Leitsatz
[1] Leistet der Schuldner nach einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Vergütung, die der Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren nur als Insolvenzforderung geltend machen könnte, so kann der Insolvenzverwalter diese Rechtshandlung grundsätzlich auch dann anfechten und die Rückzahlung zur Insolvenzmasse verlangen, wenn er selbst als vorläufiger Insolvenzverwalter der Zahlung zugestimmt hatte.
Gesetze: InsO § 21; InsO § 129; InsO § 130; InsO § 143; BGB § 242
Instanzenzug: ArbG Rosenheim 3 Ca 662/03 vom LAG München 2 Sa 774/03 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung eines Teils seines Gehalts für März 2002 auf Grund einer Insolvenzanfechtung.
Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der M AG, der ehemaligen Arbeitgeberin des Beklagten. Am beantragte das Finanzamt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Am wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verfügungsbefugnis bestellt. Bei einer Belegschaftsversammlung am , an der auch der Beklagte teilnahm, wurde der Kläger den Mitarbeitern als vorläufiger Insolvenzverwalter vorgestellt und sprach auch über die Auszahlung des noch nicht gezahlten Märzgehalts 2002. Die Einzelheiten seiner Äußerungen sind zwischen den Parteien streitig.
Zum wurde das Arbeitsverhältnis zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten beendet. Dieser war ab bei der M GmbH beschäftigt, an der die Schuldnerin zu 50 % beteiligt war. Dieses Arbeitsverhältnis bestand bis zum .
Am wurde an einige (ehemalige) Mitarbeiter der Schuldnerin das restliche Märzgehalt gezahlt. Der Beklagte erhielt 1.059,99 Euro netto.
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am wurde der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Am erklärte er gegenüber dem Beklagten die Anfechtung der Auszahlung des Märzgehalts 2002 und verlangte die Rückzahlung bis spätestens . Mit Schreiben vom widersprach der Beklagte der Anfechtung.
Zur Begründung seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Anfechtung sei gerechtfertigt, weil durch die Auszahlung des Märzgehalts eine Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger erfolgt sei. Bei der Belegschaftsversammlung seien die Mitarbeiter auf die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin hingewiesen worden, außerdem darauf, dass die Auszahlung des Märzgehalts ggf. angefochten werden müsse. Nur zwölf von 40 Mitarbeitern hätten das restliche Märzgehalt erhalten. Die übrigen Mitarbeiter hätten keine Zahlung erhalten, weil Kundenzahlungen ausgeblieben seien. Dass der Beklagte nur im Hinblick auf die Inaussichtstellung der Nachzahlung für März bei der Betriebsversammlung von einer fristlosen Kündigung abgesehen habe, sei nicht anzunehmen. Sein Wechsel zur M GmbH sei für ihn nur vorteilhaft gewesen, denn für den Zeitraum April bis Juni 2002 sei er durch das Insolvenzgeld gesichert gewesen. Danach habe er sein Gehalt von der M GmbH erhalten. Durch die Mitarbeit des Beklagten bei der M GmbH sei der Wert der Anteile der Schuldnerin an dieser Firma nicht gestiegen. Im Übrigen sei bislang der Kaufpreis für die Geschäftsanteile nicht gezahlt worden.
Die Anfechtung sei auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ausgeschlossen, weil keine bloß mittelbare, noch nicht erkennbare, sondern eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vorgelegen habe. Schließlich habe der Beklagte nach seinem eigenen Sachvortrag eine Zwangslage der Schuldnerin ausgenützt, wenn er davon ausgehe, dass die Auszahlung nur deswegen erfolgt sei, um ihn bei der Stange zu halten.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilten, an ihn 1.059,99 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu bezahlen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, eine Gläubigerbenachteiligung liege deshalb nicht vor, weil er ohne die Zusicherung des Klägers anlässlich der Belegschaftsversammlung am fristlos gekündigt und sich nicht auf eine Umschichtung auf die M GmbH eingelassen hätte. Er und andere Kollegen hätten sich dann sofort selbständig gemacht und direkt für den Kunden I gearbeitet. Durch seine Tätigkeit sei ein Massezufluss in Höhe des fünffachen des an ihn ausbezahlten Märzgehalts erwirtschaftet worden. Außerdem habe der Kläger die Geschäftsanteile der Schuldnerin an der M GmbH für 15.000,00 Euro verkauft. Ohne Mitarbeiter wären diese Geschäftsanteile nichts wert gewesen.
Schließlich stehe der Anfechtung ein Vertrauenstatbestand entgegen. Auf der Belegschaftsversammlung hätten der Vorstandsvorsitzende der Schuldnerin und der Kläger die Auszahlung der Märzgehälter als sicher dargestellt. Ein Hinweis auf eine mögliche Anfechtung sei nicht erfolgt. Auch bei der Auszahlung mit Zustimmung des Klägers sei kein Vorbehalt erklärt worden. Unter diesen Umständen habe er, der Beklagte, darauf vertrauen dürfen, das ausbezahlte Geld nicht wieder zurückzahlen zu müssen. Deshalb scheitere die Rückforderung auch an Treu und Glauben.
Das Arbeitsgericht hat nach einer Beweisaufnahme der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung.
Gründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Anfechtung der Auszahlung des restlichen Märzgehalts für 2002 an den Beklagten sei gemäß §§ 129, 130 InsO wirksam, denn diese Auszahlung stelle eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger iSv. § 129 Abs. 1 InsO dar. Eine gleichwertige Gegenleistung sei dem Schuldnervermögen nicht zugeflossen. Die Arbeiten des Beklagten beim I, die ausweislich der Rechnung vom mit 5.868,75 Euro berechnet wurden, seien zum einen bei der Nachzahlung der restlichen Märzvergütung und auch schon bei der behaupteten Zusicherung der Nachzahlung am bereits abgeschlossen gewesen; zum anderen sei eine Zahlung auf diese Rechnung nicht der Insolvenzmasse, sondern der M GmbH zugeflossen. Für eine Kündigungsabsicht des Beklagten im Fall des Ausbleibens einer Zusage der Nachzahlung der ausstehenden Märzvergütung bei der Betriebsversammlung gebe es außerdem keine ausreichenden Anhaltspunkte, die eine Beweisaufnahme erfordern würden. Das Unterlassen der außerordentlichen Kündigung könne schließlich schon deshalb keine Gegenleistung für die Nachzahlung der Märzvergütung gewesen sein, weil der Beklagte bei der Nachzahlung in keinem Arbeitsverhältnis zur Schuldnerin mehr gestanden habe.
Letzteres stehe auch der Annahme entgegen, eine Gegenleistung für die Auszahlung der restlichen Märzvergütung sei eine Werterhöhung der Geschäftsanteile der Schuldnerin an der M GmbH gewesen. Zudem sei der Kaufpreis für diese Geschäftsanteile der Insolvenzmasse unbestritten nicht zugeflossen.
Dem Anfechtungsrecht des Klägers stehe auch dessen Zustimmung zur Auszahlung der restlichen Märzvergütung nicht entgegen. Durch diese Auszahlung sei die Möglichkeit der Gläubiger, sich aus dem Vermögen der Schuldnerin zu befriedigen, nicht bloß mittelbar, sondern unmittelbar beeinträchtigt worden. Das Vertrauen des Beklagten auf das Behaltendürfen der restlichen Märzvergütung sei nicht derart schutzwürdig, dass das Gebot einer möglichst gleichmäßigen Behandlung aller Gläubiger durchbrochen werden könnte.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung. Insoweit kann dahinstehen, ob die Tilgung der Altschulden für März 2002 schon wegen Insolvenzzweckwidrigkeit unwirksam war (vgl. - BGHZ 154, 190,194; - IX ZR 255/91 - BGHZ 118, 374, 379 f.). Jedenfalls hat sie der Kläger wirksam gem. §§ 129 f. InsO angefochten, so dass sich der Rückzahlungsanspruch aus § 143 Abs. 1 InsO ergibt.
1. Zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin bzw. dem Kläger gab es neben dem Arbeitsvertrag keine kausale Abrede über die Zahlung des restlichen Märzgehalts. Der Beklagte hat sich nicht verpflichtet, im Gegenzug zu dieser Zahlung auf eine fristlose Kündigung zu verzichten bzw. für die M GmbH tätig zu werden. Mit der unter dem Vorbehalt eingehender Zahlungen getätigten Aussage des Klägers in der Belegschaftsversammlung vom , die ausstehende Märzvergütung werde gezahlt werden, hat der Kläger lediglich Erfüllungsbereitschaft hinsichtlich der sich bereits aus dem Arbeitsvertrag und der Vorleistung des Beklagten ergebenden Zahlungspflicht der Schuldnerin bekundet. Ob dies in der Absicht geschah, den Beklagten und einige seiner Kollegen "bei der Stange zu halten", ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Eine neue, vom ursprünglichen Schuldgrund des Arbeitsvertrags losgelöste Verpflichtung wurde mit der Aussage des Klägers vom nicht begründet. Auf eine solche neue kausale Abrede bezieht sich deshalb auch die Insolvenzanfechtung nicht.
2. Diese Anfechtung betrifft vielmehr nur die durch die Zahlung dem Beklagten verschaffte Befriedigung seiner aus dem Arbeitsvertrag resultierenden Forderung auf das restliche Märzgehalt. Diese Forderung wäre im Insolvenzverfahren bloße Insolvenzforderung gewesen. Die Zahlung war deshalb grundsätzlich gemäß §§ 129, 130 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO anfechtbar; sie erfolgte nach dem Eröffnungsantrag und dem Beklagten waren, weil der Kläger bei der Belegschaftsversammlung am als vorläufiger Insolvenzverwalter vorgestellt worden war, Umstände bekannt, die zwingend auf den Eröffnungsantrag schließen ließen (vgl. - aaO, zu II 2 b der Gründe).
3. Zwar könnte die Anfechtung nach § 130 InsO unter Umständen deshalb ausgeschlossen sein, weil die Wirksamkeit der Verfügung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters abhing und die Zahlung tatsächlich mit der Zustimmung des Klägers erfolgte. Ob mit dieser in der Literatur (MünchKommInsO-Kirchhof § 129 Rn. 46; Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 14.96 ff.) vertretenen Ansicht Ausnahmen von der Anfechtbarkeit anerkannt werden können, bedarf jedoch keiner abschließenden Prüfung. Die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters hindert die Anfechtung nach § 130 InsO jedenfalls dann nicht, wenn die Zahlung nicht zur Fortführung eines erhaltungswürdigen Schuldnerunternehmens erfolgte und die übrigen Gläubiger unmittelbar benachteiligte (so wohl auch - BGHZ 154, 190, 193 f.). In diesem Fall besteht nämlich für den Zahlungsempfänger, der keine weiteren Leistungen für den Schuldner mehr erbringt, in der Regel kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass er eine nicht mehr entziehbare Befriedigung erlangt habe, weil er die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung sofort erkennen kann (vgl. - aaO, S. 199 zu II 2 d der Gründe).
a) Die Zahlung der restlichen Märzvergütung am benachteiligte die übrigen Gläubiger unmittelbar. Das Vermögen der Schuldnerin wurde um den Klagebetrag gemindert, ohne dass dies durch eine gleichwertige Gegenleistung des Beklagten ausgeglichen wurde. Dies war dem Beklagten auch bekannt. Zu dieser Zeit hat der Beklagte überhaupt keine Leistungen für die Schuldnerin mehr erbracht, vielmehr war sein Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin bereits zum beendet worden. Weder die im März noch die im Juni 2002 für die Schuldnerin erbrachte Arbeitsleistung konnte die Zahlung am insolvenzrechtlich rechtfertigen. Die mit dieser Zahlung bewirkte Vermögensminderung wurde durch keinerlei von dem Beklagten mit Rücksicht auf diese Zahlung bewirkten Vorteil im Sinne einer unmittelbaren Mehrung des Schuldnervermögens aufgewogen (vgl. - BGHZ 154, 190, 195 f.).
Ein solcher Vorteil kann auch nicht in der angeblichen Stabilisierung des Werts der Beteiligung der Schuldnerin an der M GmbH durch die Weiterarbeit des Beklagten bei dieser GmbH gesehen werden. Abgesehen davon, dass der Beklagte für diese Arbeit von der M GmbH entlohnt wurde, läge selbst in der Übertragung eines entsprechend werthaltigen Geschäftsanteils an einer GmbH durch den Beklagten an die Schuldnerin kein vollwertiger Ausgleich für die Vermögensminderung durch die Begleichung der Altschulden (vgl. - BGHZ 128, 184, 189); erst recht kann die behauptete Wertstabilisierung nicht als unmittelbare Mehrung des Schuldnervermögens gewertet werden, was auch dadurch verdeutlicht wird, dass der Insolvenzmasse unstreitig der Kaufpreis aus der Veräußerung der Beteiligung an der GmbH nicht zugeflossen ist.
Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang ferner mit Recht darauf hingewiesen, dass die Rechnung der M GmbH vom zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossene Arbeiten betraf. Auch die Zahlung der GmbH vom an die Schuldnerin stellte keinen unmittelbar mit der am geleisteten Nachzahlung zusammenhängenden Vorteil dar (vgl. auch - BGHZ 154, 190, 198 f., zu II 2 c dd der Gründe). Die Weiterarbeit des Beklagten, noch dazu nicht bei der Schuldnerin, sondern bei der GmbH, ließ die Gläubigerbenachteiligung genauso wenig entfallen wie zB eine weitere Stromlieferung bei der Bezahlung früherer Stromlieferungen, eine Weiterarbeit eines Subunternehmers gegen Bewilligung einer Sicherheit für ausstehende Forderungen oder eine weitere Überlassung von Mieträumen nach der Beitreibung älterer Mietforderungen durch den Vermieter. Dies anders zu sehen, würde bedeuten, den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in der Insolvenz unzulässig auszuhöhlen (vgl. - aaO, S. 197). Soweit sich die Verfahrensrüge des Beklagten auf die Unterlassung einer Beweisaufnahme über Mittelzuflüsse von der M GmbH bezieht, geht sie somit schon mangels der Unmittelbarkeit des Zusammenhangs mit der Nachzahlung der restlichen Märzvergütung an den Beklagten ins Leere.
b) Unter diesen Umständen bedurfte es auch keines Vorbehalts der späteren Insolvenzanfechtung seitens des Klägers bei der Belegschaftsversammlung am bzw. vor oder bei der Zahlung am , um die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens des Beklagten auf die Unentziehbarkeit der Befriedigung zu verhindern. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus mit Recht darauf hingewiesen, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, der Beklagte habe gerade im Vertrauen auf die zugesagte Zahlung des Rests der Märzvergütung seine Dispositionen dahin getroffen, von einer fristlosen Kündigung abzusehen und sich auf den Wechsel zur M GmbH einzulassen. Auch in der Revisionsbegründung hat der Beklagte nicht angegeben, welche Wahrnehmungen, aus denen auf einen derart motivierten Wechsel zu der GmbH zu schließen wäre, die benannten Zeugen insoweit bekundet hätten. Mit seiner diesbezüglichen Verfahrensrüge unzureichender Sachverhaltsaufklärung und unterlassener Beweiserhebung kann der Beklagte deshalb keinen Erfolg haben. Die Rückforderung der Zahlung des restlichen Märzgehalts verstößt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, mangels schutzwürdigen Vertrauens des Beklagten in das Behaltendürfen nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2005 S. 1341 Nr. 24
DB 2005 S. 172 Nr. 3
ZAAAB-93472
1Für die Amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein