Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BetrVG § 77 Abs. 4 Satz 1; BGB § 613a Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug: ArbG Eberswalde 4 Ca 635/02 vom LAG Brandenburg 6 Sa 54/03 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über Provisionszahlungen für die Monate Januar 2002 bis Mai 2002.
Der Kläger wurde im Dezember 1979 von einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, der P GmbH Brot- und Backwaren, in deren Betrieb in der S in W-B als Frischdienstverkäufer eingestellt. Mit dem für diesen Betrieb gebildeten Betriebsrat hatte die P GmbH Brot- und Backwaren am eine Betriebsvereinbarung über umsatzabhängige, übertarifliche Provisionen der Fahrverkäufer (BV 1976) geschlossen. Ende 1987 ging der Betrieb S auf die Großbäckerei W B GmbH & Co. KG über. Diese wandte die BV 1976 weiterhin an; deren Fortgeltung wurde in einer weiteren Betriebsvereinbarung vom auch ausdrücklich vereinbart. Am einigte sich die Großbäckerei W B GmbH & Co. KG mit dem Betriebsrat anlässlich einer 5%igen Preiserhöhung auf eine Absenkung der Provisionssätze. 1992 begann sie, die Verkaufstouren sukzessive in ihren Betrieb Be in Br zu verlagern und Verkaufsfahrer aus dem Betrieb S nach Be zu versetzen. Aus diesem Anlass schloss sie mit dem Betriebsrat am einen Interessenausgleich und Sozialplan. Dieser sieht zur Abmilderung der mit den Versetzungen verbundenen Nachteile ua. vor, dass alle Betriebsvereinbarungen ihre Gültigkeit behalten, bis sie durch eine neue Betriebsvereinbarung ersetzt werden. Die Verlagerung war erst im Februar 1999 vollständig abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Betrieb in der S endgültig stillgelegt. Im April 1995 hatte dort nochmals eine Betriebsratswahl stattgefunden. Der damals gewählte Betriebsrat erklärte sich im August 1995 schriftlich mit einer geringfügigen Absenkung der Provisionssätze einverstanden. Der Kläger wechselte entweder 1992 oder 1996 - dies ist zwischen den Parteien streitig - vom Betrieb S nach Be.
Die Großbäckerei W B GmbH & Co. KG stellte zusätzlich zu den versetzten Verkaufsfahrern, den sog. "Westfahrern" im Betrieb Be neue Verkaufsfahrer, die sog. "Ostfahrer" ein. An die "Westfahrer" zahlte sie weiterhin Provisionen entsprechend der mehrfach geänderten BV 1976. Die "Ostfahrer" erhielten auf Grund einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung anders berechnete Provisionen. In Be gab es neben dem Betrieb der Großbäckerei W B GmbH & Co. KG einen Produktionsbetrieb der ebenfalls zur W-Gruppe gehörenden W Brot B-Br GmbH & Co. KG. Diese und die Großbäckerei W B GmbH & Co. KG verschmolzen Ende 1997/Anfang 1998 zur Beklagten, die damals noch als W Brot N-O GmbH & Co. KG firmierte. Im Zusammenhang damit wurden zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt die beiden Be Betriebe zusammengelegt. Die Beklagte führte die beiden Provisionssysteme für die "Westfahrer" und die "Ostfahrer" zunächst fort. Mit Schreiben vom kündigte sie die BV 1976 und die Betriebsvereinbarung vom zum . Zu der zum beabsichtigten einheitlichen Neuregelung für "West-" und "Ostfahrer" kam es zunächst nicht. Vielmehr folgten langwierige Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat. Die Beklagte zahlte Provisionen auch weiterhin nach den beiden bisherigen Provisionssystemen. Im Juni 2001 firmierte sie zur W Brot N-O GmbH sowie im Lauf des Rechtsstreits zur K Brot N-O GmbH um. Am schloss sie mit dem Betriebsrat mit Wirkung vom eine Betriebsvereinbarung über die Entlohnung der Frischdienstverkäufer und Fahrer (BV 2002). Die BV 2002 sieht unterschiedslos für "West-" und "Ostfahrer" dasselbe übertarifliche Provisionssystem vor. Die Beklagte wandte das neue Provisionssystem ab dem an. Dies führte bei den "Westfahrern" zu einer deutlichen Verminderung der Provisionen, bei den "Ostfahrern" jedenfalls überwiegend zu Verbesserungen. Ob auch bei einem Teil der "Ostfahrer" eine Minderung eintrat, ist streitig.
Der Kläger hat mit der Klage für die Monate Januar 2002 bis Mai 2002 Provisionsdifferenzen in rechnerisch unstreitiger Höhe von 3.363,86 Euro geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die Provision weiterhin nach der früheren Regelung zu. Die BV 2002 habe seine Ansprüche nicht reduzieren können.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.363,86 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 1.235,71 Euro seit dem und auf 2.128,55 Euro seit dem zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die BV 2002 habe die bisherigen Provisionsregelungen wirksam abgelöst.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr entsprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Der Kläger hat für die Monate Januar 2002 bis Mai 2002 keine Provisionsansprüche mehr. Seine Ansprüche für diese Zeit sind erfüllt. Sie richteten sich nach der BV 2002. Diese hat die früheren Provisionsregelungen wirksam abgelöst.
I. Die Revision ist nicht bereits deshalb begründet, weil das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil mangels hinreichender Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen arbeitsgerichtlichen Entscheidung als unzulässig hätte verwerfen müssen. Die Frist zur Begründung der Berufung lief am ab. Die vollständig bei der Akte befindliche, den Erfordernissen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO genügende Berufungsbegründungsschrift vom ging erst am und damit nach Fristablauf beim Landesarbeitsgericht ein. Von dem bereits am eingegangenen Telefax befinden sich nur - noch - die Seiten 1 und 11 bei der Akte. Diese zwei Seiten wären als Berufungsbegründung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Senat hat jedoch die Überzeugung gewonnen, dass die am per Telefax beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufungsbegründungsschrift zunächst vollständig war. Der Umstand, dass mittlerweile die Seiten 2 bis 10 fehlen, beruht offensichtlich auf der - mit Art. 103 Abs. 1 GG und den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Aktenführung kaum zu vereinbarenden - Praxis des Landesarbeitsgerichts, den per Telefax eingegangenen Schriftsätzen durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach einem Abgleich mit dem (vermeintlichen) "Originalschriftsatz" und einem entsprechenden Vermerk alle Seiten mit Ausnahme der ersten und letzten Seite zu entnehmen. Im vorliegenden Verfahren fehlt sogar dieser Vermerk. Gleichwohl ist der Senat von der ursprünglichen Vollständigkeit des Telefax überzeugt. Ausweislich des ersichtlich durch das Empfangsgerät des Landesarbeitsgerichts auf dem Telefax angebrachten Aufdrucks bestand dieses (einschließlich der Anlage) zum Zeitpunkt seines Eingangs aus 14 Seiten.
II. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Dem Kläger stehen für die Monate Januar 2002 bis Mai 2002 keine Provisionsansprüche mehr zu.
1. Ein Anspruch des Klägers auf Fortzahlung der Provisionen auf der bis zum angewandten Berechnungsgrundlage folgt nicht aus einer individualvertraglichen Vereinbarung. Der insoweit darlegungsbelastete Kläger hat die Abgabe entsprechender Willenserklärungen der Beklagten oder eines ihrer Rechtsvorgänger nicht dargetan. Seine Behauptung, ihm sei anlässlich des Wechsels aus dem Betrieb S nach Be eine bestimmte Provision zugesagt worden, ist angesichts des Bestreitens der Beklagten nicht ausreichend. Das Landesarbeitsgericht hat auch insoweit keine Feststellungen getroffen.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch aus einer vertraglichen Einheitsregelung. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgänger haben keine Gesamtzusage erteilt.
a) Allein aus der tatsächlichen Gewährung von Leistungen kann nicht auf den für eine Gesamtzusage erforderlichen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers geschlossen werden, wenn die Leistungen erkennbar erbracht werden, um Verpflichtungen aus einer Betriebsvereinbarung zu erfüllen. Die Durchführung einer vermeintlich wirksamen Betriebsvereinbarung dürfen die Arbeitnehmer nicht dahin verstehen, der Arbeitgeber wolle sich unabhängig von der Wirksamkeit und Fortgeltung rechtsgeschäftlich zur Erbringung der in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen verpflichten (vgl. - BAGE 85, 208, 220, zu II 2 c cc der Gründe; vgl. auch - 1 AZR 573/01 - BAGE 103, 187, 195 f., zu II 2 b der Gründe). Für einen entsprechenden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers müssen vielmehr besondere Umstände vorliegen (vgl. - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 42 = EzA BGB § 140 Nr. 16).
b) Derartige besondere Umstände, aus denen sich ergeben würde, dass die Beklagte oder ihre Rechtsvorgänger sich unabhängig von der (Fort-)Geltung der BV 1976 zur Zahlung der übertariflichen Provision auf der bisherigen Berechnungsgrundlage verpflichten wollten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgänger bezahlten die Provisionen - auch für den Kläger erkennbar - ersichtlich in der Annahme, hierzu auf Grund der BV 1976 sowie des Interessenausgleichs und Sozialplans vom verpflichtet zu sein. Dass die Beklagte von der möglichen Fortwirkung der BV 1976 ausging, zeigt bereits der Umstand, dass sie deren - zumindest vorsorgliche - Kündigung für erforderlich hielt.
3. Ebenso wenig folgt ein Anspruch aus den von der Rechtsprechung zur "betrieblichen Übung" entwickelten Grundsätzen. Wenn Leistungen erkennbar in der Anwendung - vermeintlich wirksamer - Betriebsvereinbarungen erfolgen, ist für die Entstehung einer betrieblichen Übung kein Raum (vgl. etwa - BAGE 108, 299, 303, zu I 1 b der Gründe mwN).
4. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus der normativen Fortwirkung der BV 1976. Dabei konnte der Senat im Ergebnis dahinstehen lassen, ob die normative Fortwirkung der BV 1976 die Verschmelzung der Großbäckerei W B GmbH & Co. KG mit der W Brot B-Br GmbH & Co. KG Ende 1997/Anfang 1998 und die in diesem Zusammenhang erfolgte Zusammenlegung der beiden Be Betriebe überdauerte oder ob die Ansprüche aus der BV 1976 damals nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis des Klägers transformiert wurden. In beiden Fällen wurden die Rechtspositionen des Klägers durch die BV 2002 wirksam abgelöst.
a) Die normative Geltung von Betriebsvereinbarungen ist sowohl räumlich als auch zeitlich grundsätzlich auf den Betrieb begrenzt, dessen Belegschaft der die Betriebsvereinbarung abschließende Betriebsrat repräsentiert. Deshalb endet sie regelmäßig, wenn ein Arbeitnehmer in einen anderen Betrieb versetzt wird. Dies gilt allerdings nicht ausnahmslos. So können - ua. - Regelungen in Sozialplänen in ihrer normativen Wirkung die Betriebszugehörigkeit überdauern (vgl. Kreutz GK-BetrVG 7. Aufl. § 77 Rn. 379; DKK-Berg 9. Aufl. § 77 Rn. 48; Fitting 22. Aufl. § 77 Rn. 163). Bleiben etwa die Belegschaft eines Betriebs oder Teile derselben in den Diensten des bisherigen Arbeitgebers und werden lediglich in einen anderen Betrieb übernommen, verliert der Sozialplan für diese Arbeitnehmer nicht seine normative Wirkung (vgl. - BAGE 35, 160, 168, zu II 3 der Gründe; - 1 ABR 9/02 - AP BetrVG 1972 § 21a Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 3, zu B II 2 a der Gründe). Dem stehen die Entscheidungen des - 4 AZR 77/86 - BAGE 55, 154, 167 f.) und vom (- 1 ABR 54/01 - BAGE 102, 356, 370, zu B III 2 b ee der Gründe) nicht entgegen. Sie betrafen Fälle des Betriebsübergangs. Dort liegt es nahe, dass die Betriebsparteien - in Fällen fehlender Betriebsidentität - den neuen Arbeitgeber nicht mit normativer Wirkung binden können.
b) Hiernach wirkte die BV 1976 idF vom jedenfalls bis zu der Verschmelzung der Großbäckerei W B GmbH & Co. KG mit der W Brot B-Br GmbH & Co. KG Ende 1997/Anfang 1998 und der in diesem Zusammenhang erfolgten Zusammenlegung der beiden Be Betriebe normativ für das Arbeitsverhältnis des Klägers. Insbesondere behielt sie anlässlich des Betriebsübergangs im Jahr 1987 ihre normative Wirkung. Damals blieb die Betriebsidentität erhalten. Im Übrigen wurde ein zusätzlicher Geltungsgrund durch die Betriebsvereinbarung vom geschaffen. Am wurde die BV 1976 wirksam modifiziert. In dieser Fassung wirkte sie auch weiterhin auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ein, nachdem dieser vom Betrieb S in den Betrieb Be versetzt worden war. Dies ergibt sich aus dem Interessenausgleich und Sozialplan vom . Darin ist für Versetzungen aus dem Betrieb S in das Land Br - und damit auch in den Betrieb Be - ausdrücklich vereinbart, dass die Betriebsvereinbarungen ihre Gültigkeit behalten, "bis sie durch eine andere Betriebsvereinbarung beim neuen Arbeitgeber ersetzt werden". Hierzu gehört auch die BV 1976. Die Wirksamkeit der Regelung über die Fortgeltung ua. der BV 1976 begegnet keinen Bedenken. Sie diente der Abmilderung der mit der Versetzung andernfalls verbundenen - im Verlust der Ansprüche aus der BV 1976 - liegenden Nachteile. Es handelte sich nicht um eine unzulässige Regelung zu Lasten eines anderen Arbeitgebers. Die sich aus dem Interessenausgleich und Sozialplan vom ergebenden Verpflichtungen trafen vielmehr die Arbeitgeberin, die bei der Versetzung dieselbe blieb. Der normativen Fortwirkung der BV 1976 steht auch nicht etwa die im August 1995 zwischen der Großbäckerei W B GmbH & Co. KG und dem für den Betrieb S im April 1995 neu gewählten Betriebsrat getroffene Vereinbarung entgegen. Diese führte lediglich zu einer geringfügigen Absenkung der Provisionssätze, nicht aber zur Beendigung der Fortwirkung der BV 1976. Zu welchem genauen Zeitpunkt der Kläger in den Betrieb Be versetzt wurde, ist deshalb unerheblich.
c) Ob die BV 1976 auch noch über die Verschmelzung der Großbäckerei W B GmbH & Co. KG mit der W Brot B-Br GmbH & Co. KG Ende 1997/Anfang 1998 und die damit verbundene Zusammenlegung der Be Betriebe hinaus wegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG weiterhin normativ auf das Arbeitsverhältnis des Klägers einwirkte oder ob etwa mit der Verschmelzung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. § 324 UmwG eine Transformation der kollektiven Ansprüche in das Arbeitsverhältnis des Klägers stattfand (vgl. zu der Problematik insbesondere - AP BetrVG 1972 §112 Nr. 154 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 1, zu C I der Gründe mwN; - 4 AZR 208/97 - BAGE 89, 193, 198 ff., zu 2 der Gründe; Kreßel BB 1995, 925, 928 f.; Düwell in Beseler/Düwell/Göttling Arbeitsrechtliche Probleme bei Betriebsübergang, Betriebsänderung, Unternehmensumwandlung 2. Aufl. S. 290 f.), konnte im Streitfall dahinstehen. Jedenfalls wurden die Rechtspositionen des Klägers durch die BV 2002 wirksam abgelöst. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt im Streitfall nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern das Ablösungsprinzip zur Anwendung.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats löst eine neue Betriebsvereinbarung über denselben Regelungsgegenstand die Regelungen der älteren Betriebsvereinbarung auch dann ab, wenn diese für den Arbeitnehmer günstiger waren (vgl. etwa - 1 AZR 573/01 - BAGE 103, 187, 192 f., zu I 2 a der Gründe mwN). Falls daher weiterhin die BV 1976 iVm. dem Interessenausgleich und Sozialplan vom die Provisionsansprüche des Klägers normativ regelte, konnte diese durch die BV 2002 abgelöst werden. Im Übrigen bestimmt im Streitfall der Interessenausgleich und Sozialplan vom auch ausdrücklich, dass die bisherigen Betriebsvereinbarungen so lange ihre Gültigkeit behalten, bis sie durch eine neue Betriebsvereinbarung ersetzt werden.
bb) Falls anlässlich der Verschmelzung und der Zusammenlegung der Be Betriebe gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB eine Transformation der Ansprüche aus der BV 1976 in das Individualarbeitsverhältnis des Klägers stattgefunden hat, ergibt sich nichts anderes. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Rechte aus einer Betriebsvereinbarung, die im Zuge eines Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden, vor einer Ablösung durch eine spätere Betriebsvereinbarung im Erwerberbetrieb nicht in weiterem Umfang geschützt, als wenn sie kollektivrechtlich weitergegolten hätten. Sie sind nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB einer Neuregelung durch eine ablösende Betriebsvereinbarung zugänglich (vgl. - 1 AZR 604/02 - BAGE 108, 299, 304, zu I 2 b der Gründe; - 1 AZR 619/00 - BAGE 98, 323, 332 f., zu A II 1 a der Gründe).
cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die BV 2002 wirksam.
(1) Allerdings ist nicht jede ablösende, für die Arbeitnehmer ungünstigere Betriebsvereinbarung zulässig. Sie darf höherrangiges Recht nicht verletzen. Auch muss eine ablösende Betriebsvereinbarung, die in bereits bestehende Besitzstände eingreift, die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit wahren (vgl. - BAGE 103, 187, 192 f., zu I 2 a der Gründe; - 1 AZR 419/03 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 77 = EzA KSchG § 2 Nr. 51, zu B II 4 a der Gründe).
(2) Hiernach begegnet die BV 2002 keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
(a) Eine Verletzung von höherrangigem Recht, insbesondere von § 75 Abs. 1 BetrVG, ist nicht ersichtlich.
(b) Die BV 2002 verletzt auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Durch sie wurde nicht in bestehende Besitzstände eingegriffen. Soweit sich die Provisionsansprüche der "Westfahrer" aus der normativen Fortgeltung der BV 1976 iVm. dem Interessenausgleich und Sozialplan vom oder aus deren Transformation in die Einzelarbeitsverhältnisse ergaben, besaßen die Arbeitnehmer keine rechtlich geschützte Position auf die künftige Beibehaltung dieser Ansprüche. Sie hatten diese Ansprüche für die Zukunft nicht bereits teilweise durch ihre Arbeitsleistung erdient oder eine rechtlich geschützte Anwartschaft erworben und konnten berechtigterweise nicht darauf vertrauen, dass eine Reduzierung der Provisionsansprüche für die Zukunft ausgeschlossen ist. Da es sich bei den Provisionen um Leistungen handelt, welche die Beklagte lediglich auf Grund einer freiwilligen Betriebsvereinbarung oder deren Transformation nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB schuldete, mussten die Arbeitnehmer mit der Möglichkeit der Reduzierung dieser Leistungen rechnen.
Im Übrigen hielte die BV 2002 entgegen der Auffassung des Klägers einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand. Sie war geeignet, erforderlich und angemessen, um das von den Betriebsparteien angestrebte Ziel einer Vereinheitlichung der Provisionsregelung für alle im Betrieb Be beschäftigten Frischdienstfahrer zu erreichen oder ihm zumindest nahe zu kommen. Dies gilt auch dann, wenn die durch die arbeitsvertragliche Einheitsregelung geschaffenen Rechtspositionen der "Ostfahrer" nicht betriebsvereinbarungsoffen sein sollten. Sollte im Einzelfall die Provision eines "Ostfahrers" nach der BV 2002 geringer sein als nach der arbeitsvertraglichen Einheitsregelung, wäre dieser "Ostfahrer" nicht auf den Anspruch nach der Betriebsvereinbarung beschränkt; er behielte seinen höheren Anspruch nach der arbeitsvertraglichen Einheitsregelung. Zwar könnte in diesem Fall die von den Betriebsparteien mit der BV 2002 angestrebte Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen der im Betrieb Be beschäftigten Verkaufsfahrer nicht vollständig erreicht werden. Dies führt aber entgegen der vom Landesarbeitsgericht vertretenen Auffassung nicht zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung. Der Umstand, dass einzelne Arbeitnehmer günstigere einzelvertragliche Rechtspositionen besitzen, hindert die Betriebsparteien nicht an einer die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer im Übrigen vereinheitlichenden Regelung.
(c) Die am geschlossene BV 2002 wirkt auf den zurück. Das ist zulässig. Die Arbeitnehmer konnten berechtigterweise nicht darauf vertrauen, dass die Provision im Januar 2002 auf jeden Fall noch nach der bisherigen Rechtslage geleistet und für diesen Monat keine Änderung durch Betriebsvereinbarung vorgenommen wird. Nachdem die BV 1976 von der Beklagten bereits am zum gekündigt worden war und danach Verhandlungen über eine Neuregelung zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat geführt wurden, konnte die Belegschaft berechtigterweise nicht davon ausgehen, dass eine im Laufe eines Monats vor der Fälligkeit und der Auszahlung der monatlichen Provision abgeschlossene Betriebsvereinbarung sich keine Rückwirkung auf den 1. des Monats beimessen werde.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2005 S. 2698 Nr. 49
DAAAB-93394
1Für die Amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein