Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 850h Abs. 2
Instanzenzug: ArbG Stuttgart 13 Ca 342/02 vom LAG Baden-Württemberg 6 Sa 32/04 vom
Tatbestand
Die Klageparteien nehmen den Beklagten als Drittschuldner in Anspruch. Sie haben auf Grund vorhergehender Zahlungstitel gegen den Streitverkündeten, den Architekten Herrn L , (die Klägerin zu 2. darüber hinaus noch teilweise aus abgetretenem Recht) gegen den Beklagten zwischen Oktober 1996 und März 1999 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bezüglich des Arbeitseinkommens des Streitverkündeten über insgesamt umgerechnet = 152.743,85 Euro erwirkt.
Der Beklagte betreibt ein Architekturbüro, in dem er den Streitverkündeten, den geschiedenen Ehemann der Klägerin zu 2. beschäftigt, wobei ua. streitig ist, in welchem Umfang und gegen welches Entgelt dieser für den Beklagten tätig ist und wie hoch die angemessene Vergütung für diese Tätigkeit ist.
Das Amtsgericht A hatte in einem Unterhaltsurteil vom auf der Basis der Angaben des Streitverkündeten festgestellt, dass dieser als freier Mitarbeiter des Beklagten monatlich über durchschnittliche Honorareinkünfte von umgerechnet 8.958,86 Euro verfügt. Der Pfändungsfreibetrag des Streitverkündeten gem. § 850f Abs. 1 ZPO wurde durch Beschluss des Landgerichts E vom festgesetzt, und zwar für den Zeitraum bis zum auf jeweils umgerechnet 3.394,10 Euro, vom bis auf 3.587,62 Euro und ab wieder auf 3.404,06 Euro. In dem diesem Beschluss zugrunde liegenden Antrag hatte der Streitverkündete einen monatlichen Pfändungsfreibetrag von 7.669,38 Euro geltend gemacht.
Die Kläger gehen davon aus, dass der Streitverkündete bei dem Beklagten ein monatliches Einkommen von 8.958,86 Euro erzielt bzw. erzielt hat. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Urteil des Amtsgerichts A sowie aus weiteren Unterlagen. Ferner beziehe man sich auf die von dem Streitverkündeten in verschiedenen gerichtlichen Verfahren und außergerichtlich gegenüber den Bevollmächtigten der Kläger selbst gemachten Angaben, wonach er 168 Stunden monatlich zu umgerechnet 31,96 Euro bzw. 32,98 Euro entsprechend dem (unstreitigen) Vertrag zwischen dem Beklagten und dem Streitverkündeten aus dem Jahre 1991 arbeite und auf die Entscheidungsbegründungen der oben angeführten Gerichte. Ergänzend stützen sich die Klageparteien darauf, dass die von ihnen angenommene Vergütung jedenfalls angemessen sei, wie sich auch aus einer von der Architektenkammer in S erstellten Übersicht der repräsentativ ermittelten monatlichen Einkommen von angestellten Architekten ergebe. Der Streitverkündete habe vollzeitig, nahezu immer darüber hinaus mindestens zehn Stunden täglich gearbeitet. Dies könne durch namentlich aufgeführte frühere und jetzige Mitarbeiter des Beklagten bestätigt werden.
Die Kläger haben sinngemäß beantragt, den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 152.743,85 Euro nach Maßgabe der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zu verurteilen.
Der Beklagte begehrt Klageabweisung und meint, der Streitverkündete arbeite als freier Mitarbeiter für ihn und habe in den fraglichen Zeitabschnitten nicht mehr Einkommen erzielt als ihm durch das Landgericht E jeweils als Freibetrag zugestanden worden sei; deshalb sei ein pfändbarer Betrag nicht vorhanden. Die von der Architektenkammer S angenommenen Honorare seien in ländlichen Bezirken nicht zu erzielen. Er selbst habe im fraglichen Zeitraum auch keine Umsätze erzielt, die eine entsprechende Vergütung ermöglicht hätten; insoweit habe auch eine einvernehmliche Regelung mit dem Streitverkündeten bestanden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Auf die Beschwerde der Klägerinnen und Kläger hat der Senat mit Beschluss vom die Revision zugelassen.
Gründe
Die Revision der Klägerinnen und Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zusammengefasst angenommen, die Klage sei insgesamt zulässig und es bestünden auch keine Bedenken aus der gemeinsamen Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt des Prioritätsprinzips in der Zwangsvollstreckung, da das klägerische Vorbringen die Tilgungsreihenfolge ausreichend berücksichtigt habe. Es sei den Klageparteien aber nicht gelungen, hinreichende Tatsachen vorzutragen, die es dem Gericht erlaubten, von einer bestimmten Einkommenshöhe des Streitverkündeten auf Grund der Tätigkeit bei dem Beklagten auszugehen. Den Klägern sei zwar zuzugeben, dass an der Richtigkeit der beklagtenseitigen Darstellung, der Streitverkündete habe jeweils Monatseinkünfte bezogen, die exakt dem jeweiligen Selbstbehalt entsprächen, begründete Zweifel bestünden. Sie hätten aber nicht schlüssig und nachprüfbar dargetan, welche Beträge der Streitverkündete von dem Beklagten statt dessen bezogen habe. Auch die Zugrundelegung eines "verschleierten Arbeitseinkommens" gem. § 850h Abs. 2 ZPO komme nicht in Betracht, da die hierfür erforderlichen Arbeitsleistungen des Streitverkündeten für den Beklagten nicht hinreichend konkret dargelegt worden seien. Es genüge nicht zu behaupten, der Streitverkündete sei "in Vollzeit" bzw. "mindestens 10 Stunden am Tag" für den Beklagten beschäftigt gewesen. Eine Erhebung der dafür angebotenen Beweise laufe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus.
II. Mit dieser Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Das Landesarbeitsgericht hat eine Beweisaufnahme über die Behauptung der Klageparteien zum Umfang der Tätigkeit des Schuldners zu Unrecht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des "unzulässigen Ausforschungsbeweises" abgelehnt. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Ob und ggf. in welcher Höhe den Klägern der geltend gemachte Anspruch zusteht, ist durch eine Beweisaufnahme zu klären, die das Landesarbeitsgericht nach Zurückverweisung der Sache durchzuführen hat.
a) Der Anspruch der Klägerinnen und Kläger kann aus § 850h Abs. 2 ZPO begründet sein. Die Pfändung eines "verschleierten Arbeitseinkommens" nach dieser Vorschrift durch den Gläubiger setzt voraus, dass der Schuldner dem Dritten in einem ständigen Verhältnis Arbeiten oder Dienste leistet, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, die insoweit als üblich anzusehende Vergütung aber nicht oder nur in geringerem Umfang gezahlt wird. Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich dieser Voraussetzungen obliegt der klagenden Partei.
b) Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs dann schlüssig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen (st. Rspr., zB - zur Veröffentlichung vorgesehen; - NJW 1991, 2707). Dabei ist die Klagepartei nicht verpflichtet, den streitigen Lebenssachverhalt in allen Einzelheiten darzustellen; vielmehr genügt eine Prozesspartei ihrer Darlegungspflicht grundsätzlich bereits dadurch, dass sie diejenigen Umstände vorträgt, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben ( - NJW-RR 2002, 1433).
Bezogen auf die vom Gläubiger darzulegenden Tatbestandsmerkmale der regelmäßigen Arbeit für den Drittschuldner und der Unangemessenheit der Vergütung gem. § 850h Abs. 2 ZPO folgt daraus die Verpflichtung der Klagepartei, Art und zeitlichen Umfang der Arbeitsleistungen des Schuldners darzulegen. Der Gläubiger muss ferner mit seinem Sachvortrag dem Gericht einen Vergleich zwischen der für die behauptete Arbeitsleistung angemessenen Vergütung und der tatsächlich gezahlten Vergütung ermöglichen, um das Merkmal der Unangemessenheit des vom Drittschuldner geleisteten Entgelts zu überprüfen.
2. Diese Voraussetzungen erfüllt der Klägervortrag.
a) Ausgehend von der unstreitigen Tatsache, dass der Streitverkündete als Architekt für den Beklagten tätig ist und lediglich über den zeitlichen Umfang der Arbeit gestritten wird, haben sich die Klageparteien ua. auf die vom Streitverkündeten im streitgegenständlichen Zeitraum (April 2000) in einem anwaltlichen Schreiben an die Prozessbevollmächtigten der Kläger selbst angegebene Tatsache einer monatlichen Tätigkeit von 168 Arbeitsstunden berufen. Die Klageparteien haben von dem Streitverkündeten geführte Stundenlisten aus dem Zeitraum Januar bis August 2000 vorgelegt, aus denen sich wöchentliche Arbeitsstundenzahlen von fast immer 40 und teilweise deutlich mehr ergeben. Vor diesem Hintergrund ist die tatsächliche Behauptung der Klageparteien, der Streitverkündete habe vollzeitig und nahezu immer mindestens zehn Stunden täglich gearbeitet, konkret genug, um - im Nichtbestreitensfalle - als Grundlage eines Subsumtionsvorganges zu dienen. Das Gericht könnte hieraus hinreichend deutlich schlussfolgern, dass der Tatbestand des § 850h Abs. 2 ZPO hinsichtlich des Merkmals der ständigen Leistung von Arbeit, die nach Art und Umfang regelmäßig vergütet wird, erfüllt ist.
b) Auch die zweite Voraussetzung, die Unterbezahlung für die geleisteten Dienste, ist hinreichend dargelegt. Die Klageparteien berufen sich dazu ua. auf den vom Streitverkündeten im Mai 2001 mitgeteilten Stundensatz von umgerechnet 32,98 Euro. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Streitverkündete diesen Betrag tatsächlich erhalten hat; er ist - insbesondere vor dem Hintergrund, dass er in einem bereits 1991 geschlossenen Vertrag zwischen dem Beklagten und dem Streitverkündeten vereinbart worden ist - jedenfalls mindestens als angemessene Vergütung im Sinne von § 850h Abs. 2 Satz 1 ZPO anzusehen. Bereits unter Zugrundelegung dieses Betrages ergibt sich bei der von den Klageparteien in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beweisantritt behaupteten "Vollzeitbeschäftigung" schon bei einer 35-Stunden-Woche ein Monatseinkommen von 5.001,97 Euro. Demgegenüber betrug der Pfändungsfreibetrag gem. Beschluss des Landgerichts E ab dem lediglich 3.404,06 Euro. Dies führt allein für diesen Zeitraum zu einem pfändbaren Betrag von monatlich 1.597,91 Euro. Auf die teilweise zu einem noch höheren pfändbaren monatlichen Betrag führenden Alternativerwägungen der Klageparteien muss deshalb nicht eingegangen werden.
c) Da der Beklagte eindeutig bestreitet, dass der Streitverkündete bei ihm vollzeitbeschäftigt gewesen sei, ist die klägerische Behauptung beweisbedürftig. Die ihr zukommende Beweisantrittslast hat die Klägerseite mit der Benennung der Zeugen im Schriftsatz vom an das Landesarbeitsgericht erfüllt.
Die Beweisaufnahme ist auch durchzuführen.
Eine Beweisaufnahme zu einer erheblichen Tatsache kann nur dann abgelehnt werden, wenn ihre Erheblichkeit mangels näherer Bezeichnung der unter Beweis gestellten Tatsachen nicht zu beurteilen ist oder wenn sie lediglich in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, tatsächlich aber erkennbar aus der Luft gegriffen, dh. ohne jeden Anhaltspunkt ins Blaue hinein aufgestellt ist und sich dieser Vortrag deshalb als Rechtsmissbrauch darstellt. Dabei ist hinsichtlich einer solchen Annahme Zurückhaltung geboten ( - NJW 1992, 1967 mwN; - VI ZR 178/94 - AP ZPO § 286 Nr. 23). Derartige Umstände liegen jedoch nicht vor.
III. Über die Kosten der Revision hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls mit zu entscheiden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 255 Nr. 4
EAAAB-93560
1Für die Amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein