Bürgschaftsprovisionen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder als sonstige Einkünfte
Leitsatz
Es ist ernstlich zweifelhaft i. S. des § 69 FGO, ob ein an Kapital- bzw. Personengesellschaften Beteiligter dadurch Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. des § 15 Abs. 2 EStG erzielt, dass er von diesen Gesellschaften Provisionen für die Übernahme von insgesamt 24 Bürgschaften gegenüber kreditgewährenden Banken erhält. Die Provisionseinnahmen könnten (teilweise) auch als Gewinnanteile i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Sonderbetriebseinnahmen) oder als verdeckte Gewinnausschüttungen i. S. des § 20 EStG oder als sonstige Einkünfte i. S. des § 22 EStG anzusehen sein.
Gesetze: EStG § 15 Abs. 2, EStG § 22; BGB § 607
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war seit Mitte der neunziger Jahre als Mehrheitsgesellschafter an der B-KG (KG) und der B-GmbH (GmbH) beteiligt. Beide Gesellschaften waren seit 1994 als Projektentwickler und Bauträger tätig. Für 12 Projekte dieser Gesellschaften gab der Antragsteller —neben der banküblichen Sicherung durch Eintragung von Grundschulden— insgesamt 24 Bürgschaftserklärungen gegenüber verschiedenen finanzierenden Banken ab. Das Bürgschaftsvolumen stieg von anfänglich 6,4 Mio. DM (1994) auf 109 Mio. DM (Ende 1999). Insgesamt verbürgte sich der Antragsteller bis 2004 für Darlehensverbindlichkeiten der „B-Gruppe” gegenüber Banken in Höhe von rund 300 Mio. DM. Nach dem Beitritt eines Finanzinvestors und der Gewährung von Gesellschafterdarlehen durch diesen konnten neue Projekte ohne persönliche Bürgschaften der (Alt-)Gesellschafter finanziert werden.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) betrachtet die Bürgschaftsprovisionen als Einkünfte eines eigenständigen Gewerbebetriebs des Antragstellers. Nach Auffassung des Antragstellers sind die Einnahmen hingegen Einkünfte i.S. des § 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 1999 bis 2002 ist ein Klageverfahren beim Finanzgericht (FG) anhängig. Einen diese Jahre betreffenden Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung (AdV) hat das abgelehnt. Auch einen Antrag nach § 69 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat das Gericht mit Beschluss vom zurückgewiesen.
Im Streitjahr 2003 hat das FA die Avalprovisionen des Antragstellers ebenfalls als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gewertet und im Bescheid vom Gewerbesteuer festgesetzt. Über den dagegen erhobenen Einspruch hat das FA bislang noch nicht entschieden. Den gleichzeitig gestellten AdV-Antrag hat das FA mit Bescheid vom , bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom , abgelehnt.
Auch das FG hat die Vollziehung des Gewerbesteuerbescheides vom nicht ausgesetzt. Der Antragsteller habe gewerbliche Einkünfte erzielt. Eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liege auch dann vor, wenn sich der Steuerpflichtige nur an einen begrenzten Abnehmerkreis wende, der sich ggf. auch aus dem eigenen Firmenkreis des Unternehmens rekrutieren könne (, BFHE 156, 218, BStBl II 1989, 572). Diese Voraussetzung habe der Antragsteller erfüllt. Dies belege allein die Höhe seiner Einnahmen aus den Bürgschaftsgarantien. Trotz seiner Beteiligung an den Gesellschaften, zu deren Gunsten er die Bürgschaftsverpflichtungen eingegangen sei, handle es sich insoweit um ihm fremde Marktteilnehmer. Zudem sei stets auch der Gläubiger der verbürgten Forderung an dem Bürgschaftsvertrag beteiligt. Diesem seien seine Tätigkeit und seine Bereitschaft, in weiteren Fällen Bürgschaften zu übernehmen, ebenfalls bekannt geworden.
Dass die kreditgewährenden Banken eine Bürgschaft des Antragstellers gefordert haben, sei für die Annahme einer gewerblichen Betätigung ohne Bedeutung. Zudem stünden die Provisionen nicht in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Gesellschafterstellung des Antragstellers.
Entgegen der Auffassung des (Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 603) sei die gewerbsmäßige Übernahme von Bürgschaften nicht ausschließlich Kreditinstituten vorbehalten. Auch sei nicht erforderlich, dass sich ein gewerbsmäßiger Bürge von seinem Kunden, für den er eine Bürgschaft übernehme, bankmäßige Sicherheiten einräumen lasse.
Die hohe Anzahl der eingegangenen Bürgschaftsverpflichtungen gegenüber verschiedenen Banken, die in der Regel ausreichende Absicherung der finanzierenden Banken durch Grundpfandrechte und die aufgrund des Umfangs des Bürgschaftsvolumens offensichtlich nicht ausreichende Bonität entspreche auch nicht dem typischen Bild der privaten Vermögensverwaltung, sondern für eine Teilnahme am Markt, mithin für eine gewerbliche Betätigung des Antragstellers.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde wendet sich der Antragsteller nicht nur gegen die rechtliche Würdigung des FG, sondern trägt auch vor, er habe im finanzgerichtlichen Verfahren eine Vermögensaufstellung zum eingereicht, nach der sein Privatvermögen —ohne GmbH-Beteiligung— 77,9 Mio. DM betragen habe. Das Bürgschaftsvolumen zu diesem Zeitpunkt in Höhe von 77,7 Mio. DM sei durch dieses Vermögen abgedeckt gewesen.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung des Gewerbesteuerbescheides 1993 vom auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist begründet; zu Unrecht hat das FG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gewerbesteuerbescheides vom verneint.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines Verwaltungsakts ganz oder teilweise gemäß § 69 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (z.B. , BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622; seit , BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182 ständige Rechtsprechung).
2. Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel, ob der Antragsteller einen eigenen Gewerbebetrieb unterhalten hat.
a) Soweit die KG —wie das FG angenommen hat— gewerblich als Projektentwickler und Bauträger tätig war, handelt es sich bei den von dieser Gesellschaft an den Antragsteller gezahlten Bürgschaftsprovisionen um Sonderbetriebseinnahmen. Diese erhöhen —der Begriff des Darlehens i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG erfasst nicht nur Darlehen i.S. von § 607 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sondern jede Überlassung von Kapital zur Nutzung, z.B. auch die Übernahme einer Bürgschaft für Verbindlichkeiten der Personengesellschaft (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl., § 15 Rz 594)— die Einkünfte der Mitunternehmerschaft aus Gewerbebetrieb und somit den Gewerbeertrag der KG.
Gleiches würde auch hinsichtlich der von der GmbH geleisteten Avalprovisionen gelten, wenn die GmbH-Beteiligung und die damit in Zusammenhang stehenden Vermögenspositionen Bestandteil des Sonderbetriebsvermögens der KG gewesen wären (vgl. Senatsurteil vom X R 36/02, BFHE 210, 124, BStBl II 2005, 707).
b) Handelt es sich hingegen —wie vom Antragsteller im Schriftsatz vom vorgetragen— bei der KG um eine vermögensverwaltende Gesellschaft mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sind die von der KG gezahlten Avalprovisionen keine Sonderbetriebseinnahmen des Antragstellers und somit nicht in die Einkünfteermittlung der Gesellschaft einzubeziehen. Eine entsprechende Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG auf Überschusseinkünfte kommt nicht in Betracht (, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510).
c) Auch sofern der Antragsteller die GmbH-Anteile im Privatvermögen gehalten hat bzw. die Avalprovisionen von einer lediglich vermögensverwaltenden KG bezahlt wurden, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gewerbesteuerbescheides. Denn es ist unsicher, ob die Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen zugunsten der GmbH und der KG gegenüber kreditgewährenden Banken das für die Feststellung eines Gewerbebetriebs i.S. von § 15 Abs. 2 EStG erforderliche Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfüllt.
aa) Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht betrieben wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Beteiligung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs, noch als eine andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG). Zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist, dass die jeweilige Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet.
Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nichtsteuerbaren Sphäre sowie anderen Einkunftsarten andererseits, ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist.
bb) Es ist fraglich, ob der Antragsteller am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen hat. Hierfür genügt es, dass der Steuerpflichtige mit Gewinnerzielungsabsicht nachhaltig am Leistungs- oder Güteraustausch teilnimmt und sich an eine —wenn auch begrenzte— Allgemeinheit wendet und dadurch für außenstehende Dritte zu erkennen gibt, dass er ein Gewerbe betreibt. Nicht erforderlich ist, dass er seine Leistungen einer Mehrzahl von Interessenten anbietet (Senatsurteil in BFHE 156, 218, BStBl II 1989, 572).
Zwar ist die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr im Streitfall nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Avalprovisionen von Gesellschaften bezahlt wurden, an denen der Antragsteller beteiligt ist. Auch die Tatsache, dass die gewerbsmäßige Übernahme von Bürgschaften ein Bankgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 8 des Kreditwesensgesetzes (KWG) ist und die gewerbsmäßige Übernahme von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG einer —vom Antragsteller nicht eingeholten— schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt bedarf, schließt im Streitfall die Annahme gewerblicher Einkünfte des Antragstellers nicht aus. Andererseits kann nicht allein aus dem Volumen der eingegangenen Bürgschaftsverpflichtungen die Gewerblichkeit der Tätigkeit des Antragstellers abgeleitet werden.
Es sprechen gewichtige Gründe dafür, dass der Antragsteller die Bürgschaften nicht in seiner Eigenschaft als Marktteilnehmer, sondern als Gesellschafter erbracht hat, der zudem als Geschäftsführer Einfluss auf die Geschäfte der Gesellschaften nehmen und dadurch die Risiken seiner Verpflichtung übersehen konnte. Angesichts der derzeit bekannten Umstände ist fraglich, ob ein Marktteilnehmer bereit gewesen wäre, ohne Stellung von Sicherheiten die persönliche Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaften zu übernehmen. Nicht tragfähig ist in diesem Zusammenhang die Annahme des FA, die Übernahme der Bürgschaften sei nicht im Interesse der Gesellschaften erfolgt, sondern allein im Hinblick auf die Vergütung, weil auch die Gesellschaften den kreditgewährenden Banken Sicherheiten zur Verfügung gestellt haben. Aus der von der X-Bank vorgelegten Bescheinigung vom ergibt sich das Gegenteil. Voraussetzung für die Kreditgewährung in diesem Fall war die Übernahme einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Höchstbetragsbürgschaft durch den Antragsteller. Offen bleiben kann, ob die Bank auch ohne Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung durch die von der GmbH gestellten Sicherheiten ausreichend abgesichert gewesen wäre. Zutreffend weist der Antragsteller im Schriftsatz vom darauf hin, dass die kreditgebende Bank bestimmt, welche Sicherheiten sie für erforderlich hält.
Auch die Tatsache, dass der Antragsteller nach Beitritt des Finanzinvestors keine Bürgschaften zur Absicherung der kreditgewährenden Banken mehr übernommen hat, spricht dafür, dass er die Verpflichtungen nicht lediglich im Hinblick auf die ihm von den Gesellschaften zu zahlenden Avalprovisionen eingegangen ist. Andernfalls wäre er trotz der erheblichen Stärkung der Eigenkapitalbasis der Gesellschaften auch weiterhin Bürgschaftsverpflichtungen gegenüber den kreditgebenden Banken eingegangen.
Die Frage, ob der Antragsteller jederzeit die von ihm eingegangenen Bürgschaftsverpflichtungen hätte bedienen können, kann offen bleiben. Sie ist für die Entscheidung, ob der Antragsteller gewerbliche Einkünfte oder aber Einkünfte i.S. des § 22 EStG erzielt hat, aus Sicht des Senats ohne Bedeutung.
3. Sollten die weiteren Ermittlungen im Hauptsacheverfahren ergeben, dass der Antragsteller Bürgschaftsverpflichtungen gegenüber anderen Banken ohne entsprechende Auflage lediglich im Hinblick auf die von der Gesellschaft zu zahlende Vergütung eingegangen ist, wäre im Übrigen auch die Frage zu prüfen, ob hierin —soweit die Avalprovision von der GmbH bezahlt wurde— nicht eine verdeckte Gewinnausschüttung zu sehen ist.
4. Das Gericht macht die AdV nicht von einer Sicherheitsleistung durch den Antragsteller abhängig (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO). Die Gefahr, dass bei einem für den Antragsteller ungünstigen Verfahrensausgang Steuerausfälle entstehen, ist aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erkennbar und wurde vom FA auch nicht vorgetragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1837 Nr. 10
VAAAB-92620