Leitsatz
[1] 1. Die Frist zur Erklärung des Vorbehalts nach § 2 Satz 2 KSchG gilt als Mindestfrist auch für die Erklärung der vorbehaltlosen Annahme des Änderungsangebots.
2. Die zu kurze Bestimmung der Annahmefrist durch den Arbeitgeber im Änderungsangebot führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Sie setzt vielmehr die gesetzliche Annahmefrist des § 2 Satz 2 KSchG in Lauf.
Gesetze: KSchG § 2
Instanzenzug: ArbG Berlin 38 Ca 12522/04 vom LAG Berlin 4 Sa 2334/04 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.
Die Klägerin trat Ende 1995 in die Dienste der Beklagten, die einen privaten Fernsehsender betreibt und rund 100 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte, die zunächst in Berlin ansässig war, beschloss im März 2004, den Sender ab September 2004 von Köln aus zu betreiben. Die meisten Abteilungen, auch die der Klägerin, zogen Ende August 2004 nach Köln.
Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin durch Schreiben vom zum und bot der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei ansonsten unveränderten Bedingungen in Köln an. Weiter heißt es im Kündigungsschreiben:
"Wir würden uns freuen, wenn Sie weiterhin für n tätig sein wollen und uns zum Zeichen Ihres Einverständnisses unten stehende Einverständniserklärung bis zum Ablauf von zwei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens unterzeichnet zurückgeben. Sofern Sie Ihre Zustimmung nicht erteilen, endet das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist..."
Die Klägerin nahm das Angebot der Beklagten nicht, auch nicht unter Vorbehalt, an. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der mehrere Arbeitnehmer vertrat, die ein gleich lautendes Kündigungsschreiben erhalten hatten, wandte sich für einige dieser Arbeitnehmer - nicht jedoch für die Klägerin - an die Beklagte und bat um Verlängerung der Annahmefrist auf drei Wochen. Die Beklagte teilte darauf durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit, der Arbeitgeber sei berechtigt, eine Annahmefrist zu setzen.
Die Klägerin hat die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Die von der Beklagten gesetzte Annahmefrist von nur zwei Wochen widerspreche § 2 Satz 2 KSchG. Die unzulässige Verkürzung der Überlegungsfrist führe zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch das Kündigungsschreiben der Beklagten vom aufgelöst ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, die Änderungskündigung sei nicht wegen der Fristsetzung von zwei Wochen für die Annahme des Änderungsangebots unwirksam. Auch eine unzulässig kurze Frist führe nicht zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung, sondern setze nur die gesetzlich zutreffende Frist in Gang. Dem Arbeitgeber sei es im Übrigen gem. § 148 BGB freigestellt, welche Frist er zur Annahme setze. Darüber hinaus habe die Beklagte ein erkennbares Interesse daran gehabt, möglichst schnell zu wissen, wie viele Arbeitnehmer der einzelnen Abteilungen die Änderungsangebote nach Köln annehmen, um einen reibungslosen Sendebetrieb in Köln zu gewährleisten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Gründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten.
Der Arbeitsplatz der Klägerin in Berlin sei entfallen. Die Beklagte habe der Klägerin mit dem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Köln zu im Übrigen unveränderten Bedingungen nur solche Änderungen vorgeschlagen, die die Klägerin billigerweise habe hinnehmen müssen. Daran ändere sich auch nicht deshalb etwas, weil die Beklagte eine Annahmefrist von nur zwei Wochen gewährt habe. Die Beklagte sei nach § 148 BGB frei bei der Bestimmung der Annahmefrist. Eine Begrenzung ergebe sich nicht aus § 2 Satz 2 KSchG oder § 4 KSchG. Die Beklagte habe nach der im März 2004 beschlossenen Umstrukturierung ein erhebliches Interesse gehabt, von dort aus planen zu können, mit welchen Mitarbeitern die Tätigkeit in Köln fortgesetzt werden könnte. Die Kürze der Überlegungsfrist verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben.
B. Dem stimmt der Senat im Ergebnis, nicht aber in allen Teilen der Begründung zu.
I. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist (st. Rspr. - BAGE 110, 188; - 2 AZR 617/99 - BAGE 96, 294; - 2 AZR 77/99 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 104; - 2 AZR 352/96 - BAGE 85, 358). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (st. Rspr. - 2 AZR 584/92 - BAGE 73, 151). Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen (vgl. - 2 AZR 617/02 -BAGE 107, 56; KR-Rost 7. Aufl. § 2 KSchG Rn. 106d; HaKo-Pfeiffer KSchG 2. Aufl. § 2 Rn. 39; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 2 Rn. 65). Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung, dh.: Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich ist ( - 2 AZR 642/04 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 81 = EzA KSchG § 2 Nr. 54, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
II. Diesen Erfordernissen genügt die streitbefangene Änderungskündigung.
1. Auch die Revision stellt nicht in Abrede, dass die Beklagte keine Möglichkeit mehr hat, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen in Berlin zu beschäftigen.
2. Ebenso wenig macht die Klägerin geltend, die Beklagte habe Änderungen vorgeschlagen, die nicht geeignet und erforderlich wären, um den Vertragsinhalt an die geänderte Beschäftigungsmöglichkeit anzupassen.
3. Die Klägerin ist lediglich der Auffassung, die Änderungskündigung sei deshalb unwirksam, weil die Beklagte eine nicht dem Gesetz (§ 2 Satz 2 KSchG) entsprechende Annahmefrist gesetzt habe. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
a) Nach § 2 Satz 2 KSchG kann der Arbeitnehmer, dem gegenüber eine Änderungskündigung ausgesprochen wurde, das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung annehmen. Den Vorbehalt muss der Arbeitnehmer, wenn die Kündigungsfrist weniger als drei Wochen beträgt, innerhalb der Kündigungsfrist, ansonsten innerhalb von drei Wochen erklären. Diese gesetzliche Frist ist zwingend. Für den Arbeitnehmer nachteilige Abweichungen von den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes können nicht vereinbart, erst recht nicht einseitig durch den Arbeitgeber festgelegt werden (allgem. Auffassung, vgl. nur: Senat - 2 AZR 93/01 - AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 22 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 40; HaKo-Fiebig 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 6; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 1 Rn. 7; APS-Dörner 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 5). Zu Recht führt die Revision aus, dass an dieser Rechtslage auch die Entscheidung des Senats vom (- 2 AZR 674/01 - BAGE 104, 315) nichts geändert hat. Zum einen befasst sich die Entscheidung nicht mit der Vorbehaltserklärung, sondern mit dem Angebot des Arbeitgebers, zum andern ging es um die Frage, ob die vorbehaltlose Annahme auch nach Ablauf der Frist des § 2 Satz 2 KSchG erklärt werden kann.
b) Wie die Vorinstanzen zutreffend bemerkt haben, betrifft § 2 Satz 2 KSchG nach seinem Wortlaut lediglich die Vorbehaltserklärung, nicht jedoch die vorbehaltlose Annahme des Änderungsangebots. Indes ist diese Frist als Mindestfrist auch auf die vorbehaltlose Annahme des Änderungsangebots zu erstrecken (vgl. KR-Rost 7. Aufl. § 2 KSchG Rn. 77). Die Vorbehaltserklärung stellt eine bedingte Annahme dar. Sie setzt deshalb ein annahmefähiges Angebot voraus. Ein befristetes Angebot erlischt jedoch mit Ablauf der Frist. Ein erloschenes Angebot ist kein Angebot und kann nicht, auch nicht unter Vorbehalt angenommen werden.
c) Richtig ist, dass der Arbeitgeber grundsätzlich frei ist, sein Änderungsangebot zu befristen (Senat - 2 AZR 674/01 - BAGE 104, 315). Dabei bildet jedoch die gesetzliche Mindestfrist des § 2 Satz 2 KSchG die Untergrenze. Ein vernünftiger Weise berücksichtigungsfähiges Interesse, diese Frist, deren Geltung für die Vorbehaltsannahme das Gesetz ausdrücklich und zwingend vorschreibt, für den Fall der vorbehaltlosen Annahme abzukürzen, besteht nicht. Da der Arbeitnehmer in jedem Fall die Vorbehaltsannahme auch nach Ablauf einer solchen Frist bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist erklären kann, würde sich der Arbeitgeber, könnte er die Frist zur vorbehaltlosen Annahme entgegen § 2 Satz 2 KSchG abkürzen, auf diese Weise selbst der Möglichkeit berauben, die angestrebte Vertragsänderung ohne Änderungsschutzprozess zu erreichen.
d) Die zu kurze Bestimmung der Annahmefrist führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Sie setzt vielmehr die gesetzliche Frist des § 2 Satz 2 KSchG in Lauf. Der Arbeitnehmer kann also in jedem Fall die Annahme vorbehaltlos oder unter Vorbehalt innerhalb der Frist des § 2 Satz 2 KSchG erklären. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits im Fall einer fristlosen Änderungskündigung entschieden ( - 7 AZR 790/85 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 20 = EzA KSchG § 2 Nr. 10). In dieser Entscheidung wurde die Bestimmung einer zu kurz bemessenen Annahmefrist nicht als Grund für die Unwirksamkeit der gesamten Änderungskündigung angesehen, sondern angenommen, es werde lediglich die dem Gesetz entsprechende Frist ("unverzüglich") in Gang gesetzt; der Arbeitgeber könne die Annahmefrist nicht einseitig verkürzen.
aa) Die Revision meint dagegen, die Bestimmung einer nicht dem Gesetz entsprechenden Annahmefrist führe zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung. Dafür scheint zu sprechen, dass beim nicht rechtskundigen Arbeitnehmer der Eindruck entstehen kann, er müsse sich innerhalb der fälschlich genannten und dem Gesetz nicht entsprechenden Frist entscheiden und erklären, während in Wahrheit eine solche Zwangslage auf Grund der gesetzlichen Regelung in § 2 KSchG nicht besteht.
bb) Indes ist die Rechtsfolge der gänzlichen Unwirksamkeit bei einer dem Gesetz nicht genügenden Annahmefrist nicht gerechtfertigt.
(1) Aus dem Kündigungsschutzgesetz kann eine solche Rechtsfolge nicht abgeleitet werden. Denn danach sind nur sozialwidrige Kündigungen bzw. Änderungen unwirksam. Die Unwirksamkeitsfolge ist nach §§ 1, 2 KSchG eine Reaktion des Rechts auf das Fehlen materieller Kündigungs- oder Änderungsgründe, nicht auf fehlerhafte Fristbestimmungen.
(2) Auch sonst ziehen Gesetz und Rechtsprechung aus falschen Fristbestimmungen regelmäßig nicht die Folgerung, das ganze Rechtsgeschäft für unwirksam zu erklären. Für den Fall einer mit zu kurzer Frist ausgesprochenen Kündigung hat der Senat entschieden, dass, da der Kündigende in der Regel jedenfalls ordentlich kündigen wolle, die Kündigung in dem Sinne auszulegen ist, dass sie zum richtigen Zeitpunkt wirkt ( - 2 AZR 148/05 - DB 2006, 1116, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Kündigung wird in diesen Fällen in aller Regel nicht als nichtig angesehen. Nach § 306 Abs. 2, § 308 Nr. 1 BGB setzt die Bestimmung unangemessen langer Annahmefristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die nach dem Gesetz zulässige Annahmefrist in Gang, berührt jedoch - abgesehen von den Fällen des § 306 Abs. 3 BGB - nicht die Wirksamkeit des Vertragsangebots.
(3) Die Unwirksamkeitssanktion ist auch nicht zum Schutz des Arbeitnehmers vor Missbrauch erforderlich. Die für den Arbeitnehmer in § 2 KSchG garantierte Rechtsposition besteht darin, dass er sich gegen die Änderungskündigung innerhalb der gesetzlichen Frist wehren kann, ohne den Bestand des Arbeitsverhältnisses aufs Spiel setzen zu müssen. Dieses Recht bleibt dem Arbeitnehmer auch dann erhalten, wenn durch die falsche Fristbestimmung die gesetzliche Frist in Gang gesetzt wird. Umgekehrt bleibt auch dem Arbeitgeber der mit der Möglichkeit der Änderungskündigung verbundene Rechtsvorteil erhalten, dass er nämlich die vorhandene Möglichkeit der Weiterbeschäftigung als Unwirksamkeitsgrund einer Beendigungskündigung vermeidet und damit zugleich sein Annahmeverzugsrisiko verringert. Dieser Rechtsvorteil würde dem Arbeitgeber durch die Unwirksamkeitssanktion genommen, ohne dass dafür ein innerer Grund vorläge: Denn der genannte Rechtsvorteil des Arbeitgebers steht in Übereinstimmung mit der auch ohne die verkürzte Fristsetzung bestehenden materiellen Rechtslage. Der Arbeitgeber erwirbt also durch die falsche Fristangabe keinen zusätzlichen, der ansonsten bestehenden Rechtslage widersprechenden Vorteil, der ihm genommen werden müsste. Außerdem ist dieser Vorteil lediglich die Konsequenz der durch § 2 KSchG dem Arbeitnehmer eingeräumten Möglichkeit. Sie könnte dem Arbeitgeber also nur genommen werden, wenn dem Arbeitnehmer der besondere Schutz des § 2 KSchG ebenfalls versagt würde.
cc) Dass der Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer durch eine entgegen § 2 Satz 2 KSchG zu kurze Annahmefrist von der (rechtzeitigen) Abgabe der Vorbehaltserklärung abgehalten hat, sich unter den Voraussetzungen des § 242 BGB auf den etwa eingetretenen Ablauf der Frist des § 2 Satz 2 KSchG nicht berufen kann, braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden, weil die Klägerin die Möglichkeit der Vorbehaltsannahme innerhalb der gesetzlichen Frist erkannt, jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Annahmeerklärung - auch nicht unter Vorbehalt - abgegeben hat.
III. Die Kosten der erfolglosen Revision fallen der Klägerin nach § 97 ZPO zur Last.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1803 Nr. 33
DB 2006 S. 1790 Nr. 33
NJW 2006 S. 3373 Nr. 46
NWB-Eilnachricht Nr. 40/2006 S. 3355
BAAAB-93655
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein