Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2; BSchG § 2; BSchG § 4
Instanzenzug: LAG Niedersachsen 12 Sa 1418/02 vom ArbG Hannover 13 Ca 129/99 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Der am geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem bei der Beklagten (vorinstanzlich Beklagte zu 1) bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig.
Er war zuletzt als Schwerpunktreiseleiter ("Leiter Zielgebiet") für die Region GRO - ... - beschäftigt. In dieser Funktion oblag ihm die Steuerung der Betreuungs- und Verkaufsaktivitäten der Reiseleiter. Hierzu hatte er ua. Trainings- und Schulungsveranstaltungen zu organisieren und die Einsatzplanung sowie die Vor-Ort-Disposition der Reiseleiter im Zielgebiet vorzunehmen. Unterstellte Mitarbeiter musste er führen, motivieren und beurteilen.
Anlässlich einer Dienstfahrt am kam es zu einem vom Kläger aktiv veranlassten sexuellen Kontakt mit der ihm unterstellten, im Jahre 1973 geborenen Mitarbeiterin N. Die Beklagte erfuhr hiervon durch ein am von der Mitarbeiterin N. mit dem Personalleiter K. geführtes Gespräch.
Nach Anhörung des Klägers kündigte die Beklagte mit Schreiben vom das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum , hilfsweise fristgemäß zum
Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, es liege weder ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB noch ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vor. Er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht schuldhaft verletzt. Zwar sei es am zu sexuellen Kontakten mit Frau N. gekommen. Er sei in sie verliebt gewesen. Alle sexuellen Handlungen seien freiwillig erfolgt. Frau N. habe keine Signale gegeben, aus denen er habe schließen können, sie teile seine Zuneigung nicht, sondern fühle sich von ihm belästigt. Sie habe vielmehr seine Küsse erwidert und zweimal sexuelle Handlungen an ihm vorgenommen. Sie habe ihn zu keiner Zeit gebeten, sexuelle Handlungen zu unterlassen. Ihr späteres Verhalten zeige ebenfalls, dass sie mit den sexuellen Kontakten einverstanden gewesen sei. Auch sei eine außerordentliche Kündigung wegen des mehr als ein Jahr zurückliegenden Ereignisses und unter Berücksichtigung seiner langen Betriebszugehörigkeit unverhältnismäßig. Die Beklagte hätte ihn zunächst abmahnen und ggf. auf eine andere Position versetzen können, zB einen sog. "Eremitenarbeitsplatz", dh. einen Einsatzort, an dem nur ein Reiseleiter tätig werde; dort wäre er mit Mitarbeiterinnen der Beklagten dann nicht mehr in Kontakt gekommen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom nicht beendet worden ist.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Ansicht vertreten, die außerordentliche Kündigung sei wegen der vom Kläger veranlassten sexuellen Belästigungen aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Während der gemeinsamen Dienstfahrt habe der Kläger die Mitarbeiterin N. mehrfach und gegen ihren Willen sexuell belästigt. Er habe sie mehrfach körperlich berührt und sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen bzw. sie aufgefordert, solche an ihm vorzunehmen. Soweit letzteres geschehen sei, habe sie dies getan, um möglichst schnell vom Kläger weg und wieder nach Hause zu kommen. Auch in der Folgezeit habe der Kläger noch mehrere Annäherungsversuche unternommen. Frau N. habe auf seine Annäherungsversuche stets mit Ablehnung reagiert und es vermieden, mit ihm allein zu sein. Aus Gesprächen mit anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Zielgebietes habe sie, die Beklagte, erfahren, dass der Kläger auch andere jüngere Mitarbeiterinnen durch zotige Bemerkungen, Annäherungen und körperliche Kontakte mehrfach sexuell belästigt habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO), da es zur Entscheidung des Streitfalls noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.
Die bisherigen Feststellungen tragen das Ergebnis des Landesarbeitsgerichts nicht, der Kläger habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten nach § 2 Abs. 3 des "Gesetzes zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz - Beschäftigtenschutzgesetz" - vom (im Folgenden: BSchG) schuldhaft verletzt.
A. Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung als wirksam angesehen und sich zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung unter Hinweis auf § 69 Abs. 2 ArbGG den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils angeschlossen. Belästige ein Vorgesetzter eine Arbeitnehmerin sexuell, so könne dies eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen. Das Verhalten des Klägers sei ein massiver sexueller Übergriff, es handele sich nicht mehr um eine normale sexuelle Annäherung zwischen erwachsenen Mitarbeitern eines Großunternehmens. Der Kläger habe von sich aus den Kontakt gesucht und die Situation einer Dienstfahrt in eine einsame Gegend ausgenutzt. Frau N. habe ihn weder ermutigt noch provoziert. Vielmehr sei sie dem Kläger praktisch wehrlos ausgeliefert gewesen. Der Kläger habe auch nicht mit vertretbaren Gründen annehmen können, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig. Er habe wissen müssen, dass der Arbeitgeber solche Übergriffe von Vorgesetzten nicht dulden könne. Deshalb habe es auch keiner Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung bedurft. Wegen der Schwere der Pflichtverletzung sei eine Abmahnung entbehrlich gewesen. Der Beklagten könne schließlich nicht zugemutet werden, den Kläger auf einen "Eremitenarbeitsplatz" zu versetzen, zumal der Kläger einen freien Arbeitsplatz nicht benannt habe.
B. Dem folgt der Senat nicht. Die Revision rügt zu Recht, dass die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts die Klageabweisung nicht tragen.
I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann.
1. Bei der Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat (st. Rspr. Senat - 2 AZR 923/98 - BAGE 92, 184, 190 f.; - 2 AZR 587/94 - BAGE 81, 27, 32).
2. Die Berufungsentscheidung, die insoweit in zulässiger Weise (§ 69 Abs. 2 ArbGG, § 540 Abs. 1 ZPO) auf das erstinstanzliche Urteil ergänzend Bezug nimmt, hält auch dieser eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht stand.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend sieht das Landesarbeitsgericht allerdings in einer sexuellen Belästigung einer Arbeitnehmerin an ihrem Arbeitsplatz durch einen Vorgesetzten einen "an sich" wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses iSv. § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BSchG ( - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 20 = EzA BGB § 626 nF Nr. 98; - LAGE BSchG § 4 Nr. 3; -; KDZ-Däubler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 101; Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 10. Aufl. § 125 Rn. 113; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 8. Aufl. Rn. 703; von Hoyningen-Huene BB 1991, 2219). Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz stellt nach § 2 Abs. 3 BSchG eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar. Die sexuelle Belästigung muss aber feststehen ( - AP BeschSchG § 2 Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 50). Ob die sexuelle Belästigung dann zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, hängt von ihrem Umfang und ihrer Intensität ab (APS-Preis 2. Aufl. § 4 BeschSchG Rn. 7; ErfK/Schlachter 4. Aufl. § 4 BeschSchG Rn. 2; KR-Fischermeier 6. Aufl. § 626 BGB Rn. 443; KR-Etzel 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 500; - LAGE BSchG § 4 Nr. 1; - LAGE BGB § 626 Nr. 110; - LAGE BGB § 626 Nr. 130).
b) Von einer sexuellen Belästigung iSd. § 2 Abs. 2 BSchG kann jedoch auf Grund der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen noch nicht ausgegangen werden.
aa) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BSchG ist eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BSchG gehören dazu sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die nach den strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt sind (Nr. 1), sowie sonstige sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden (Nr. 2).
bb) Dem Kläger werden keine sexuellen Handlungen oder Verhaltensweisen vorgeworfen, die strafrechtlich (nach den §§ 174 ff. bzw. 185 ff. StGB) relevant wären.
cc) Ob die vom Kläger am vorsätzlich getätigten sexuellen Handlungen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG erfüllen, kann noch nicht abschließend beurteilt werden.
(1) Unstreitig hat der Kläger an diesem Tag bewusst und gewollt mehrfach sexuelle Handlungen an Frau N. vorgenommen bzw. sie aufgefordert, solche an ihm vorzunehmen. Diese mehrfachen sexuellen Kontakte wiesen auch eine erhebliche Intensität auf.
(2) Allerdings lässt sich bisher nicht hinreichend feststellen, ob die Handlungen und Aufforderungen des Klägers von der Zeugin N. erkennbar abgelehnt worden sind. Zu dieser normativen Voraussetzung hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen und insbesondere nicht alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände gewürdigt.
Die Voraussetzung der "erkennbaren Ablehnung" hat die Funktion, den Belästigungstatbestand einzuschränken (Schlachter AR-Blattei SD 425 - Beschäftigtenschutz - Rn. 35). Mit diesem Tatbestandsmerkmal wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die Annahme einer sexuellen Belästigung auf die Fälle beschränkt bleibt, in denen jemand einem anderen ein nicht erwünschtes sexuelles Verhalten aufdrängt (BT-Drucks. 12/5468 S. 47). Die Unerwünschtheit des fraglichen sexuellen Verhaltens muss daher nach Außen in Erscheinung getreten sein (Schlachter aaO Rn. 37; ErfK/Schlachter § 4 BeschSchG Rn. 12). Zwar wird man eine ausdrücklich formulierte Ablehnung nicht - schon gar nicht immer - verlangen können. Im Einzelfall kann deshalb eine aus den Umständen erkennbare Ablehnung genügen (Schlachter aaO Rn. 37; -). Eine solche Ablehnung ist erkennbar, wenn aus dem Verhalten der oder des Betroffenen für einen neutralen Beobachter die Ablehnung hinreichend deutlich geworden ist (Marzodko/Rinne ZTR 2000, 306; Schlachter aaO Rn. 38; Worzalla NZA 1994, 1018). Unter Umständen kann daher auch ein rein passives Verhalten in der Form eines zögernden, zurückhaltenden Geschehenlassens gegenüber einem drängenden, durchsetzungsfähigen Belästiger, insbesondere einem Vorgesetzten, zur Erkennbarkeit einer ablehnenden Haltung ausreichen (siehe auch aaO).
(3) Das Landesarbeitsgericht hat insoweit jedoch nicht alle wesentlichen Umstände beachtet und gewürdigt.
Nach den eigenen Angaben der Zeugin N. hat sie nicht verbal oder durch eindeutige, klare Gesten ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, sie wolle keine Berührungen und keine sexuellen Kontakte des Klägers.
Das Arbeitsgericht hat deshalb eine erkennbare Ablehnung sexueller Handlungen durch Frau N. aus Indizien geschlossen. Neben der generellen Situation und dem Altersunterschied habe der Kläger aus der Nichterwiderung des Zungenkusses, dem Hinweis auf ihren Freund und ihren sonstigen Erklärungen sowie dem Entziehen ihrer bzw. dem Wegschieben seiner Hände erkennbar auf ihre Ablehnung eines sexuellen Kontakts schließen müssen.
Soweit die Vorinstanzen dabei auf den Altersunterschied und die Dienststellung des Klägers (Vorgesetztenfunktion) abstellen, sind dies Aspekte, die bei der rechtlichen Bewertung einer arbeitsvertraglichen Pflichtenverletzung zweifellos erschwerend zu berücksichtigen sind. Aus diesen Umständen lässt sich jedoch allein nicht hinreichend schließen, der sexuelle Kontakt zwischen dem Kläger und der volljährigen Frau N. sei gegen ihren erkennbaren Willen erfolgt.
Die weiteren angeführten Indizien lassen sich zwar für die Überzeugungsbildung eines für den Kläger erkennbaren entgegenstehenden Willen von Frau N. heranziehen. Es gilt aber auch zu berücksichtigen, ob und wie intensiv der Kläger Frau N. bedrängt hat bzw. wie sie seinem Drängen nachgab.
Die Revision rügt insoweit zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe weitere Tatsachen und Indizien würdigen müssen. Das Berufungsgericht hätte sich in der Tat mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass Frau N. sich nicht nur passiv - gleichsam "duldend" - verhalten hat, sondern sich vielmehr aktiv an den sexuellen Kontakten beteiligte, in dem sie sogar zweimal erhebliche oder - wie das Landesarbeitsgericht formuliert hat - "massive" sexuelle Handlungen an dem Kläger vorgenommen hat. Dies könnte auch bei einem neutralen Beobachter den Eindruck erwecken, die Zeugin habe den sexuellen Kontakt nicht - jedenfalls nicht für den Kläger erkennbar - abgelehnt.
Hinzu kommt das weitere - auch von ihr geschilderte - Verhalten von Frau N. während der Dienstfahrt bzw. danach, das weder vom Arbeitsgericht noch vom Landesarbeitsgericht einer näheren Würdigung unterzogen wurde. Es kann als zutreffend unterstellt werden, dass Opfer sexueller Belästigungen in solchen von ihnen als äußerst unangenehm empfundenen Situationen nur selten resolut, sondern vielmehr oft zurückhaltend agieren (Linde BB 1994, 2412). Gleichwohl bedarf es zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der "erkennbaren Ablehnung" gewisser klarer, auch für einen neutralen Dritten hinreichend konkreter Anhaltspunkte, die bisher nicht festgestellt worden sind. Demgegenüber stehen weitere, von den Vorinstanzen nicht bedachte Aspekte, die auch bei einem neutralen Dritten zumindest Zweifel erwecken können, ob die Handlungen und Aufforderungen des Klägers von Frau N. für den Kläger erkennbar abgelehnt worden sind. So hat sie weder versucht, sich möglichen weiteren Attacken und Vorstößen des Klägers zu entziehen, noch ist erkennbar, warum sie dem Kläger ohne Weiteres erneut in ein Waldstück folgte und dort auf seinen Wunsch sogar ihre Bluse auszog. Auch bleibt festzuhalten, dass sich Frau N. nicht im Anschluss an die Ereignisse bei der Beklagten zeitnah beschwerte, sondern sogar einige Tage später mit dem Kläger zumindest noch ein gemeinsames Abendessen eingenommen hat und erst über ein Jahr nach dem Vorfall die Beklagte informierte.
II. Der Rechtsstreit ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
1. Das Landesarbeitsgericht wird näher ermitteln und prüfen müssen, ob unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände der Kläger auf eine "erkennbare Ablehnung" sexueller Kontakte und Belästigungen durch Frau N. habe schließen müssen. Auch wird es ggf. näher aufzuklären haben, ob es sich bei dem Verhalten des Klägers gegenüber Frau N. um einen Einzelfall gehandelt hat oder es vielmehr weitere sexuelle Handlungen und Aufforderungen des Klägers gegenüber anderen Mitarbeiterinnen der Beklagten gab.
2. Sollte sich bei der weiteren Aufklärung des Sachverhalts herausstellen, der Kläger habe sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen von Frau N. vorgenommen und sie zu sexuellen Handlungen aufgefordert, so wird man vom Vorliegen eines wichtigen Grundes iSd. § 626 Abs. 1 BGB jedenfalls dann ausgehen können, wenn es sich bei dieser sexuellen Belästigung durch den Kläger nicht um einen einmaligen Vorfall handelte, sondern der Kläger auch andere Mitarbeiterinnen der Beklagten immer wieder durch Worte und Taten belästigt hat. Sollte es sich hingegen herausstellen, der Kläger habe lediglich einmal - weil er in die Zeugin N. "verliebt" gewesen sei - seine arbeitsvertraglichen Pflichten nach § 2 Abs. 3 BSchG verletzt, so wird sich das Landesarbeitsgericht näher mit der Frage der verhältnismäßigen Sanktion iSv. § 4 BSchG auseinandersetzen müssen. Nach § 4 Abs. 1 BSchG hat der Arbeitgeber nämlich die im Einzelfall angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Die gesetzliche Regelung kodifiziert den allgemeinen arbeitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb auch prüfen müssen, ob vorliegend nicht eine Versetzung des Klägers auf einen anderen Arbeitsplatz in Betracht kam; dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei den Handlungen des Klägers um einen Einzelfall in einer besonderen Konstellation mit Frau N. gehandelt hat, mit anderen Worten sich prognostisch keine - weiteren - Probleme des Klägers mit anderen Arbeitnehmerinnen ergeben werden. Das gilt umso mehr, als der Vorfall vom bei Kündigungsausspruch schon über ein Jahr zurücklag. Ein solcher erheblicher Zeitraum kann auch bei der Bewertung des wichtigen Grundes Bedeutung gewinnen, wenn sich die Pflichtverletzung nicht mehr konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken kann. Zurückliegende Ereignisse, die das Arbeitsverhältnis nicht mehr belasten, können selbst dann unerheblich sein, wenn sie zunächst schwerwiegend waren. Entscheidend ist, ob die Gründe ein Indiz für eine auch zukünftige Belastung des Arbeitsverhältnisses darstellen ( - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 20 = EzA BGB § 626 nF Nr. 98). Dementsprechend wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob für eine Versetzung des Klägers entweder ein anderer Arbeitsplatz frei war oder ob eine "Ringversetzung", die gegebenenfalls im Unternehmen der Beklagten üblich ist, in Betracht kam.
3. Hat der Kläger die sexuellen Handlungen und Aufforderungen gegen den Willen der Frau N. vorgenommen, so bedurfte es allerdings schon deshalb keiner Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung, weil auf Grund der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 2 BSchG dem Kläger klar sein musste, dass eine intensive, sexuelle Belästigung einer Kollegin gegen ihren erkennbaren Willen ein Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten war. Der Kläger konnte deshalb berechtigterweise nicht erwarten, die Beklagte werde ihn zunächst auf die Einhaltung der vertraglichen Pflichten unter Androhung von rechtlichen Konsequenzen hinweisen (vgl. auch - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 20 = EzA BGB § 626 nF Nr. 98).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
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CAAAB-93685
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