Zur Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die ambulante Pflege eine Heilberuf ähnlich ist
Gesetze: EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1, EStG § 18 Abs.1 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache beantragt, ist das Rechtsmittel unbegründet (dazu unter 1.); im Übrigen ist es unzulässig (dazu unter 2.).
1. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom IV B 62/04, BFH/NV 2006, 543, Nr. 1; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 23, m.w.N.). Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen, sodass Unsicherheit in der Beantwortung der Rechtsfrage besteht (vgl. Senatsbeschluss vom IV B 135/01, BFH/NV 2004, 783; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 28).
a) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die ambulante Pflege einem Heilberuf ähnlich ist, ist danach nicht mehr klärungsbedürftig. Der Senat hat entschieden, dass häusliche Pflegehilfe i.S. des § 36 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI), die sich nur auf die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung erstreckt, keine Ausübung eines Heilberufs ist; das gilt allerdings nicht für die häusliche Krankenpflege i.S. des § 37 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), die im Einzelfall Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung umfassen kann ( BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509; , BFH/NV 2005, 1865, jeweils m.w.N.).
Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen. Die Klägerin hat keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine erneute Prüfung und Entscheidung erforderlich machten. Mit der steuerlichen Beurteilung häuslicher Krankenpflege i.S. des § 37 SGB V einerseits und häuslicher Pflegehilfe i.S. des § 36 SGB XI andererseits hat sich der BFH in den vorgenannten Entscheidungen auseinander gesetzt. Soweit die Klägerin vorträgt, dass Pflegeleistungen selbst nach einem Krankenhausaufenthalt nicht mehr nach SGB V von den Kassen bezahlt würden, rechtfertigt dies eine erneute höchstrichterliche Entscheidung nicht, zumal weder vorgetragen noch sonst erkennbar ist, in welchem Umfang im Streitfall derartige Pflegetätigkeiten stattgefunden haben.
Im Übrigen hat das Finanzgericht (FG) seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass die Klägerin eine den Anforderungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Genüge leistende eigenverantwortliche Tätigkeit nicht nachgewiesen hat. Weil die dagegen von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen nicht durchgreifen (dazu unter 2.c), fehlt es auch an der Klärungsfähigkeit (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 31).
b) Eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt auch nicht wegen der Rechtsfrage in Betracht, ob die Anknüpfung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. d des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) an eine Übernahme der Pflegekosten durch die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe in mindestens 40 % der Fälle dann gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn ein Pflegedienst durch Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI gebunden ist. Zwar hat die Klägerin geltend gemacht, das könne zur Übernahme der Pflege solcher Personen in einem für die Steuerbefreiung schädlichen Umfang führen, bei denen beispielsweise wegen bestehender Beihilfeansprüche eine überwiegende Kostenübernahme durch Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe nicht erfolge; hinzu komme, dass die Vergütungen im Ergebnis ohne Belastung mit Gewerbesteuer und Umsatzsteuer vorgesehen seien, was im Ergebnis zu einer unzureichenden Vergütung der von den Sozialversicherungen und daran anknüpfender Institutionen entgoltenen Leistungen führe. Im Streitfall lässt sich jedoch weder den Feststellungen des FG entnehmen noch hat die Klägerin dargelegt, dass das Unterschreiten der 40 %-Grenze auf den Abschluss des Versorgungsvertrages zurückzuführen ist. Die Rechtsfrage ist daher nicht klärungsfähig.
2. Im Übrigen ist die Beschwerde unzulässig.
a) Die Klägerin hat eine Divergenz nicht ausreichend dargelegt. Eine zu einer Zulassung der Revision wegen Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO führende Abweichung liegt nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als u.a. der BFH oder der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 53, m.w.N.). Zur Darlegung einer Divergenz ist es erforderlich, in der Beschwerdeschrift abstrakte Rechtssätze des erstinstanzlichen Urteils herauszustellen, die mit tragenden Rechtssätzen der Entscheidung eines anderen Gerichts nicht übereinstimmen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschluss vom IV B 23/04, BFH/NV 2006, 51).
Daran fehlt es. Selbst wenn man davon absieht, dass die Klägerin keine einander widersprechenden abstrakten Rechtssätze herausgearbeitet hat, wird nicht erkennbar, worin eine die Divergenz begründende Abweichung liegen soll. Die Darlegung vermeintlicher Ungereimtheiten der steuerrechtlichen Regelungen genügt dafür ebenso wenig, wie die Behauptung einer unterschiedlichen Sichtweise des (BFH/NV 2003, Beilage 1, 30) einerseits und des Senatsurteils in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509 andererseits. Denn der EuGH in BFH/NV 2003, Beilage 1, 30 unterscheidet ebenfalls zwischen Behandlungspflege einerseits und Grundpflege sowie hauswirtschaftlicher Versorgung andererseits (Nr. 40 ff. des Urteils). Im Übrigen ist diese Entscheidung —worauf das FG zutreffend hingewiesen hat— zur Umsatzsteuer ergangen.
b) Hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensmangels der unzureichenden Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) kann die Klägerin nicht mehr gehört werden. Denn bei einem solchen verzichtbaren Verfahrensmangel geht das Rügerecht nicht nur durch ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung verloren, sondern auch durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung —ZPO—; vgl. u.a. Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 543, Nr. 3, m.w.N.). Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung, das laut diktiert und genehmigt wurde, wurde die Sach- und Rechtslage mit der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten erörtert; diese haben sich rügelos zur Sache eingelassen und ihre Klageanträge gestellt. Damit hat die Klägerin ihr Rügerecht verloren.
c) Ein Verfahrensmangel ergibt sich auch aus dem Vortrag der Klägerin nicht, das FG habe eine unzureichende Darlegung des Umfangs ihrer heilhilfsberuflichen Tätigkeit angenommen, obwohl sie einen Pilotenkoffer voller Akten und eine Klappkiste mit Personalunterlagen zur mündlichen Verhandlung mitgebracht und angeboten habe, sich mit der Qualifikation und den Dienstzeiten der Mitarbeiter zu befassen, was das FG abgelehnt habe.
Zwar kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegen, wenn das FG entscheidungserhebliche Unterlagen nicht zur Kenntnis nimmt (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 96 Rz. 28). Auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs gehört jedoch zu den verzichtbaren Verfahrensmängeln, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu rügen sind (Senatsbeschluss vom IV B 185/03, BFH/NV 2005, 2224, Nr. 3 d). Die Klägerin hat aber weder vorgetragen, welche entscheidungserheblichen Feststellungen sich ihrer Auffassung nach aus den angebotenen Unterlagen ergeben hätten, noch warum sie ggf. die behauptete Ablehnung des FG, die Unterlagen entgegenzunehmen, nicht gerügt hat.
Fundstelle(n):
GAAAB-92638