BFH Beschluss v. - VII B 291/05

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines Computer-Absturzes

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Bestellung als Steuerberater des alleinigen Geschäftsführers und Gesellschafters der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde im August 2002 gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) widerrufen. Die hiergegen erhobene Klage wurde abgewiesen; die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom beschließenden Senat als unzulässig verworfen (Senatsbeschluss vom VII B 9/04). Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) widerrief daraufhin nach vorheriger Ankündigung und Fristsetzung zur Stellungnahme und zur Herbeiführung eines dem Gesetz entsprechenden Zustandes die Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 50 Abs. 1, § 50a Abs. 1 Nr. 1 StBerG. Die hiergegen erhobene Klage begründete die Klägerin erstmals mit einem am Tag vor der mündlichen Verhandlung beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Telefax, beantragte die Verlegung des Termins und verwies auf bestehende Schwierigkeiten, einen neuen Geschäftsführer zu finden bzw. die Gesellschaftsanteile an einen Steuerberater zu veräußern, da über ihr Vermögen die vorläufige Insolvenzverwaltung (ohne Verfügungsverbot) angeordnet worden sei.

Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Die Beschwerdebegründung, welche sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt, ging erst nach Mitternacht des letzten Tages der Begründungsfrist per Telefax beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Die Klägerin hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die Frist für die Begründung der Beschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO), die der Vorsitzende des Senats antragsgemäß bis zum verlängert hatte (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO), versäumt hat. Der Begründungsschriftsatz ist per Telefax erst am beim BFH eingegangen. Der Eingangszeitpunkt bestimmt sich nach dem Uhrzeitaufdruck durch das Telefaxgerät des Gerichts (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 137/99, BFH/NV 2000, 1344, m.w.N.). Die Zeiteinstellung des Telefaxgerätes des BFH wird regelmäßig kontrolliert. Anhaltspunkte, dass die Zeiteinstellung im hier maßgeblichen Zeitpunkt unzutreffend war, sind nicht ersichtlich.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann der Klägerin nicht gewährt werden.

Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO ist im Fall der Versäumung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde der Wiedereinsetzungsantrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; das bedeutet, dass auch die den Antrag begründenden Tatsachen innerhalb dieser einmonatigen Frist schlüssig vorzutragen sind (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 36, 40). Erforderlich ist insoweit die vollständige Darlegung der Ereignisse, welche die unverschuldete Säumnis belegen sollen. Ein auf einen vorübergehenden „Computer-Absturz” gestützter Wiedereinsetzungsantrag bedarf daher vor allem näherer Darlegungen zur Art des Defekts und zu den getroffenen Maßnahmen zu seiner Behebung (, BFH/NV 2006, 787, m.w.N.).

An solchen Darlegungen innerhalb der Antragsfrist fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags lediglich vorgetragen, dass der Computer ihres Prozessbevollmächtigten am „versagt” habe, dass es „im Laufe des Nachmittags” während der Anfertigung der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde „zu mehreren Systemabstürzen” gekommen sei und dass trotz „Bemühungen” der Computer „erst im Laufe der Nacht” wieder betriebsbereit gewesen sei, weshalb der Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz erst kurz vor Mitternacht habe fertig stellen und per Telefax übersenden können. Dieses Vorbringen ist zu wenig substantiiert, um im Hinblick auf die Art des Computer-Defekts, den Zeitpunkt seines Eintritts sowie auf die ergriffenen Maßnahmen zu seiner Behebung und des Zeitpunkts der Beseitigung des Fehlers ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung ausschließen zu können.

Weitere Einzelheiten zum Versagen des Computers des Prozessbevollmächtigten und zu den Maßnahmen zur Fehlerbehebung hat die Klägerin erst nach Ablauf der einmonatigen Antragsfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO), vorgetragen. Selbst wenn man hierin eine zulässige bloße Vervollständigung ihres ursprünglichen Vorbringens sehen wollte, so wären auch diese ergänzenden Ausführungen zur schlüssigen Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nicht ausreichend. Es fehlen auch weiterhin Darlegungen dazu, welche in Betracht kommenden Maßnahmen, die Beschwerdebegründung ohne Computereinsatz zu verfassen, vom Prozessbevollmächtigten ergriffen worden sind bzw. weshalb solche Maßnahmen scheiterten oder von vornherein nicht Erfolg versprechend erscheinen mussten. Wenn —wie vorgetragen— sich die Systemabstürze am Nachmittag des ereigneten, so war für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Gefahr, den Schriftsatz mit dem Computer nicht rechtzeitig fertig stellen zu können, vorhersehbar und es bestand noch ausreichend Zeit und unter normalen Umständen auch die Möglichkeit, ein anderes Schreibmittel zu beschaffen (zumal es sich um einen Werktag handelte) oder den Schriftsatz notfalls handschriftlich zu verfassen. Zu diesen denkbaren Möglichkeiten, die Fristversäumnis zu vermeiden, enthält der Wiedereinsetzungsantrag keine Ausführungen.

Im Übrigen wäre die Beschwerde auch bei Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unzulässig, weil keiner der Gründe, die nach § 115 Abs. 2 FGO die Zulassung der Revision rechtfertigen, in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt worden ist. Die Beschwerde macht lediglich geltend, dass ihr von der Steuerberaterkammer keine ausreichend lange Frist zur Herbeiführung eines dem Gesetz entsprechenden Zustandes eingeräumt worden sei und dass das FG diesen Gesichtspunkt nicht zutreffend gewürdigt habe. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird mit diesem Vorbringen indes nicht schlüssig dargelegt. Ob die der Steuerberatungsgesellschaft gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 StBerG gesetzte Frist angemessen ist, ist eine Frage, die vom Tatrichter im Einzelfall zu beantworten ist. Welche klärungsbedürftigen und im Streitfall auch klärungsfähigen Rechtsfragen sich in diesem Zusammenhang stellen sollen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Für die Ansicht der Beschwerde, dass sich diese Frist an der nach § 55 Abs. 2 Satz 2 StBerG für den Erbfall (und ohnehin nur bezüglich der Voraussetzungen des § 50a StBerG) vorgeschriebenen Mindestfrist von fünf Jahren orientieren müsse, gibt die Vorschrift keinen Anhaltspunkt.

Auch einen Verfahrensmangel legt die Beschwerde nicht schlüssig dar, da sie keinen erheblichen Grund i.S. des § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung für die von ihr beantragte Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung aufzeigt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1876 Nr. 10
DAAAB-92947