung des Betriebs zur Verfügung, genießen nach dem Sinn und Zweck von § 15 KSchG die aktiven Mandatsträger bei der Besetzung der Stellen Vorrang vor den im Nachwirkungszeitraum sonderkündigungsgeschützten Ersatzmitgliedern.
Gesetze: KSchG § 15 Abs. 4; KSchG § 15 Abs. 5; Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut § 56 Abs. 9
Instanzenzug: Arbeitsgericht Kaiserslautern 1 Ca 1597/03 vom LAG Rheinland-Pfalz 6 Sa 523/04 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom Kläger unter Vorbehalt angenommenen ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung.
Der am geborene, geschiedene Kläger ist seit 1975 bei den US-Stationierungskräften als Datenverarbeitungs-Fachkraft VergGr. C-7 a in der Dienststelle "S" in der Abteilung "Zentrale Datenverarbeitungseinrichtung Europa" (CDPIE) (Rechenzentrum) in K beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Zivilbeschäftigten bei den US-Streitkräften (TVAL II) Anwendung.
Der Kläger ist Vorsitzender der örtlichen Betriebsvertretung in der personalvertretungsrechtlich als selbständig geführten Dienststelle K und Mitglied der Bezirksbetriebsvertretung.
Die Abteilung CDPIE wurde zum stillgelegt. Dadurch fielen 16 der 22 Stellen der VergGr. C-7 a in der Dienststelle in K weg. Einschließlich des Klägers wurden dort insgesamt acht Mitarbeiter mit einem gesetzlichen Sonderkündigungsschutz beschäftigt. Die Beklagte führte unter diesen Mitarbeitern eine Sozialauswahl durch. Der Kläger wies die geringsten Sozialpunkte (98) auf.
Mit Schreiben vom kündigten die Stationierungskräfte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum und boten ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab unter Eingruppierung in die VergGr. C-7/E zuzüglich einer Einkommensschutzzulage in einer anderen Dienststelle in M an. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an.
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, er hätte in der Dienststelle K weiterbeschäftigt werden können. In der Abteilung "Netzwerk Service Center" (NSC) habe es mehrere für ihn geeignete Positionen gegeben. Außerdem sei die von der Beklagten vorgenommene soziale Auswahl fehlerhaft. Es müsse zwischen den Arbeitnehmern, die nur einen eingeschränkten Sonderkündigungsschutz genießen, wie die Ersatzmitglieder der Betriebsvertretung oder die Ersatzmitglieder der Schwerbehindertenvertretung, und den ordentlichen Mitgliedern solcher Gremien differenziert werden. Der nachwirkende Kündigungsschutz für die Ersatzmitglieder, der ohnehin im Dezember 2003 bzw. im Januar 2004 unstreitig abgelaufen sei, sei nicht gleichwertig mit dem Sonderkündigungsschutz eines ordentlichen Mitglieds einer Betriebsvertretung. Im Übrigen hätte er auf den Stellen H und F (VergGr. C-7) eingesetzt werden können, zumal diese Arbeitnehmer erst durch Änderungskündigungen auf diese Arbeitsplätze umgesetzt worden seien.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die seitens der US-Stationierungsstreitkräfte mit Schreiben vom ausgesprochene Änderungskündigung unwirksam ist.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen:
Die ordentliche Änderungskündigung sei sozial gerechtfertigt. Der Teil der Dienststelle, in der der Kläger beschäftigt worden sei, sei geschlossen worden. Eine Übernahme des Klägers in eine andere Abteilung der Dienststelle in K sei nicht möglich gewesen. Mindestens zwei Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz hätte gekündigt werden müssen, da insgesamt nur noch sechs Stellen für acht Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz vorhanden gewesen seien. Dabei habe sie die Arbeitnehmer, die die höchsten Sozialpunkte aufgewiesen hätten, nämlich A (126 Punkte), He (125 Punkte), W (124 Punkte), B (117 Punkte), R (116 Punkte), Me (116 Punkte) auf die verbliebenen Arbeitsplätze in der anderen Abteilung umgesetzt. Der Sonderkündigungsschutz des Klägers sei nicht stärker als der - auch nachwirkende - Sonderkündigungsschutz der anderen Betriebsvertretungs- oder Schwerbehindertenvertretungsmitglieder zu bewerten. Das Gesetz differenziere nicht zwischen unterschiedlich sonderkündigungsgeschützten Arbeitnehmern. Eine andere weniger einschneidende Maßnahme als eine Weiterbeschäftigung des Klägers in M habe es nicht gegeben. Mit den Mitarbeitern H und F sei der Kläger nicht vergleichbar. Diese Mitarbeiter seien in eine andere VergGr. (C-7) eingruppiert. Im Übrigen wiesen sie auch bessere Sozialdaten auf und genössen einen tariflichen Kündigungsschutz.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Gründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner der Klage stattgebenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Änderungskündigung sei nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG unwirksam. Die Beklagte hätte den Kläger in seiner bisherigen Dienststelle in K in eine andere Abteilung übernehmen und dort weiterbeschäftigen können. Der Kläger hätte auf den Arbeitsplätzen der Arbeitnehmer H oder F eingesetzt werden können. Gegebenenfalls hätte die Beklagte diese Arbeitsplätze frei kündigen müssen. Einem möglichen Einsatz des Klägers auf diesen Arbeitsplätzen stehe nicht entgegen, dass sie nach der VergGr. C-7 vergütet würden. Die Beklagte habe mit ihrem Änderungsangebot gezeigt, dass sie einen Einsatz des Klägers in der VergGr. C-7 durchaus als zumutbar erachte.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis.
Die Änderungskündigung vom ist nach § 15 Abs. 2 KSchG unzulässig. Der Ausnahmetatbestand des § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 4 KSchG ist nicht erfüllt. Einer Übernahme des Klägers in eine andere Betriebsabteilung - ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen - stehen keine betrieblichen Gründe entgegen.
I. Das Landesarbeitsgericht ist im vorliegenden Fall zu Recht von einer Anwendbarkeit des § 15 KSchG ausgegangen. Zu den von § 15 Abs. 2 KSchG geschützten Arbeitnehmern gehören auf Grund des § 56 Abs. 9 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut auch die Mitglieder der Betriebsvertretung für die deutschen Arbeitnehmer bei den Alliierten Streitkräften ( -BAGE 35, 17; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 15 Rn. 15; ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 15 KSchG Rn. 7).
II. Auf Grund der Schließung der Abteilung CDPIE der Dienststelle K lag eine Stilllegung einer Betriebsabteilung iSd. § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG vor. Die Bereiche CDPIE und NSC sind als räumliche und organisatorisch abgrenzbare Teile der personalvertretungsrechtlich selbständig geführten Dienststelle K Betriebsabteilungen im Sinne der genannten Norm. Eine Betriebsabteilung setzt einen organisatorisch abgrenzbaren Teil eines Betriebs bzw. einer Dienststelle voraus, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der einen eigenen Betriebszweck verfolgt, der auch in bloßen Hilfszwecken bestehen kann ( - BAGE 55, 117; - 7 AZR 443/82 -BAGE 45, 26).
III. Aus § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG folgt primär die Verpflichtung des Arbeitgebers, bei der Stilllegung einer Abteilung das Mitglied der Betriebsvertretung in eine andere Abteilung der Dienststelle zu übernehmen. Erst wenn eine Übernahme aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, kann der Arbeitgeber nach Satz 2 des Abs. 5 iVm. Abs. 4 der Norm das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Schließung der Abteilung kündigen.
1. Den Arbeitgeber trifft gegenüber einem Mitglied der Betriebsvertretung nach § 15 Abs. 5 KSchG die Pflicht, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für dessen angemessene Weiterbeschäftigung zu sorgen ( - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 58 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 59, zu B II 4 d aa der Gründe; vgl. auch KR-Etzel 7. Aufl. § 15 KSchG Rn. 127; Hako-Fiebig KSchG 2. Aufl. § 15 Rn. 126; - LAGE KSchG § 15 Nr. 16). Dabei hat der Arbeitgeber dem Mandatsträger grundsätzlich eine möglichst gleichwertige Stellung anzubieten.
Durch das Angebot eines geringerwertigen Arbeitsplatzes mit geringerer Entlohnung genügt der Arbeitgeber grundsätzlich noch nicht seinen gesetzlichen Verpflichtungen ( - BAGE 3, 341; ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 15 KSchG Rn. 46; KR-Etzel 7. Aufl. § 15 KSchG Rn. 126; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 15 Rn. 170). Dies ergibt sich unmittelbar aus der Pflicht des Arbeitgebers zur Übernahme des Mandatsträgers in eine andere Abteilung.
a) Der gleichwertige Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung muss - anders als im Falle des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG - nicht frei sein. Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung vorhanden und mit einem nicht durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmer besetzt, muss der Arbeitgeber versuchen, den Arbeitsplatz durch Umverteilung der Arbeit, der Ausübung seines Direktionsrechts oder ggf. auch durch den Ausspruch einer Kündigung für den Mandatsträger freizumachen ( - BAGE 96, 78; - 7 AZR 382/79 -BAGE 37, 128; - 2 AZR 391/01 - BAGE 101, 328; HaKo-Fiebig KSchG 2. Aufl. § 15 Rn. 125; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 15 Rn. 170 a; APS/Linck 2. Aufl. § 15 KSchG Rn. 185; KR-Etzel 7. Aufl. § 15 KSchG Rn. 126; aA BBDW/Dörner Stand Dezember 2005 § 15 KSchG Rn. 99; ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 15 KSchG Rn. 46).
b) Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz in der anderen Abteilung nicht vorhanden, ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, gegenüber dem Mandatsträger ggf. eine Änderungskündigung auszusprechen ( - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 44 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 48).
c) Die innerbetriebliche Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers entfällt nach § 15 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur ausnahmsweise, wenn dem Arbeitgeber die Übernahme in eine andere Betriebsabteilung "aus betrieblichen Gründen" nicht möglich ist.
Aus betrieblichen Gründen ist eine Weiterbeschäftigung dann nicht möglich, wenn der Mandatsträger auf dem anderen innerbetrieblichen Arbeitsplatz nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise eingesetzt werden kann ( -BAGE 37, 128). Sowohl aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 KSchG als auch dem Sinn und Zweck der Norm des § 15 KSchG folgt aber, dass dem Mandatsträger gegenüber anderen Arbeitnehmern grundsätzlich ein Vorrang für eine Weiterbeschäftigung eingeräumt werden soll HK-KSchG/Dorndorf 4. Aufl. § 15 Rn. 156; HaKo/Fiebig KSchG 2. Aufl. § 15 Rn. 125: Löwisch/Spinner 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 64; KDZ-Kittner KSchR 6. Aufl. § 15 KSchG Rn. 77a; Matthes DB 1980, 1165, 1168 f.; MünchArbR/Berkowsky § 15 KSchG Rn. 78; einschränkend v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 15 KSchG Rn. 170a; KR-Etzel 7. Aufl. § 15 KSchG Rn. 126). Das Kollegialorgan Betriebsrat soll nach Möglichkeit vor einer Auszehrung und persönlichen Inkontinuität geschützt werden.
Die Regelung des § 15 KSchG zeigt, dass der Gesetzgeber diesem Bestands- und Funktionsinteresse des Kollegialorgans Betriebsvertretung eine hohe Bedeutung und Priorität eingeräumt hat.
2. Die Beklagte ist ihrer Pflicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers in der VergGr. C-7 a und der Übernahme in die Abteilung NSC in K nicht hinreichend nachgekommen.
a) Unstreitig bestanden in der anderen Abteilung NSC der Dienststelle K noch sechs Stellen der VergGr. C-7 a.
b) Zwar hat die Beklagte alle sechs Stellen mit sonderkündigungsschutzgeschützten Arbeitnehmern - neu - besetzt.
Die Beklagte hätte jedoch den Kläger vorrangig statt der anderen Arbeitnehmer der VergGr. C-7 a, die nur Ersatzmitglieder der Betriebsvertretung (bzw. der Schwerbehindertenvertretung) waren, in die Abteilung NSC übernehmen müssen.
Dies folgt aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. § 15 KSchG soll die Kontinuität der Betriebsratsarbeit sichern. Dies gilt auch für die personelle Zusammensetzung. Dem widerspräche es, im Falle des § 15 Abs. 5 KSchG bei einer noch begrenzten Zahl zur Verfügung stehender anderer Arbeitsplätze die Auswahl unter allen nach § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmern allein nach sozialen Gesichtspunkten entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmen. Dies könnte letztlich dazu führen, dass die Mehrzahl der aktiven Amtsinhaber ausschiede und das Wahlergebnis so praktisch auf den Kopf gestellt würde. Die bevorzugte Berücksichtigung aktiver Amtsinhaber vor nur nachwirkend geschützten Ersatzmitgliedern rechtfertigt sich auch deshalb, weil der Sonderkündigungsschutz beider Gruppen im Gesetz - wie § 103 BetrVG zeigt - unterschiedlich stark ausgestaltet ist.
Der Kläger als Betriebsratsvorsitzender hätte also vor den Ersatzmitgliedern auf eine der sechs freien C-7 a Stellen übernommen werden müssen. Das gilt hier umso mehr, als auch die betreffenden Ersatzmitglieder erst im Zuge der Umorganisation auf diese Stellen übernommen worden sind.
3. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob das Landesarbeitsgericht der Klage auch deshalb zu Recht stattgeben konnte, weil die Beklagte - wofür alles spricht - zumindest verpflichtet gewesen wäre, dem Kläger eine der beiden C-7- Stellen in K anzubieten und ggf. die auf diesen Stellen beschäftigten Mitarbeiter H und F nach M hätte versetzen müssen. Durch die Versetzung des Mandatsträgers in eine andere Dienststelle verliert dieser sein Mandat und das Gremium sein Mitglied. Der Normzweck des § 15 KSchG besteht aber gerade im Schutz des Gremiums und dessen Kontinuität. Deshalb scheidet, wenn eine alternative Weiterbeschäftigung in der Dienststelle weiterhin möglich ist, ein solches Änderungsangebot aus, das zu einem Ausscheiden des Mitglieds der Betriebsvertretung aus der Dienststelle führen würde. Die Versetzung in eine andere Dienststelle darf der Arbeitgeber erst anbieten, wenn eine zumutbare Weiterbeschäftigung in der bisherigen Dienststelle - auch zu geänderten Arbeitsbedingungen - nicht möglich ist, also ein Einsatz in einer anderen Abteilung der bisherigen Dienststelle gänzlich ausscheidet ( - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 44 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 48; APS/Linck KSchG 2. Aufl. § 15 Rn. 184).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2007 S. 52 Nr. 1
DB 2006 S. 2299 Nr. 42
NJW 2006 S. 2798 Nr. 38
YAAAB-93805
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein