Einheitsbewertung des Grundbesitzes
Abgrenzung des Sachwertverfahrens vom Ertragswertverfahren bei Ein-/ und Zweifamilienhäuser
Soweit erkennbar hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom , II R 12/04 (NV, zur Veröffentlichung bestimmt) erstmals anschaulich beschrieben, wie die Frage der wesentlichen Unterscheidung im Sinne des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG als Tatbestandsmerkmal für die Anwendung des Sachwertverfahrens bei Ein-/Zweifamilienhäuser zu subsumieren ist. Die OFD nimmt dieses Urteil zum Anlass, die Abgrenzung des Sachwertverfahrens bei den Einfamilienhäusern unter Beachtung dieser Grundsätze zusammenzufassen und eine praxisgerechte Anwendung der o.a. Rechtsprechung zu fördern.
Ein- und Zweifamilienhäuser sind grundsätzlich im Ertragswertverfahren zu bewerten. Das Sachwertverfahren kommt zur Anwendung, wenn sich das konkrete Bewertungsobjekt durch besondere Gestaltung oder eine besondere Ausstattung – auch durch Zusammenwirkung beider Merkmale – wesentlich von den üblichen im Ertragswertverfahren zu bewertenden Ein- oder Zweifamilienhäusern unterscheidet. Die wesentliche Unterscheidung ist auf der Basis des Standards der Wohnqualität und der Wohnverhältnisse des Hauptfeststellungszeitpunkts zu untersuchen, weil diese zu den für die Durchführung der Einheitsbewertung weiterhin maßgebenden Wertverhältnissen gehören ( a.a.O.).
Als feststehende Merkmale, die als besondere Gestaltung eine wesentliche Abweichung begründen und damit die Anwendung des Sachwertverfahrens erforderlich machen, gelten:
Wohnflächen von mehr als 220 m2 (je Wohnung). Regelungen dazu sind der Bewertungskartei § 76 BewG, Gestaltung, Karte 3 zu entnehmen
Grundstücksgrößen von mehr als 2500 m2 (vgl. , BStBl 1971 II S. 797)
Schwimmbecken im Haus mit einer Wasserfläche von mindestens 40 m2 (Bew-Kartei a.a.O.)
Schwimmhalle auf dem Grundstück (Bew-Kartei a.a.O., (BStBl 1986 II S. 386)
In anderen Fällen ist in mehreren Subsumtionsschritten (vgl. a.a.O.) darüber zu entscheiden, ob die vom Gesetz geforderte wesentliche Unterscheidung vorliegt.
Im ersten Schritt sind die vorhandenen Unterschiede in Ausstattung und Gestaltung des Bewertungsobjekts gegenüber dem Ertragswertobjekt in seiner zum Hauptfeststellungszeitpunkt typischerweise vorliegenden Form auf zu zeigen und dabei zu werten, ob qualitativ ein Unterscheidungsmerkmal vorliegt.
Im zweiten Schritt ist darüber zu befinden, inwieweit die so bestimmten Unterscheidungsmerkmale in Ausstattung und/oder Gestaltung zu einer wesentlichen Unterscheidung beim Bewertungsobjekt führen.
Das Ertragswertverfahren stellt das Regelverfahren dar, nach dem die Masse der Einfamilienhäuser zu bewerten ist. Der Gesetzgeber ging dabei von der Überlegung aus, dass es sich bei diesen Häusern meist um kleine, einfach ausgestattete Wohngebäude oder serienmäßig hergestellte Siedlungshäuser handelt, für die regelmäßig Vergleichsmieten vorhanden sind (, BStBl 1978 II S. 523) Die Unterschiede in Ausstattung und Gestaltung des Bewertungsobjekts sind gegenüber diesem Gebäudetyp herauszuarbeiten.
Als Massenverfahren unterliegt die Einheitsbewertung bei der Bestimmung des gemeinen Werts vielfach Typisierungen, die nach der Rechtsprechung durchaus legitim sind. Insoweit muss auch hier ein Weg gefunden werden, die geforderten Subsumtionsschritte in ein wirtschaftliches Verwaltungshandeln zu kleiden. Gleichwohl handelt es sich sowohl bei dem Begriff „besondere Gestaltung” als auch bei dem Begriff „besondere Ausstattung” um unbestimmte Rechtsbegriffe, weswegen jede abweichende Sachverhaltsgestaltung einer konkreten Entscheidung bedarf. Dieser große Entscheidungsspielraum ist die Folge der vom Gesetzgeber bewusst gewählten Begriffe, die im Feststellungsverfahren anhand der jeweiligen Sachverhaltsmerkmale ausgefüllt werden müssen (vgl.: , NV). Nach Möglichkeit sind Entscheidungen auf der Basis der schriftlich oder mündlich eingehenden Informationen zu treffen. In Zweifelsfällen werden sich allerdings Ortsbesichtigungen nicht vermeiden lassen. Dabei können insbesondere die von Außen erkennbaren Merkmale (z.B.: Grundriss des Gebäudes, Fassaden-/Dachgestaltung, Außenanlagen) ohne großen Aufwand erhoben werden. Fotos sind dabei ein effizientes Hilfsmittel. Ggf. kann der Ermittlungsbeamte des Finanzamts eingesetzt werden.
Die Ausstattungs- und Gestaltungsmerkmale der o.a. genannten einfach ausgestatteten Wohngebäude (Standard 1964) sowie diesen gegenübergestellt die tatsächlich vorhandenen des Bewertungsobjekts vergleicht der Bearbeiter nach dem in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Schema. Dabei wertet der Bearbeiter die gegenübergestellten Merkmale nach der Maßgabe, ob es sich um eine ins Gewicht fallende Unterscheidung handelt. Die Gewichtung des Unterschieds kann sich auf den Ausstattungsbogen EW 206 bzw. EW 4 (Sachwertverfahren) stützen. Dabei stehen die Ausstattungsmerkmale der Spalten 4 – 6 für die Ausstattung: gut, sehr gut, aufwendig. Ein qualitativer Unterscheid („Unterschied fällt ins Gewicht”) bei dem einzelnen Ausstattungsmerkmal ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Ausstattungsstufe „gut” erreicht ist. Dies ist mit der bestehenden BFH-Rechtsprechung vereinbar, weil Vergleichsbasis die „einfach ausgestattete(n) Wohngebäude” darstellen. Bei den Gestaltungsmerkmalen Wohnfläche und Grundstücksgröße kann ein qualitativer Unterschied bei einer Abweichung von 20 % der in der Tabelle angegeben Werte bejaht werden. Das vorhandene Schwimmbecken stellt in jedem Fall einen qualitativen Unterschied dar.
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Ausstattung/Ges- taltung bei | Ausstattung/Gestaltung kleiner, einfach ausgestat- teter Wohngebäude oder serienmäßig hergestellter Siedlungshäuser im Jahre 1963/64 | Ausstattung/Gestaltung des
Bewer- tungsobjekts | Unterschied fällt ins Ge- wicht ja/nein (ggf. mit Bemer- kung) |
Außenverkleidung | Mauerwerk mit einfachem, glatten Putz oder Fugen- glattstrich und Anstrich; keine Wärmedämmung | ||
Fenster,
Jalousien und Rollläden | Einfachverglasung,
Klapplä- den | ||
Türen | glatte Türen oder Füllungs- türen; Türblätter und Zargen lackiert | ||
Fußboden in Räu- men | Holzdielen, Nadelfilz, einfa- cher PVC-Belag | ||
Decken und
Wände in Wohnräumen | einfacher
Putz, Deckenan- strich, ggf. Raufasertapete | ||
Sanitäre Installation | Einfaches Bad oder
Dusche, Wanne freistehend, Ölfarb- anstrich oder Fliesensockel (1,50 m) | ||
Küchenausstattung | keine integrierten
Einrich- tungsgegenstände | ||
Treppe | einfache Holztreppe,
Mas- sivtreppe mit Kunststoffbe- lag | ||
Heizung | Elektrospeicheröfen,
Zent- ralheizung mit einfachen Steuerungselementen; Rohrleitungen auf Putz, Rippenheizkörper; tlw. feste Brennstoffe | ||
Elektroinstallation | Eine Lichtquelle und ein bis zwei Steckdosen pro Raum; Leitungen teilweise oder ganz auf Putz; Sicherungs- kasten mit wenigen Einzel- sicherungen; ein Telefonan- schluss | ||
sonstiges | keine zusätzlichen Ausstat- tungen | ||
innere
architektoni- sche Gestaltung | rechteckige
Wohnräume; keine besondere innere Gestaltung | ||
äußere
architekto- nische Gestaltung | rechteckiger
Gebäudegrund- riss | ||
Wohnungsgröße | bis
150 m2 | tatsächliche
Wohnfläche | |
Zimmergrößen | Räume bis
25 m2, Bad
bis 10 m2 | tatsächliche
Raumgrößen Anzahl | |
Schwimmbecken, Sauna | nicht
vorhanden | Wasserfläche, Fläche
Saunabereich | |
Grundstücksgröße | bis
1500 m2 | tatsächliche Grundstücksgröße | |
Außenanlagen | einfach, geringe befestigte Flächen | befestigte Fläche |
Anschließend ist unter Betrachtung aller vergebenen Wertungen zu entscheiden, ob sich das Bewertungsobjekt insgesamt vom Standardtyp wesentlich unterscheidet. Regelmäßig ist dies zu bejahen, wenn die Hälfte der Einzelmerkmale einen Unterschied von Gewicht ausmacht.
Das Wertungsschema wird demnächst als Vorlage im Vorlagenordner zur Verfügung gestellt
Folgende Entscheidungsalternativen (zweiter Subsumtionsschritt; s.o.) bestehen anschließend:
Das Bewertungsobjekt weist eine Vielzahl an Ausstattungs-/Gestaltungsmerkmalen auf, in denen es sich von dem einfach ausgestatteten Wohngebäude nach dem Stand von 1964 durch einen gehobenen Standard beachtlich unterscheidet. In der Gesamtschau führen diese dazu, dass sich das Grundstück wesentlich von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern (bzw. Zweifamilienhäusern) i.S.d. § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG unterscheidet. Es muss deshalb im Sachwertverfahren bewertet werden. Sachliche oder persönliche Billigkeitserwägungen sind bei dieser Entscheidung bewertungsrechtlich ausgeschlossen (§ 20 BewG).
Das Bewertungsobjekt unterscheidet sich nicht wesentlich von dem einfach ausgestatteten Wohngebäude. Es kommt das Ertragswertverfahren zur Anwendung
Für die praktische Umsetzung des Verfahrens bei der Anforderung von Feststellungserklärungen bittet die OFD folgendes zu beachten: Regelmäßig werden für neu errichtete Wohnhäuser die sog. Fragebögen (EW 108 u.a.) versendet, um die Sachdaten des Objekts zu erheben. Diese bieten – abgesehen von Wohnfläche und Grundstücksgröße – kaum Informationen, die geeignet sind, die o.a. Abgrenzungsschritte nachzuvollziehen. Deshalb muss regelmäßig bereits im Zeitpunkt der Anforderung des Fragebogens entschieden werden, ob es sich bei dem Grundstück tendenziell um einen Sachwertfall handeln kann. Dann nämlich sind regelmäßig die Sachwerterklärungen (EW 1, 3, 4/03) zu versenden. Grundsätzlich geschieht dies für Gebäude mit Herstellungskosten ab 300.000 €. Ebenso sind die Sachwerterklärungen zu verwenden, wenn die Herstellungskosten je Quadratmeter Bruttogrundfläche 750 €, je Kubikmeter umbauten Raum 500 € oder je Quadratmeter Wohnfläche 1100 € übersteigen.
Bestehen Unsicherheiten beim Versand der Erklärung, reichen aber die Anhaltspunkte zur Verwendung der Sachwertvordruck nicht aus, soll dem Fragebogen EW 108 zusätzlich der Vordruck EW_106c (Word-Vorlage) hinzugefügt werden.
Diese Vorgehensweise gilt auch in Fällen der Überprüfung des Bestands in Folge baulicher Veränderungen; ggf. sind fehlerbeseitigende Fortschreibungen vorzunehmen.
Ist die Entscheidung zur Bewertung im Sachwertverfahren gefallen, nimmt der Sachbearbeiter die Wertermittlung an Hand der vorliegenden Feststellungserklärung vor. Als Hilfsmittel steht ihm die Vorlage EW206.xlt (Vorlagenordner, BSV) zur Verfügung, mit der der maßgebende Raummeterpreis ermittelt wird. Muss der Bearbeiter aufgrund der vorliegenden Unterlagen annehmen, dass damit eine zutreffende Gebäudewertermittlung nicht möglich ist, oder kommt es zu Einwendungen gegen den Feststellungsbescheid, wird der Bausachverständige hinzugezogen.
OFD
Koblenz v. - S
3199 A - St 35
5
Fundstelle(n):
AAAAB-92974