BAG Beschluss v. - 1 ABR 23/03

Leitsatz

[1] 1. Der Normzweck eines Sozialplans wird nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht nur durch einen Ausgleich, sondern schon durch die Milderung der den Arbeitnehmern auf Grund der Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile erreicht.

2. Hat der Betriebsrat den Spruch der Einigungsstelle zur Aufstellung eines Sozialplans mit der Begründung angefochten, dessen Gesamtvolumen sei zu gering, muss er darlegen, dass der Sozialplan seinen gesetzlichen Zweck nicht erfüllt, weil er nicht einmal eine substantielle Milderung der Nachteile vorsieht.

3. Ein Ermessensfehler der Einigungsstelle liegt auch bei Unterschreitung der Grenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht vor, wenn andernfalls das Sozialplanvolumen für das Unternehmen wirtschaftlich nicht vertretbar wäre. In diesem Zusammenhang kann es auf die Möglichkeit eines sog. Berechnungsdurchgriffs auf Konzernobergesellschaften ankommen.

Gesetze: BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 2; BetrVG § 112 Abs. 5; BetrVG § 111; BetrVG § 76 Abs. 5 Satz 4; BetrVG § 75 Abs. 1; BGB § 139; ZPO § 256 Abs. 1

Instanzenzug: ArbG Hamburg 11 BV 8/01 vom LAG Hamburg 4 TaBV 1/02 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines von der Einigungsstelle beschlossenen Sozialplans.

Die Arbeitgeberin ist ein Tochterunternehmen der B. (AG & Co.). Zu dem von dieser geleiteten Konzern gehören fünf weitere Unternehmen. Die B. (AG & Co.) ist ihrerseits eine Tochtergesellschaft der H. GmbH & Co. Holding.

Die Arbeitgeberin unterhielt am sog. K. Terminal des Hamburger Freihafens einen Betrieb zum Frachtumschlag und zur Lagerung von Containern und massenhaftem Stückgut. Sie beschäftigte im Jahr 2000 etwa 100 Arbeitnehmer, davon rund 60 Hafenarbeiter. Am teilte sie dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige, das Kaiumschlaggeschäft einzustellen und künftig nur noch Lagerflächen zu vermieten und zu verpachten. Mit wenigen dafür benötigten Ausnahmen wolle sie die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer kurzfristig kündigen.

Am führte die mittlerweile eingerichtete Einigungsstelle einen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten herbei. Danach sollten der Kaiumschlagbetrieb zum eingestellt und fast alle 100 Arbeitsplätze abgebaut werden. Ende Dezember 2000 kündigte die Arbeitgeberin die Arbeitsverhältnisse der meisten ihrer Arbeitnehmer zum . Von diesen erhoben etliche Kündigungsschutzklage und machten Ansprüche auf vorläufige Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG geltend. Etwa zehn der Anspruchsteller wurden daraufhin unregelmäßig in anderen Konzernunternehmen beschäftigt.

Am wurde durch Spruch der Einigungsstelle gegen die Stimmen der Beisitzer des Betriebsrats ein Sozialplan beschlossen. Er enthält auszugsweise folgende Regelungen:

"§ 1

Geltungsbereich

Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer im Sinne von § 5 BetrVG unter Ausschluss der in § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG genannten Personen, die am in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis mit (der Arbeitgeberin) standen, soweit sie von personellen Maßnahmen infolge der Betriebsänderung gemäß Interessenausgleich vom betroffen sind/sein werden.

...

§2

Beendigung von Arbeitsverhältnissen; Abfindung

1. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis infolge der Betriebsänderung seitens (der Arbeitgeberin) betriebsbedingt gekündigt wurde oder wird, oder die wegen der o.g. Maßnahme einen Aufhebungsvertrag schließen werden, erhalten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.

2. Die Abfindung errechnet sich nach folgender Formel:

Betriebszugehörigkeit x Monatsvergütung x 0,32 (Multiplikator)

a) Bei Arbeitnehmern, die im Jahre 1955 oder früher geboren sind, jedoch bei Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist noch nicht das 53. Lebensjahr vollendet haben, sowie für Arbeitnehmer, die bei Ablauf der für sie maßgeblichen regulären tariflichen Kündigungsfrist das 61. Lebensjahr vollendet haben, beträgt der Multiplikator 0,25.

b) Bei Arbeitnehmern, die nach dem Jahre 1955 geboren sind, beträgt der Multiplikator 0,15.

...

3. Für schwerbehinderte Arbeitnehmer erhöht sich der Abfindungsbetrag um DM 100,00 für jede 10 % des festgestellten Grades der Schwerbehinderung zum Beendigungszeitpunkt aufgrund der regulären tariflichen Kündigungsfrist bzw. zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages. Für die den Schwerbehinderten Gleichgestellten beträgt der zusätzliche Abfindungsbetrag einheitlich DM 500,00.

4. Die Abfindung erhöht sich für jedes unterhaltsberechtigte Kind des Arbeitnehmers (entscheidend ist die Eintragung in der Lohnsteuerkarte, ggfls. anteilig) um DM 500,00.

...

7. Aufgrund des Weiterbeschäftigungsbegehrens gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG nach Ablauf der maßgeblichen regulären tariflichen Kündigungsfrist ohne Gegenleistung erfolgte Netto-Zahlungen werden in Höhe von 50 % auf den Abfindungsbetrag angerechnet, maximal bis zu einer Höhe von 50 % der Gesamtabfindung.

..."

Mit einem am beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Betriebsrat den Spruch der Einigungsstelle angefochten. Er hat die Auffassung vertreten, der Spruch überschreite die Grenzen des der Einigungsstelle eingeräumten Ermessens und verstoße gegen höherrangiges Recht. Ermessensfehlerhaft habe die Einigungsstelle bei der Bemessung des Sozialplanvolumens allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Arbeitgeberin und nicht auf die des Konzerns abgestellt. Statt dessen sei ein sog. Berechnungsdurchgriff auf die Konzernobergesellschaften geboten gewesen. Die Konzernmutter habe in der Vergangenheit bei unternehmerischen Entscheidungen mehrfach keine angemessene Rücksicht auf die Belange der Arbeitgeberin genommen, etwa beim Verkauf des früher von dieser betriebenen Containerumschlags an eine Schwestergesellschaft und bei der unter Wert liegenden Verrechnung bestimmter Leistungen an andere Konzernunternehmen. Ermessensfehlerhaft sei auch das Fehlen von Regelungen über das Schicksal der betrieblichen Altersversorgung. Rechtsfehlerhaft seien die Stichtagsregelung für die Geltung des Sozialplans, die solche Arbeitnehmer ausnehme, die zuvor selbst gekündigt hätten, die Höhe der Zuschläge für Kinder und für das Bestehen einer Schwerbehinderung und die Anrechnung von Arbeitsvergütungen auf die Abfindungen nach § 2 Nr. 7 des Sozialplans.

Der Betriebsrat hat beantragt

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle bei der Arbeitgeberin vom den Sozialplan betreffend unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Volumen des Sozialplans gehe bereits über das für sie und die B. (AG & Co.) wirtschaftlich vertretbare Maß hinaus. Für einen Berechnungsdurchgriff auf die H. fehle es an den nötigen tatsächlichen Voraussetzungen. Zum einen habe diese ihre - der Arbeitgeberin - unternehmerischen Geschicke nicht geführt. Zum anderen seien ihr von dort immer wieder Mittel zugeflossen, ohne die sie längst nicht mehr am Markt hätte tätig sein können. Der Sozialplan enthalte auch keine rechtswidrigen Regelungen.

Die Vorinstanzen haben den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt dieser sein Feststellungsbegehren weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Bemessung des Sozialplanvolumens durch die Einigungsstelle ist nicht ermessensfehlerhaft. Die Regelungen des Sozialplans werden dessen Funktion als Ausgleich oder Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer noch gerecht. Als rechtsfehlerhaft erweist sich lediglich die Regelung in § 2 Nr. 7 des Spruchs.

I. Der Antrag des Betriebsrats bedarf hinsichtlich seines Umfangs der Klarstellung. Seine Formulierung könnte die Annahme nahe legen, der Betriebsrat wolle nur die gänzliche Unwirksamkeit, nicht aber als ein minus ggf. auch eine Teilunwirksamkeit des Sozialplans festgestellt wissen. Ein solches Verständnis würde dem Begehren des Betriebsrats jedoch nicht gerecht. Zwar bringt dieser als Haupteinwand gegen den Sozialplan dessen Unterdotierung vor, die zur Unwirksamkeit des gesamten Regelungswerks führen würde. Daneben richten sich seine Angriffe aber auch gegen Einzelregelungen - etwa die Festlegung des Stichtags und die Anrechnung von Vergütungen auf Abfindungen -, deren Rechtswidrigkeit jeweils für sich betrachtet nicht notwendig die Unwirksamkeit aller übrigen Regelungen zur Folge haben muss. Dabei wird aus dem gesamten Vorbringen des Betriebsrats, insbesondere aus seinen Schriftsätzen vom und deutlich, dass er die Unwirksamkeit der angegriffenen Einzelbestimmungen auch dann festgestellt wissen will, wenn er auf diese Weise nicht den gesamten Sozialplan zu Fall bringen kann.

II. Der Antrag des Betriebsrats ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

1. Der Antrag ist auf das Nichtbestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten gerichtet. Der Betriebsrat möchte festgestellt wissen, dass die Einigung über den Sozialplan durch den Spruch der Einigungsstelle nicht wirksam ersetzt worden ist.

Das Feststellungsbegehren ist dafür die zutreffende Antragsart. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle gem. § 76 Abs. 5 BetrVG hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs und nicht seine Aufhebung zu beantragen ( - BAGE 101, 203, 207, zu B II 1 der Gründe mwN).

2. Der Betriebsrat besitzt das erforderliche Feststellungsinteresse. Dieses fehlt entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin nicht deshalb, weil der Betriebsrat der Einigungsstelle keinen eigenen Entwurf des Sozialplans vorgelegt und sich auf diese Weise eines weitergehenden Einflusses auf dessen Inhalt begeben hat. Ungeschicktes Verhandeln führt nicht zum Verlust des Anfechtungsrechts nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG. Im Verfahren nach dieser Vorschrift geht es um Rechtskontrolle. Es ist darüber zu befinden, ob der Spruch der Einigungsstelle eine wirksame betriebliche Regelung darstellt. An der Klärung dieser Frage haben Arbeitgeber und Betriebsrat ein rechtliches Interesse unabhängig davon, ob sie die betreffende Regelung hätten verhindern können oder durch sie beschwert sind oder nicht ( - zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 2 der Gründe; - 1 ABR 66/98 - AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 67, zu B I der Gründe).

III. Der Antrag des Betriebsrats ist weitgehend unbegründet. Der Spruch der Einigungsstelle ist mit Ausnahme der Regelung in § 2 Nr. 7 des Sozialplans wirksam.

1. Die Einigungsstelle war zur Aufstellung eines Sozialplans zuständig. Die Arbeitgeberin hat eine Betriebsänderung in Form der Betriebseinschränkung und Betriebsteilstilllegung iSd. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG vorgenommen. Davon waren erhebliche Teile der Belegschaft iSd. § 111 Satz 1 BetrVG betroffen. Dies beurteilt sich nach den Anforderungen des § 17 Abs. 1 KSchG (st. Rspr., vgl. nur - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 34 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 27, zu II der Gründe). Danach müssen in einem Betrieb mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vH der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer entlassen werden. Das war hier der Fall.

2. Der Spruch der Einigungsstelle verstößt nicht gegen das dieser in § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG eingeräumte Ermessen. Danach hat die Einigungsstelle sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Diesen Anforderungen hat die Einigungsstelle bei der Bemessung des Gesamtbetrags der Sozialplanleistungen genügt.

a) Der Betriebsrat ist mit dem Vorbringen eines Ermessensverstoßes nicht nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG ausgeschlossen. Er hat den ihm zugeleiteten Spruch der Einigungsstelle rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen nach Erhalt gerichtlich angefochten.

b) Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle des von der Einigungsstelle ausgeübten Ermessens ist, ob die Regelung im Verhältnis zwischen den Betriebsparteien untereinander einen billigen Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Betriebsrat als Sachwalter der Belegschaft darstellt. Die gerichtliche Beurteilung bezieht sich allein auf die getroffene Regelung als solche. Eine Überschreitung der Grenze des Ermessens iSv. § 76 Abs. 5 Satz 4, § 112 Abs. 5 BetrVG muss in der Regelung selbst als Ergebnis des Abwägungsvorgangs liegen, nicht in den von der Einigungsstelle angestellten Erwägungen, sofern diese überhaupt bekannt gegeben worden sind. Ein rechtlich erheblicher Fehler iSv. § 76 Abs. 5 Satz 4, § 112 Abs. 5 BetrVG liegt nur vor, wenn sich die von der Einigungsstelle getroffene Regelung nicht als angemessener Ausgleich der Belange des Betriebs und Unternehmens auf der einen und der betroffenen Arbeitnehmer auf der anderen Seite erweist. Dagegen ist ohne Bedeutung, ob die von der Einigungsstelle angenommenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zutreffen und ihre weiteren Überlegungen frei von Fehlern sind und eine erschöpfende Würdigung aller Umstände zum Inhalt haben ( - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 161 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2 a der Gründe mwN).

Die Frage, ob die der Einigungsstelle gezogenen Grenzen des Ermessens eingehalten sind, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt. Es geht um die Wirksamkeit einer kollektiven Regelung, die von der Wahrung des der Einigungsstelle eingeräumten Gestaltungsrahmens abhängig ist. Insoweit gilt nichts anderes als für die gerichtliche Inhaltskontrolle von Betriebsvereinbarungen ( - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 161 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2 e aa der Gründe mwN).

c) Der Betriebsrat erblickt einen Ermessensfehler der Einigungsstelle darin, dass diese die Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des Sozialplans für die Arbeitgeberin nur auf deren Verhältnisse und nicht auf diejenigen des Konzerns bezogen habe. Mit diesem Hinweis hat der Betriebsrat einen Ermessensfehler nicht dargetan.

aa) Gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dient der Sozialplan dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Das Gesetz gibt dabei keiner der beiden Alternativen "Ausgleich" oder "Milderung" den Vorzug. Vielmehr stehen beide grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander. Ein Sozialplan muss deshalb nicht in erster Linie die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer möglichst vollständig ausgleichen, mit der Folge, dass nur dann, wenn dies nicht möglich erscheint, eine bloße Milderung ausreichend wäre. Dementsprechend besitzen die Betriebsparteien und die Einigungsstelle nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Auffassung im Schrifttum einen weiten Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang sie die Nachteile einer Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen wollen (vgl. dazu nur - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 142 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 108, zu III 1 a der Gründe mwN; - 10 AZR 578/93 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 89 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 80, zu II 3 der Gründe; - 1 ABR 23/87 - BAGE 59, 359, 365, zu B II 2 der Gründe; Fabricius/Oetker GK-BetrVG §§ 112, 112a Rn. 274 mwN; Annuß in Richardi BetrVG § 112 Rn. 101 mwN; Fitting BetrVG §§ 112, 112a Rn. 117). Sie können im Rahmen ihres Ermessens von einem Nachteilsausgleich gänzlich absehen und nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen ( - aaO).

Ein Sozialplan ist folglich nicht allein deswegen ermessensfehlerhaft, weil er nicht sämtliche mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile der Arbeitnehmer vollständig ausgleicht, obwohl dies dem Unternehmen wirtschaftlich möglich wäre. Allerdings darf er nicht den Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verfehlen, die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer zumindest zu mildern ( - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 103 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 86, zu II 2 a der Gründe).

bb) Aus dieser Funktion des Sozialplans ergeben sich Folgen für die Ober- und die Untergrenze der in ihm vorgesehenen Leistungen. Weil der Sozialplan einerseits in keinem Fall mehr als einen Ausgleich der mit der Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer bewirken soll, stellt der für den vollständigen Ausgleich dieser Nachteile benötigte Leistungsumfang den höchstmöglichen Sozialplanbedarf dar. Dieser ist damit zugleich die Obergrenze für die Bemessung der Sozialplanleistungen durch die Einigungsstelle nach § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Die sozialen Belange der Arbeitnehmer rechtfertigen in keinem Fall höhere Leistungen als sie ein vollständiger Ausgleich aller wirtschaftlichen Nachteile verlangt ( - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 161 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2 e cc (1) der Gründe mwN).

Weil der Sozialplan andererseits jedenfalls eine Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer bewirken soll, muss er - unter dem Vorbehalt seiner wirtschaftlichen Vertretbarkeit - zumindest so dotiert sein, dass seine Leistungen als eine solche "Milderung" angesehen werden können. Dazu genügt nicht bereits jede Leistung zugunsten der Arbeitnehmer, unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Wert. Es muss sich vielmehr im Verhältnis zu den mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteilen um eine "spürbare" Entlastung der Arbeitnehmer handeln. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verlangt eine substantielle Milderung der mit der Betriebsänderung einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile. Andernfalls sind die sozialen Belange der Arbeitnehmer iSd. § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nicht hinreichend berücksichtigt. Wo genau diese Untergrenze für Sozialplanleistungen verläuft, lässt sich nicht schematisch angeben, sondern kann nur mit Rücksicht auf die Verhältnisse im Einzelfall, insbesondere das Gewicht der die Arbeitnehmer treffenden Nachteile festgestellt werden. Auch die neuerdings für den Fall der betriebsbedingten Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen in § 1a Abs. 2 KSchG vorgesehene Höhe der Abfindung von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ist insoweit kein tauglicher Maßstab. Der mit dieser Regelung verfolgte Zweck einer Vermeidung von Kündigungsschutzklagen und die dafür erforderliche Anreizfunktion einer Abfindung spielen im Zusammenhang mit der Dotierung eines Sozialplans keine Rolle.

cc) Ergeben sich somit sowohl die Ober- als auch die Untergrenze des Volumens der Sozialplanleistungen aus dem Ausgleichs- bzw. Milderungsbedarf der Arbeitnehmer, so sind diese Grenzen entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens zu ermitteln. Dies kommt in § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG schon sprachlich zum Ausdruck, wo die sozialen Belange der Arbeitnehmer und die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen - anders als in § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG - nicht von vornherein auf dieselbe Ebene gestellt werden, und ist Folge des mit § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verbundenen Normzwecks: Der Ausgleichs- und Milderungsbedarf der Arbeitnehmer bemisst sich nach den ihnen entstehenden Nachteilen und nicht nach der Wirtschaftskraft des Unternehmens.

Der wirtschaftlichen Vertretbarkeit der aus dem Entlastungsbedarf der Arbeitnehmer folgenden Belastungen für den Arbeitgeber kommt in diesem Zusammenhang allerdings gemäß § 112 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 BetrVG eine Korrekturfunktion zu. Die Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung verlangt von der Einigungsstelle, von einem vollständigen Ausgleich aller wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer abzusehen, wenn dies den Fortbestand des Unternehmens gefährden würde. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung stellt damit eine zusätzliche Ermessensgrenze für die Einigungsstelle dar ( - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 161 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2 e der Gründe mwN). Ist der für angemessen erachtete Ausgleich von Nachteilen der Arbeitnehmer für das Unternehmen wirtschaftlich nicht vertretbar, ist das Sozialplanvolumen bis zum Erreichen der Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zu mindern.

Die gebotene Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens kann die Einigungsstelle sogar zum Unterschreiten der aus § 112 Abs. 1 Satz 2 folgenden Untergrenze des Sozialplans zwingen. Erweist sich auch eine noch substantielle Milderung der mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile als für das Unternehmen wirtschaftlich unvertretbar, ist es nach § 112 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 BetrVG zulässig und geboten, von einer solchen Milderung abzusehen.

dd) Für die gerichtliche Kontrolle der Sozialplandotierung durch die Einigungsstelle bedeutet dies, dass der Anfechtende die Überschreitung einer dieser Ermessensgrenzen dartun muss. Ficht etwa der Arbeitgeber den Sozialplan wegen Überdotierung an, so hat er entweder darzulegen, dass dessen Regelungen zu einer Überkompensation der eingetretenen Nachteile führen und deshalb schon die Obergrenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verletzen, oder dass sie jedenfalls die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen überschreiten. Sollte dies mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse allein des Arbeitgebers zu bejahen sein, liegt darin ein Ermessensfehler der Einigungsstelle freilich nur, falls nicht ein Berechnungsdurchgriff auf Konzernobergesellschaften rechtlich geboten ist (zu den insoweit für erforderlich gehaltenen Voraussetzungen und zum Meinungsstand im Schrifttum vgl. nur Annuß in Richardi BetrVG § 112 Rn. 145 f. mwN; Fabricius/Oetker GK-BetrVG §§ 112, 112a Rn. 311 f. mwN; Gaul DB 2004, 1498, 1502 mwN).

Ficht der Betriebsrat den Sozialplan wegen Unterdotierung an, so hat er darzulegen, dass dessen Regelungen die Untergrenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verletzen, weil sie nicht nur keinen Ausgleich, sondern nicht einmal eine substantielle Milderung der für die Arbeitnehmer entstandenen Nachteile darstellen. Erst wenn ihm darin zu folgen ist, stellt sich die Frage, ob eine Unterschreitung der Grenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG mit Rücksicht auf deren wirtschaftliche Unvertretbarkeit für das Unternehmen gerechtfertigt ist. Sollte dies mit Blick auf die Verhältnisse allein des Arbeitgebers zu bejahen sein, liegt ein Ermessensfehler der Einigungsstelle in diesem Fall nur dann vor, wenn statt der isolierten Betrachtung ein Berechnungsdurchgriff auf wirtschaftlich besser gestellte Konzernobergesellschaften geboten ist.

Hat die Einigungsstelle Regelungen getroffen, die sowohl eine substantielle Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer darstellen als auch für das Unternehmen wirtschaftlich vertretbar sind, so hat sie sich innerhalb des ihr gesetzlich eingeräumten Ermessens gehalten. Die gerichtliche Feststellung einer Unwirksamkeit der von ihr getroffenen Regelungen wegen Über- oder Unterdotierung des Sozialplans scheidet unter dieser Voraussetzung aus.

ee) Im Streitfall kommt es auf das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff auf Konzernobergesellschaften der Arbeitgeberin nicht an. Der von der Einigungsstelle beschlossene Sozialplan unterschreitet die Grenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht. Die in ihm vorgesehenen Leistungen stellen eine substantielle Milderung der mit der Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer dar.

(1) Bei der Bemessung der den Arbeitnehmern entstehenden Nachteile darf die Einigungsstelle pauschale und typische Annahmen zugrunde legen. Deshalb konnte sie hinsichtlich der Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt gem. § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG nach deren Alter differenzieren. Sie hat dementsprechend in § 2 Nr. 2 des Sozialplans vier Altersgruppen gebildet und diesen unterschiedliche Faktoren zur Berechnung vorgesehener Abfindungen zugeordnet. Die Abfindungen entsprechen dem Produkt aus der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Höhe der Monatsvergütung und einem "Multiplikator". Dieser beträgt für die Gruppe der 53- bis 60-Jährigen 0,32, für die Gruppe der 46- bis 52-Jährigen und die Gruppe der 61 und mehr Jahre alten Arbeitnehmer 0,25 und für die Gruppe der 45 und weniger Jahre alten Arbeitnehmer 0,15. Die Altersdifferenzierungen als solche erscheinen nicht unangemessen und werden vom Betriebsrat nicht in Zweifel gezogen.

(2) Die sich auf diese Weise errechnenden absoluten Abfindungsbeträge stellen trotz der relativ kleinen "Multiplikatoren" und auch angesichts einer möglicherweise längeren Zeit der Arbeitslosigkeit eine spürbare Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer dar. Dies beruht vor allem darauf, dass mit den geringen "Multiplikatoren" vielfach lange Beschäftigungszeiten einher gehen. So beträgt selbst in der Gruppe der weniger als 46 Jahre alten Mitarbeiter, für die der kleinste "Multiplikator" vorgesehen ist, die durchschnittliche Beschäftigungsdauer 15,61 Jahre. Bei einem durchschnittlichen Monatslohn iHv. 5.488,00 DM ergibt sich eine durchschnittliche Abfindungshöhe von 12.872,00 DM. Sie reicht aus, um bei einem geschätzten Nettolohn von 3.600,00 DM und einem danach zu erwartenden Arbeitslosengeld von monatlich etwa 2.200,00 DM den wirtschaftlichen Verlust von gut neun Monaten Arbeitslosigkeit finanziell auszugleichen.

Für die anderen Altersgruppen ergeben sich auf Grund der längeren Beschäftigungszeiten und höheren "Multiplikatoren" größere Abfindungssummen, so für die Gruppen der 46- bis 52-jährigen und 61 und mehr Jahre alten Arbeitnehmer durchschnittlich 31.367,00 DM, für die Gruppe der 53- bis 60-Jährigen durchschnittlich 49.127,00 DM.

(3) Angesichts dessen kann nicht davon gesprochen werden, der Spruch der Einigungsstelle habe die Untergrenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verletzt und die sozialen Belange der Arbeitnehmer iSv. § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nicht hinreichend berücksichtigt. Dazu hätte der Betriebsrat darlegen müssen, anhand welcher tatsächlichen Umstände, etwa angesichts gerade hier bestehender besonderer und untypischer Verhältnisse die Regelungen des Sozialplans im Streitfall nicht einmal als Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Betroffenen iSv. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sollten angesehen werden können. Solche Umstände sind seinem Vorbringen nicht zu entnehmen, auch nicht der in diese Richtung zielenden Beschwerdebegründung vom . So musste die Einigungsstelle nicht etwa davon ausgehen, dass ein Verlust des Arbeitsplatzes bei der Arbeitgeberin unumgänglich zu einer dauerhaften Arbeitslosigkeit der entlassenen Mitarbeiter führen würde, was möglicherweise Zweifel an der ausreichenden Milderungsfunktion des Sozialplans begründen könnte. Vielmehr erscheint die Annahme vertretbar, dass die Betroffenen naach einer gewissen Zeit einen anderen, und sei es einen geringer dotierten Arbeitsplatz finden können. Die Regelungen zur Ermittlung der Abfindungen in § 2 Nr. 2 des Einigungsstellenspruchs und das vor allem durch sie festgelegte Gesamtvolumen des Sozialplans halten damit der gerichtlichen Überprüfung stand.

d) Erfolglos greift der Betriebsrat den Sozialplan unter Hinweis auf die Regelungen in § 2 Nr. 3, Nr. 4 mit der Begründung an, die dort vorgesehenen Aufstockungsbeträge für das Bestehen einer Schwerbehinderung und das Bestehen von Unterhaltspflichten seien nicht geeignet, damit einhergehende Nachteile auch nur annähernd auszugleichen.

Die Einigungsstelle hat auch insoweit ihr Regelungsermessen nicht verletzt und das Gebot einer Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BetrVG beachtet. Zum einen darf die Einigungsstelle trotz dieses Gebots Pauschalierungen vornehmen, die typischen individuellen Situationen entsprechen. Zum anderen ist sie auch mit Blick auf Schwerbehinderung und Unterhaltspflichten nicht zu einem vollständigen Ausgleich der damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile verpflichtet. Angesichts der tatsächlich vorgesehenen Mehrbeträge kann nicht davon gesprochen werden, dass diese ungeeignet wären, auch nur eine Milderung der besonderen Nachteile im Einzelfall darzustellen. Vielmehr hat sich die Einigungsstelle auch bei der Berücksichtigung dieser Belastungen im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens gehalten.

e) Der Spruch der Einigungsstelle ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil er keine Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung enthält.

Die Einigungsstelle hat auch insoweit nicht das Gebot missachtet, die Gegebenheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Zwar ist in § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BetrVG als möglicher wirtschaftlicher Nachteil der Arbeitnehmer der Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung ausdrücklich aufgeführt. Daraus folgt der Auftrag an die Einigungsstelle, jedenfalls zu prüfen, ob entsprechende Verluste in einem Sozialplan Berücksichtigung finden sollen. Ein Ermessensfehler liegt aber nicht schon darin, dass entsprechende Regelungen nicht getroffen worden sind. Für die Betriebsparteien und die Einigungsstelle besteht keine Pflicht, Nachteile sämtlicher Kategorien auszugleichen oder zu mildern und dies etwa in jeweils eigenständigen Regelungen besonders kenntlich zu machen.

Es liegen keine Anhaltspunkte und auch kein Vortrag des Betriebsrats dafür vor, dass die Regelungen des Sozialplans angesichts der Höhe der durch den Untergang der Anwartschaften eingetretenen Verluste jedenfalls in der Zusammenschau mit den übrigen wirtschaftlichen Nachteilen der Arbeitnehmer keine substantielle Milderung mehr darstellen. Der Betriebsrat hat sich stattdessen auf den pauschalen Vorwurf der "Unvollständigkeit" des Sozialplans beschränkt. Ebenso fehlt es an Vorbringen dazu, dass etwa zwischen den einzelnen Betroffenen hätte differenziert und zumindest bei bestimmten Arbeitnehmern ein Ausgleich oder eine Milderung des Anwartschaftsverlustes hätte vorgesehen werden müssen.

3. Der Spruch der Einigungsstelle ist teilweise rechtsfehlerhaft.

a) Dies betrifft allerdings entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht die Stichtagsregelung in § 1 des Sozialplans. Danach gilt dieser nur für Arbeitnehmer, die noch am in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Arbeitgeberin gestanden haben.

Diese Beschränkung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot als Ausdruck der Grundsätze von Recht und Billigkeit iSd. § 75 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Die Einigungsstelle wollte erkennbar erreichen, dass nur solche Arbeitnehmer vom Sozialplan erfasst würden, deren Arbeitsverhältnis auf Grund der beabsichtigten Betriebsänderung beendet worden ist. Der dazu vorgesehene Stichtag erwiese sich nur dann als sachwidrig, wenn entweder die Arbeitgeberin schon vor diesem Datum im Hinblick auf die beabsichtigte Betriebsänderung Kündigungen ausgesprochen oder Aufhebungsverträge geschlossen hätte oder Mitarbeiter schon zuvor Eigenkündigungen erklärt hätten, die durch die bevorstehende Betriebsänderung veranlasst waren. Von beidem kann nicht ausgegangen werden. Zwar bringt der Betriebsrat vor, fünf Arbeitnehmer hätten Eigenkündigungen vor dem ausgesprochen. Er hat aber nicht dargelegt, dass dies durch die Arbeitgeberin veranlasst worden wäre.

Für eine solche Veranlassung ist erforderlich, dass der Arbeitgeber bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme er lediglich einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers zuvor. Ob das anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Der bloße Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen und die nicht auszuschließende Möglichkeit des Arbeitsplatzverlustes genügt nicht, um in diesem Sinne einen vom Arbeitgeber gesetzten Anlass anzunehmen ( - EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 6; - 1 AZR 80/02 - EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 4).

Hier hatte die Arbeitgeberin am lediglich gegenüber dem Betriebsrat und der Presse ihre Absicht kundgetan, ihr Personal erheblich einzuschränken. Gegenüber der Belegschaft selbst hat sie sich vor dem zu keiner Zeit in einer Weise geäußert, die die Arbeitnehmer zu der Annahme hätte führen müssen, sämtliche Arbeitsplätze würden auf jeden Fall verloren gehen. Die Arbeitnehmer konnten deshalb vor dem nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen, der Betrieb werde auf jeden Fall vollständig stillgelegt.

b) Unwirksam ist § 2 Nr. 7 des Sozialplans, wonach Nettovergütungen, die Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist deshalb bezogen haben, weil sie mit ihrem Weiterbeschäftigungsverlangen nach § 102 Abs. 5 BetrVG erfolgreich waren, zur Hälfte auf den Abfindungsbetrag angerechnet werden, wenn die Vergütung ohne Gegenleistung der betreffenden Arbeitnehmer wegen Annahmeverzugs der Arbeitgeberin erfolgt ist. Wurden die Arbeitnehmer dagegen tatsächlich weiterbeschäftigt, soll eine Anrechnung unterbleiben.

Diese Unterscheidung ist sachwidrig und verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG. Nach dem Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dient der Sozialplan der Überbrückung der - künftigen - Nachteile, die durch eine Betriebsänderung entstehen ( - BAGE 103, 321, 324, zu III 1 der Gründe mwN). Eine Sozialplanabfindung hat folglich keine Vergütungsfunktion. Unter dem Gesichtspunkt des Überbrückungszwecks macht es keinen Unterschied, ob Arbeitnehmer eine Vergütung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist mit oder ohne tatsächliche Arbeitsleistung erhalten haben. In wirtschaftlicher Hinsicht stehen sich beide Gruppen gleich. Auch haben beide ihre Arbeitskraft im Rahmen von § 102 Abs. 5 BetrVG angeboten, ohne dass sie Einfluss darauf gehabt hätten, wessen Angebot die Arbeitgeberin annimmt. Dass es die eine Gruppe schließlich "bequemer" hatte, weil sie Vergütung ohne tatsächliche Gegenleistung erhielt, ist ohne Einfluss auf den Umfang der entstandenen Nachteile.

Auch der Umstand, dass diese Gruppe keinen weiteren Beitrag zur Wirtschaftskraft des Unternehmens geleistet hat, ist unerheblich. Andernfalls würde der Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verfehlt. Die (ungeschmälerte) Abfindung bekäme teilweise Entgeltcharakter und würde funktionswidrig zur zusätzlichen Vergütung geleisteter Dienste.

c) Ist § 2 Nr. 7 des Sozialplans rechtswidrig, so haben die betreffenden Arbeitnehmer Anspruch auf eine ungeschmälerte Abfindung. Dies führt nicht dazu, dass deshalb das gesamte Regelungswerk unbeachtlich würde. Zwar bleibt bei einem Wegfall der Anrechnungsmöglichkeit eine entsprechende, von der Einigungsstelle möglicherweise kalkulierte Minderung des Gesamtvolumens des Sozialplans aus. Dies nötigt jedoch nicht zu einer Anpassung im Wege der gänzlichen Neuregelung. Selbst die mit einer Inhaltskontrolle des Sozialplans verbundene Ausdehnung des beschlossenen Finanzrahmens ist hinzunehmen, solange nur einzelne Arbeitnehmer höhere Ansprüche erlangen und die Mehrbelastung des Arbeitgebers im Verhältnis zum Gesamtvolumen nicht ins Gewicht fällt ( - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 9, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu III 1 der Gründe mwN; - 1 AZR 263/88 - BAGE 65, 199, 207, zu IV der Gründe). Um so mehr gilt dies für den Fall, dass eine in ihrer Realisierung von vornherein ungewisse Möglichkeit der Minderung des zunächst beschlossenen Gesamtvolumens des Sozialplans definitiv beseitigt wird.

Es kann deshalb dahinstehen, in welchem Umfang die Arbeitgeberin auf eine Entlastung ursprünglich überhaupt hat hoffen können und ob die Einigungsstelle bei einer Unwirksamkeit der Anrechnungsbestimmung in § 2 Nr. 7 des Sozialplans dessen (ungeschmälertes) Gesamtvolumen von etwa 2,5 Mio. DM entsprechend herabgesetzt hätte.

4. Die Unwirksamkeit von § 2 Nr. 7 des Sozialplans führt nicht nach § 139 BGB zur Unwirksamkeit seiner übrigen Regelungen.

a) Gem. § 139 BGB hat die Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts dessen Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Diese Vorschrift ist ihrem Rechtsgedanken nach auch auf Betriebsvereinbarungen anzuwenden ( - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 108 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 3 a aa der Gründe mwN). Die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen hat aber die Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung nur dann zur Folge, wenn der verbleibende Teil ohne die unwirksamen Bestimmungen keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr enthält ( - BAGE 97, 379, 387, zu B II 4 der Gründe; - 1 ABR 79/79 - BAGE 36, 14, 18, zu B II 1 der Gründe). Stellt sich dagegen der verbleibende Teil einer Betriebsvereinbarung als eine weiterhin sinnvolle und anwendbare Regelung dar, so kommt es für deren isolierte Weitergeltung auf einen möglicherweise entgegenstehenden Willen der Betriebsparteien regelmäßig nicht an. Dies folgt aus dem Normcharakter der Betriebsvereinbarung. Er gebietet es ebenso wie bei Tarifverträgen und Gesetzen, im Interesse der Kontinuität und Rechtsbeständigkeit der durch sie geschaffenen Ordnung diese soweit aufrechtzuerhalten, wie sie auch ohne den unwirksamen Teil ihre Ordnungsfunktion noch entfalten kann ( - AP BetrVG 1972 § 21a Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 3, zu B III 2 a der Gründe; - 1 ABR 53/79 - BAGE 35, 205, 221, zu B IV der Gründe mwN; Kreutz GK-BetrVG § 77 Rn. 61 mwN).

b) Hier stellt der Sozialplan auch ohne die unwirksame Bestimmung eine in sich geschlossene und sinnvolle Regelung dar. Weggefallen ist ausschließlich eine Möglichkeit für die Arbeitgeberin, die vorgesehenen Abfindungen um bestimmte Vergütungsbeträge zu mindern. Dadurch werden die übrigen Regelungen weder sinnlos noch unpraktikabel.

Fundstelle(n):
BB 2005 S. 1631 Nr. 30
DB 2005 S. 397 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 46/2005 S. 3891
ZAAAB-93297

1Für die Amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein